Lustig ist die Gleitkultur

H.C.Artmann:  wos an weana olas en s gmiad ged:

 

a faschimpöde fuasbrotesn                                 à verschimmelte Fußprothese

a schachtal dreia en an bisoaa                            à Dreier: billigste Zigarettensorte

a gschbeiwlat fua ana schdeeweinhalle            à Gschbeiwlad: das Ausgekotzte

Da liawe oede schdeffö!                                           àSt. Stefan Hauptkirche von Wien  

 

(Aus: Achleitner/Artmann/Rühm: hosn rosn baa, Wien 1958, eingeleitet von Heimito von Doderer, S.49. Der wesentliche Beitrag zur österreichischen Leitkultur)

 

Die Österreicher, die jüdischen, mich eingeschlossen wo auch immer, die Zigeuner, normalerweise auch die Hugenotten und die deutsch-türkischen Türken-Deutschen haben so wenig Probleme mit der Leitkultur wie sonst nur die Migranten. Aber Herr de Maizière in 16. Generation lothringischer Immigrant[1], hat halt Probleme – darf er haben: Art. 5 Grundgesetz, da steht auch dass er uns seine Probleme mitteilen darf. Sogar in satirischer Form. Der Innenminister ist da besser als Böhmermann. Wir, die Nation der Zensoren, haben das echt nicht durchschaut.

Witzig, nä, Hände schütteln – du Bazillenspender. Wir sind nicht Burka.  Meint Burkina Faso.

Maizière hat doch recht. Er hätte noch mehr aufzählen müssen: das Arschgeweih tätowiert über den Steißwirbeln, die weißen Socken in Sandalen, das Komasaufen, die gedopten Meaillenbringer und Trainer für Deutschland, die bayrischen fremden Blindgänger, lieber großes Auto als gut essen gern im Stau stehn,  mit Moralpolitik, die Ausländermaut, der Dobrindtismus, … ach Gott, da ist noch mehr, aber überfordern darf man den Satiriker auch nicht, er kommt ja nur in den Abschiebepausen zum Schreiben.

Da er nun Ehrenmitglied der AfD ist, wegen seiner Abschiebereien von Menschen ins Verderben, muss ihm unser Plural-Ismus auch diese geschmacklose Satire verzeihen. Wir setzen uns ja sonst auch für die Abgehängten und die Verlierer der Rechtschreibreform ein.

(Dass ihm umgehend eine ganze Reihe von Rechtsauslegern, nein nicht aus der Bundeswehr sondern aus dem Christenthum, wie der Spahn zur Seite sprngen, zeigt wie humorlos seine Gefolgschaft mittlerweile ist…)

 

*

 

Ich merke schon: nicht lustig. Also nochmal. Der Leitkulturindex, der aufdeckt, wo wir alle stehen, hieß früher Codex Librorum prohibitorum; er war bis 1966 in Kraft und wer da aller draufstand, könnte die Leitkultur der Wochenschau oder Anstalt ganz gut ergänzen. Was für Gebildete, die nicht Burka waren, ein Bildungserlebnis werden könnte.

Es gibt auch Satiriker, die den Maizière mahnen: seine Idee sei schon gut aber viel zu wenig sensibel und feinfühlig ausgeführt. In welches Ressort gehört die Freude am Deportieren: Verkehr? Innere Sicherheit? Gute Regierungsführung? Lasst doch die Flüchtlinge verrecken, lasst die Ungebildeten ja nicht lesen und schreiben lernen, aber diskutiert bitte des Innenministers gute Gedanken. Verkehrsminister kann er nicht mehr werden, da haben wir schon einen.

 

 

[1] Wers nicht glaubt: Die Hugenottenfamilie de Maizière, aus der Nähe von Metz stammend, floh im 17. Jahrhundert nach Brandenburg, wo ihr Kurfürst Friedrich Wilhelm Zuflucht bot. Der Nachname leitet sich vom Herkunftsort der Familie ab, der Gemeinde Maizières bei Metz in Lothringen. https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_de_Maizi%C3%A8re#Familie. Man „floh“ ,nicht man urlaubte sich nach Preussen.

