Israel, Palästina

Israel, Palästina. Dieser Essay wird demnächst in etwas erweiterter Form veröffentlicht. Für Rückmeldungen und Kritik bin ich aufgeschlossen.

   Michael Daxner

Essay, auf Basis eines Vortrags vom 13.12.2024 an der Universität Innsbruck

                                                                                                              Für Marion Näser-Lather und

                                                                                                              Tom Koenigs

 „Inter- und Transkulturalität“ war der Vortragstitel am 13.12.2024[1] in Innsbruck, er verweist schon auf einen Hauptstrang der Argumentation in diesem Essay. Große Übereinstimmung mit Marion Näser in Wissenschaft und Kommunikation, und sehr komplizierte Umgangsprobleme mit dem Thema haben mich seit Monaten mit Blick auf diesen Essay beschäftigt. Im Sommersemester habe ich ein Seminar zur Geschichte Israels von 1895 bis zum 6. Oktober 2023 mit einer Handvoll Studierender durchgeführt, davor hatte ich im Februar einen Vortrag zum Thema in Wien gehalten[2] und mich in meinem Blog[3] mit den Problemen auseinandergesetzt, ohne mich in die dauernde Kommentierung der Kommentare einzubringen. Mit den wenigen noch lebenden Freundinnen und Freunden in Israel bin ich in ständigem Kontakt[4], und mit etlichen jüdischen Kontakten in Deutschland und Österreich bin ich ebenso zum Thema verbunden wie kontrovers im Diskurs, mit nichtjüdischen Menschen selbstverständlich auch. Diese Diskurslandschaft allein wäre schon ein wichtiger Rahmen oder aber der Inhalt für den Essay, und den zur Grundlage dienenden Vortrag. Ich könnte aber auch die Einleitung des Essays damit anlegen, die Ursachen, Anlässe und Gründe für die gegenwärtige Situation übersichtlich aufzuzählen und kurze Hinweise auf Zusammenhänge, Kontingenzen und Personalisierung geben, spannend genug. Beides für sich und gemeinsam würde aber dem Essay und dem zugrunde liegenden Vortragfür das Seminar nicht gerecht und man bräuchte ein Zeitmaß wie das von Karl Kraus, um das Thema zu bewältigen. In diesen Tagen über Israel und den Nahen Osten zu sprechen, ist ein eigenes wissenschaftliches Feld, und wollte man zu Definitionen und Ausgangspositionen kommen, die auf Verständnis und Interesse stoßen, müsste man schon deshalb weit ausholen, weil viele etwas wissen und nicht vieles wissen, und das ist eine wirkliche Hemmschwelle für den Diskurs. Obwohl es gar nicht nur um Wissen geht.

Einfache Fragen, schwierige Antworten

Können wir erklären, warum es den Schritt vom Judenstaat zum Jüdischen Staat gegeben hatte, und was das nicht nur impliziert, sondern auch bewirkt hatte?

  • Natürlich gibt es dazu eine Unmenge Literatur. Aber schon von den Begriffen können wir verstehen, dass es in einem Judenstaat nur Juden gibt, im Jüdischen Staat aber neben der jüdischen Mehrheit auch nichtjüdische Minderheiten. Zugegeben, das ist eine retrospektive Erklärung. Außerdem war der Judenstaat eine nicht verwirklichte Vision, und den Judenstaat gibt’s lange Zeit nur als Planung, verwirklicht aber erst seit 1948, und dann sollte man „Staat“ betonen, „Jüdisch“ ein auswechselbares Attribut, das aber die Rhetorik der rechtsradikalen Regierungspartner heute in Richtung auf „Juden-“Staat bestimmt. Ungefähr so, wie viele Gegner Israels die Vorstellung haben, wenn man die Israelis=Juden ins Meer treibt, wird ein arabischer/muslimischer/ palästinensischer Staat/Staatsteil entstehen. Bleiben wir bei den Juden. In meiner Auslegung, v.a. der Wissenschaft, sind Juden/Jüdinnen ein ethnologischer Begriff, und „jüdisch“ ein interpretierbares moralisches, kulturelles, letztlich auch politisches Attribut. Wenn ich die jüdische Religion meine, muss ich das dazu sagen. Es gibt hier keinen Automatismus der normalisierten[5] Religionszugehörigkeit. Hier gibt es übrigens viele Analogien zwischen religiösen Juden und Arabern.

Wer sind die Juden, um die es geht? Wer sind die Palästinenser?

  • Dass nicht alle Israelis jüdisch sind, wissen mittlerweile viele, nicht alle. Um welche geht es – um die israelischen Staatsbürger jüdischer Abstammung, jüdischer Religion, oder um zugeordnete Personengruppen? Nicht lachen bitte: Seit langer Zeit gibt es jüdische Untergruppen, die anderen die Zugehörigkeit zum Judentum absprechen[6] …aber im Alltagsdiskurs ist die Frage, wer ist Jude, noch verwirrender, also wird sie geglättet.

Welche Rolle spielen die Religionen, die Weltanschauungen, die politischen Rahmenbedingungen? Welche Rolle spielen Zionismus, Antizionismus, Revisionismus, allein fürs Judentum?[7]

  • Diese Fragen kumulieren in allen möglichen Diskussionen zum Thema und entheben die jüdischen Menschen und das Judentum der Realitätsverpflichtung solcher Diskurse. Viele Vorurteile, nicht nur im Antisemitismus, entstehen durch die Ungenauigkeit der Vermeidung von Festlegungen, wonach „man wirklich frägt“. Ich kann das an einem Beispiel zeigen: anstatt von „jüdischen Deutschen“ zu sprechen, sagen viele „deutsche Juden“. Damit wird eine Eindeutigkeit simuliert, die es (natürlich) nicht gibt. Das hat über lange Zeit Kultur, Politik, Alltagsverständnis stark beeinflusst. Es kommt auch nicht zufällig , wird aber im Alltag nicht oberflächlich, schon gar nicht analytisch erklärt. Ich gehe auf keine Fragen und Begriffe ein, die sollten zusammenhängend erklärt und verstanden werden. Ganz einfach, zu einfach: Videos von jüdische Deutsche – deutsche Juden, bing.com/videos (17.12.2024).

Ich habe diese Fragen an den Anfang gestellt, um eine Brücke zwischen Alltagsfragen und Expertenantworten zu schlagen und deutlich zu machen, dass es hier um wichtige Aspekte geht und nicht einfach um den Konflikt zwischen Laien und Experten. Aber man kann natürlich auch anders fragen, man sollte nur immer deutlich machen, was das Thema der Fragestellung ist. Antisemiten nützen jede Unschärfe dieser Fragen aus, um ihr Judentum zu erschaffen.

Autobiographischer Einstieg

Es gibt vielfältige Zusammenhänge zwischen intellektueller und emotionaler Konstruktion der eigenen Identität. Ich komme später noch ausführlicher auf Eva Illouz zu sprechen, die das gut erklärt. Zunächst geht es mir aber darum deutlich zu machen, warum ich so und nicht anders das Thema behandle, nicht zuletzt, weil sich mein Judentum nicht als Selbstverständlichkeit in und aus einer unhinterfragten sozialen Struktur entwickelt. Dass ich als Jude zum Judentum übertreten musste, um jüdisch zu werden und so zu erscheinen, ist paradox. Gerade diese Paradoxie aber hat viele Jahrzehnte meines Lebens geformt. Darum möchte ich auch nicht in die thematisch variationenreiche jüdische Biographik einsteigen, die sich immer analog, manchmal sogar spannend, liest. Vielleicht sehen andere dies auch nur als Variation. Aber mir geht es um etwas anderes: was ich wurde und was mich heute kennzeichnet, ist nicht unwesentlich über die späte Akquisition meines Judentums entstanden, und ohne die nachaltige Bearbeitung der jüdischen Identität hätten andere Identitäten mehr Macht über mich bekommen. Ich beschreibe zunächst einige Aspekte aus meiner Biographie: Mein Großvater[8] Sigmund Berger (1885-1943) mütterlicherseits um die Jahrhundertwende jüdisch, er heißt ja auch Sigmund, studiert Pharmazie, konvertiert katholisch, um in Apotheken-Lizenz und Ehe mit einer christlichen Wienerin einzusteigen (1908), keine auffällige Religionsumwertung bei ihm. Konversion nützt ihm 1938 nichts, seine Geschichte ist einen Roman wert. Aber nach seiner Migration und seiner Misshandlung durch die Briten stand weniger das Judentum als seine Sicht familiärer Probleme im Vordergrund. Meine Mutter (1927-2022) hatte, ohne selbst aktiv katholisch zu sein, die Religiosität des Großvaters ebenso hervorgehoben wie der Familienhistoriker, mein Halbbruder Martin. Fragen: was ist ein Jude, war der Großvater jüdisch?

Die gleiche Frage an meinen leiblichen Vater: Itzhak, später Fritz Weimersheimer (1922-2011), ich frage auch nach seiner jüdischen Lebensqualität. Manche Biographien blenden sein Leben in Palästina und Österreich 1940-1948 aus[9], gerade diese Zeit aber ist entscheidend nicht nur für meine Existenz, sondern vorher für sein Überleben und die Geschichte meiner Nachkriegsfamilie[10]. Darüber schreibe ich jetzt nicht, aber die amerikanische Geschichte meines Vaters kenne ich sehr gut, war viel mit ihm und seiner dortigen Familie zugange, und das war so ein anderes „Jüdisch“ als in Europa in vielen Schichten gewesen, dass die Frage hier schon gesagt werden muss: was ist jüdisch?

Ich kann die Frage auch mit Namen beantworten, die mich über lange Zeiträume immer wieder begleiten: Hannah Arendt, Primo Levi, und mit ganz anderen Einsichten Jean Améry[11].

Aber bleiben wir bei einigen einfachen persönlichen Prämissen. Niemand hat nur eine Identität, und ob die jüdische wichtiger oder weniger wichtig gereiht wird, hat mit dem Lebenslauf der Person, ihren Aktivitäten und mit dem Druck, der auf sie ausgeübt wurde, zu tun. Unsinn, was Religion oder auch Rassismus verlangen, dass aus dem Judentum (oder einer anderen Ethnie) alle anderen Identitäten abgeleitet werden können und sollen. Das aber ist eine harte Barriere gegen die Freiheit – und ein Freibrief für eine Spielart des Antisemitismus, der sich zu entziehen für Betroffene schwierig ist.

*

Wenn Sie fragen, was das mit der Geschichte Israels zu tun hätte, haben Sie mit der Frage Recht. Mein Großvater ist paradigmatisch einer jener jüdischen Österreicher, die an Emigration oder Flucht vor 1938 gar nicht dachten – andere schon, da kann man historisch differenzieren. Und mein Vater durchlebte Palästina und das britische Mandat und die Realität vor der Staatsgründung und den Krieg gegen die Deutschen, bis er im wieder selbstständigen Österreich ankam: und da ist Geschichte drin, die heute kaum und schon gar nicht im Detail für Schulen, Gebildete, Zeitungsleser etc. zugänglich ist. Und dann will man den 7. Oktober 2023 verstehen.

Bevor man sich zur Geschichte Israels wendet

Aus vielen Gründen habe ich schon seit langem die Bücher der israelisch-französischen Wissenschaftlerin Eva Illouz gelesen und geschätzt. Sie ist jetzt aktuell mehrfach und bedenkenswert aufgetreten, aber mir geht es um besonderes Buch.[12] 2022 – also ein Jahr vor dem 7. Oktober 2023, erscheint ihr Buch „Undemokratische Emotionen“, und auch es wurde übersetzt vor diesem Datum. Mit einer im politischen Diskurs wie in der Wissenschaft seltenen Klarheit handelt sie die schrecklichen Bedingungen für die ebensolche Entwicklung von Netanjahu und seinen Faschisten ab, aber ohne übersteigerte subjektive Gefühlsausbrüche: das ist Wissenschaft, nicht politische Parteinahme. Sie handelt den Populismus Israels anhand von vier bestimmten Emotionen ab: „Angst, Abscheu, Ressentiment und Liebe“ (S.22). Sie handelt diese vier Phänomene wissenschaftlich ab, und die Einleitung davor ist die Lektion für alle, die sich ihrer Beurteilung der Situation zu sicher sind. „Wissenschaftlich“ heißt in diesem Fall auch eine nachvollziehbare Angabe von Quellen und Vorgaben. Ich habe das Buch in Ergänzung zu Delphine Horvilleur gelesen, die ihre persönliche Wandlung und Entwicklung seit dem 7. Oktober gut beschreibt: (Horvilleur 2024). Aus ihrer Praxis der rabbinischen Kommunikation kommt nach dem Ereignis ein Satz, den ich mir selbst überziehen kann: „Ich sage ihnen (Gesprächspartnern, MD) nicht, wie stark meine Paranoia geworden ist oder weshalb ich überall nur noch „Juden“ sehe. Keine jüdischen Menschen, sondern das Wort „Juden““(S.29). Wenn viele Intellektuelle und Politiker den 7. Oktober „für sich“ als Basis ihrer Kommentare nutzen, verstehen sie so gut wie nichts von der Geschichte, die zu diesem Moment der Weltgeschichte geführt. Aber lassen wir das einen Nebenschauplatz sein. Die vier Kategorien von Eva Illouz sind auf den ersten Blick verständlich, oder? Angst, Abscheu, Ressentiment…damit können wir unmittelbar etwas anfangen. Aber Liebe? Sie meint Liebe zu Israel, aber das ist nur ein Fragment. Der Topos geht auf das lateinische Amor patriae zurück, die Liebe zum Vaterland und die Liebe des Vaterlands zum Subjekt, zum „Staats-“Bürger. Israel musste erst ein Heimat/Vater/Mutter-Land werden, das diese Zuneigungsdialektik produzieren kann – andere waren da schon früher dran. Diese Amor patriae überbrückt tiefgreifende Differenzen, zwischen säkularen und religiösen, aschkenasischen und sephardischen, weltbürgerlichen und lokalwurzelnden „Juden“, die nicht durch eine bestimmte Definition von „jüdisch“ verbunden sind, sondern durch die Liebe zu Israel. Diese Liebe kann die Beziehung zwischen Menschen stören und zerstören. Und wenn jemand die vier Kategorien ausnützt, dann Netanjahu und seine Truppe.

Diese Argumentation ist übrigens nicht unmittelbar auf die arabischen oder palästinensischen Israelis und die nichtjüdischen Bewohner der Region zu übertragen, deren einigendes Band ist anders gestrickt, zum einen in der essentiellen Abneigung zu Israel (den Juden) nach der Nakba und den Kriegen, zum anderen nach den unscharfen religiösen und herkunftsbezogenen Abgrenzungen. Aber Amor patriae gilt auch dort.

Vor dem 7. Oktober

Nun ist es schon ein Jahr her, dass die Hamas Israel überfallen hat, dass Israel darauf geantwortet hat, und die Eskalation seither kennen Sie ja alle. Auch wissen Sie, dass in den meisten Ländern der Antisemitismus zugenommen hat und dass die Ursachenforschung bzw. ihr journalistisches Äquivalent für die gesamteuropäische Entwicklung von Faschismen ihre ersten Produkte auf den Markt bringt, wieder ein Berg an Literatur und Gedanken.

