Sachverhalt:
Mit unangemessener Gewalt zerren bayrische Polizisten einen Afghanen aus dem Berufsschulunterricht, um ihn mit anderen nach Kabul zu deportieren. Aufgebrachte Mitschüler*innen skandieren bei diesem brutalen Einsatz „Mörder“. Der junge Mann war integriert und hat gelernt, was unsere Gesellschaft braucht. Aber der Rechtsstaat setzt sich über das humanitäre Völkerrecht und über die selbstverständliche Schutzpflicht gegenüber dem Lebern anderer hinweg.
Kontext:
Am 31. Mai ist in Kabul ein Attentat, das 90 Tote und hunderte Verletzte forderte, verübt worden. Eines von vielen.
Innenminister de Maiziere setzt die Deportation aus, weil sich die deutsche Botschaft um die Abgeschobenen nicht kümmern kann. Er will die Abschiebungen wieder aufnehmen.
Der bayrische Innenminister Hermann beharrt darauf, dass es in Afghanistan sichere Orte für Deportierte gäbe.
CDU Fraktionsführer Kauder vertritt die gleiche Linie, das AA würde durchaus sichere Orte ausweisen.
Die Bundesratspräsiddentin Malu Dreyer will Abschiebungen nach Afghanistan verhindern.
VERGLEICHE DAZU DIE LETZTEN BLOGS ZUM THEMA, DIE UMFANGREICHEN DOKUMENTATION VON AAN und THOMAS RUTTIG, und Stellungnahmen von Pro Asyl und anderen.
Mörder?
Nein, die bayrischen Polizisten sind keine Mörder. Sie sind Befehlsempfänger von Schreibtischtätern, die keine Ahnung von Afghanistan haben und sich auf Informationen stützen, die vor allem die Deportationspraxis unterstützen sollen. Die bayrischen Polizisten haben in der Mehrzahl Unbehagen und Scham ausgedrückt. In der Mehrzahl, unsere Fernsehberichterstattung ist ziemlich objektiv und differenziert.
Was die betroffenen Protestierenden gemeint haben, ist aber klar: wieder schiebt der christlich-soziale bzw. christlich demokratische Rechtsstaat Menschen ab, in Todesgefahr und OHNE ZUREICHENDEN GRUND.
Option:
Um die von Regierungsseite diskreditierten Proteste zu entkräften, könnten die Innenminister ihre Familienmitglieder und am besten sich selbst als Begleitpersonen mit den Abgeschobenen nach Kabul begeben, um in der sicheren Zone von Wazir Akbar Khan danach für die ankommenden Personen zu sorgen. Und um für sie sichere Verbannungsorte ausfindig zu machen.
Die deutschen Behörden sind nicht in der Lage, ihre Botschaft und ihr Konsulat zu schützen. Aber Afghanistan ist sicher…
Perspektive:
Die Mitschüler*innen des betroffenen jungen Afghanen und viele vergleichbar mit der unmenschlichen Deportationspolitik befasste Menschen werden ein weiteres Stück Loyalität gegenüber dieser Seite des Rechtsstaats aufgeben müssen.
Dass die Innenminister Maiziere und Hermann das nicht sehen, erscheint angesichts ihrer an der Leitkultur orientierten Engstirnigkeit und moralischen Unempfindlichkeit nicht verwunderlich. Dass sie damit aber unser ganzes Land, uns in Europa, beschädigen, merken sie nicht. Dann brauchen sie sich auch nicht zu wundern, wenn sie gemeint sind, wenn der Protest um sich greift.
Nein, es geht nicht um Mord: weder heimtückisch noch aus niedrigen oder irgendwelchen Beweggründen wird hier gehandelt, auch nicht besonders grausam. Es geht um das weitere Aufkündigen eines Gesellschaftsvertrags; nicht Verständnis oder Mitleid sind gefragt, sondern tatkräftige Praxis, den verfolgten und zukunftslosen Menschen zu helfen.
Dazu sind die christlichen Blasphemiker in unserer Politik nicht bereit.