Mit Recht freut Ihr euch über das schöne Wetter (hier. Anderswo eher trüb). Und wie ich euch kenne, verliert ihr trotzdem das Klima nicht aus den Augen, macht euch Gedanken über die trockenen Bäume und fragt euch, wie wir alle besser mit Wasser umgehen.
Mit Recht freut ihr euch weniger über die politischen Nachrichten, wenn sie euch erreichen. Die Auswahl der Mitteilungen selbst bei guten Sendern (DLF) ist sehr eingeschränkt, und über die globalen Schrecken erfährt man wenig, über die näherliegenden oft abgemildert und über das, was ansteht, oft nur indirekt. Manche schauen statt dessen nur mehr die laufenden Posts, die sind in der Größenordnung und von ihrer Herkunft her weniger ausgeglichen, sagen wir „rechte Mitte“, Springer o.ä.
Mit Recht...die beiden Beispiele zeigen deutlich, dass das eine Floskel ist, wer gibt euch denn „Recht“ und was bedeutet das? Klar, wo die Zensur stärker ist, wird der Klimawandel geleugnet und die Information über alles Politische verbogen oder verdeckt. Das ist bei uns (noch) nicht so bedenklich, in vielen europäischen Ländern leider so weit fortgeschritten, dass man den Nachrichten so wenig glauben kann wie den eigenen Phantasien…Diktaturen, faschistische Regierungen, rechtsradikaler, manchmal linksradikaler, auf die öffentliche Meinungsbildung hat nicht erst heute seine Wirkung getan, und macht die nächste Zukunft schwierig, genauer: es wird fragwürdig, was man erfahren kann, um zu wissen, was man politisch, kulturell, sozial denkt. Diktaturen sagen uns, welche Art von Kultur sie herausfordern, um der kritischen Wahrnehmung Schranken vorzusetzen; sie schalten Sender ab, vereinnahmen die Presse, verbieten Begriffe in der Öffentlichkeit und kontrollieren private Aufnahmen von Information…Wie? Natürlich, nicht alles zugleich und bei uns, aber durchaus gestuft, von China über Russland und die USA bis zu uns. (Wenn ein Diplomat einer teils faschistischen Regierung einen kritischen Redner bei uns verbieten kann, ist das keine Lappalie; wenn man dem Gegner gratuliert, damit er kein Feind wird, ist das der schmale Grat, den man durchaus manchmal gehen muss, aber Bitte, nicht aus Überzeugung, sondern eher aus Schwäche).
Wie kommt man da raus? Und wohin? Ins „Freie“, sagt der Alltag, und damit verlassen wir die Wohnung, gehen an die frische ? Luft und…was dann? Kurzsichtige Metaphern. Aber doch auch anders, ins Freie. Da suche ich alternative Infoquellen, da beginne ich Diskussionen mit Menschen, denen ich zu bestimmten Fragen vertraue – das bedeutet, Abschied von allumfassenden Vertrauen in den meisten Fällen zu nehmen, aber immerhin. Und das ist genau die Haltung, oft der Stil, den die Gegner der Demokratie so fürchten oder bekämpfen. Wenn die meisten Menschen einer Gesellschaft, nie: alle, wissen worum es geht, wird schon einiges besser. Wenn nicht, erhalten wir Wahlergebnisse wie in Polen oder den USA oder…
Die Brennpunkte des Interesses sind weltweit sehr häufig in unserer geographischen und kulturellen Nähe, dem folgen die Medien. (Wusstet ihr, dass 8 von 10 großen Migrationsbewegungen in Afrika sind? Und da hört man relativ wenig). „Relativ“ ist hier wichtig.
Man kann auch politisch ins Freie gehen und sich umschauen, wo die Information richtig blüht. Das ist nicht immer angenehm. Ich nehme mir zur Zeit ein Beispiel an Harvard, das ich von früher ganz gut kenne. Die machen alles richtig gegen Trump, ABER sie haben auch eine Untersuchung über ihre soziokulturellen Schwachstellen angestrebt, nicht erst gestern: „„Wir haben hier ein Umfeld, in dem Studierenden vorgeworfen wird, reich, mächtig oder privilegiert zu sein, nur weil sie Juden sind. Das ist klassischer Antisemitismus“, erklärte Penslar. Auch gebe es soziale Ausgrenzung jüdischer Studierender, sofern sie sich nicht ausdrücklich von Israel distanzierten.“ /https://www.tagesspiegel.de/internationales/professor-spricht-uber-interne-untersuchung-juden-und-muslime-fuhlen-sich-in-harvard-nicht-wohl-13788898.html). Das muss man genau durcharbeiten und dann gegen den Antisemitismus von Trump und die Verbindung zur israelischen Regierung sehen. Damit man das kann, muss man eben etwas über Harvard wissen, und die Studie kennen. Und einiges mehr. Also ins Freie gehen…
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Wir gehen immer über einen schmalen Grat. Stürzt man zur einen Seite ab, landet man im Populismus oder bei den Faschisten. Auf der andern Seite isoliert man sich bei den Eliten und weiß nicht mehr, was jenseits des Grates ist. Bleibt man oben, wünsch ich uns allen, dann gibt es andere Gefahren. Ein Grat ist „oben“, aber man muss wieder runter…“ Alles nicht so schlimm? Es lebt sich.