Mir ist die Vorgeschichte des 7.10.2023 wichtig, je nach Blickwinkel und Vorurteilen beginnt sie vor 4000 Jahren oder 1896 oder 1948 oder mit dem Aufstieg von Likud und Netanjahu … Man könnte auch verschiedene Ausgangspunkte für wahr nehmen und ihre Verknüpfungen beschreiben, und diese Wahrheiten – im Plural – sind dann nicht der höchste Maßstab unserer Bewertung. Beim Philosophen Omri Boehm ist es die Gerechtigkeit[13], aber insgesamt wird die Staatsgründung Israels auffällig anders gesehen als die meisten Staatsgründungen, v.a. die nach dem Zweiten Weltkrieg. Hat das etwas mit „den Juden“ zu tun? Jedenfalls waren die Vision und Initiative zur Staatsgründung des Judenstaates/jüdischen Staates erheblich älter die Shoah, obwohl diese seit den 50er Jahren als wichtig(st)es Element der Staatsgründung weit verbreitet ist. Andererseits ist die dauernde Umdeutung der Gründungsgeschichte nichts außergewöhnliches, denkt nur an Deutschland seit 1871 oder an Österreich nach 1918 bis zur Besetzung durch die Nazis und dann wieder nach 1945.

Was seit den ersten zionistischen Akten deutlich wird, sind drei Fakten:

  • Der zunehmende Konflikt zwischen jüdischer Einwanderung und Festsetzung vor allem mit den palästinensischen Bewohnern;
  • Die permanenten Interventionen kolonialer und postkolonialer (Welt)mächte in die vorstaatliche und staatliche Realität Israels;
  • Die nichthomogene Struktur sowohl des Judentums als auch der anderen Ethnien auf dem Gebiet von Palästina und Israel.

Alle drei Aspekte sind empirisch gut erforscht, reich an internen Widersprüchen und so differenziert, dass die jetzigen aktuellen Israel/Nahostdiskurse geradezu platt erscheinen, was taktisch schon wieder von vielen Akteursgruppen ausgenutzt wird.

Interne Widersprüche aller Gruppen müssen wenigstens in einigen Aspekten präsent sein, damit wir verstehen können, welche Kräfte sich wie durchsetzen: ich bleibe zunächst im Land und in der Region.

Die Jüdische Dimension:

  • Der staatszentrierte, überwiegend zionistische Grundansatz setzt sich, vor allem seit 1917, gegenüber dem soziokulturellen Ansatz der Revisionisten vor und nach der Staatsgründung durch und wird erst im Zuge der Auseinandersetzungen in den Kriegen und der Änderung der jüdischen Ethnizität schwächer, bis er sich auflöst;
  • Die überwiegende aschkenasische Dominanz in Politik, Ökonomie und Kultur wird erst spät durch die sephardischen Mehrheiten abgelöst, was wiederum mit dem Abbau des Zionismus korreliert; auch die Folgen weiterer Einwanderungen sind hier zu wenig konnotiert;[14]
  • Damit einher geht eine religiöse Radikalisierung, die mit der Umschichtung der Bevölkerung einhergeht. Das hat gegenwärtig starke Folgen für Politik, Kriegsgeschehen und interne Diskurse von Siedlern und Religiösen.

Die Palästinensische Dimension:

  • Andauernde Selbstdefinition in der Krise, v.a. ob der souveräne Staat Israel überhaupt als solcher anerkannt wird;
  • Analog zum jüdischen Israel wachsende Konflikte zwischen säkularer politischer Identität und wachsendem religiösen Einfluss, der Israel nicht anerkennt und sich auf die Folgen des Kriegs von 1948 und späterer Kriege beruft; Konflikt zwischen PLO und Hamas[15], Retrospektion der beiden palästinensischen Gebiete;
  • Zunehmende geschlossene Frontstellung gegen Israel, ob als Antwort oder genuin oder beides.

Übergreifende Akteure und Schauplätze:

  • Ohne die Kolonialgeschichte seit der türkischen Herrschaft, dann britischen Kolonialzeit und der jeweiligen externen Unterstützungen bzw. sekundären Feindschaften mit jüdischen Israelis und dem Staat Israel bzw. Muslimen, Palästinensern u.a. kann man den jetzigen Zustand nicht erklären, wobei die Abhängigkeit von Israel und den USA wechselseitig ist.
  • Die Achse Iran, Hizbollah, Huthi und der Schauplatz Libanon müssen sowohl zusammenhängend als auch kontingent analysiert werden;
  • Die internationalen Verbindungen sowohl pro- als auch anti- israelischen/palästinensischen/jüdischen/muslimischen/christlichen Akteursgruppen und ihrer Aktionsgebiete müssen genau differenziert werden. Viel Anti-Israelisches ist antisemitisch, aber nicht alles, und viel Arabisches ist auch antisemitisch, aber nicht alles, und hier findet ein internationaler Konflikt auf einer Metadiskursebene statt, besonders in Deutschland und Österreich, aber auch in den USA.

Es gibt zahlreiche zusätzliche Variablen, lassen wir sie jetzt einmal vor. Die Wirkung des 7. Oktober hat in diesem Jahr 2024 ein Aufbrechen der Diskurse erzeugt, die teilweise erschreckende, aber viel realistische Kritik an den wirklichen Ereignissen öffentlich gemacht hat.[16] Lange war die Vorgeschichte des 7.10. in Deutschland tabuisiert bzw. der Parteinahme untergeordnet. Deshalb ist es unerwartet wirkungsvoll, wenn im SPIEGEL vom 5.10. Thore Schröder die israelische Meinungsforscherin Scheindlin zitiert und anmerkt:

„…Scheindlin sagt, nach dem 7. Oktober habe Netanjahu zunächst geschockt gewirkt. Das Massaker nicht verhindert zu haben, war auch sein Versagen. Er hatte jahrelang Gelder aus Katar an die Hamas passieren lassen. Die stabile Herrschaft der Terrororganisation in Gaza war für ihn und seine rechtsextremen Partner eine Möglichkeit, die gemäßigtere Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland zu schwächen. Im März 2019, bei einem Treffen seiner Likud-Fraktion, soll er sinngemäß gesagt haben: „Wer die Gründung eines palästinensischen Staats verhindern will, muss die Unterstützung der Hamas und den Geldtransfer an die Hamas unterstützen.“ (Schröder 2024)[17]

Das ist ein Grund, warum Netanjahu bislang eine Untersuchung des Sachverhalts verhindert hat. Aber es ist auch ein Grund, warum die deutsche Quellenzurückhaltung und besondere Lagerbildung stattfinden: weil man als „Deutsche“ die Differenzierung zwischen der schutz- und anerkennungswürdigen Nation Israel und einer durchaus kritikwürdigen Regierung verweigert, was gerade an diesem Tag aufgebrochen wird. Die besondere Position Deutschlands und Österreichs mit Blick auf die NS-Vergangenheit und damit eine Begründung der Staatsgründung ist hochkontrovers, weil die Shoah zu Beginn des Staates Israel gerade nicht diese kausal abgeleitete Rolle gespielt hatte.[18] Und gerade, weil und wenn man, wie ich, die Existenz Israels als notwendig, vielleicht lebensnotwendig? erachtet, kann man sich nicht von den Schrecken abwenden, die im demokratischen Staat viel weniger ihren Platz haben als bei den Terroristen, z.B. beim grausamen Umgang der Israelis mit palästinensischen Gefangenen. Das ist schwer zu ertragen (Neier 2024),[19] aber man kann es nicht umgehen. Was die Hamas am 7. Oktober angerichtet hat, wird nicht verkleinert oder gegengerechnet. Das muss man nicht wie eine Gebetsformel dauernd vor sich hertragen und -sagen.

*

Ich hatte ja deutlich angekündigt, die Herkunft der jetzigen Situation zu thematisieren, das bedeutet mehr als nur das Geschehen auf der Zeitlinie darzustellen. Heute fällt es vielen oberflächlichen Beobachtern nicht schwer, die Bruchstellen der Entwicklung schon im Programm der frühen Zionisten und schon vor Balfour 1917 aufzuzeigen. Aber was es bedeutet, wenn sich die eine, erstmals stärkere westliche Gruppe aus der nicht erfüllten Emanzipation und Integration in einer Nation befreien wollte, und wenn sich die andere vor allem aus dem Osten kommende Gruppe der Identitätsbildung ohne Unterdrückung widmen wollte, das sollten wir schon rekonstruieren, nicht als Ausgangspunkte, sondern als Etappen einer Entwicklung, die zu keinem Zeitpunkt bruchlos und ohne Widerspruch sein konnte – wenn bedenkt, dass hier Weltkriege, Kolonialismus, Kulturkämpfe, ethnische, religiöse, kulturelle, ökonomische Konflikte stattfanden, die ja mit der Staatsgründung nicht in den Geschichtsbüchern kodifiziert wurden. Diese, teilweise weit zurückgehenden Überlegungen münden in die vier Qualitäten des Populismus, die ich bei Eva Illouz oben beschrieben habe. Nun bleibt Netanjahu nicht beim Populismus stehen. 

In vieler Hinsicht unterscheiden sich die Staatsgründungen der Neuzeit in wesentlichen Aspekten weniger als die nationalen Geschichtspolitiken behaupten. Denken wir doch daran, wie sich das Deutsche Reich nach 1871 entwickelte, festigte und selbst nach 1989 noch nicht als wiedervereinigtes Deutschland gänzlich zur Ruhe gekommen ist. Dagegen ist Israel eine junge Staatsnation, mit der Besonderheit, die einzige nationale Heimstatt für jüdische Menschen zu sein anzustreben. Die dahinter stehenden Vorstellungen sind idealistisch und politisch (vgl. Jukic 2024)[20]. Meine Zusammenfassung dazu ist, dass damit „civic“ (i.S. von bürgerlich-republikanisch) und „ethnic“ Qualitäten über das Judentum verbunden würden.

Diese Besonderheit hatte lange Zeit eine Mehrheit in der zionistischen Staatsideologie gefunden, die seit Anbeginn Nebenwidersprüche bekämpfen oder marginalisieren musste. Nach der Staatsgründung allerdings zählten die globalen Bedingungen demokratischer Staatlichkeit mehr denn je.

Gerade seit dem 7. Oktober 2023 bringt diese Geschichte alle Facetten wieder zum Vorschein, und es kommen damit die Widersprüche vor und nach der Staatsgründung wieder zu Wort. Damit auch die in verschiedenen Gesellschaften und Staaten unterschiedlichen anti-israelischen, antisemitischen, anti-arabischen etc. Vorurteile, die übergeordneten politischen Interessen eingeschrieben werden.

*

An dieser Stelle hätte ich eine Schlussformel zum Ende des Essays eingefügt.  vorgetragen. Nun wurde die Vorlesung aber von Anfang Oktober auf Mitte Dezember verschoben, und es ist die Gegenwart der Konfrontationen nicht beendet. Und seit einigen Tagen hat sich die Situation im Nahen Osten massiv verändert, Syrien ist nur das Zentrum einer weiter ausgreifenden Entwicklung. Ich enthalte mich in diesem Essay, wie auch im Vortrag, der Kommentierung von allzu gegenwärtigen Ereignissen und Handlungen. Das ist kein Zurückweichen vor Einsichten, Interpretationen und Vermutungen. Ich behaupte, dass man politisch nicht wirklich absehen kann, was jetzt wie sich entwickelt. Dass die Türkei an Gewicht und Macht gewonnen hat, Russland und der Iran diese verloren haben, Israel sich den Golan weiter aneignet, die Kurden unter Druck stehen, sind Splitter einer Installation, die noch in ihren Einzelteilen auf Eingriffe, Zugriffe, Aktion und Reaktion von sozialen und kulturellen Gruppen usw. warten bzw. diese selbst vorbereiten oder bremsen. Die demokratische Zuversicht mag größer sein als bei gescheiterten Demokratisierungen im Nahen Osten, aber wie gesagt, man sollte nicht spekulieren, wo das Bewusstsein und die Fakten schwanken. Dies ist ein Angriff der Wissenschaft auf die mediale Meinungsmache. Und deshalb an dieser Stelle angebracht, weil es zum Beispiel unsinnig und bösartig war, vor wenigen Wochen in Deutschland (CDU) die „Rückführung“ von Syrern zu fordern…Zurück zum Thema. Die Rolle von Israel, innen- wie außenpolitisch, wird sich verändern (müssen), aber wir wissen noch nicht wie.

Ich will als Überleitung eine mögliche Abschiedscoda einbauen. Viele Bekannte, Profikolleginnen und -kollegen, Freundinnen und Freunde kritisieren die Kritik an Netanjahu als unpassend oder unverhältnismäßig. Ich habe diese Kritik so zurückgewiesen, wie ich auch die Gleichsetzungen von Hamas, Islam, Palästinensern für unzutreffend halte. Aber ich will einer Kritik eine konfrontative Frage stellen: nehmen wir an, es hätte seit Jahren, jedenfalls seit länger als 2023, in Israel eine durchweg demokratische Regierung gegeben, mit der Avoda als stärkster Partei, mit Ha‘aretz als Leitmedium, mit engen Beziehungen zum demokratischen Westen und mit der historisch begründeten Abneigung gegen alle Staaten, die Israel als Staat nicht anerkennen und gar zerstören wollen. Wenn wir das annehmen und alle Vorgeschichte ausblenden: wie hätte eine demokratische Regierung nach dem 7. Oktober 2023 reagiert und wie wäre die Geschichte bis heute weitergegangen? Ich stelle diese Frage, ohne sie im Detail selbst zu beantworten. Ich will in die Blase der unscharfen, vorurteilsbehafteten Israelansichten hineinstechen, um zu zeigen, wieviel Vorurteil, Antisemitismus, Israelkritik und Palästinenserabwehr, aber vor allem wieviel Halbwissen die Diskurse gerade zu Israel bestimmen. Wissen ist auch Politik. Die Differenz der Antworten zu den Geschehnissen seit dem 7. Oktober macht unsere moralische und politische Verpflichtung gegenüber Israel aus, und sie geht über Meinungsvielfalt hinaus.

Die Ereignisse Oktober-November bis 13. Dezember 2024 kommentiere ich jetzt und in absehbarer Zukunft nicht, angesichts der syrischen Dynamik und der Neuaufstellung der teilhabenden Super- und Minimalmächte schon gar nicht. Natürlich sind weder Netanjahu noch Hamas „besser“ geworden, aber die Umgruppierungen von Macht geben andere ausnutzbare moralische und politische Perspektiven – vor denen ich kurzfristig absehe.

Studentische Fragen von Bedeutung

Im Vorfeld meines Vortrags in Innsbruck haben Studierende Fragen bei Marion Näser eingereicht, die ich vorab teilweise beantwortet habe. Sie waren alle sinnvoll, hier gebe ich nur drei vollständig wieder, weil sie die diskussionsfähige Version des Essays stützen. Auch die restlichen Fragen sind und waren sinnvoll.

  • Inwieweit beeinflussen die innenpolitischen Entwicklungen in Israel und

Palästina den Verlauf des Konflikts und die Friedensverhandlungen?

