Antisemitismus nachgelegt

Ihr wisst, dass ich seit Jahren den Antisemitismus, den offenen und den verdeckten, angreife, bloßlege, kritisiere. Und dass das gerade nicht entlang der offiziellen und wahrnehmbaren Konfrontationslinien erfolgt, weil die verschiedenen Positionen sich zu sehr verabsolutieren.

Dass die Auseinandersetzung zwischen Israel und Hamas zu den absurdesten, teilweise den Konflikt antreibenden Realitäten zählt, habe ich schon beschrieben. Und dass es bei der Kritik an Netanjahu (Regierung) nicht um eine Kritik an der Existenz des Staates Israel (Nation) geht, ist ein Teil meiner Überzeugung und der intensiven Forschung zur Geschichte des Staates Israel. Zu der zählt auch das Hereinholen der wichtigsten Verbündeten gegen die einseitige Verteidigung Netanjahus, zB. Grossmann, Oz, Leshem und deren Hintergrund (Vgl. den Blog „Israel, Palästina.“ 27.12.2024 mit ausführlichen Literaturangaben). Auch verweise ich immer häufiger auf die neuesten Untersuchungen und Kommentare von Delphine Horvilleur und, im Kontext, von Eva Illouz. Besonders deren 2023 geschriebenes und erschienenes Buch „Undemokratische Emotionen“, mit Avital Sieron (Suhrkamp). Und jetzt, zum Jahreswechsel den kurzen Essay „Völkermord? Im Ernst?„, SZ 29.12.2024. Hier werden mit atemberaubender Genauigkeit der Unsinn des Völkermord-Vorwurfs durch Südafrika und andere, sowie die teilweise langfristigen Vorgehensweisen der UN und des internationalen Gerichtshofs beschrieben, die es durchaus erschweren, Kritik an Kriegsverbrechen Israels und an der teilweise kritikwürdigen Reaktion auf den Angriff der Hamas vom 7.10.2023 zu üben und auszuführen.

Wenn ich sage, der kurze Essay wirkt befreiend auf mich, soll das kein Missverständnis hervorrufen. Aber in einer zutiefst zerfurchten, mehr als gespaltenen jüdischen Diskussion, hier (Deutschland) wie dort (Israel, USA vor allem) und der oft schwer erträglichen Metadiskussion aus der nicht-jüdischen Politik und Reflexion, ist der kurze, klare Essay von Illouz eine echte Stütze. Man liest, was man weiß, in der vielleicht klarsten Variation.

Dass und wie man Israel aus der Wirklichkeit vieler Völkermorde zu Unrecht herausisoliert, ist bekannt und belegt. Es führt aber doch auch dazu, dass wir die UN, die internationale Justiz und das komplexe Gebilde der globalen Diskurserneuerung des Völkermords ebenso kritisch und mit Priorität behandeln sollten wie unsere Kommentierung der Vorgeschichte, des Faktums und der Wirkung des 7. Oktober 2023.

Ein Gedanke zu “Antisemitismus nachgelegt

  1. Ich rate dazu, in der öffentlichen Debatte um Konflikte die UN mit ihrem IGH, sowie den IStrG und die dort laufenden Verfahren und ihren Ergebnissen sehr ernst zu nehmen. Es gibt nichts Anderes/Besseres. Im Israel-Palästina- Konflikt ( Vorwürfe Genozid bzw. Besatzungspolitik) gibt es UN-Konventionen als Maßstäbe, die sehr einhellig beschlossen worden sind. Auch die bisherigen vorläufigen Entscheidungen sind mit großer Einhelligkeit getroffen worden!

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