So eine harte Überschrift, und so kleine Maßnahmen? Die Rückeroberung demokratischen Territoriums geht nicht in einem großen Schritt, sie muss den Scheinriesen diesen Boden unter den Füßen wegziehen.
Nicht nur die Bäume vertrocknen. Die Demokratie dörrt aus…die letzte Bertelsmannstudie (https://www.deutschlandfunk.de/bertelsmann-stiftung-studie-warnt-vor-aushoehlung-der.1939.de.html?drn:news_id=1125547) nennt über hundert Länder, in denen in den letzten zehn Jahren Demokratie ab-, und autoritäre Exekutivherrschaft aufgebaut wurde, darunter Indien, Brasilien, und Ungarn und Polen. Die USA sind noch nicht prominent genannt, und der Demokratieabbau bei uns ist noch nicht irreversibel oder bedrohlich? Polen und Ungarn: streicht ihnen sofort die EU-Zuschüsse, suspendiert ihre Stimmrechte und betrachtet sie als eingekapselte Fremdkörper in der EU. Und droht den Ländern, in denen sich ähnliches abzeichnet, mit denselben Maßnahmen. Das sagt sogar Alexander Lambsdorff, früher Europaparlament FDP…und wir sollen da noch zögern?
Unter dem Deckmantel von Corona feiern a) die Nationalisten mit ihren Grenzschließungen und Flüchtlingsbarrieren, b) die Mafia, c) die korrupten Lobbys der großen Wirtschaftsverbände fröhliche Urständ. Und Teile der Bevölkerung tragen das mit. Halten keinen Abstand und kaufen.
(Im alten Österreich der 50er Jahre sagte der Satiriker immer „…bei uns in Bagdad“ und meinte damit, dass wir nicht auf andere schielen sollten, uns selbst aber ans Portepee fassen müssten. Heute kann man Bagdad nicht mehr sagen, da kann man ein Wort zum Beispiel für das Außen- oder Innenministerium erfinden, um nicht gleich ins Denunziatorische zu verfallen).
Dieser Prozess hat VOR CORONA begonnen…Aber das Virus ist jetzt eine Ausrede für alles und jedes.
Werden wir Demokratie so einfach wiederherstellen können? Meine Frage ist, ob viele das wollen. Obwohl wir sie ja weiter entwickeln müssten. Ich fürchte, das ist nicht der Fall.
Heute früh, im DLF, hat die Autolobbyistin Hildegard Müller eine derart unverschämte Sichtweise ihrer Profitvisionen abgeliefert, rhetorisch gut und nicht flach zu kontern, dass einem graut. Fördern wir den Diesel und ermutigen wir den Autotausch und die Aktionäre…aber ist das nicht auch mehr oder weniger die Position derer, denen Möbelhäuser und Autoläden wichtiger sind als Kinder und Schulen?
Die nationalen Grenztrottel, die Markttrottel und die Blockwartmentalität beschränken sich nicht auf unser Land, aber ich fürchte, die Spreizung zwischen vorbildlichen, solidarischen und aktiv Handelnden gegenüber den egoistischen, zukunftsblinden und partikularen Interessen wird größer, auch bei uns. Beispiel 1: Man kann Schäubles und Boris Palmers‘ Aussagen zu Überleben und Sterbenswahrscheinlichkeit unterschiedlich auslegen; so bösartig, wie sie in der Sumpfpresse gelesen werden, können sie gar nicht gemeint gewesen sein, der Streit wäre nicht schlecht, wenn nicht dahinter das alte Denunziantentum stünde, das keine Meinungsdifferenzen mehr öffentlich austragen lässt. Übrigens hat Margot Kässmann (die ich sonst nicht wirklich mag) recht: wie immer man in diesem Fall entscheidet wird man schuldig. Das ist ein Problem der Politik immer gewesen. Beispiel 2: Der Rückbau von Demokratie ist eine Folge von Ausnahmezuständen, die als langsam wiederhergestellte Normalität verkleidet werden (nicht: wiederhergestellte Demokratie).
Das ist nicht nur Maßen bei uns so, sondern weltweit. Und lässt, scheinbar paradox, die Autokraten, Diktatoren und Gauner auf ihrem Thron leichter mit einander handeln und verhandeln als demokratische Regierungen. Das ist nicht wirklich paradox, es ist ein Rückfall, wie ihn Trump vorexerziert (noch wehrt sich die US Demokratie, wie lange hält sie es durch?). Schon sehe ich die Entschuldigungen in der nächsten Generation: Befehlsnotstand. Was hätten wir denn tun sollen?
Fangen wir mit Ungarn und Polen an. Rabiat. Ansonsten bleibt die Tagesordnung Klima, Flüchtlinge, Hunger, Armut. Wohlstand verträgt Einbußen, die vier nicht. Ihre Bekämpfung ist an die Demokratie gebunden.