Grundsätzlich ist hier eine Trennung von Innen- und Außenpolitik nicht sinnvoll. Nachdem Israel unter Netanjahu die Zweistaatenlösung ebenso ablehnt wie die Hamas, handelt es im Kern um eine grundsätzliche regionale Konfrontation mit vielen innenpolitischen Aspekten und einigen außenpolitischen Interventionen für beide Seiten. In Israel gibt es zudem den innenpolitischen Kernkonflikt zwischen dem Regime von Netanjahu und seiner teilweise faschistischen Koalition, in Palästina ist ein analoger Konflikt schwieriger zu orten, weil das Verhältnis der nicht Hamas-nahen Bevölkerung zur Kriegsführung weniger offen liegt. Dazu kommen auf beiden Seiten die sekundären, teilweise heftigen innenpolitischen Konflikte, in Israel zB. um die Störung von Justiz und Presse und die Geiselproblematik, in Palästina und der Westbank der Kampf um die politische Deutungshoheit.

  • Wie können zivilgesellschaftliche Initiativen und der Dialog zwischen

den Bevölkerungen des Israel-Palästina-Konflikts unter Berücksichtigung

der objektiven politischen und geostrategischen Realitäten des Konflikts

zur Deeskalation beitragen, ohne die grundlegenden Machtstrukturen und

Interessenskonflikte zu ignorieren?

Die Antwort liegt in dem letzten Satzteil. Die Machtstrukturen in Israel und Palästina kann nur ignorieren, wer von außen ein- und angreift, und zu den Interessenkonflikten gehört auch, dass sie Israel innerhalb eines verfassungsmäßigen, bedrohten Staates stattfinden – prekär und gefährdet – , während Hamas nicht mit dem palästinensischen Staat (proto-Staat PLO) oder einem vergleichsweisen politischen Gebilde gleichzusetzen ist.

  • Welche Rolle spielen internationale Akteur: innen und deren

Einflussnahme in der Region?

Eine vielfältige und in sich kontroverse Rolle. Israel kann und muss sich auf die USA verlassen (können), aber natürlich auch politisch sich teilweise deren Diktat beugen (da spielen die Kontroversen in den USA eine Rolle). Die EU hätte hier eine möglicherweise noch zu verstärkende friedensstiftende Rolle, Deutschland ist in einer zwiespältigen Rolle (das muss man diskutieren). Die Rolle des Internationalen Straf-Gerichtshofes ist ambivalent.

Regional sind die Einflussnahmen entlang der Linien Hamas-Hizbollah-Iran, Hizbollah – Syrien, Iran-Saudi.Arabien, Russland, Türkei, Kurden, auch in Bezug auf das Kriegsdreieck Libanon-Huthi-Israel und die Ausweitung in Syrien kompliziert und teils widersprüchlich. Alle internationale Nahostpolitik steht unter dem ungeklärten und zweifelnden Einfluß der künftigen US Politik unter Trump und der Bindung wirkungsvolle russischer Unterstützung von Syrien durch den Ukrainekrieg.

Ich hätte die Diskussion gerne weitergeführt. Nicht nur aus didaktischen Gründen. Viele Studierende sind nicht infiziert von der geschichtsverdrehten Vorsicht und vorurteilsbehafteten Urteilsbereitschaft meiner Generation, in allen Schattierungen – Sie seien an die vielen „Pro-„ und „Anti-„ Stellungnahmen erinnert. Aber es war ein guter Nachmittag an der Universität Innsbruck, und nicht von sinnlosen Kontroversen überschattet.

Coda

Zum Abschluss möchte ich keine umfassende Stellungnahme abgeben, die alle Zuhörenden gleichermaßen beruhigt; das ist weder möglich, noch halte ich es für sinnvoll. Ich denke daran, welche Vorbilder der intellektuellen und zeitgeschichtlichen Bewertung ich mir aussuche, um die vielen angegebenen israelischen und anderen zu ergänzen: das ist ja nicht nur intellektuell, auch emotional, denn Vorbild ist etwas anderes als Referenz. Sie haben schon bemerkt, wie sehr ich mich auf Hannah Arendt beziehe, und da war vor kurzem eine recht gute ergänzende Sendung: „Was würde Hannah Arendt heute dazu sagen? | Gert Scobel – YouTube (aufgerufen am 21.10.2024). Es waren Hinweise auf Arendts direkte Beziehung zur innerisraelischen und palästinensischen Konfliktsituation, die sie 1958 gegeben hatte. Sie hatte sich frühzeitig auf die Schlüsselfunktion der 1948 geflüchteten Palästinenser bezogen. Es hätte auch eine Vorschau auf die Gegenwart sein können. Vgl. auch die späten Nachdenklichkeiten von Hannah Arendt.  (Arendt 1970, Arendt 1991). Andere Bezüge werfen meine Gedanken immer in historische Ringe, die weit vor der Gegenwart liegen, nicht nur bei den wichtigen israelischen Quellen – wir haben ja hier in Europa auch Primo Levi und viele andere – sondern für die eigene Entwicklung bedeutsam. Da kommt bei mir Jean Améry sehr früh und wirksam vor: Die politischen Aufsätze (Améry 2005) und der „Terror der Aktualität“ (Améry 1971). Ich habe es versäumt, ihn vor seinem Freitod 1978 kennenzulernen, das bedaure ich bis heute. Aber es geht nicht primär um die Rahmung meiner Gedanken für die heutige Vorlesung. Im Grunde ist es für alle, ob sie es wahrhaben wollen oder nicht, eine Herausforderung, sich aus dem binären politischen Denken zu befreien und für die eigene Gesellschaft und für die Menschen in anderen Gesellschaften vergleichbare und wirksame Einstellungen, Empathie und Rationalität zu entwickeln. In diesen Zeiten besonders.

22.10.2024/26.12.2024

Literatur

Soweit unmittelbar zitiert.

Améry, J. (1971). Terror der Aktualität. Widersprüche. J. Améry. Stuttgart, Klett: 7-20.

Améry, J. (2005). Aufsätze zur Politik und Zeitgeschichte Stuttgart, Klett-Cotta.

Arendt, H. (1970). On Violence, Harcourt, Brace & World, Inc.

Arendt, H. (1991). Israel, Palästina und der Antisemitismus. Berlin, Wagenbach.

Avineri, S. (1998). Zionism and the Jewish Religious Tradition: The Dialectics of Redemption and Secularization. Zionism and Religion. S. Almog, J. Reinharz and A. Shapira. Hanover, NH, Brandeis UP: 1-9.

Boehm, O. (2023). Radikaler Universalismus. Berlin, Ullstein.

Brenner, M. (2002). Geschichte des Zionismus. München, Beck.

Croitoru, J. (2024). Die Hamas – Herrschaft über Gaza, Krieg gegen Israel. München, C.H.Beck.

Deutscher, I. (2023). Der nichtjüdische Jude. Berlin, Wagenbach.

Harkabi, Y. (1979). Das palästinensische Manifest und seine Bedeutung. Stuttgart, Seewald.

Hertzberg, A. and A. Hirt-Manheimer (2000). Wer ist Jude? München, Hanser.

Herzl, T. (1985). Der Judenstaat. Königstein, Athenäum.

Horvilleur, D. (2024). Wie geht’s? Miteinander sprechen nach dem 7. Oktober. München, Hanser.

Illouz, E. (2023). Undemokratische Emotionen. Berlin, Suhrkamp.

Jukic, L. I. (2024). „The Forging of Countries.“ aeon.

Link, J. (2009). Versuch über den Normalismus. Wie Normalität erzeugt wird. Göttingen, Vandenhoek & Ruprecht.

Neier, A. (2024). „Torture in Israel’s Prisons.“ NYRB LXXI(16): 26-29.

Schröder, T. (2024). „Das Prinzip der Gewalt.“ SPIEGEL(41): 8-12.

Segev, T. (2001). One Palestine, complete. Jews and Arabs under the British Mandate. London, Abacus.

Trepp, G. (2024). Wer ist Jude? Berlin, Hentrich & Hentrich.

Prof. Dr. Michael Daxner

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[1] Eingeladen von Prof. Marion Näser, mit der ich seit Jahren zusammenarbeite, und ursprünglich für Oktober 2024 ausgearbeitet, sollte der Vortrag in eine Zeit heftiger Auseinandersetzungen um die Situation im Nahen Osten fallen. Er war in jeder Hinsicht friedlich und konstruktiv, und vor mir lag auch noch eine Frageliste von Studierenden der Ethnologie bei der Kollegin Näser, die ich in den vorliegenden Essay teilweise einarbeite. Die Kooperation mit Marion Näser-Lather und Dietger Lather, Oberst a.D., hat sich als sehr transdisziplinär und produktiv erwiesen.

[2] Vortrag Wien: Israel. 17.1.2024

[3] Blogs michaeldaxner.com 2.1., 20.1., 26.8.,8.10., 12.10. 2024

[4] U.a. in Israel Familie des 2011 verstorbenen Aron Ronald Bodenheimer, Psychiater und Autor, und Irit Salmon, über viele Jahre führende Kuratorin des Israel Museums.

[5] Mit diesem Begriff verweise ich auf den Normalismus, dass viele, auch nichtjüdische Menschen, die Zuschreibung des Jüdischseins automatisch mit der Religionszugehörigkeit verbinden. Einige Aspekte habe vom Normalismus aus der Theorie von Jürgen Link entnommen: Link, J. (2009). Versuch über den Normalismus. Wie Normalität erzeugt wird. Göttingen, Vandenhoek & Ruprecht.

[6] Abgesehen von Israel-bezogenen Ablehnungen des Judentums z.B. in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen, gibt es gewichtige Konflikte, die sich auch stark gegen unzutreffende „linke“ Verengungen richten: z.B. Deutscher, I. (2023). Der nichtjüdische Jude. Berlin, Wagenbach.

                Vgl. dazu Isaac Deutscher – Wikipedia . Dazu Oliver Tolmein: Der nichtjüdische Jude | taz.de 2.7.1988. Ich umschreibe das so genau, weil hier viele gegenwärtige Probleme gut angesprochen werden.

[7] Herzl, T. (1985). Der Judenstaat. Königstein, Athenäum.

                , Avineri, S. (1998). Zionism and the Jewish Religious Tradition: The Dialectics of Redemption and Secularization. Zionism and Religion. S. Almog, J. Reinharz and A. Shapira. Hanover, NH, Brandeis UP: 1-9.

                , Segev, T. (2001). One Palestine, complete. Jews and Arabs under the British Mandate. London, Abacus.

                , Brenner, M. (2002). Geschichte des Zionismus. München, Beck.

                , Die umfangreichen Aufarbeitungen der Schriften Herzls mit widersprüchlichen Kommentaren sind ein eigenes, kompliziertes Kapitel der Aufarbeitung: Herzl, T. (1985). Der Judenstaat. Königstein, Athenäum.

[8] Arisierung der Schutzengelapotheke und Curriculum des davon betroffenen Apothekers Mag.pharm Sigmund Berger (memorial-ebensee.at), teilweise problematisch: „strenggläubiger Katholik“? Diernesberger Eleonore – biografiA (sabiado.at), Berger_Sigmund.pdf (ku-linz.at),

[9] So z.B. Franz-Josef Wittstamm (April 2024): Weimersheimer Fritz – Spuren im Vest; mein Vater Hertzberg, A. and A. Hirt-Manheimer (2000). Wer ist Jude? München, Hanser.

                 selbst hat mir zu Lebzeiten eine umfangreiche Autobiographie in vielen Variationen gegeben, in der aber entscheidende Perioden (Nordafrika, Ankunft in Österreich) fehlen oder unscharf sind.

[10] Meine private Nachkriegsgeschichte hat hier nur einen Randplatz. So viel aber ist wichtig, dass ich erst sehr spät mit den realen Details konfrontiert wurde, die je nach familiärer Auskunftsperson widersprüchlich und bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind. 

[11] Eine späte, äußerst komprimierte Selbstdarstellung ist Jean Améry: „Über Zwang und Unmöglichkeit, Jude zu sein“, dem letzten Kapitel eines 1966 erschienen Buchs, dessen Titel schon einiges aussagt: “Jenseits von Schuld und Sühne – Bewältigungsversuche eines Überwältigten“. Irgendwie altmodisch, aus der Zeit gefallen erscheint die geschichtsorientierte Zusammenfassung, deren Titel schon „alles“ sagt und wegdrückt: Wer ist Jude? München, Hanser. Die regressive, letztlich katechetische Rückkehr zur einseitigen Bestimmung findet sich religionsorientiert mit dem gleichen Titel bei Gunda Trepp: Trepp, G. (2024). Wer ist Jude? Berlin, Hentrich & Hentrich.

[12] Illouz, E. (2023). Undemokratische Emotionen. Berlin, Suhrkamp.

[13] Boehm, O. (2023). Radikaler Universalismus. Berlin, Ullstein.

[14] Einwanderung in Israel: Historische Entwicklung der jüdischen Einwanderung | Israel (2008) | bpb.de: Hier wird die Dimension der Sepharden nicht ausgeführt. Einwanderungsland Israel – Israelnetz (14.10.2024). Schon konkreter: Äthiopier in Israel: Nur am Rande des Gelobten Landes – Politik – SZ.de (sueddeutsche.de) (2.8.2022). Statistik: https://www.jewishvirtuallibrary.org/immigration-to-israel-graph-1948-2010?utm_content=cmp-true (14.10.2024). Mit vielen Verweisen Sephardim – Wikipedia (14.10.2024) . Das soziale Problem der sephardischen Einwanderung wird selten direkt angesprochen, ist aber essentiell. Vgl. Carlo Strenger: Das verdrängte Geheimnis der israelischen Gesellschaft | NZZ 15.3.2018

[15] Vielfältige und kontroverse Literatur, große Unterschiede in der deutschen und internationalen Bewertung.

PLO — Zwischen Terror und Diplomatie | APuZ 50/1979 | bpb.de . Palästinensische Befreiungsorganisation Palästinensische Befreiungsorganisation – Wikipedia . Dokumente (tendenziöser Kommentar):  Harkabi, Y. (1979). Das palästinensische Manifest und seine Bedeutung. Stuttgart, Seewald.

                Zur Hamas: Croitoru, J. (2024). Die Hamas – Herrschaft über Gaza, Krieg gegen Israel. München, C.H.Beck.

                Was ist das Westjordanland, wem gehört es und was hat es mit dem Nahostkonflikt zu tun? (rnd.de) (14.10.2024). Westjordanland – Wikipedia (14.10.2024).

[16] DLF Kontrovers 7.10.2024, 10.00-11.30, mit Trittin (Grüne), Hardt (CDU), Lüders (BSW). Eine typische, ganz gute Diskussion, die ein wichtiges Zweitthema für Interessierte aufscheinen lässt: den Unterschied des Diskurses in Deutschland und Österreich im Vergleich zu fast allen, vor allem demokratischen Diskursen in Europa und den USA (Nicht demokratische Länder sind hier ausdrücklich nicht relevant für die Diskurskritik).

[17] Übrigens irrt Schröder, wenn er den 7.10. als Infragestellung des Zionistischen Israelprojekts notiert. Das ist viel früher geschehen, mit der Übernahme der Regierung durch den Revisionisten Menachem Begin 1977 und damit dem Ende der zionistisch-sozialdemokratischen Regierungsperiode (Vgl. Menachem Begin – Wikipedia). Wichtige Namen vor 1977 waren natürlich Ben Gurion, Golda Meir, Ygal Allon und Jitzhak Rabin (alle Mapai oder Awoda).