INTERVENTIONSGESELLSCHAFT

In eigener Sache, und doch nicht. Seit 14 Jahren bin ich in und für Afghanistan tätig. Hunderte Seiten Tagebücher, mehrere Forschungsprojekte, mehr als 30 Veröffentlichungen, und eine starke persönlich Bindung an das Land, seine Menschen und das Thema haben einen ganz anständigen Teil meines Lebens geprägt. Dabei hat mich quer zu den Disziplinen am meisten interessiert, wie eine Intervention  die Gesellschaft des intervenierten Landes verändert und die der Intervenierenden dazu. Das hatte ich schon im Kosovo die Anthropologie von Interventionen genannt. Nun habe ich – nachdem ich aus Sicherheitsgründen selbst nicht mehr nach Afghanistan fahre und mich mehr mit den Flüchtlingen und der Diaspora hier in Deutschland befasse – eine Monographie abgeschlossen, die das Thema der INTERVENTIONSGESELLSCHAFT theoretisch fundiert und anhand von AFGHANISTAN verdeutlicht. Ein Essay, der sich nicht mehr um akademische Konkurrenz oder Reputation kümmern muss und einen vorläufigen Abschluss meiner Arbeiten zu Afghanistan bildet.

Im Juni wird das Buch vorgestellt, dazu werde ich noch gesondert einladen. Man kann das Buch ab sofort bestellen, es ist in englischer Sprache geschrieben, um auch in den angelsächsischen Ländern Verbreitung zu finden.

AUS DER ANKÜNDIGUNG DES BIS VERLAGS DER UNIVERSITÄT OLDENBURG:

„Militärische Interventionen aus humanitären Gründen sind ein Normalfall internationaler Politik. Oft sollen sie Frieden erzwingen, wo ein Staat nicht mehr in der Lage ist, seine Konflikte zu regulieren; häufig dienen sie auch der Auswechslung von Regierungen, Verfassungen oder dem Schutz von Minderheiten resp. ausgegrenzten Teilen der Bevölkerung. Ich spreche nicht von Eroberungskriegen oder Gewaltmaßnahmen zur Ausweitung der eigenen Einflusssphäre, obwohl solche
Interessen immer auch eine Rolle spielen. Interventionen sollen Konflikte in einem Land beenden oder einhegen. Aber sie bringen auch selbst Konflikte mit sich. Aus diesen entstehen neue Gesellschaftsformen, die ich INTERVENTIONSGESELLSCHAFTEN
nenne.“

Michael Daxner
A SOCIETY OF INTERVENTION
An Essay on Conflicts in Afghanistan
and other Military Interventions
BIS-Verlag
Oldenburg 2017
263 Seiten
ISBN 978-3-8142-2358-2
€ 22,80
BIS-Verlag
der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Postfach 2541
26015 Oldenburg
E-Mail: bisverlag@uni-oldenburg.de
Internet: http://www.bis-verlag.de
A SOCIETY OF INTERVENTION
EINE INTERVENTIONSGESELLSCHAFT
Michael Daxner
A SOCIETY OF INTERVENTION
An Essay on Conflicts in Afghanistan and other Military Interventions

Ein Essay über Konflikte in Afghanistan und
bei anderen militärischen Interventionen

Informationen über die offizielle Buchvorstellung schicken wir
Ihnen gerne per E-Mail zu.
Ihre Rezensionen und Bestellungen schicken Sie bitte an:

E-Mail: bisverlag@uni-oldenburg.de
Internet: http://www.bis-verlag.de

Erscheint im Juni 2017

Michael Daxner:
„Deutschland war an der Schaffung einer sehr typischen Interventionsgesellschaft im Kosovo beteiligt (ab 1999) und hat sich massiv an der Intervention in Afghanistan nach 2001 beteiligt. Damit übernimmt Deutschland Verantwortung und Haftung für das intervenierte Land. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, was in der afghanischen Gesellschaft, aber auch bei uns geschieht, wenn wir uns an derartigen Interventionen beteiligen.
In Afghanistan können wir die verschiedenen Erscheinungsformen und Ausprägungen einer Interventionsgesellschaft besonders gut studieren. Die letzte Intervention, die dem Land hoffentlich eine stabile und friedliche Zukunft bringen wird, ist nicht die erste für dieses von Gewalt, Bürgerkrieg, Vertreibung, Flucht und Rückkehr gezeichnete arme Land. In meinem Essay beschreibe ich die Situation der GESELLSCHAFT, die in allen Teilen durch die Intervention betroffen und gezeichnet ist. Dazu entwickle ich ein Konzept von Interventionsgesellschaften, das ich dann für Afghanistan und andere Intervention umsetze. Nicht STAAT und Staatlichkeit interessieren mich dabei vorrangig, sondern das Entstehen einer neuen Form von Gesellschaft, an der die Intervenierenden ihren Anteil haben. Es ist eine Verschränkung und keine eindimensionale Herrschaft wie in Kolonialzeiten, obwohl die Machtverhältnisse natürlich nicht ausgeglichen sind.
Ich versuche unter anderem zu erklären, warum und wie eine neue Mittelschicht entsteht, die weder authentisch afghanisch noch importiert westlich ist, sondern eben „neu“ aus der Erfahrung von Gewalt und Krieg entsteht und sich von anderen Klassen, Eliten oben und Arme unten, absetzt. Dabei kommen Themen wie Urbanisierung, Säkularisierung und Widersprüche in der Kommunikation zur Sprache.
Ich nenne diesen Text einen Essay, weil er der Versuch ist, aus allen Disziplinen und Blickwinkeln zu argumentieren und sich nicht in eine fachliche Engführung pressen lässt. Es bleibt der Versuch, nach 14 Jahren Arbeit in Afghanistan und mit afghanischen Menschen eine Situation zu beschreiben, in der die gute Zukunft für das Land alles andere als gewiss ist.
Wenn militärische Interventionen den Aufbau eines neuen Staates begleiten, so können sie ihn doch niemals leisten, bestenfalls können sie helfen, das Gewaltmonopol dieses Staates zu festigen.
Auch die Entwicklungszusammenarbeit kann nur Beiträge leisten, aber einen solchen Staat nicht nach Plan befestigen. Eine friedliche Entwicklung kann es nur geben, wenn die Menschen für sie – nicht für uns! – gültige Antworten finden auf die Frage: Wie wollen wir leben? Ohne diese Antwort werden sie ihr Land verlassen oder wieder in Gewalt versinken.“

