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Antisemitismus in Österreich und Deutschland ähnelt sich, da haben die Rechten schon eine Vorstellung von Einheit…aber das nur nebenbei, die kulturellen Unterschiede sind dennoch erheblich.
In Wien gibt es ein jüdisches Filmfestival, das 30. Eröffnung im ehemaligen Einkaufszentrum, wo jahrzehntelang „Autofahrer unterwegs“ (täglich)mit Rosemarie Isopp und Walter Niesner meine Jugen mit verbogen haben. Jetzt ein sehr gutes Kinozentrum, im großen Saal, der gut gefüllt ist, eine überraschend kurze Eröffnung: nur der Botschafter, die Stadträtin, eine Frau der Kultusgemeinde, und der Regisseur halten gute, betont säkulare Reden (das ist wichtig, weil die Phänomene des „Jüdischen“ öffentlich zu stark auf die Glaubensgemeinschaft zugerichtet werden. Der Film: Ein Nasser Hund. (ttps://de.wikipedia.org/wiki/Ein_nasser_Hund). Es geht um den erhofften Plural von Identitäten, keiner ist nur Jude, nur adoleszent, nur auf der Suche nach Geschlecht und Zuneigung, nur…und ist sehr gut gespielt, mit zuvielen schwarz-weißen Verkürzungen der Hauptfrage, aber…ein guter Auftakt.
Die vorletzte Szene, in Israel bei einer Auseinandersetzung mit steinewerfenden Palästinensern und dem emigrierten Berliner jüdischen Hauptdarsteller, schließt direkt an die Diskussion um die antisemitischen Demonstrationen und die nie ausdiskutierte Frage der Meinungs“freiheit“ an, die heute in den Medien aus Berlin wieder anschwillt.
Auch um jüdisch zu sein, muss man sich der Kontexte versichern, in denen man, d.h. ich du er sie es, lebt und eben nicht „man“.
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Du hast keine Chance, nutze sie. Das ist mein Fazit dieser letzten 24 Stunden. Die Unmöglichkeit, bestimmten Themen zugunsten anderer Prioritäten zu entkommen, gelingt nur wenigen (die, die das können, darunter auch Bekannte und Freunde, sind an der Borderline des Realitätsverlusts – das gehjt nur, solange sie sich gut in ihrem Leben eingerichtet haben; wehe, sie werden herausgerissen).
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Dass Selensky aus seinem jüdischen Ursprung so wenig her macht, und dass Putins Antisemitismus die perverse Nazikeule herausholt, ist so wenig Zufall wie der betrübliche Fakt, dass im Krieg die Verhaltensweisen der Normalität ohnedies nicht gelten. Ein Nebeneffekt ist, dass dort, wo kein Krieg ist, aber beobachtet und unterschiedlich befeuert wird, die Regeln gelockert werden, bei Corona wie beim Antisemitismus. Wenn die Schlange viele Objekte im Blick hat, wird sie nicht ausgerechnet mich beißen, hofft man. Solange die jüdische Selbstbezeichnung als Vermeidung von Provokation amtlich empfohlen und oft psychologisch angeraten wird, muss man sich nicht wundern, dass aus der Identität ein haftendes Stigma wird.
(Man fängt ja auch nicht eine erste Begegnung bei einem Rendezvous mit dem Satz an: weißt du, ich bin jüdisch…).
Das gesellschaftliche Rendezvous ist kompliziert und es ist komplex, weil die Welt eben nicht nur aus jüdischen und nichtjüdischen Menschen besteht. Ich kann die Aversion der Türken gegen die Kurden, gegen die Araber, gegen die Afrikaner und vice versa ebenso beobachten wie die innerslawischen Aversionen, es gibt halt nicht nur zwei Menschengruppen und zwei Geschlechter. Was tun?
Nicht immer als erstes über sich sprechen und den ersten Standpunkt zum Ausgangspunkt von Kommunikation machen…(Rabbi Hillel fügt hinzu: und jetzt geh und lerne).