[18] Vorgeschichte der Republik: Die Vorgeschichte Israels bis zum 14.5.1948 ist gekennzeichnet durch eine dominante zionistische Argumentation. Die Überlebenden der Shoah spielten nach 1945 bei der Einwanderung schon eine Rolle, aber der Holocaust wurde erst später, in den 50er Jahren und immer stärker zum Gründungsmythos. Sehr komplizierte Beziehung zur langdauernd starken sozialistischen Regierungsdominanz (Mapai, Awoda), die aber abnahm, auch und weil zunehmend Einwanderung aus nichteuropäischen Gebieten zunahm. Erste und umfassende Informationen Die Gründung des Staates Israel | Israel | bpb.de, (9.10.2024) (Angelika Timm); umstritten, lang und literaturvoll: History of Israel – Wikipedia (9.10.2024); ob der Holocaust die Staatsgründung beschleunigt hat, ob die nach-Shoah-Einwanderung eher durch die Überlebenden oder durch jüdische Einwanderung aus Osteuropa beschleunigt hatte etc. sind historisch kontroverse Themen. Insgesamt gibt es eine unübersichtliche Vielzahl deutschsprachiger Geschichten Israels und der Palästinenser. Ich empfehle weiterhin Tom Segev, Moshe Zimmermann, Yuval Harari, Saul Friedlaender, Gudrun Kraemer u.a. mit durchaus nicht deckungsgleichen Ansätzen.

[19] Vgl. B’Tselem – Wikipedia, vgl. Katja Belousova: Warum die Verwaltungshaft in der Kritik steht (ZDF 6.12.2023, incl. Hinweise auf Kritik an B’Tselem). Man sollte Aryeh Neier genauer nachverfolgen: auch seine Funktionen im Menschenrechtsdiskurs sind wichtig (Aryeh Neier – Wikipedia), und die Kritiklinien in Israel selbst.

[20] Jukic bezieht sich ausführlich auf Kohn, Hans (1962): Die Idee des Nationalismus. Ursprung und Geschichte bis zur Französischen Revolution. Frankfurt am Main, Fischer. Kohn selbst hat sich präzise auf Palästina bezogen, bevor er in die USA ging. Dank an Jochen Fried für den Hinweis. Eine wichtige Zusammenfassung, die ich ausführlich wiedergebe, im Anhang.

Unwetter unwirklich

Es ist schwer möglich, die Verknotung von Katastrophen glatt über die Hirnbahnen zu bringen, alles gleichzeitig zu fassen, zu bewerten und zu ordnen.

Manche fragen, ob das Attentat Trump hilft.

Manche fragen, ob das Hochwasser den Grünen hilft.

Manche fragen, ob die Nominierung von Merz die nächste Wahl scvhon entschieden hat.

,,, Euch fallen sicher noch viele ähnliche Fragen ein. Ich schaue die Nachrichten und denke, dass „Verknotung“ der richtige Begriff für das Geschehen ist, die Ereignisse müssen gar nicht zusammenhängen, sie sind allesamt nicht im Bewusstsein zu trennen, sie bilden ein Szenario des unwirklichen Schreckens. Das Attentat im Libanon kann man gar nicht beschreiben, es rollt die Wirklichkeit von den Folgen her auf, von den Toten, Verwundeten, der Hilfe für die Hizbollah und dem unbändigen Hass gegen Israel – das sich nicht verteidigen kann, schon gar nicht ohne die Menschen außerhalb des Landes (ich sage jetzt gar nicht ohne uns Juden, ohne uns und alle, die die Geschichte des Konflikts einigermaßen wirklich kennen). Aber das ist ja nur ein Element des Knäuels. Das Hochwasser geht langsam zurück, was bleibt, sind schwere Lasten für die nächste Zukunft und schon die alte Frage, ob das mit mit dem Klimawandel zu tun hätte, wobei die Frage den Rechten alle Betroffenen Länder hilft, und wir die Antwort wissen.

Die Umweltleugner laufen denen nach, die über ihr Wohlbefinden ohne kommende Generationen schon zufrieden sind.

Die Ausländerfeinde, jetzt gerade in Deutschland und Österreich und der EU, aber eigentlich überall, können nicht absehen, was geschieht, wenn die Geflüchteten weiterhin kommen werden. Und wenn das Gesindel von AfD BSW und FPÖ nur mehr von Ariern gesundheitlich und kulinarisch bedient wird, also nicht.

Die Antisemiten legen angesichts von Netanjahu die Hände in den Schoß, er macht das schon.

Um all das gehts mir heute gar nicht, wir können es diskutieren und bearbeiten. Aber so, wie die Wirklichkeit sich verknotet zu einer Peitsche, die unsere Bewusstsein prügelt, so müssen wir vorsichtig sein, den Verstand nicht zu verlieren angesichts des Unverständlichen. Das ist ja die Wirklichkeit, keine Horrorvision. Zur Kenntnis nehmen ohne gleich auszurasten und zu verurteilen oder zu korrigieren, ist eine erste Hirnjogaübung. Zur Kenntnis nehmen, das was heute geschehen ist und weiterhin geschieht. Dafür hat es sich gelohnt, wach zu sein.

Kriegsbeginn und Friedensende

Der hundertste Post in diesem Jahr.

Kein guter Tag. Lange Zeit hatte dieser Tag noch das Gedenken an den Beginn des 2. Weltkriegs und deutscher Aggression bei sich, das ist heute schon ziemlich gedämpft, die wenigsten überlebenden Opfer und Täter sind noch zur Stelle und die Historisierung für eine neue Generation, die ja nun fast gar nichts wissen kann, ist kompliziert – weil es eben nicht nur am Geschichtsunterricht und der familiären Weitergabe des Weltgeschehens liegt, sondern auch an den politischen und kulturellen Schwerpunktsetzungen. 1. September 1939: Beginn des Zweiten Weltkriegs | Hintergrund aktuell | bpb.de . Damals herrschten die Nazis schon 6 Jahre in Deutschland, nach Jahren der erfolgreichen Vorbereitung des Faschismus. Die Kalenderblätter und historischen Daten sind hinreichend mit Informationen und Bewertungen gefüllt, und – seltsam starr.

Heute sind Wahlen in Deutschland, nicht ausgeschlossen, dass die Faschisten der AfD und BSW Mehrheiten erringen. Es geht nicht darum, ob sie jetzt (schon) regieren werden. Es geht darum, wie viele Menschen sich ostentativ in Wahlen gegen die Demokratie entscheiden, die ihnen diese Wahlen ja ermöglicht.

Zu meiner Wortwahl: Nazis waren eine besondere Ausprägung des allgemeinen Faschismus, nicht umgekehrt. AfD und BSW sind keine Nazis, aber Faschisten.  Das aufzuschlüsseln und differenziert zu analysieren, ist keine „rein deutsche“ Angelegenheit, Faschismus greift in Europa erfolgreich um sich, in der EU nicht nur Ungarn und Bulgarien und…in Deutschland und Österreich (FPÖ) warten die Faschisten auf Wahlerfolge, die ihnen Regierungsbeteiligung auf Bundesebene ermöglichen. In anderen europäischen Ländern, auch außerhalb der EU, ähnlich.

Man kann das wissenschaftlich und polithistorisch analysieren. Man kann sich vor allem die kulturelle Bandbreite ansehen, die mit den Varianten des Faschismus seit jeher einhergeht. Aber darum geht es mir jetzt, heute nicht. Wir sehen, dass vielfach demokratische Mittel angewandt werden, um sich von der Demokratie abzuwenden. Dabei kommt den Faschisten zugute, dass sich (natürlich) in der Demokratie Uneinigkeit zwischen den Parteien und politischen Gesellschaftszielen leichter ausbreitet als in Diktaturen. Und dass es einen Übergangskorridor zu den Faschisten gibt, der nicht nur in Koalitionen sich ausdrückt, sondern im ideologischen Bewusstsein, in der kulturellen Einstellung usw. Ich spreche von allen gesellschaftlichen Bereichen außer dem sozialen, denn da waren und sind Faschisten nicht so einfach anzugreifen und zu kritisieren. Das wäre eine zusätzliche Lektion.

Schaut euch Meloni in Italien an, Innen- UND Außenpolitik, schaut euch an, wie Ungarn noch immer EU Mitglied ist und wie die Türkei sich entwickelt.

Faschismus kann sich weltweit entwickeln. Er wird nicht nur durch (An)führer repräsentiert, sondern schon über weite Entwicklungen vom „Volk“ getragen und befestigt.

*

Wie werden wir uns heute abend fühlen, wie werden wir auf die Wahlergebnisse reagieren – natürlich hoffen wir, dass die Menschen klüger sind und die AfD nicht so gut abschneidet wie befürchtet, ich hoffe auch auf kein gutes Ergebnis für BSW. Aber wie wird es weitergehen? Stagnation des politischen Geistes wie in Frankreich? Schmierige Verbindungen wie in Niederösterreich? Gemeinsamkeiten nur, wenn es nationalistisch gegen andere Menschen geht, die Flüchtlinge sind?

*

Das Gegengewicht kann nur erweitert werden, wenn die Demokratie weiterentwickelt und befestigt wird. Trivial? Auch wenn es Einbußen im Wohlstand, in der Touristik, im Autoverkehr gibt? Und wenn wir Bildung und Kultur nicht den Sparhaushalten der neoliberalen Steigbügelhalter der Rechten opfern.

Hannah Arendt hat dazu genau und früh gearbeitet: (Arendt 1980 (1951)). In knapper Form eine These:, dass jede Weltanschauung oder Ideologie durch eine totalitäre Bewegung übernommen und durch massiven Terror in eine neue Staatsform überführt werden kann. (Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft – Wikipedia) . Und in vielen Gesellschaften können wir das nachvollziehen, und hier sollte man nicht anachronistische Differenzierung zwischen lechts und rinks vornehmen.

Faschismus hat so viele Gesichter, dass man sich nicht auf ein Bild einlassen sollte. Vergleicht einmal den Austrofaschismus mit dem Nationalsozialismus, und die konkrete Geschichte vor und nach 1938 und dann nach 1945 bis in die Ära Kreisky (Austrofaschismus – Wikipedia) . In knapper Form werden hier wesentliche Unterschiede dargestellt, korrekt aber die Analogie der Ablehnung von Demokratie betont. (Ich habe die Auswirkungen der Auswirkungen noch selbst bis in meine Studienzeit erlebt).

Ich mache hier keine Literaturliste, obwohl es mich juckt klarzumachen, wie wenig unser Bildungssystem in die Grundlagen des Faschismus eingreift, weil es in bester Absicht (vielleicht) alles durch Nazigeschichte konzentriert )Ich will den Ausnahmen durch viele Lehrenden hier eine Entschuldigung anbieten – natürlich gibt es die.

Ja, und was werden wir heute abend diskutieren. Auch wenn es „gut geht“, ? und sagt JETZT, was das bedeutet? Keine Witze, nur 20% für die AfD und 5% für die BSW? Koalitionsgespräche noch heute abend?

Darum geht es nicht. Es geht darum, den Gegnern und abgestumpften Verächtern der Demokratie klarzumachen, was auch für sie auf dem Spiel steht?! Vergleiche gibt’s genug, auch in der EU, in Europa usw. Und welche Lasten wollen und können wir tragen, damit es nicht zum Faschismus weiterhin kommt – ? Von nichts kommt nichts.

Arendt, H. (1980 (1951)). Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Frankfurt, Ullstein.

Rausländer – Aus!

Drei Tage vor einer Wahl, in der rechte und linke Faschisten wahrscheinlich gewinnen werden – und die Koalitionsgeilen ebenso na und? denken wie die Resignierten, hetzen die meisten demokratischen Parteien (Ausnahmen gibt es dort schon, und die Grünen sind da humaner als die anderen, aber auch schmal https://www.msn.com/de-de/reisen/nachrichten/gr%C3%BCne-dr%C3%A4ngen-auf-zeitenwende-in-der-fl%C3%BCchtlingspolitik/ar-AA1pD0R2?ocid=msedgntp&pc=U531&cvid=c13d49d989994600b1d820e154a95ca2&ei=33) gegen „illegale“ Ausländer. Klar, das bringt keine Stimmen, aber stolzes Beben in der Stimme abends bei der Auszählung. Misshandelt die Flüchtlinge nur weiter anstatt sie zu integrieren, langfristig hat das vielleicht den Zweck, die Altersbehandlung von Merz & Co. auf das deutsche Niveau abzusenken, weitere Ess- und Kosmetiklokale zu schließen, Kinder endlich vom Kindergarten und der Schule fernzuhalten (wie es die Ultrarechten heute in Israel versuchen) und überhaupt: Ohne Ausländer werden Kristsozial und Kristemogratisch so wenig wie Liberol und spezialdemokratische Schweigemedikamente.

Die Wiederholung von 1932 unter einigen geänderten Vorzeichen steht an. Ihr könnt ja widersprechen oder euch abwenden. Aber sagt nicht, dass es nicht zu erwarten gewesen wäre…

Demokratisch dagegen sein bedeutet handeln und Demokratie wie Beschäftigung von In und Ausländern befördern, nicht auch noch die letzten Einwanderer in demokratische Gesellschaften umlenken (Ach ja, in den Nachrichten werden zur Zeit die Dänen und Schweden gelobt. Schaut genau hin. Und in einem faschistischen Europa wären die auch irgendwo in der Mitte)

Was ist schon rechts…?

Mich ärgert vieles, das geht wohl vielen so; aber es kommt darauf, wie man reagiert. Nebbich. Was zur Zeit umgeht: man schaut und hört nicht hin, bei den wichtigen Sachen: da gibt es in Afghanistan eine Umweltkatastrophe, und Deutschland war an der Niederlage der afghanischen Demokratie beteiligt…jetzt wird das Ganze zur Naturkatastrophe zurückgestuft. Da steht die Ukraine am Rand eines Desasters im Krieg der Russen gegen dieses Land und Europa. Deutschland verspricht viel und liefert weniger oder zu spät . Da riskiert Israel seine Existenz durch eine untragbare Regierung Netanjahu, und wir reagieren schwach, die so genannte Staatsräson kann schlecht zwischen Nation, Staat, Regierung und Bevölkerung unterscheiden. Über all das kann man kritisch und analytisch, moralisch und genau, streiten.

Was man nicht sollte, ist wegschauen, weghören, Augen Ohren Mund zu und sich als humanistisches Affentrio gebärden. Selten war die politische Intelligenz der denkenden Zivilbevölkerung so herausgefordert angesichts mancher schwarzer Löcher im Koalitionsuniversum. DAS verfolgen die Menschen zwar intensiver, aber sie beurteilen es persönlich und nicht strukturell. Scholz, Lindner, Söder sind ja nur die Spitzen von Eisbergen, deren Unter-Welt schon die Menschen sind, mit und ohne Ehrentitel „BürgerInnen“.