Aus dem Inhalt:
Es wird ein theoriegeleitetes und durch praktische Erfahrung angereichertes Konzept von Interventionsgesellschaften entwickelt. Dabei greift Daxner auf Forschungen im Zusammenhang mit der Langzeitstudie zu Sicherheit und Entwicklung des Sonderforschungsbereichs 700 an der Freien Universität Berlin zurück und baut auf jahrelange Vorarbeiten im Bereich der Konfliktforschung. Rückwirkungen von militärischen Interventionen auf die Diskurse zu Hause werden ebenfalls wieder aufgegriffen („Heimatdiskurs“).
Daran schließt sich die Frage, was die Intervention mit den Praktiken der Machtverteilung und Regierungsführung zu tun hat. Dabei geht es vor allem darum, die Anschlussstelle zwischen regelsetzenden Institutionen und der Lebenswelt der wirklichen Menschen, also der Bevölkerung, im Schatten der Intervention zu finden.
Ein großer Abschnitt zielt auf die neue Sozialstruktur; vor allem auf den Ersatz der alten Mittelschicht durch eine neue, junge, städtische Mittelklasse, die durchaus das Rückgrat gesellschaftlicher Erneuerung wird bilden können – oder aber den Rückzug in alte Strukturen antreten wird.
Es gibt keinen Bereich des Landes, in dem die Intervention nicht wirkt – sie hat die neue Gesellschaft tief imprägniert. Wir können das nur verstehen, wenn wir einen empathischen Blick auf die Lebensumstände der Menschen in Afghanistan werfen und ständig unsere Haftung als Mitglieder der Intervenierenden im Auge behalten.

Michael Daxner: A Society of Intervention
BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg | E-Mail: bisverlag@uni-oldenburg.de

ICH WERDE DIESEN BLOG SOFORT BEI ERSCHEINEN DES BUCHES AUF DEM MARKT AKTUALISIEREN. BESTELLEN UND REZENSIONSEXEMPLARE ANFORDERN KANN MAN JETZT SCHON.

Ich bitte auch Verrständnis dafür, dass einige Menschen diese Werbung mehrfach erhalten.

Finis terrae XIII

 

VORKRIEG III

Weltbürgertum und Verzichtethik waren meine Stichworte des Widerstands gegen die duldende Hinnahme einer sich beschleunigenden Vorkriegszeit. Philosophische, sprachliche und emotionale Abrüstung sollen uns in einen Status tätiger Vernunft versetzen, in dem das was sein kann und das was sein wird getrennt werden. Wir also die Politik bedenken, mit der, was sein kann, verbessert wird.

Nun muss ich meinen Leser*innen zumuten, was sie ohnedies schon wissen: dass es keinen direkten Weg, sozusagen „Programme“ zu den Zielen gibt, die die beiden Stichworte angeben. Ich schreibe, nicht getrieben von Zukunftsangst, aber ohne jede Zuversicht (das ist die Verzweiflung) gegen das Hinnehmen einer Situation, die eine Schleife im Prozess der Zivilisation bedeutet, und daraus eine Vorkriegssituation nährt. Ich weiß nicht, wo und wie der Krieg beginnen wird, aber er wird kommen, bevor das Ende, finis terrae, sich abzeichnet, sozusagen vorgezogenes Sterben vor dem Absterben der Spezies. Darum bin ich auch nicht besonders philosophisch aufgelegt, auch nicht im existenziellen Kabarett der „Letzten Tage der Menschheit“.

