Der Haken mit dem Kreuz

http://de.euronews.com/2018/04/25/soder-und-kreuz-mit-dem-kruzifix-10-der-besten-tweets

Nehmt die Drohung Ernst.

Betretet Amtsgebäude mit dem bayrischen Kreuz, das einer lokalen Spielart des Christengottes geweiht ist, betretet sie und fragt, was anders als ein beschränktes Verständnis eines beschränkten Kleinstaates es zu bedeuten hat.

Einschub aus eigner Erfahrung.

Ich war lange Zeit Präsident der Carl von Ossietzly Universität gewesen. In meine Amtszeit fiel die Namensgebung. Der Name wurde am höchsten Turm angebracht. Im Zuge von Friedensaktivitäten haben Studierende und einige Lehrende dort auch eine weiße Taube angebracht, Picasso-Taube, Symbol der Friedensbewegung.  Ich habe sie zweimal abnehmenlassen, sie wurde wieder hingeklebt. Mein Argument: wenn wir anfangen, Symbole der Öffentlichkeit aufzudrücken, ohne dass diese Öffentlichkeit sich dagegen wehren kann oder aber in den Prozess einbezogen zu werden (zB. lag die Wahlbeteiligung bei Studierenden damals unter 10%), dann ist das symbolische Gewalt. Denn dann kann „jeder“ kommen, und sein Emblem anbringen.

(Selbst bei der staatlichen Heraldik gibt es rechtliche Grenzen).

Empörung reicht nicht

Söder meint mit seiner Maßnahme die Grundstimmung im Volk (s.d.) und ein klares Identitätssignal zuglerich aufzugreifen.  Mir san mir. Regt euch nicht auf, wenn überall so ein Kreuz an der Eingangstür hängt, dann verkommt das zur unreflektierten Alltäglichkeit. Bis es jemand abreißt oder sich weigert, in einem so gesegneten Amtshaus als Staatsbürger aktiv zu werden, seine Entfernung verlangt.   Geht das Ganze dann doch wieder einmal vor Gericht, wird der verhängnisvolle Einfluss der Kirchen, nicht nur der bayrischen  Sekte, auf unser Staatswesen noch deutlicher.

Ich habe mich immer für die Religionsfreiheit in den Grenzen des Rechtsstaats ausgesprochen. Der Staat in den Grenzen  religiöser Identität ist unmöglich. Deutschland ist kein christlicher Staat. auch kein agnostischer,  muslimischer oder sozialistischer, um gleich die Brücke zu Ideologien zu schlagen.

Empörung? Warum eigentlich? Wenn das Kreuz da hängt, legitimiert es alles, was im Amtshaus geschieht: Rechtspflege, Verwaltung, Schlendrian, Ehebruch und Korruption. In hoc signo vinces! Natürlich nur „symbolisch“. Obwohl, in Bayern weiß man nie…

Der Verweis auf die unsägliche Leitkulturdiskussion ist unvermeidlich. Dass sich der mildsabbernde evangelische Bischof Bedford-Strohm – ein christlicher, ein bayrischer Name? – glich für das Kreuzaufhängen ausgesprochen hat, wird er vielleicht bereuen, ich trau es ihm zu. Entschuldigung, Herr Bischof.

 

Vergessen wir nicht, das Kreuz kann auch andere Bedeutungen haben, es kommt zB. der bayrisch-christlichen Anwendung von Sharia nahe, weil alle weltliche Rechtssprechung im Islam, nach orthodoxer Auffassung, dem göttlichen Recht untergeordnet ist. Mir  jüdischem Spötter wiederum erlaubt das Kreuz in der  Amtsstube, dorthin nicht zu gehen und mich mit den Amtswaltern nebenan im Cafe zu treffen oder eben dort nicht zu verrichten, was man von mir erwartet. Oder wir kleben, nach Anteilen der Religionszugehörigkeit, kleiner Kirchensymbole neben das jetzt amtlich verordnete Kreuz, z.B. mit einer 2% Klausel. Ach, wie herrlich, dass die Bayern keine andern Sorgen haben.

Warum wehren sich die Christen nicht?

Nichts gegen Kreuze auf Kirchtürmen. Nichts gegen Kreuze in Religionsschulen, oder auch Halbvmonde und Davidsterne…oder doch? Die Diskussion ist nicht ganz beendet. Nun, der Söder hat ein vom Kardinal gesegnetes Kreuz in den Händen, das er anbringen lassen will. Ob ihm das hilft, seine bayrische Politik, z.B. bei Abschiebungen und gegen Ausländer und andere notleidende Menschen zu vermenschlichen? Man könnte daraus ableiten, dass nur gesegnete Kreuze angebracht werden dürfen, an  gesegneten Haken, die in geweihte Wände geschlagen werden. Soviel praktizierende Christen gibts ja gar nicht, dass die sich in Bayern wehren können. Immer mehr Menschen treten aus diesen Vereinen aus, immer weniger Priester segnen Kreuze, da springt jetzt die so genannte Staatsregierung ein. Der Gottesstaat ist nahe…

Gegenposition

Der groißartige israelische Schriftsteller Amos Oz berichtet glaubwürdig, wie sehr ihn die Jesuserzählungen des Neuen Testaments in seiner Jugend beeindruckt hätten. Das kann allemal von Nutzen für die Gesellschaft sein, wenn man sich im persönlichen Bereich bei den Anderen umschaut.

Hier wird Indoktrination betrieben, die das verhindert. Man könnte weit über alltägliche Toleranz hinaus von der Einsicht in die Verhältnisse von anderen Menschen lernen.

Die Rechten sagen, dass man in Bayren „Grüß Gott“ sagt. Nicht nur in Bayern. Ich habe den Gruß aus Österreich mit mir genommen, und sag ihn vor allem dort, wo er auf die verstörend wirkt, die nicht wissen, warum gerade ich das so sage. Vieles ehedem religiöse ist längst zur Alltagsformel verkommen und hat wenig Bedeutung über vielfältige Verhaltenscodes hinaus.

Aber Söder meint, eine sektiererische Ideologie zur Staatsreligion aufzuwerten, wenn ihre Symbole zum Teil des Staatseigentums werden. Das Schlimme ist, dass er gerade nicht der umfassenden, christlichen  oder sonstigen religionspluralen Kultur das Wort redet, sondern die Dominanz seiner Sekte etatisiert. Wer bezahlt eigentlich die Kreuze? Konjunkturförderung für das bayrische Handwerk, von meinen Steuern? (nein, es gibt ein Kooperationsverbot in der Verfassung, dass kirchliche Symbole und Karnevalsveranstaltungen in die Hoheit der Länder legt).

Wir denken beim Betreten bayrischer Amtsgebäude an den großen Dichter Ernst Jandl. Wir bezwetschgigen uns.

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