Das ist keine abstrakte Morgenübung, ich zeigs an einem Beispiel, wie wichtig das ist. In den letzten Tagen wird die Presse geflutet von teilweise absurden, oft hetzerischen Kommentaren der rechtsradikalen Presse, z.B. Bild gegen das Professorenstatement. Das Problem ist, dass man sich dann mit einer möglichen Kritik zurückhält, um nicht die Falschen zu honorieren. Ähnlich bei den Kommentaren zu den Demonstrationen unter der Palästinaflagge, da ist es schon so, dass was immer man sagt, von einer Sektion mindestens als Angriff, antisemitisch, rassistisch, oder auch, bei der Gegenposition, proisraelisch, gar USAkonform usw. ausgegeben wird. Sachlichkeit würde, oft unangenehm, ausführliche Bewertungen erforderlich machen, und die wieder minimale Geschichtskenntnisse…

Vor 40 Jahren hätte ich das in die politische Erziehungswissenschaft, später in die Soziologie eingebaut. Zur Zeit, ich hatte behauptet, der Weltkrieg sei schon akut, zur Zeit also bleibt wenig Zeit, was nicht zur Oberflächlichkeit verführen darf. Aber vielleicht zu einer Nachdenkpause vor einem weiteren Statement.

(Früher hätten manche gesagt, das sei „didaktisch“. Kann es auch sein. Ich meine aber nur, dass der Kommentar, der keine praktischen Folgen hat und vor allem wenig Empathie für die Opfer der Politik zeigt, auch mal unterlassen werden kann. Verglei8cht die Kritik am israelischen Gazakurs mit der Analyse und Sympathie mit den Opfern vom 7. Oktober, dann wisst Ihr, was ich meine).

ORTSKRÄFTE IN AFGHANISTAN SCHÜTZEN – HERHOLEN UND UNTERSTÜTZEN!!!

LIEBE BLOG-LESERINNEN UND LESER!!! Sie lesen hier einen sehr dringenden Aufruf zur Unterstützung von Ortskräften in Afghanistan.

Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


1
Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan: Afghanische Ortskräfte in Sicherheit bringen!
Der Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan hat begonnen und soll voraussichtlich Anfang Juli
2021 beendet sein. Das Bundesverteidigungsministerium hat erklärt, dass es in der Abzugsphase zu
einer größeren Gefährdung der Soldatinnen und Soldaten kommen könne. Medien zitierten unter
Berufung auf einen vertraulichen Bericht des Auswärtigen Amtes und des
Bundesverteidigungsministeriums, dass die Bundesregierung eine weitere erhebliche
Verschlechterung der Sicherheitslage nach dem Abzug erwarte. Während die Truppe unter
verstärkten Sicherheitsvorkehrungen längst bei den Vorbereitungen zur Rückkehr ist, wachsen die
Befürchtungen der afghanischen Ortskräfte, die oft viele Jahre für die Bundeswehr, die deutsche
Polizeiausbildungsmission, diplomatische Missionen und die staatlichen Zwecke der
Entwicklungszusammenarbeit u.a. tätig waren – als Dolmetscherinnen und Dolmetscher,
qualifiziertes Fachpersonal, Wachleute und Hilfskräfte. Sie fürchten um ihre Sicherheit und ihr Leben

  • wie auch um das ihrer Familienangehörigen.
    Wir fordern eine unbürokratische und schnelle Aufnahme der Betroffenen in Deutschland parallel
    zum Abzug!
    Die Taliban haben immer wieder deutlich gemacht, dass sie diese Ortskräfte als Kollaborateure des
    Westens begreifen, die sie als Unterstützer eines militärischen Besatzungsregimes zur Verantwortung
    ziehen wollen. Über Anschläge auf und Morde an Ortskräften wird seit Jahren berichtet, u.a. aus
    britischen, deutschen und US-amerikanischen Quellen. Letztere berichten von etwa 300 getöteten
    US-Ortskräften. Viele Ortskräfte haben versucht, sich Bedrohungen durch Umzug in andere Regionen
    Afghanistans zu entziehen, was aber nur selten eine dauerhafte Lösung und das Ende der
    Gefährdung ist.
    Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat Mitte April von einer tiefen
    Verpflichtung der Bundesrepublik gesprochen, die afghanischen Ortskräfte jetzt nicht schutzlos
    zurückzulassen. Zu befürchten ist aber: Genau das geschieht. Wer die effektive Aufnahme wirklich
    will, der kann in den verbleibenden Wochen nur eine unbürokratische Prozedur für all die Ortskräfte
    und ihre Angehörigen umsetzen, die für deutsche Stellen gearbeitet haben: Öffentliche Bekanntgabe
    des Aufnahmeprogramms, Registrierung, Vorbereitung der Ausreise, die möglichst geschehen muss,
    solange die Bundeswehr noch im Lande ist, ggf. Durchführung von Charterflügen.
    Der Verweis auf das bisherige Aufnahmeprogramm für afghanische Ortskräfte mit Abgabe einer
    individuellen Gefährdungsanzeige bei Vorgesetzten, in der nachgewiesen werden muss, dass für
    Bedrohungen durch die Taliban die Tätigkeit für deutsche Stellen entscheidend ist, ist angesichts der
    neuen Sicherheitslage nicht mehr zielführend. Das bisherige Verfahren ist viel zu zeitintensiv,
    insbesondere seit die Kapazitäten des deutschen Kontingentes im Lande mit dem beginnenden
    Abzug Woche für Woche schwinden.
    Seit 2013 wurden nach Zahlen des Verteidigungsministeriums knapp 800 Ortskräfte (plus
    Familienangehörige) in Deutschland aufgenommen, fast alle jedoch innerhalb eines kurzen
    Zeitraums, nachdem das Programm diese Chance eröffnet hatte. Zwischen 2014 und 2021 sind dann
    gerade einmal 15 zusätzliche Aufnahmen hinzugekommen – trotz einer in diesem Zeitraum immer
    weiter sich verschlechternden Sicherheitslage. Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte

2
Zügige Aufnahme statt untauglicher Vorschläge
Das Bundesinnenministerium verweist wenige Wochen vor dem Truppenabzug die Ortskräfte auf das
alte Prüfungsverfahren mit seinem bürokratischen Aufwand, was in der Kürze der Zeit nicht
praktikabel ist. So steht zu befürchten, dass es kein effektives Aufnahmeprogramm, sondern lediglich
ein Pseudo-Prüfungsprogramm geben wird. Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages
Reinhold Robbe hat schon vor Jahren den Umgang mit den Ortskräften als „beschämend“ und
„unwürdig“ bezeichnet (vgl. bundeswehr-journal v. 17.10.2014). Diese Diagnose gilt bis heute. Wer
seinen Dienst als Ortskraft vor mehr als zwei Jahren beendet hat, der soll von der Aufnahme in
Deutschland ausgeschlossen bleiben. Im Ernstfall werden sich die Verfolger bei den Taliban wohl
kaum an dieser Frist orientieren. Und noch nicht einmal die zuletzt beschäftigten ca. 500 Ortskräfte,
die nicht pro forma bereits wegen dieser Ausschlussregelung aus dem Programm herausfallen,
sollten sich darauf verlassen, dass aus der Ankündigung der Bundesverteidigungsministerin und guter
Absicht praktische Hilfe wird.
Ein Büro für afghanische Ortskräfte in Kabul und evtl. an einem anderen Ort, so das BMI, soll
eingerichtet werden, wo das umständliche Prüfungsverfahren zur Aufnahme stattfinden soll – als ob
man sich nicht in einem Land befände, in dem längst ein Großteil der Regionen nicht mehr von der
Regierung kontrolliert wird, Reisen riskant sind und selbst die deutsche Botschaft nur noch
eingeschränkt operieren kann. Zu befürchten ist, dass ein solches Büro für die Taliban ein
vorrangiges Anschlagsziel werden könnte, insbesondere wenn sich die Sicherheitslage weiter
verschärft.
Waren die Ortskräfte in den Jahren 2014/15, als der größte Teil derer nach Deutschland kamen, die
eine Aufnahmezusage erhalten hatten, eine Gruppe, die unter den Geflüchteten hierzulande oft
übersehen wurden, so haben sich in den Jahren danach Solidaritäts- und Unterstützungsstrukturen
herausgebildet, nicht zuletzt auch ein Patenschaftsnetzwerk der Bundeswehr. Denn auch dort
vertraten viele die Auffassung, dass denen, die die Einsatzrisiken mit deutschen Soldatinnen und
Soldaten geteilt hatten und ohne die insbesondere die Verständigung in Afghanistan kaum möglich
gewesen wäre, in bedrängter Situation geholfen werden müsse. Und für deren Integration wollte
man sich einsetzen.
Anlässlich der Vorstellung eines Buches der Bundeszentrale für Politische Bildung im Dezember 2019,
in dem die Rolle der afghanischen Ortskräfte dargestellt und gewürdigt wurde, brachte es einer der
Mitautoren des Buches und langjähriger Bundestagsabgeordneter auf den Punkt: “(…) die
Schlüsselrolle der afghanischen Ortskräfte: Ohne sie wäre der Einsatz unmöglich und von
vorneherein aussichtslos gewesen. Mit ihrem Dienst für deutsche Einsatzkräfte meinten viele, ihrem
Land am besten dienen zu können. Sie nahmen dafür hohe Belastungen und Risiken in Kauf. Dafür
gebührt ihnen von deutscher Politik und Gesellschaft Aufmerksamkeit, Dank, Anerkennung nicht nur
verbal (…) sondern auch praktisch. Wo Ortskräfte von sozialen und existenziellen Einsatzfolgen
betroffen sind, an Leib und Leben, oft zusammen mit ihren Familien, da steht die Bundesrepublik
Deutschland (…) in einer selbstverständlichen Fürsorgepflicht. Das ist ein Gebot der Verlässlichkeit,
der Glaubwürdigkeit und auch der politischen Klugheit.“
Ähnlich sehen es auch US-Militärs: Ex-US-General David Petraeus hat sich zusammen mit der
Nichtregierungsorganisation No One Left Behind Ende April in einem Brief an US-Außenminister Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


3
Antony Blinken dafür eingesetzt, alle notwendigen Ressourcen aufzubieten, um die afghanischen
Ortskräfte aus Afghanistan herauszuholen, bevor die letzten US-Truppen das Land verlassen.
Zwar haben einige andere Truppenstellerstaaten, die z.T. schon vor langer Zeit aus Afghanistan
abgezogen sind, ihre Fürsorgepflicht für die Ortskräfte ebenso verstanden und einigen „ihrer“
Ortskräfte Aufnahme gewährt. Demgegenüber waren andere Staaten zögerlich und stehen nun
ebenfalls, wie die Bundesrepublik, vor der Situation, von Absichtserklärungen, die nicht eingelöst
wurden, zu wirksamen Verfahren zu kommen. Jetzt, wo der vorzeitige und bedingungslose Abzug der
US-Armee wie des deutschen Kontingentes die Risiken dramatisch erhöht hat, wäre ein anständiges
und großzügiges Verhalten der Bundesregierung mehr denn je nötig. Wie sollten sonst diejenigen,
die Unterstützerinnen in gefährlicher Situation zurücklassen, künftig erwarten können, als verlässliche Partner in allen Bereichen der internationalen zivilen und militärischen Zusammenarbeit angesehen zu werden? Angesichts der akuten Bedrohung bisheriger Ortskräfte an Leib und Leben und bezugnehmend auf die Wertegebundenheit deutscher Krisenengagements (s. Leitlinien „Krisen verhindern“ der Bundesregierung 2017) erheben wir eindringlich die folgenden Forderungen: Zügige und unbürokratische Aufnahme afghanischer Ortskräfte und ihrer Familienangehörigen parallel zum laufenden Abzug des deutschen Kontingentes. Öffentliche Verbreitung von Informationen über ein zu diesem Zweck vereinfachtes Verfahren für (ehemalige) Ortskräfte in Afghanistan. Verzicht auf Prüfungsprozeduren, die in der Praxis weitgehend unmöglich oder für die Antragstellerinnen unzumutbar sind.
Verzicht auf Ausschlusskriterien, die der Realität nicht gerecht werden, wie die Beschränkung auf
Personen, die in den letzten zwei Jahren als Ortskräfte tätig waren.
Berlin, 11.05.2021
Erstunterzeichnende
• Prof. Dr. Michael Daxner, Berater des afghanischen Hochschulministers 2003-2006, Leiter des
Afghanistan-Projekts im SFB 700 FU Berlin bis 2018
• Bernd Mesovic, Mitarbeiter von PRO ASYL a.D.
• Winfried Nachtwei, MdB a.D.
• Thomas Ruttig, Afghanistan-Analyst, UNSMA/UNAMA 2000-03, Stellv. des EUSondergesandten für Afghanistan 2003/04Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


4
• Pfr. Albrecht Bähr, Sprecher der Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in
Rheinland-Pfalz
• Prof. Dr. Ingeborg Baldauf, Afghanistan-Forscherin an der Humboldt-Universität zu Berlin
• Dr. Hans-Peter Bartels, MdB 1998-2015, Wehrbeauftragter 2015-20
• bee4change e.V., Hamburg
• Hannah Birkenkötter, Mitglied des Bundesvorstandes der Deutschen Gesellschaft für die
Vereinten Nationen
• Prof. Dr. Thorsten Bonacker, Zentrum für Konfliktforschung, Philipps-Universität Marburg
• Eberhard Brecht, MdB und Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für die
Vereinten Nationen
• Dr. Doris Buddenberg, Leiterin des UNODC-Büros Afghanistan 2004-06
• Hans-Jörg Deleré, Neustadt-Pelzerhaken, DIPL.Bau-Ing. Straßenbau, als Sohn eines deutschen
Beraters des afgh. Ministeriums für Öffentl. Arbeiten in Kabul aufgewachsen (1951-57) und
2006-09 im Auftrag der GIZ und des AA in Afghanistan tätig
• Bernhard Drescher, Oberstleutnant a.D., Bundesvorsitzender Bund Deutscher
EinsatzVeteranen e.V.
• Detlef Dzembritzki, MdB i.R., Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten
Nationen
• Stefan Feller, Senior Adviser Auswärtiges Amt zur Kleinwaffenkontrolle, Leiter
Polizeiabteilung im Rat der EU 2008-12, Leitender Polizeiberater des Generalsekretärs der
Vereinten Nationen 2013-17
• Botschafter a.D. Dr. Karl Fischer, Stabschef United Nations Assistance Mission in Afghanistan
2001-04
• Marga Flader, für Afghanistan-Schulen e.V.
• Freundeskreis Afghanistan e.V., der seit 1982 Selbsthilfeinitiativen im Land fördert
• Alexander Gunther Friedrich, UN Executive Secretary (rtd)
• Thomas Gebauer, Mitglied im Kuratorium der stiftung medico international
• Rainer L. Glatz, Generalleutnant a.D., Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der
Bundeswehr 2009-13
• Kristóf Gosztonyi, Forscher und Berater internat. Organisationen in Afghanistan, z.Zt. Univ.
Osnabrück
• Angelika Graf MdB a.D., Ehrenvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus, Vorsitzende
des Vereins „Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen rechts“ und Ombudsperson der
Hilfsorganisation HELP
• Antje Grawe, UNAMA 2006, 2008-10 und 2018/19
• Marcus Grotian, Erster Vorsitzender Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte
• Heike Hänsel, MdB und Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten
Nationen
• Matthias Heimer, Militärgeneraldekan, Leiter des Evangelischen Kirchenamtes für die
Bundeswehr
• Generalleutnant a.D. Norbert van Heyst, 3. Kommandeur der International Security
Assistance Force (ISAF) in Kabul von 10.02. – 11.08.2003
• Dr. Haschmat Hossaini, Literatur- und Sprachwissenschaftler (Iranistik), Berlin
• Prof. Dr. Klaus Hüfner, Präsident a.D., Deutsche UNESCO-Kommission
• Dr. Margret Johannsen, Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und
Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)
• Jürgen Kanne, 2. Vorsitzender Afghanic e.V.
• Hans Peter von Kirchbach, General a.D. und ehem. Generalinspekteur der Bundeswehr
• Dr. Anne Koch, Forschungsgruppe Globale Fragen, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin
• Susanne Koelbl, Journalistin „Der Spiegel“, Initiatorin des Poetry Project mit afghanischen
FlüchtlingenInitiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