Sich diesem Ende zu nähern, versagt sich der Geschichtswissenschaft ebenso wie den konstruierten Optimismen, dass sich das Rettende zeige, wenn die Not am größten ist. Nichts zeigt sich, was man nicht tut.

Wer kann vorhersehen, lesen aus dem was ist? Ernst Bloch hat, ohne Ahnungspsychologie, in „Erbschaft dieser Zeit“ (1929-1935) zusammengetragen, woraus sich der kommende Schrecken schon deutlich ablesen ließ. Er hatte keine Ahnung, in dem Sinne, wie Nietzsche einmal sagte, wo die Menschen nicht (weiter) wüssten, da „ahnen“ sie.

Vergleiche mit damals lohnen, auch wenn es keine Wiederholung oder Übertragung gibt. Es kann sein, dass unsere Zeit, wie die damalige, „fault und kreisst zugleich“ (Bloch), also etwas neues hervorbringt, weil das, was ist so schrecklich ist – also aus dem Widerstand etwas entsteht, was dann qualitativ wirklich neu und nicht eine Neuauflage des Alten ist. Es kann sein, dass der Widerstand gegen Trump und Putin, gegen Erdögan und Orban, gegen….sich organisiert und zivilisatorisch das erneuert, was im Augenblick rutscht.

Widerstand ist ein Programm, er hat keines.

Ich ermüde euch und mich, dass ich immer die gleichen Namen als emblematisch für unsere Zeit aufzähle, aber wir wissen, dass die Liste sehr lang ist und diese schwer behandelbaren Irren ja nur für etwas, das sich vielfältig als Volk begreift, stehen, in Wirklichkeit aber die losgelassenen Kettenhunde der Unvernunft, also ganz klarer Interessen sind.

Das Volk braucht den Wahnsinnigen, der ihm den Glauben an sich nicht in Frage stellt. Der Wahnsinnige braucht das Volk, um jede Kritik (=Therapie) abzuweisen, an sich abgleiten zu lassen. Ich spreche deshalb von Irren, weil sowohl der pathologische Befund, meist übersteigerter und entgrenzter Narzissmus mit partiellem Wirklichkeitsverlust gepaart ist, und doch sich jeder Zwangseinweisung oder Behandlung auch alltags-rechtlich entzieht (Für Trump hat das Haller in der SZ 10.2.2017 mustergültig abgehandelt). Das gilt auch für die Führer der Vergangenheit, und da dürfen wir schon historische Analogien ziehen. Wenn aber die ganze Welt von diesen Irren ins Taumeln gerät, wie, wo sollte Widerstand ansetzen? Und würde uns De-Personalisierung helfen; wenn wir also auf die Führerschelte verzichteten, was der angestauten Wut natürlich zuwiderläuft, und uns den Strukturen und Akteuren hinter ihnen, letztlich den Volksattrappen regressiver Zivilisation zu wendeten, um dann aus dem Widerstand heraus anzugreifen?

(Ein kleines Beispiel habe ich gegeben, immer wieder: nicht auf die vorgetragenen Ängste der Abgehängten hereinfallen, die sind nicht abgehängt und Angst ist nicht das, was wir kollektiv ernst nehmen sollten; materielle Sorgen sind verständlich und können politisch behoben werden, Bedrohungen können abgewendet werden, aber bodenlose Ängste aus der Wohlstandsverwahrlosung heraus muss man abtun als Drohung, nicht die Verwahrlosung, aber den Wohlstand zu zerstören à da werde ich zur Verzichtethik einiges schreiben können). Das Beispiel aber ist zu klein und nicht beliebig ausweitbar.

In all meinen Arbeitsbereichen – Konfliktpolitik, Flüchtlinge, Diaspora, Parteipolitik usw., – stoße ich mich an der Vergesslichkeit, am ungenügenden Gedächtnis der Akteure. Am Beispiel Erdögan werde ich versuchen, darzustellen, was ich denke.

Hat Erdögan mit seinem Nazivergleich einen richtigen Punkt?

