Waffen zum Frühstück

Waffenfähige Chemikalien sollen aus Deutschland nach Syrien gelangt sein: Deutsche Konzerne waren während des laufenden Kriegs und trotz EU-Sanktionen am Export von waffenfähigen Chemikalien nach Syrien beteiligt. „Süddeutsche Zeitung“, Bayerischer Rundfunk und das Schweizer Tamedia-Medienhaus berichteten, der Essener Chemiegroßhändler Brenntag habe die Stoffe Isopropanol und Diethylamin an ein syrisches Pharmaunternehmen verkauft, das Verbindungen zum Regime von Syriens Machthaber Baschar al-Assad unterhalte. Die Staatsanwaltschaft Essen leitete nach Angaben einer Sprecherin ein Verfahren ein und prüft die Aufnahme von Ermittlungen. Zuvor hatten drei Nichtregierungsorganisationen Strafanzeige gestellt: die New Yorker Open Society Justice Initiative, das Berliner Syrian Archive und die Schweizer Organisation Trial International. Die Beteiligung deutscher Konzerne ist besonders brisant, weil 2014 zeitgleich syrische Chemiewaffenbestände in einer international koordinierten Aktion vernichtet wurden.
tagesschau.de, spiegel.de (Tagesspiegel online 26.6.2019)Das wundert mich nicht. Die deutsche Rüstungsindustrie, auch andere Wirtschaftszweige, kümmern sich nicht um Exportbeschränkungen oder gar um Politik. Ich wiederhole die alte Leier nicht, die wird bei jedem Anlass folgenlos im Bundestag gespielt, und die Lobbys sitzen derweil beim Business-Lunch.  Mir geht es vielmehr um die ja klassische Trennung von Staat und Wirtschaft, welch letztere der Gesellschaft zugeschlagen wird, und im so genannten liberalen System ja so sein muss.

Alles Blödsinn, denn natürlich heizt der Staat diese Exportwirtschaft für den Tod an, auch wenn er nicht offiziell in die Kriegshandlungen der anderen Staaten eingreift, siehe Saudi-Arabien. Und natürlich lässt sich die Waffenindustrie im weitesten Sinn, nicht nur Hardware, über jedes Dual-Use-Produkt, auch eine gehörige Subvention zukommen.

Was mich wundert: dass wir das alles wissen; dass es bestens belegt ist, durch Wissenschaft und durch aktuellen Journalismus; dass in den verschiedenen Friednescamps der demokratischen Parteien auch bekannt ist und diskutiert wird – heiß nur dort, wo die Frage Was tun? ernsthaft gestellt wird.

Ich habe zwei einander nicht verträgliche Ausblicke: der eine ist äußerst sensibel und nicht leicht zu vermitteln. Er verteidigt die staatliche Militärstrategie insoweit, als ihr Rückzug der Private Security Tür und Tor öffnete, jener unkontrollierten Gewaltarena, die ohnedies am Rand der legalen staatlichen Militärs immer breiter agiert. Das wäre, durchaus positiv und ohne Ironie, ein Plädoyer für den Vorrang des Politischen vor dem privat-militärischen und privat-wirtschaftlichen. Wir wissen, wie vielfältig und teils kriminell das durch die Beraterpolitik des Verteidigungsministeriums und durch die Lobbys unterlaufen wird. Weil natürlich Staat und Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nicht entlang ethischer Linien zu trennen sind. Und auch deshalb exportieren wir munter weiter zur Kontinuität des Sterbens im Krieg beitragend. Lacht nicht: auch hier gibt es den linken Zuspruch zu einer arbeitsplatzverträglichen Strategie, und außerdem muss ja die eigene Bundeswehr auch ausgerüstet werden.

Der andere Ausblick: effektive Rüstungs- und vor allem Exportkontrolle ist nicht so schwierig, vor allem, wenn die Geheimdienste da mitspielen und nicht den Rechtsstaat unterlaufen. Der Nachteil für einige Wirtschaftszweige hält sich in Grenzen, aber natürlich gibt es ihn. Der Vorteil einer politisch stärkeren Position der eigenen Regierung liegt immer dort, wo man sich als Vermittler und neutral anbieten kann, ohne dass die eigenen Todesexporte einem an den Lippen kleben. Nun geht das selbstverständlich nicht ohne transnationale Politik, muss auch in der NATO so gehen, sollte in Europa Einigkeit produzieren – idealerweise gar nicht so gewaltiger Aufwand, aber schon: es muss etwas geschehen…nur bei dieser GroKo nicht einmal als Tagesordnungspunkt ernsthaft zu erwarten. Die Kaninchen können eine Schlange nicht erkennen und starren ins Leere. Nur: zu einer effektiven Politik gehören Verträge und Kontrollmechanismen, sie einzuhalten. Und da ist es natürlich prekär, den verrückten Rechtsbrecher Trump noch immer als Verbündeten zu behandeln. Die Außenpolitik darf hier nicht piepsen, sie muss sprechen, und sie hat etwas zu sagen. Aber dann muss sie natürlich auch die, die sich an Verträge halten, nicht weiter oder zusätzlich bestrafen.

*

Ich höre jetzt meine Kritiker aufseufzen, wie unterkomplex meine Argumente sind. Sind sie. Und wer zustimmt, kann so wenig wie ich sagen, wie man die Regierung, das Parlament und etliche der Lobbys davon überzeugt, eine effektive Rüstungsbeschränkung durchzusetzen, um dem auch von uns unterstützten Massensterben wenigstens ein wenig Einhalt zu gebieten.

Das ist nicht ganz so wenig, wie ich tiefstaple. Nicht nur im Nachhinein finde ich, dass seit den Ostermärschen vor 500 Jahren auch die Friedensbewegung unterkomplex war und teilweise, in ihren Residuen, noch ist. Was mich so früh am Tag bewegt, ist etwas anderes. Wir können uns nur auf den Frieden konzentrieren, wenn wir die richtigen Konfliktregulierungen politisch durchsetzen. Und da geschieht politisch zu wenig, da ist nicht nur die Wirtschaft noch zu weit entfernt davon, auch die Zivilgesellschaft betet lieber für den Frieden als dass sie sich auf die Konflikte einlässt, die anstehen: friedlich lässt sich Rüstungsbeschränkung wahrscheinlich nicht durchsetzen, wenn wir die Rahmenbedingungen nicht ändern. Das ist nicht komplex und passt auf eine Programmseite einer demokratischen Partei. Sozusagen eine Übertragung der Fridays for Future in diesen Bereich.

 

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