5
• Tom Koenigs, MdB i.R., UN-Sondergesandter für Afghanistan 2006-07
• Karin Kortmann, Vize-Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZDK)
• Gerald Knaus, Gründungsvorsitzender European Stability Initiative (ESI), Wien/Berlin
• Prof. Dr. rer.pol. Dr. h. c. theol. Klaus Leisinger
• Dr. Kerstin Leitner, Beigeordnete Generaldirektorin, WHO, Genf
• Dr. Thomas Loy, Oriental Institute, Czech Academy of Sciences, Prag
• Daniel Lücking, Redakteur ND.Der Tag, Offizier ISAF Kunduz/Masar-e-Sharif, 2005-08
• Klaus Ludwig, Bundespolizeibeamter a.D., langjährige Erfahrung am Flughafen Ffm; seit 2016
ehrenamtliches Engagement in der Betreuung afgh. Flüchtlinge
• Eckhard Maurer, Kriminalhauptkommissar i.R., Garbsen, leitete 10 Jahre lang khyberchild e.V.
mit Projekten in Afghanistan
• Kerstin Müller, MdB 1994-2013, Staatsministerin im Auswärtigen Amt 2002-05
• Botschafter a.D. Bernd Mützelburg, Leiter Abteilung Außen- und Sicherheitspolitik im
Bundeskanzleramt 2002-05, Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes für Afghanistan und
Pakistan 2009-10
• Nanette Nadolski, Marketing- und Kommunikationsberaterin u. Afghanistan-Netzwerk bei
matteo e.V., Weichs
• Prof. Dr. Sönke Neitzel, Universität Potsdam
• Dr. Hannah Neumann, MdEP
• Prof. Dr. Christine Nölle-Karimi, Wien, Stellvertretende Direktorin, Institut für Iranistik,
Österreichische Akademie der Wissenschaften
• Karin Nordmeyer, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen
• Dr. med. Thomas Nowotny, Arzt, Stephanskirchen, Initiator http://www.change.org\nodeportation
• Johannes Pflug, MdB i.R., stellv. Sprecher für Außenpolitik der SPD-Bundestagsfraktion sowie
Vorsitzender der SPD Task Force Afghanistan/Pakistan 2009-13
• Maximilian Pichl, Wissenschaftl. Mitarbeiter am Fachbereich
Rechtswissenschaft Goethe-Universität Frankfurt am Main
• Ruprecht Polenz, MdB 1994-2013, Vors. des Auswärtigen Ausschusses 2005-13
• Nadia Qani, Inhaberin des kultursensiblen Pflegedienstes in Frankfurt/Main und Autorin
• General a.D. Egon Ramms, Oberbefehlshaber Allied Joint Force Command der NATO in
Brunssum 2007-10
• Generalleutnant a.D. Friedrich Riechmann, erster Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr 2001-04
• Reinhold Robbe,MdB 1994-2005, Wehrbeauftragter 2005-10
• Dr. Lutz Rzehak, Privatdozent, Zentralasien-Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin
• Narwan Sayed, Hamburg
• Klaus-Hermann Scharf, Vorsitzender Fachbereich Zivile Beschäftigte im Bundesvorstand des
Deutschen BundeswehrVerbandes
• Niklas Schenck, Autor und Filmemacher
• Prof. Dr. Conrad Schetter, Professor für Friedens- und Konfliktforschung, Universität Bonn,
und Direktor des Bonn International Center for Conversion (BICC)
• General a.D. Wolfgang Schneiderhan, 14. Generalinspekteur der Bundeswehr 2002-09
• Wolfgang Schomburg, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und den UN-Tribunalen für
das frühere Jugoslawien und Ruanda
• Georg Schramm, Kabarettist (ZDF-Sendung „Neues aus der Anstalt“)
• Ulrike Schultz, Journalistin, Mitarbeiterin der Hanns-Seidel-Stiftung Islamabad und Kabul
2001-09
• Dr. Hans-Ulrich Seidt, Deutscher Botschafter in Afghanistan 2006-08
• Dr. Anja Seiffert, Bundeswehr-Forscherin, Leiterin für die sozialwissenschaftliche Begleitung
des Afghanistaneinsatzes seit 2009
• Kava Spartak, Berlin
• Dr. Rainald Steck, Deutscher Botschafter in Afghanistan, 2004-06
• Andrea Thies, European Police Mission in Afghanistan, 2008-15Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


6
• Uwe Trittmann, Studienleiter Evangelische Akademie Villigst / Berlin (Villigster AfghanistanTagung)
• Verband afghanischer Organisation in Deutschland e.V., Berlin
• Dr. Kira Vinke, Sprecherin des Beirats Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der
Bundesregierung
• Dieter Wehe, Inspekteur der Polizei NRW (2002-15) a.D., Vorsitzender der Bund-Länder
Arbeitsgruppe Internat. Polizeimissionen (AG IPM) 2002 -20
• Thomas Wiegold, Journalist, Berlin
• Dr. Almut Wieland-Karimi, Leiterin des Landesbüros Afghanistan der Friedrich-Ebert-Stiftung
2002-05
• Kathrin Willemsen, Unterstützer:innen-Initiative Oranienburg
• Ronja von Wurmb-Seibel, Autorin und Filmemacherin
• Oberstleutnant Andre Wüstner, Bundesvorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbandes
• YAAR e.V., Berlin
• ZAN e.V., Frankfurt am Main
• Massieh Zare, Bremen
• Prof. Dr. Christoph Zöpel, MdB a.D., Staatsminister im Auswärtigen Amt, 1999-2002

Stand 13.5.2021, 18:00

WIR HABEN DIES AN DIE ZUSTÄNDIGEN MINISTERIEN UND PARLAMENTARISCHEN STELLEN GESCHICKT UND DIE MEDIEN INFORMIERT:

MELDUNG IM DEUTSCHLANDFUNK HEUTE UM 9:30 an ERSTER STELLE:

Nach dem Beginn des internationalen Truppenabzugs aus Afghanistan wächst die Sorge um den Schutz der afghanischen Ortskräfte.

Afghanen, die als Dolmetscher, Wachleute oder Helfer unter anderem für die Bundeswehr tätig gewesen seien, fürchteten um ihre Sicherheit und ihr Leben, heißt es in einem Offenen Brief an die Bundesregierung, der dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ vorliegt. Zu den Unterzeichnern gehören rund 80 frühere Diplomaten, Bundeswehr-Führungskräfte, Politiker und Wissenschaftler. Sie fordern, diese Menschen und ihre Familien zügig und unbürokratisch in Deutschland aufzunehmen. Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hatte in dieser Frage bereits eine unbürokratische Lösung zugesagt. Sie empfinde es als tiefe Verpflichtung, diese Menschen nicht schutzlos zurückzulassen, erklärte die CDU-Politikerin per Twitter.

Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan hatte offiziell am 1. Mai begonnen und soll bis spätestens 11. September beendet sein. Bis dahin sollen alle internationalen Truppen das Land am Hindukusch verlassen haben.

Diese Nachricht wurde am 14.05.2021 im Programm Deutschlandfunk gesendet.

BITTE LEST AUCH

http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1694

UND ALLE AKTUELLEN MELDUNGEN BEI https://www.afghanistan-analysts.org/en/

Wir dürfen Afghanistan und den deutschen Anteil an der situation dort nicht vergessen. WEITERE INFORMATIONEN FOLGEN.

Wir, „Wir“ ? und die „Anderen“ ?

Es ist schon sehr begründungsbedürftig, warum es dem Bund in der Coronakrise binnen weniger Tage gelingt, mehr als 170.000 Urlauber aus allen Teilen der Welt heimzufliegen und es zugleich nicht gelingt, die Geflüchteten auf Lesbos aus ihrer unerträglichen Situation zu befreien und nach Deutschland zu holen“, sagt Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Sollte die Bundesregierung weiter untätig bleiben, will das Land in „eher Stunden als Tagen“ aktiv werden und gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen 500 bis 1.500 Menschen ausfliegen. 20.000 Geflüchtete sitzen aktuell auf Lesbos fest – unter unmenschlichsten Bedingungen. (Tagesspiegel online 31.3.2020)    

HÖRT NICHT AUF DAS ZU FORDERN – FLIEGT DIE FLÜCHTLINGE AUS LESBOS UND SAMOS AUS.

Das Verhalten Deutschlands ist alles andere als weitherzig und humanitär großzügig (die paar Kranken aus Italien und Frankreich zu versorgen ist gut – aber der Propagandawirbel um diese wenigen Maßnahmen entwertet sie angesichts dessen, was wir tun können und uns leisten können – keineswegs nur der Staat, auch Private und die Zivilgesellschaft, das oft beschworene „Wir“. .

<<Eigentlich wollte ich heute einen ganz anderen Blog schreiben, weit ab von Corona und der faschistoiden Machtergreifung von Viktor Orban und dem starren Schweigen der EU dazu…aber dann habe ich mich von der Aktualität selbst hinreissen lassen>>

Vieles ist ist unseren Nachbarländern und fast überall in der EU und fast weltweit ähnlich, fast nie eindeutig kopiert oder schlicht von außen aufgezwungen, und doch ist der Trend, sind die Zeitläufte nicht notwendig so, wie sie offenbar sind: eher zum Abbau von Demokratie, zur Einschränkung von Grundrechten und Freiheiten, zur Versammlung um Führer und Institutionen neigend als zum eigenen, verantwortungsbewussten und solidarischen Handeln. Nicht einfach der Staat wird wieder in eine mächtigere Position eingesetzt, sondern ein bestimmter Typus von Staat.

Dazu Yuval Harari: „Wer glaubt, dass Diktaturen besser mit dieser Art von Krisen umgehen können als Demokratien, liegt falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Eine gut informierte Bevölkerung, die versteht, was getan werden muss und die mit den Behörden freiwillig kooperiert, ermöglicht eine viel effizientere Abwehr als eine schlecht informierte Bevölkerung, die von der Polizei überwacht werden muss. Man kann ja nicht in jede Wohnung einen Polizisten abkommandieren, der kontrolliert, ob man die Hände gut genug wäscht.“ (Handelsblatt 1.4.2020)

Ein kluger Freund vom andern Ende der Welt schreibt mir: Es sei festzustellen, dass „die autoritären Reflexe bei uns noch funktionieren und viele Mitmenschen gar nicht genug Staat bei der Lösung der Probleme haben können“. Es geht dabei nicht um den Rechtsstaat, den Sozialstaat, den Versorgungsstaat oder den Gewährleistungsstaat, sondern um den Anordnungsstaat. Es geht vielen darum, dass Verantwortung von den Menschen abgezogen und höheren Instanzen zugesprochen wird, wo nicht Gott – der sich beharrlich weigert zugunsten von Menschen einzugreifen – so doch denen, die scheinbar legitim anordnen dürfen, was man auch genauso gut und genauso schnell verhandeln hätte können. (Das wird bestritten, mit dem Argument, dass erst wenn autoritär durchgegriffen wird, die Leute parieren; dreht die Logik um, dann wird ein Schuh draus: wir – in der übergroßen Mehrheit – wir, fast alle, würden den wichtigsten Maßnahmen, Intensivmedizin – Kontaktbeschränkung, Abstandhalten, Hygiene, Quarantäne für Infizierte oder unklare Fälle – ohnedies folgen, wenn diese Maßnahmen nicht im Duktus und der Rhetorik der Ausnahme erfolgen würden, sondern eben Ergebnis dessen sind, was wir von einer Regierung erwarten dürfen – dass sie regiert und das wäre Normalität und nicht Ausnahme. Dafür, dass eine Regierung handelt, muss man weder dankbar sein, noch ein quid pro quo nach dem andern geben). Ist aber nicht so: die Regierung hat jahrelang nicht gehandelt (in der Seuchenprävention nachweislich nicht seit 2012), sie hat weder bei den Flüchtlingen noch den Renten verantwortungsbewusst gehandelt, sie hat aber die Grenzen geschlossen (nicht die deutsche Regierung allein…aus Brüssel kommt nur fast nichts einigendes mehr).

Also, nochmals klar: wir, das sind die, die sich aus Vernunft und Einsicht so verhalten, wie die Fachleute empfehlen und der Staat anordnet. Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit.

(Ich kanns nicht abdrucken, weil es zu lang ist, aber lest das nach: Gesine Palmer: Über die Einsicht in die Notwendigkeit. DLF https://www.deutschlandfunkkultur.de/ueber-die-einsicht-in-die-notwendigkeit.1005.de.html?dram:article_id=224662#top Ein Text von 2012).

Und wer sind die Anderen? Die Seehofers, Kurz‘, vor allem die Orbans und Kaczynskis, bei uns in Europa (ich rede jetzt nicht von den Irren und Diktatoren in anderen Weltgegenden). Nein, bei uns in Europa. Und damit auch in Deutschland. Ein ganz und gar nicht einfacher Gedanke: die, die oben vom Freund zitiert, nach dem Staat lechzen – unterwerfungssüchtig oder autoritär- und die, die dem Staat sein republikanisches Recht geben, zu regieren nach den Regeln der Demokratie, – sind zwei Gruppen, die bei gleichen Handlungen unterschiedlicher nicht sein könnten.

Wenn diese Krise – die Anlasskrise Corona – vorbei ist, fürchte ich, dass die Grenzen geschlossen bleiben, dass viele Einschränkungen von Rechten und Freiheiten weiter bestehen, und wenn die Flüchtlinge in Lesbos noch leben sollten, was wir wünschen, werden sie trotzdem im Elend des ungeschützten Verlassenseins von den Nationalisten in der EU behalten, als das Außen, das wir durch Schutz der Außengrenzen von uns, vom Innen fernhalten. Nochmals klar: ich sage nicht, dass ein Land alle Flüchtlinge aufnehmen muss, ich sage nicht, dass es nicht Regeln für die Rettung von Menschen geben muss, außer bei unmittelbarer lebensgefährlicher Not, ich sage nicht einmal, dass alle Geretteten bleiben müssen – Migration ist komplizierter – aber ich sage, dass die Menschenleben und ihre Verteilung auf alle Mitglieder der EU Vorrang vor allen nationalen Interessen, einschließlich des nationalen Vorrangs der Staatsbürger vor der Bürgerschaft in der EU, Citizenship, haben sollte. Bislang demonstriert man dies bei den LKWs, die sogar an der polnischen und ungarischen Grenze durchgewunken werden, um die Lieferketten nicht zu unterbrechen. 1994 hat Klaus Bade bei Beck das Manifest der 60: Deutschland und die Einwanderung herausgegeben. Seit damals spätestens kann niemand sagen, er wüsste nicht, worum es wirklich geht.

Die Ursachenkrise der EU ist auch eine Moral, der Kultur und der Menschlichkeit.