Erdögan ist ein irrer Autokrat, siehe oben. Aber wie er es geworden ist, müssen wir bedenken, und da fehlt es am kollektiven Gedächtnis, vielleicht schon am kulturellen. Erdögan spielt auf Nazideutschland an. Und was er damit beschreibt, könnte von uns 1968ern vor fast 50 Jahren so gesagt worden sein, angesichts der Vergleiche autoritärer Praktiken des westdeutschen Staates mit den Nazis vor und nach 1933. Und dem Hinweis darauf, wohin das geführt hat. Der Vergleich ist grob und auch falsch wegen der Praktiken, die z.B. bei den Auftrittsverboten oder –erlaubnissen unvergleichbar sind, aber er hat es in sich: ist nicht die Linie der Kanzlerin richtiger als die der Auftrittsverbieter? Und: ist nicht der Vergleich, nachdem er nun in der Welt ist, genau jenes Partikel unzivilisierter Anschuldigungen, die sich in den schmierigen Populismus beider Seiten eingraben?. Die Türkei, keine so richtige Demokratie damals wie jemals?, hat in der Tat viele von den Nazis verfolgte Menschen aufgenommen. (Bis vor kurzem hat Deutschland türkische Staatsbürger und heute türkische Deutsche aus anderen Gründen aufgenommen, jetzt kommen die politisch verfolgten oder in ihren Rechten bedrängten Türk*innen zu uns, und da hat Erdögan natürlich Probleme mit seiner Beschimpfung).

Erdögan ist dahin gekommen, weil die europäischen Konservativen (beispielsweise CDU, CSU und ihre Partner in anderen Ländern), in gemeinsamer Sache mit Faschisten, neu-völkischen Nationalisten aus Osteuropa und dem imaginären Christlichen Abendland alles getan haben, um ordentliche Beitrittsverhandlungen zu verhindern (was vor zehn Jahren noch ein leichtes gewesen wäre). Es ging damals nicht so sehr um anti-türkische Ressentiments, das auch, auf der Ebene des arroganten Anti-Balkanismus. Islamfeindlichkeit war, das ist interessant zu erforschen, schon vor dem massiven Auftreten des Jihad und der islamistischen Terroranschläge, vorhanden, im Kosovo konnte ich das schon 1999-2002 selbst studieren. Außenpolitisch war hier, mit Verlaub, ein richtungsloser Attentismus am Werk, weil die Türkei in der NATO, und die NATO eine USA-dominierte Vereinigung ist, und man sich der Idee, mit der Türkei ein inhaltlich strukturiertes Element von Europa zu gewinnen, nur rhetorisch, aber nie substanziell näherte; übrigens auch in der Kurdenfrage. Aus der israelisch-türkischen Freund-Feind-Freund-schaft hat man auch nichts gelernt. Und die Türk*innen hier bei uns  hat man durch eine Halbachtung ausgegrenzt: damit meine ich, dass man ihre wirtschaftliche und Stadtquartier-bezogene Integration wohl geachtet hat, ihre säkulare Zukunft aber dadurch verbaut hat, dass man der islamistischen Indoktrination der 2. Und 3. Generation gar keine deutsche Integrationskultur entgegengestellt hatte – das hat man den großartigen Intellektuellen und Künstlern überlassen. Und jetzt hat man Angst, dass der Doppelpass zu Illoyalität führt. Führt er, na und? Beim Referendum geht es leider um beides: die Errichtung einer Diktatur – redet nicht herum, das wird kein Präsidialsystem, das wird eine nationalistische und islamistische Diktatur, wenn es so gewählt wird – UND um die Abrechnung mit unserer deutschen Leitkultur. Dem Nazivergleich können wir argumentativ entgegentreten, aber bitte zunächst bei UNS.

Und was hat das mit finis terrae zu tun?

Ich habe in fast gleichnishafter Form versucht darzustellen, wie die Geschichtsvergessenheit, in diesem Fall der deutsch-türkischen Beziehungen, größte Verwerfungen hervorruft. Ich stehe nicht an zu behaupten, dass die Summe dieser Vergessenheiten das mit-bestimmt, was ich in der Wissenschaft globale Innenpolitik bezeichne.

Nun ist jeder Diktator anders, und sind die Konstellationen, die ihn tragen, unterschiedlich. Diese Konstellationen, also die Machtverteilungen in den sozialen Räumen, die ein politisches System stabil halten oder eben destabilisieren, sollten unsere Diskurse stärker bestimmen, und dazu gehören die kollektiven Gedächtnisse und die dünnen Linien, deren Überschreitung zu den jetzigen Situationen geführt haben. Ein kleines Beispiel: Putin wurde schon vorher zu fatalen, unrechten, gefährlichen Handlungen gedrängt (von seinem Volk und seinen Hintermännern), aber auf Obamas „Russland ist eben eine Regionalmacht“ hat er übermäßig reagiert. Und nicht so moderat wie wir auf Erdögan. Es hat seinen Irrsinn gestärkt, dass sein Volk vom Elend abgelenkt werden konnte.