Wenn sich die meisten Reichen, Deutschland, Niederland, Österreich, gegen Eurobonds wehren, dann ist das hart an der Grenze von jener autoritären  Unterwerfung unter die Ökonomie, die bei denen, die ich oben als die Anderen bezeichnet habe, zur Unterwerfung unter den Staat führt. Wenn die Grenzen geschlossen bleiben, genauso.

Die Grenze zwischen Loyalität und Widerstand ist keine Berliner Mauer. Sie wird täglich neu gezogen.

Waffen zum Frühstück

Waffenfähige Chemikalien sollen aus Deutschland nach Syrien gelangt sein: Deutsche Konzerne waren während des laufenden Kriegs und trotz EU-Sanktionen am Export von waffenfähigen Chemikalien nach Syrien beteiligt. „Süddeutsche Zeitung“, Bayerischer Rundfunk und das Schweizer Tamedia-Medienhaus berichteten, der Essener Chemiegroßhändler Brenntag habe die Stoffe Isopropanol und Diethylamin an ein syrisches Pharmaunternehmen verkauft, das Verbindungen zum Regime von Syriens Machthaber Baschar al-Assad unterhalte. Die Staatsanwaltschaft Essen leitete nach Angaben einer Sprecherin ein Verfahren ein und prüft die Aufnahme von Ermittlungen. Zuvor hatten drei Nichtregierungsorganisationen Strafanzeige gestellt: die New Yorker Open Society Justice Initiative, das Berliner Syrian Archive und die Schweizer Organisation Trial International. Die Beteiligung deutscher Konzerne ist besonders brisant, weil 2014 zeitgleich syrische Chemiewaffenbestände in einer international koordinierten Aktion vernichtet wurden.
tagesschau.de, spiegel.de (Tagesspiegel online 26.6.2019)Das wundert mich nicht. Die deutsche Rüstungsindustrie, auch andere Wirtschaftszweige, kümmern sich nicht um Exportbeschränkungen oder gar um Politik. Ich wiederhole die alte Leier nicht, die wird bei jedem Anlass folgenlos im Bundestag gespielt, und die Lobbys sitzen derweil beim Business-Lunch.  Mir geht es vielmehr um die ja klassische Trennung von Staat und Wirtschaft, welch letztere der Gesellschaft zugeschlagen wird, und im so genannten liberalen System ja so sein muss.

Alles Blödsinn, denn natürlich heizt der Staat diese Exportwirtschaft für den Tod an, auch wenn er nicht offiziell in die Kriegshandlungen der anderen Staaten eingreift, siehe Saudi-Arabien. Und natürlich lässt sich die Waffenindustrie im weitesten Sinn, nicht nur Hardware, über jedes Dual-Use-Produkt, auch eine gehörige Subvention zukommen.

Was mich wundert: dass wir das alles wissen; dass es bestens belegt ist, durch Wissenschaft und durch aktuellen Journalismus; dass in den verschiedenen Friednescamps der demokratischen Parteien auch bekannt ist und diskutiert wird – heiß nur dort, wo die Frage Was tun? ernsthaft gestellt wird.

Ich habe zwei einander nicht verträgliche Ausblicke: der eine ist äußerst sensibel und nicht leicht zu vermitteln. Er verteidigt die staatliche Militärstrategie insoweit, als ihr Rückzug der Private Security Tür und Tor öffnete, jener unkontrollierten Gewaltarena, die ohnedies am Rand der legalen staatlichen Militärs immer breiter agiert. Das wäre, durchaus positiv und ohne Ironie, ein Plädoyer für den Vorrang des Politischen vor dem privat-militärischen und privat-wirtschaftlichen. Wir wissen, wie vielfältig und teils kriminell das durch die Beraterpolitik des Verteidigungsministeriums und durch die Lobbys unterlaufen wird. Weil natürlich Staat und Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nicht entlang ethischer Linien zu trennen sind. Und auch deshalb exportieren wir munter weiter zur Kontinuität des Sterbens im Krieg beitragend. Lacht nicht: auch hier gibt es den linken Zuspruch zu einer arbeitsplatzverträglichen Strategie, und außerdem muss ja die eigene Bundeswehr auch ausgerüstet werden.

Der andere Ausblick: effektive Rüstungs- und vor allem Exportkontrolle ist nicht so schwierig, vor allem, wenn die Geheimdienste da mitspielen und nicht den Rechtsstaat unterlaufen. Der Nachteil für einige Wirtschaftszweige hält sich in Grenzen, aber natürlich gibt es ihn. Der Vorteil einer politisch stärkeren Position der eigenen Regierung liegt immer dort, wo man sich als Vermittler und neutral anbieten kann, ohne dass die eigenen Todesexporte einem an den Lippen kleben. Nun geht das selbstverständlich nicht ohne transnationale Politik, muss auch in der NATO so gehen, sollte in Europa Einigkeit produzieren – idealerweise gar nicht so gewaltiger Aufwand, aber schon: es muss etwas geschehen…nur bei dieser GroKo nicht einmal als Tagesordnungspunkt ernsthaft zu erwarten. Die Kaninchen können eine Schlange nicht erkennen und starren ins Leere. Nur: zu einer effektiven Politik gehören Verträge und Kontrollmechanismen, sie einzuhalten. Und da ist es natürlich prekär, den verrückten Rechtsbrecher Trump noch immer als Verbündeten zu behandeln. Die Außenpolitik darf hier nicht piepsen, sie muss sprechen, und sie hat etwas zu sagen. Aber dann muss sie natürlich auch die, die sich an Verträge halten, nicht weiter oder zusätzlich bestrafen.

*

Ich höre jetzt meine Kritiker aufseufzen, wie unterkomplex meine Argumente sind. Sind sie. Und wer zustimmt, kann so wenig wie ich sagen, wie man die Regierung, das Parlament und etliche der Lobbys davon überzeugt, eine effektive Rüstungsbeschränkung durchzusetzen, um dem auch von uns unterstützten Massensterben wenigstens ein wenig Einhalt zu gebieten.

Das ist nicht ganz so wenig, wie ich tiefstaple. Nicht nur im Nachhinein finde ich, dass seit den Ostermärschen vor 500 Jahren auch die Friedensbewegung unterkomplex war und teilweise, in ihren Residuen, noch ist. Was mich so früh am Tag bewegt, ist etwas anderes. Wir können uns nur auf den Frieden konzentrieren, wenn wir die richtigen Konfliktregulierungen politisch durchsetzen. Und da geschieht politisch zu wenig, da ist nicht nur die Wirtschaft noch zu weit entfernt davon, auch die Zivilgesellschaft betet lieber für den Frieden als dass sie sich auf die Konflikte einlässt, die anstehen: friedlich lässt sich Rüstungsbeschränkung wahrscheinlich nicht durchsetzen, wenn wir die Rahmenbedingungen nicht ändern. Das ist nicht komplex und passt auf eine Programmseite einer demokratischen Partei. Sozusagen eine Übertragung der Fridays for Future in diesen Bereich.

 

Ost – West, Nachtgedanken

Gebannt starren alle westlichen und etliche global verteilte Politiker auf den amerikanischen Machthaber. Wird er das Iran Abkommen für die USA kündigen und welche Strafen wird er den anderen Signataren – also uns – zukommen lassen, wenn wir weiter auf seiner Grundlage mit dem Iran umgehen?In zwei Stunden wissen wir mehr, deshalb dazu nur ein Kommentar über die Faszination, die dieser psychopathische, sexistische Wahlbetrüger auf uns im Westen ausübt. Er scheint noch schlimmer als Putin und Assad, er scheint auch schlimmer als Xi Jinping und Kim, er scheint schlimmer als alle anderen – weil er zum Westen gehört. Ich werde jetzt argumentieren, dass das nicht der Fall ist und wir den Konflikt suchen sollen. Aber Vorsicht: das kann wehtun.

Heute hat sich der Diktator Putin erneut krönen lassen. Er gehört einer politischen Kultur an, die wir jedenfalls auch dann nicht übernehmen, wenn wir dauerhafte und solide Verträge mit ihm schließen. Er erfüllt die Kriterien westlicher Tugenden so wenig wie Trump, aber aus anderen Gründen. Die werte, auf denen seine Politik beruht, sind nahe an der unmittelbaren Herrschaft, wie sie im Endeffekt Stalin oder Hitler ausgeübt hatten, er ist noch unterstützt von einer otlichen Kirche, die sich wie ein nationalistisches Verbrechersyndikat aufspielt. Dem Volk in Russland gefällts: so muss die Mehrheit für ihre (kurze) Lebenserwartung wenigstens keine Verantwortung übernehmen.

Trump hat sich in ein System hineingedrängt, unterstützt von allem, was der Westen zulässt oder nicht entschieden genug bekämpft. „White Trash“ ist ein Schmähwort, das ich nie proaktiv verwende, aber was es meint, sollten wir bedenken: die soziale Schicht, die gerade nicht abgehängt ist vom „System“, sondern zugleich Mitursache und Folge eben dieser kapitalistischen Variante von bruchreif geschossener Demokratie. Weil aber die USA, lang erprobt, innerhalb des Kapitalismus schon eine Gewaltenteilung und eine Menge von Freiheiten haben, die notwendig sind, um einem Volk immer wieder zu ermöglichen, sich als solches zu konstituieren, wären die USA mit ihrem Präsidenten ein nicht nur historisch verständlicher Verbündeter, sondern auch in einem Tugendkreis nachhaltiger Republik.

Sie aber nur ohne diesen Präsidenten, ohne seine Regierung und im Widerspruch zu seiner Politik. Der Westen sind wir, und er ist da nicht drin.

Ein ganz wichtiger Vergleich: auch Netanjahu, und schon gar Naftali Bennet, gehören da nicht dazu, aber Israel schon (dies auch gegen die linken Antisemiten gesagt). Netanjahu ist der schäbige Steigbügelhalter Trumps bei seinen irrationalen Aktionen. Aber Vorsicht, zum zweiten Mal: das entlastet natürlich die potenzielle Rolle des Iran gegenüber Israel und die reale Rolle des Iran im Libanon und in Syrien nicht. Nur: das wäre auch ohne Trump so. Und deshalb muss weiter verhandelt werden. Kein Vertrag, dessen konfliktreiche Folgen nicht wieder reguliert werden müssen.

Wenn Trump nicht zum Westen gehört, aber wir der Westen sind, dann kann man die Konfrontation suchen – und wird sie finden. Nicht mit Zöllen, wir sind ja keine Mikromanager veralteter Weltökonomie.  Nein: politisch müssen wir auf Trumps unlautere Ökonomie reagieren. Erster Schhritt: Visapflicht für US Staatsbürger. (ahc, das schadet unserem Tourismus? ich habe ja gesagt, dass die Konfrontation uns auch etwas kosten wird). Einladung von Trump-kritischen Kultur- und Umweltaktivist*innen (man kann ja Visa erteilen, oder sie ablehnen). Letzteres, ich muss es wiederholen:  absolut keine Einreise von Mitgliedern der NRA, und dauerhaftes Einreiseverbot für den neuen Präsidenten der NRA, den Verbrecher North (erinnert euch: Iran-Contra-Affäre). Da die USA ohnedies Visapflicht auch für uns haben, können wir jetzt dahin fahren, und vorsichtig – wir wissen, wie schnell die töten – Kultur und Politik vermitteln, wie wir das für richtig halten (wir sind ja Verbündete in der wertegemeinschaft der NATO, zum Beispiel).

Ja, und mit dem Iran muss weiter verhandelt werden. Und mit den andern auch.

Was wir nicht vergessen sollen: Die Mehrheit der Amerikaner hat Trump nicht gewählt; sie sind das am Westen, was wir vielleicht als tugendhafte Inspiration auffassen können – denkt an die Selbstheilungskräfte nach McCarthy, nach Vietnam, an die Proteste im Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit….dass da die „Andern“ da sind, die, die nicht abgehängt sind, sondern uns global abhängen wollen, können wir gar nicht vergessen, Trump erinnert uns daran.

*

Wozu ich das schreibe. Eine schnelle Fingerübung, zwei Stunden vor der Vertragsentscheidung durch den Trump. Ich bin aber kein Journalist, der/die könnte diesen ersten Teil viel besser und klarer schreiben. Aber ich habe halt keine Zeitung und keinen Chefredakteur zur Hand.

Jetzt zum Argument aus anderer Sicht. Die andere Sicht ist nicht „hoch“-wissenschaftlich, das wäre kein Widerspruch zum Journalismus. Die andere Sicht ist ein Selbstgespräch zum Zustand einer globalen Politik, die nicht weltbürgerlich, nicht international(istisch), nicht rational ist und stärker als seit langem auf den Gebrauch von Macht, nicht ihren Einsatz als ein Werkzeug zielt: auf illegitime Herrschaft.

Das ist unter anderem möglich geworden, weil die Werte und Tugenden, die wir mit dem Westen verbinden, eben schlruig und unachtsam Einzelpolitiken und -Interessen gewichen sind, manchmal geopfert wurden. MENSCHEN ERMÜDEN NICHT SO OHNE WEITERES AN DER DEMOKRATIE. Aber wenn sie an der fatigue de democracie erkrankt sind, dann fällt der nächste Stein. Und das gilt für die großen Akteure global, wie es für die vielen kleinen und weniger wichtigen gilt. Der schnelle linke Kurzschluss ist: so ist nun einmal der Kapitalismus (die letzten Tage zum Marx Geburtstag waren grässlich diesbezüglich). Der schnelle rechte Kurzschluss: das kommt davon, wenn man die Heimat aufgibt. Beiden gemeinsam, und von Trump bis Seehofer und von Putin bis Orban:  Angst verbreiten und Wirklichkeit ausblenden. Seehofer und Orban sind dumme Funzeln im Vergleich zu den Tyrannen, aber die Methoden brauchen keine Zaren – ich glaube Tucholsky hat einmal sinngemäß gesagt, die (Deutschen) – gilt für alle – möchten gerne hinter einem Schreibtisch sitzen, aber die meisten stehen davor. Übertragt das.

Wie wurde Hannah Arendt für die Banalität des Bösen gescholten. Die Banalität des Trump, die Banalität der 150 unerträglichen Regime und der Einbrüche in die Erträglichkeit beim Rest, diese Banalität wollen wir nicht: wir suchen noch Sinn in der Folter (u.a. Trumpregierung), im Unrecht (u.a. im System Putin), in der Unterdrückung (die Griechen sind selber schuld). Unsere Heimat wird immer mehr, wo Widerstand ist.

…so, und jetzt schau ich mir Trumps Entscheidung an…ich hab nicht drauf gewartet. Aber mit dem Iran müssen wir verhandeln.

21.00 Uhr:

NACHTGEDANKEN

Nicht das erste Mal. Jetzt Ohnmacht an sich festzustellen, wäre fast Desertion. Was ist geschehen: die Sichtbarkeit des Weltkriegs, in dem wir uns schon befinden, wird wieder ein Stück erhöht. Die lauteste und aufdringlichste Stimme ist Netanjahu: das wundert nicht, zeigt aber, wie schwierig das alles ist. Denn „der Westen“, d.h. der richtige, wir, haben den Iran an dieser Ebene nicht richtig verbindlich gefordert (auch was seine Rolle in Syrien und Jemen betrifft), und da spielen jetzt Bibi und sein Team mit den Ängsten der Israeli. Dass Netanjahu zugleich allen antisemitisch-antiisraelischen Ressentiments neue Nahrung gibt, ist eine Nebenwirkung. Also ist Macrons Position richtig, mit dem Iran weiter – längerfristig wirksam – zu verhandeln. Nur nicht aussteigen, wie der neue amerikanische Botschafter heute von der deutschen Wirtschaft verlangt hatte: da muss man hart bleiben, was aber die Konfliktsituation weiter verschärft.

Ausweglos? Alternativlos? Jede Situation im Krieg, für sich genommen, ist so.

Nur ist der Krieg keine Perlenschnur aus Situationen. Die Nachtgedanken sind die Inseln, in denen sich reflektieren lässt, was um uns schon geschieht, aber noch beobachtbar ist, weil wir gerade weder kämpfen noch angegriffen werden. Das trifft immer auf ganz viele zu, nur manche sind dauernd in der Feuerzone. Lest Bachmanns „Alle Tage“, immer wieder.

Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.

Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.

Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.

(1952)

Ich schreib dieses Gedicht immer wieder ab, ich komme von der Beschreibung des fortgesetzten Kriegs nicht los, weil der „Westen“ es ja besser schaffen hätte können, ihn zu verschieben als alle andern. Aber sie bleiben zusammen, globalisiert, der Schatten ewiger Rüstung fällt auf uns.

Aber jetzt rezitieren, ist der falsche Zeitpunkt. Jetzt geht es darum, dem Iran zu sagen, wo es lang geht (und nicht dem Trump). Dafür stehen die Chancen nicht schlecht, mit der Nichtachtung jeglichen Befehls können wir schon heute beginnen.

 

 

 

„Linker Frieden“ – Staatliche Gewalt

Man bekommt leicht Ärger, wenn man bestimmte Glaubenspositionen in Zweifel zieht. Eine bestimmte Form von Pazifismus bezeichnet sich selbst als links, und nimmt diese Marke als richtige Plattform für politische und moralische Aussagen für sich in Anspruch. Ich habe das immer bekämpft, weil der Anspruch eine Kontroverse provoziert, die unnötig, aber destruktiv ist: wer gegen die tatsächlich eingenommenen Positionen von „links“ ist, ist dann was? Rechts, konservativ, wenn es um Frieden geht gar militaristisch? (Ist man dann einr echter Militarist?)

Ein Beispiel für missverstandenes „links“ ist der Pazifismus selbst, dessen Geschichte eher eine von Gewalt und Gegengewalt ist. Ein Irrtum linker Rhetorik ist, dass die illegitime Gewalt immer in irgendeiner Form bewaffnet auftritt, und der Frieden ohne Waffen geschaffen werden muss/kann. Empirisch sind alle Befreiungsbewegungen auch mithilfe von Gewalt aufgetreten und erfolgreich/erfolglos gewesen, und nicht jedes illegitime Regime hat seine Herrschaft (bloß) auf Waffengewalt gestützt, oder (bloß) auf Folter und Gesinnungsterror, ebenso wenig wie die Befreiungsbewegungen auf diese Instrumente durchgängig verzichtet haben.

„Links“ bin ich selbst genug, um das sozialpolitisch, kulturpolitisch, ethisch hinlänglich zu begründen, stärker an Marx, Bourdieu, Hannah Arendt oder Bloch  orientiert als an irgendeiner so genannten sozialistischen Staatserfahrung. Aber Widerstand gegen falsche Politik, in diesem Fall gewaltsame Außenpolitik (bestimmte Interventionen) oder Innenpolitik (Abschiebungen von Geflüchteten) ist nicht links, auch nicht rechts. „Richtig“ wäre der Widerstand durch die übergeordneten Prinzipien zu beschreiben, die einem zu politischen Handeln bewegen, also aus der kommentierenden in die aktive Rolle bewegen. War Ghandi links? In gewissem Sinn nein. War der Vietcong pazifistisch? In gewissem Sinn ja. Das kann man erklären, analysieren usw. Worauf es mir ankommt, ist die Rhetorik und den rechthaberischen Duktus der richtigen Fraktion innerhalb politischer Bewegungen zu dekonstruieren.

Wie die Beispiele der Marx-Gedenkfeiern zeigen, gibt es bei „linken“ PolitikerInnen ein Unbehagen: Marx‘ Theorien seien nicht für Gräuel des Kommunismus verantwortlich (Wagenknecht), aber sie seien konstitutiv für die Sozialdemokratie (Nahles). Beides stimmt, hat aber mit links nichts zu tun. Links kann eine bestimmte Sozialpolitik sein, ein bestimmtes Gesetz, ein bestimmter Rechtsrahmen, wenn man links als generischen Begriff für Solidarität, Gerechtigkeit, Republikanismus und demokratische Verfahren versteht. Aber es gibt eine Menge von Herrschaftsformen, die das eine oder andere Produkt durchsetzen, das wir für richtig erachten, das aber keineswegs alle vier Bestimmungsstücke enthält. Und die müssen natürlich immer wieder aus den Konflikten und ihrer Regulierung neu entstehen. Womit wir beim „Frieden“ sind. Innerhalb meiner eigenen politischen Gruppe strebe ich immer an, Frieden nicht als existenzielles Ziel oder eine Vision anzusehen, sondern als temporäres und bestenfalls zeitweise nachhaltiges Produkt von Konfliktregulierung. Die kann, muss aber nicht, gewaltsam erfolgen – Frieden schaffen, nicht herbeireden… – und sie kann das Ergebnis von Kompromissen sein, die nur wenig mit den vier genannten Prinzipien zu tun haben.

(Ein Einschub: man kann diese Prinzipien erweitern, kein Problem, wenn es in Richtung Gender-Gleichheit, Minderheitenschutz, oder noch prinzipieller Überleben im Sinne der Klimapolitik geht. Man kann diese Prinzipien auch durch Ausbildung bestimmter Tugenden, erhaltensweisen, versuchter Habitusänderungen herbeizuführen. Aber lassen wir es bei den einfachen Prinzipien, die auf einem Primat der Freiheit beruhen, über die Umstände friedlichen Lebens zu verhandeln und dabei seine eigenen Position, auch Macht- oder Ohnmachtspositionen, deutlich zu machen).

Wenn jetzt über Krieg & Frieden diskutiert wird, dann ist die Frage nicht so sehr was wünschbar ist, sondern welche Konfliktregulierung angestrebt und gemacht werden soll und kann. Die kann nicht abstrakt – ich sage oft böse „vom Sofa aus“ – gefördert werden, sondern muss sich in der eigenen Sichtbarkeit und dem Ausgesetztsein der wirklichen Machtstrukturen sozusagen anbieten, um als Partner in der Friedenspolitik wahrgenommen und akzeptierbar zu werden.

Ein Beispiel, subjektiv: meines. Wenn ich in der Flüchtlingsarbeit mich für von Abschiebung betroffene Menschen einsetze, bin ich zugleich im Widerstand gegen die unmenschliche und verachtungsvolle Politik von Seehofer, Dobrindt und Söder UND in einer Auseinandersetzung, die jenseits des persönlichen Schicksals die Fluchtursachen nicht nur in Armut, Entrechtung und Gewalt sieht, sondern auch in der Politik, die unser Land und alle anderen global vernetzt tatsächlich machen. Dann muss zugleich er- und geklärt werden, warum Afghan*innen und Syrer*innen im gleichen Lager aufeinander losgehen, warum die Abschiebungspolitik zu einer Spaltung von Justiz und Außenpolitik führt, und wie es sich mit den Rüstungsexporten in bestimmte Länder mit bestimmten Adressaten verhält. Aber das wird ja nicht in der Alltagspraxis meines Umgangs mit einem bestimmten Menschen erörtert. Wenn der unsägliche Herr Dobrindt die Klagen gegen Abschiebungen mit Abschiebungsbusiness bezeichnet (6.5.2018, DLF Nachrichten), dann assoziiere ich „Shoah-Business“ und schon erhöht sich die Komplexität meines politischen Nachdenkens eines ansonsten klaren und sehr beschränkten Sachverhalts.

Ein anderes Beispiel ist komplexer und politisch wirklich sensibel. Die linke Kritik an der israelischen Politik ist bisweilen offen, bisweilen verdeckt antisemitisch, und zwar ohne emprisch belegbare Not. Natürlich kann und muss man, nicht nur pazifistisch, die Besatzungspolitik Israels und dieDiskriminierung von Palästinensern kritisieren, wie man das in jedem anderen Konfliktgebiet auch täte. Aber schon das Changieren der Bezeichnungen über die Herkunft der Kritik (antizionistisch ist nicht antisemitisch, Israel gleich „Juden“, die Anführungszeichen sind Ausdruck von Unsicherheit der Kritiker, die gewollte Unkenntnis der Geschichte, und die Entschuldigung aller Untaten der Palästinenser und ihrer Hintermänner als aus der Opferperspektive verständlich – das ist für mich ziemlich entsetzich, wenn es auch in der demokratischen Friedensbewegung geschieht. Man möchte sagne: Dank sei Abbas, der seinen Antisemitismus vor dreißig Jahren so deutlich ausgesprochen hatte wie letzte Woche – und da fehlt mir die präzise Reaktion der Linken aller Schattierungen so weit, als dies nicht auf einen Persönlichkeitsfehler reduziert werden kann, der dem eher moderaten Palästinenserführer anzulasten sei. (Das hat man vorher nicht gewusst?) Von hier zur Diskussion des islamischen wie des arabischen Antisemitismus ist ein harter und „linker“, d.h. aufgeklärter Weg zu beschreiten, der aus der rechten Opferideologie und den Kontrapunkten Shoa und Nakba endlich ausbricht. Dann, – vielleicht? Nur dann – kann man auch die Kippadiskussion der letzten Tage politisch führen.

Am Rüstungsbeispiel kann man deutlich aufzeigen, dass es zwar völlig richtig ist, Rüstungsexporte zu beenden, aber das würde keineswegs das Ende der Rüstungsindustrie bedeuten. Denn die Forderung „…ohne Waffen“ ist ja nicht politisch, wenn man nicht auf spontane Erleuchtung oder Zwang von Oben spekuliert, sondern bedarf der Gewalt gegen die Waffenproduzenten und ihre Lobbys…Damit kommen wir aber ganz nahe an das Problem, dass Gewalt oft die unbedingte Voraussetzung gewaltfreier, ziviler und zivilisierter Regeln ist. Also nicht ohne eigene Gefährdung angewendet werden kann und selten das produziert, was sie provozieren möchte. Die Gleisbesetzungen in Gorleben sind so ein Moment, oder die Belagerung der Atomwaffenstützpunkte. Sie fordert die Anwendung der legitimen Anwendung des staatlichen Gewaltmonopols dort heraus, wo sie seine Schwächen zeigt. Wieweit das in der globalen Friedenspolitik ebenso sinnvoll und möglich ist, ist eine delikate Frage. Wie sähe denn die Gewalt aus, die die Verhältnisse so zum Tanzen brächte, dass am Ende eine Friedenslösung oder ein „Westfälischer Friede“ (metaphorisch, eine neue Vereinbarung müsste natürlich anders aussehen) stünde.

Die „linke“ Politik stützt sich oft auf ein anti-kapitalistisches Element, dem aber kein Gegenentwurf, sondern die Kritik entgegensteht, die in der Überwindung der Erscheinungen des Kapitalismus das Terrain öffnen möchte, in dem dann die richtige, freie, demokratische Politik möglich wäre, ein Glacis sozusagen. Nicht übel, aber auch nicht praktisch. (Insofern ist der letzte Spiegel-Leitartikel nicht so schlecht).

Hier könnte man in der Friedenspolitik einmal den Kontrast zur „rechten“ Politik deutlich machen, die ja in vielen Spielarten Befriedung als maximale Stabilität ohne die Freiheiten der angestrebten gesellschaftlichen Entwicklung (Menschrechte, Grundrechte, Gleichheit vor dem Gesetz, Leben oberhalb der Subsistenzgrenze….) anstrebt. Hauptsache, der Bürgerkrieg wird beendet; Hauptsache, das sinnlose Morden hört auf; Hauptsache, wir haben jemanden, mit dem wir die Beziehungen wieder aufnehmen oder aushandeln können…“. Das ist „rechts“? in gewisser Weise ja, weil es Stabilität ohne Demokratie, also genau das System Orban, Kaczinksy, Zeman, Putin etc. aufzeigt – unterschiedliche Mittel zur Ausübung der Herrschaft lassen friedenspolitische Ansätze nicht homogen formulieren. Den Russen die Krim wegzunehmen, wird schwierig. Wäre aber nicht falsch. Den Ungarn die Freiheit der NGOs zurückzugeben, ist machbar, aber mit ausgeübter legitimer Gewalt durch die EU, ähnlich die Grundlagen der Verfassung in Polen. Dem Seehofer die Idee seiner unmenschlichen Ankerzentren wegzunehmen, wird innenpolitisch schwierig, darauf müssen wir aktiv drängen, nicht den einzelnen Polizeieinsatz „für sich“ kritisieren oder akzeptieren. (Die Ellwangen-Analyse ist in diesem Fall wichtiger als die Beschreibung angemessener oder unangemessener Gewalt der beteiligten Gruppen).

Neben dieser Hinführung zu einem Ende der rechts-links Selbsttäuschungsdebatte ein Grundsatz: die Atomwaffendiskussion muss unbedingt wieder aufgenommen werden, und hier werden wohl Grenzüberschreitungen gegen Nuklearwaffen und-rüstung unvermeidlich sein. In diesem Licht ist die Atompolitik der Atomwaffenbesitzer ebenso wie die der Atomwaffen-Anstreber ins Zentrum zu rücken, und da steht als erstes die Aufklärung. Wir Älteren haben die Auswirkungen des Atomkriegs noch direkter mitbekommen, für die Jüngeren ist das ein wenig abstrakt, was es heißt, „taktische“ Atomwaffen einzusetzen, von den großen Bomben gar nicht zu reden. Und so wie wir uns weitgehend einig darüber sind, dass die sog. Zivile Atomkraft (Energie)  zu Ende gebracht werden muss, so prioritär sollte das Gleiche mit den militärischen Atomwaffen sein. Das kann politisch dann gelingen, wenn die Autorität regelsetzender Institutionen, z.B. der Vereinten Nationen, wieder hergestellt werden soll, und dahin sollte unser Land seinen jetzt drohenden Sitz im Sicherheitsrat verwenden (woraufhin zu arbeiten wäre, politisch und öffentlich und aufklärend).

Unser Staat wendet oft unnötig Gewalt gegen die Schwächsten an, um die Gemüter der politisch Schwachen, ich sage der Rechten, ruhig zu stellen. Beispiel Bayern und Sachsen. Es gehört auch Friedenspolitik, legitime und illegitime Gewalt auseinander zu halten und hier Stellung zu beziehen.

P.S. Eine ausführliche Kritik würde sich lohnen: Hasnain Kazim: „Lieber nicht sterben“ über den Autor Ole Nymoen. „Lieber in Unfreiheit leben als für Freit zu sterben“ (die Arroganz, Gefangenschaft lebendig (Geist und Körper) lieber zu überleben als tot zu sein, kann philosophisch erörtert werden, aber nicht realpolitisch. Da sind die beiden Optionen nämlich nicht gegeneinander abzuwägen.