Und es hat mit finis terrae zu tun, dass wir, im so genannten freien Westen, ganz horizontal jeder Lobby, jeder Interessengruppe, auch jeder Religion dieselben Rechte zugestehen, also ob sie sich aus der Gleichheit vor dem Gesetz ergäben. Die Deutschen lassen den Klimaschutz krepieren, wenns um die Auto-Industrie geht, um die Pharmalobby, um die Kohlenlobby oder ….Die Deutschen? Die Amerikaner, die Iren, die EU, …sie alle, die sich dem Westen zugehörig fühlen, aber nur die, die Macht haben, können dies. Überall, wo sie ihre Werte, „Werte“ nur unkonkret formulieren brauchen, um sie nicht in Praxis umzusetzen, sind sie bestenfalls ziviler, aber nicht anders orientiert als Diktaturen. Und im Zweifelsfall wird das Volk als Proxy eingesetzt, wenn man seine Ziele mit Nationalismus leichter umsetzen kann als mit Vernunft (CSU-Maut). So also ist das Ende der Welt im Nano-Bereich unserer Umgebung auch verankert.

Zur Weltbürgerschaft demnächst.

 

Finis terrae XII. Vorkrieg II

 

Ich hatte schon früher über Vorkrieg geschrieben und meine es ernst. Aber ich kann kein Kriegsszenario entwerfen. Jetzt geht es darum, Philosophie soweit abzurüsten, dass ich sie politisieren kann. Überreich sind die Anregungen aus der Kritik der Zeit („Situation“, erinnert Euch!), abrer auch merkwürdig auf den Salon der Meinungsfreiheit beschränkt. Ob ich weiterkomme, weiß ich noch nicht.

Das Umschalten auf den Modus von Verzweiflung bedeutet nicht Resignation. Verzweiflung, so habe ich die Reise ans Ende der Welt begonnen, ist der Verlust nachhaltig festen Bodens unter den Füßen. Resigniert ist, wer sich treiben lässt, nicht Ufer, sondern Fluss. Zur Resignation gehört die gescheiterte Hoffnung, zur Verzweiflung die haltlose Zuversicht.

In diesen Wochen sind die politisch Wachen ganz auf die Ausdeutung der Folgen des Agierens von Donald Trump und seinem kriminellen oder faschistischen Umfeld. Beginnen wir heute mit Sprache, so erkläre ich, warum ich mit so scharfen Worten einsetze. Trump, dem kein Herr, kein Präsident und kein Respekt gebühren, ist kriminell, rassistisch, sexistisch und unfähig; aber er ist nicht dumm. Das teilt er mit vielen Angehörigen der Elite des Dritten Reichs. Er ist kriminell, weil er nachweisbar gegen Verfassung und einfache Gesetze verstößt, er ist ein Rassist und Sexist, wie die nie  zurückgenom-menen Handlungen und Worte seines Wahlkampfes beweisen und er ist unfähig, was an seinem mangelnden Wissen und seiner Planlosigkeit des unmittelbaren, also undurchdachten Handelns sich bestätigt. Er ist nicht dumm, sondern betrachtet sein Land und letztlich die Welt als neo-realistisch zu beherrschende Anarchie von Spielern, d.h. Geschäftsleuten, die ihre Firmen schlechter positionieren können als er.

Wir haben ein Problem, in unseren demokratie-müden Demokratien. Die Diktatoren (groß Putin, JiPing u.a.), mittel (Erdögan, Salman u.a.), kleiner (Duterte, Orban u.a.) und die autoritären Gefolgschaften überall auf der Welt, könnten nur in einem – EINEM – globalen Regimewechsel beseitigt werden, was eine globale und einverständliche globale Demokratisierung und ein Weltregime unter den Auspizien der Menschenrechtscharta und vielleicht der UNO zur Voraussetzung hätte. Wir haben das Problem schon mit diesem Gedanken, weil wir wissen, dass die, die solche Weltbefreiungsträume je hatten, entweder selbst im gewalttätigen Rausch auf- und abgestiegen sind (wer weiß noch, dass es eine UdSSR gab?) oder über eine Wir-oder-Sie Tyrannis millionenfaches Leid verursacht haben, weil sie natürlich keinen Gedanken an die BEFREIUNG von Menschen verloren hatten. Ungemütlich ist die Endzeitstimmung. Wir, im privilegierten Westen Europas, haben Russland oder Irak oder Sudan längst „verloren“ gegeben, dorthin würde keine Befreiung mehr kommen; Trump nervt, weil er den machtvollen Teil des „Westens“ – übrigens gibt es keinen Gegenpol in Form eines Ostens! Es gibt nur den Nicht-Westen – unerwartet effektiv seiner Kleider beraubt und ihn als das erscheinen lässt, was die USA sind: stark und ihrer Tugenden, nicht Werte, teilweise beraubt. Dort gibt es Widerstand, anderswo auch (In Polen für die Gewaltenteilung, bei uns gegen Abschiebungen von Flüchtlingen in den Tod, und in der Türkei gegen die Abtötung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit….).

Trump und vor allem sein Palladin Bannon bereiten einen oder mehrere Kriege vor. Nein, keine Hysterie. Es wird Kriege geben, aber nicht als große Weltenbrände, sondern als Krieg gegen die Zivilisation, die es doch schon weiter gebracht hat, als viele z.B. 1913 gedacht haben. Sie wollen, ähnlich wie KuKluxClan, Pegida, FPÖ. PIS, APK, etc. „zurück“ in die identitäre Endzeit des gegliederten verfluchten 19. Jahrhunderts. Es ist Nostalgie nach der totalitären Sicherheit, die die enge Bindung der Untergebenen an die Herrschaft verheißt. So schlimm? So unabweislich?

Vielleicht schlimmer, ob abweislich, weiß ich nicht. Aber so schlimm. Nicht, dass es, ähnlich 1913, 1933, keine Vorboten gegeben hätte. Aber ich denke den Weg in die Apokalypse nicht mit, schon gar nicht den Untergang der Spezies. Der Untergang der Zivilisation ist ein Affront gegen die Weltgesellschaft, die es noch gar nicht gibt. Ich bin ja nicht gerade der Weltuntergangsprophet oder resignierte Abstiegsprediger. Ich sortiere noch einmal meine Beobachtungen: die Evolution, also auch die Fähigkeit, Neues in moralische und ästhetische Lebensmöglichkeiten zu überführen, was zunächst als Fortschritt und alternativlose Variante des globalen Kapitalismus erscheint, diese Evolution ist aus dem Tritt; wieweit durch unsere Mithilfe – Klima, Risikogesellschaft, Ungleichheit, Unfähigkeit zu Alternativen (Sozialismus), durch die Leugnung des Bedürfnisses, unsere immanente Zukunft – bitte auf Erden, nicht im jenseitigen Nichts – immer wieder öffentlich und solidarisch zu verhandeln, ist klar. Was sonst noch mitspielt, zufällig und höchst natürlich, kommt dazu.

Trump und die von ihm ausgelöste infektiöse Hysterie sind nur die Folgen, nicht die Auslöser einer beschleunigten Zerstörung. Auslöser sind viele, wir eingeschlossen, die auf die Rettung durch unsere Weiterentwicklung spekuliert hatten. Ist das eigentlich zu abstrakt, um das Vorherige zu verstehen?

Nun könnte der fatale Irrtum keimen, das sei nur eine Variante des Aufbegehrens gegen die Dekadenz auf den höchst privilegierten Inseln der kapitalistischen Gewinnerseite, während das sozialisierte Leid der Mehrheit dafür zu zahlen hat. Wenn es nur die Dekadenz wäre – das ist übrigens ein Argument der Rechten auch, nur denken die nicht an die Armen und Unterdrückten, sondern nur an sich, die noch nicht oben sind – könnte man eine andere Politik vorschlagen. (Vgl. dazu Finis terrae IX). Das wäre, rebellisch, die geistig-moralische Wende der Konservativen, die damit die Dammbrüche zu vermeiden meinten. Nein, es geht mir um mehr: denn Dammbruch der Vorstellung von weltgesellschaftlicher, republikanisch verfasster Demokratie aufzuzeigen und zu vermeiden helfen, durch eine Politik, die auch unter dem Diktat der Time of useful consciousness steht (vgl. finis terrae VIII). Mit andern Worten: wir haben ohnedies wenig Zeit – Klimawandel und Verschlechterung der Überlebensbedingungen für einen Großteil, und die wird uns gegenüber November 2016 durch Trump noch mehr verkürzt (bei den andern Diktatoren hatten wir deren Dynamik oder Belanglosigkeit irgendwie internalisiert).

Also zur Politik. Zunächst: keine Chance dem Kulturpessimismus, der ist hochgradig resignativ oder verlogen. Auch nicht die Empörungswelle: darin erschöpft sich, wer abends abgetörnt aufs Sofa zurücksinkt. Dann: Nutze die Zeit, sie wird dir nicht verlängert – so ruft man in die Republik. Wie man die Demokratie ruft, wird sich hier entwickeln lassen, zweiter Schritt. Auch die Fabel vom Frosch in der Buttermilch taugt nicht. Und das Rettende zeigt sich schon deshalb nicht, weil, esse est percipi, sich die Gefahr ja nicht größte darstellt, sondern als Stimmung und Hilflosigkeit. Das war der Grund, warum ich mit dem Versiegen der evolutionären Dynamik begonnen habe und von Zivilisation spreche, also dem „objektiveren“ und beobachtbaren Fortschritt einer Spezies, sich immer weiter von ihren Stammbäumen absetzend und autonom sich organisierend. (Man könnte hier Ernst Blochs Fortschrittsüberlegungen einführen, der unterscheidet was nach Möglichkeit ist und was in Möglichkeit aufscheint: letzteres nutzen wir nicht, jedenfalls nicht genügend). Was ich feststelle, ist das Abflachen des Gesellschaftlichen, des Gesellschaft-Bildenden (Lasst da auch Gemeinschaft, communitas, ruhig drin, das gehört subsidiär dazu, der alte Streit ist längst obsolet). Ich beziehe mich auf den Zusammenhang zwischen dem vergesellschafteten Bürger, das hängt mit Stadt, Freiheit, der eigenen Stimme, der Verhandelbarkeit der eigenen Wünsche und mehr noch Perspektiven zusammen, und dem globalen Ordnungsmuster der letzten Jahrzehnte. (Die amerikanische Terminologie im Clash of Civilizations (Huntington) meint etwas anderes, man muss in der Sprache auch auf kluge Differenzen zwischen civil und civic hinweisen, das kann im weiteren entfaltet werden). Wie  „weit“ haben wirs gebracht? Das entlässt uns nicht aus der Frage von wo wir es bis hierher gebracht haben. Aber auch die Befreiung aus beidem, der linearen Fortschrittsgeschichte und den ebenso klugen wie hoffnungslosen zyklischen Vorstellungen, dass eine Zivilisation immer auf und ab sich dreht. Das aber nicht weiter philosophisch, sondern in der umfassenden, globalen Beziehung der Gesellschaften zu einander. Eine erste, anscheinend abstrakte Vermutung: es sind nicht mehr Staaten als gesetzte Akteure, die hier aus der Anarchie Ordnungen zum jeweils eigenen Vorteil schaffen, und es gibt keine formale Institution, die allen eingehaltene verbindliche Regeln aufzwingen könnte, die wenigstens Konflikte größter Ordnung einhegen hülfe. Es gibt eine mir unheimliche Ausbreitung der Unmittelbarkeit von Herrschaft durch die Machthaber in ihren jeweiligen Systemen. (Dass die unmittelbare Herrschaft ein Begriff vor allem aus der juristischen Ökonomie ist, würde zwar jedem Altmarxisten einleuchten, aber das meine ich nur am Rande): in meiner Studienzeit hat mich fasziniert, dass Heide Gerstenberger einmal Faschismus als unmittelbare Herrschaft bezeichnet hat, beim Nachlesen habe ich die richtige Stelle nicht gefunden, aber erstaunliche viele Bezüge zum neuerdings wieder diskutierten Bonapartismus und einer eigenartig verklammerten Beziehung von Politik und Ökonomie): Ich denke das weiter. Es sind keine unsichtbaren Hände im Hintergrund der hervortretenden Herrschenden, also der personae, der Masken, sondern konkret benennbare Interessen, die sich gegen die Bedürfnisse der Menschen wenden. An den Knoten der Herrschaftslinien wird das Netz sichtbar, in dem es nicht mehr um die Machtverteilungen im sozialen Netz geht, sondern um die Marionettenspieler, die jede Bewegung in diesem Feld zu steuern versuchen.

Das ist nicht so aufregend neu, und auch die Gegeneinwände sind in den Regalen gestapelt. Mir geht es aber darum, dass ein solches oder ein ähnliches Szenario sich auf der abschüssigen Bahn bewegt, in der man nicht einfach sagen kann: dazu braucht es einer Weltrevolution, oder: es wird sich schon aus Überlebenstrieb der Widerstand formieren, oder aber, die Vernunft setzt sich gerade als Selbstheilungskraft durch, wo sie am brutalsten vergewaltigt wird.

Also was NUN und was TUN? So fragte ich dieser Tage auch meine Grünen Parteifreunde, die über Frieden und Außenpolitik beraten. Was denn nun, wirklich? Verzweiflung lässt nach allem greifen, was sich ihr, also uns entgegenstemmt. Nach allem? Natürlich nicht. Das neue Lieblingswort der politischen Wissenschaft ist seit einiger Zeit Resilienz. Also nicht einfach Widerstand, sondern das Ausbilden der Fähigkeit dazu: das kann im zivilen Ungehorsam enden, in der abgedeckten oder offenen Illoyalität gegenüber dem Staat und seinen Repräsentanten (auch bei anscheinendem Gesetzesgehorsam – erinnern wir uns an das Verbot, die freiheitlich-demokratische Grundordnung nur „kühl“ entgegenzunehmen – 1972…noch nicht lange her), das kann auch Protest über das Erreichte hinaus bedeuten (Rumänien), das kann politische Verweigerung des wirtschaftlichen Tauschs bedeuten (Wenn in den USA Trump-Waren aus den Kollektionen verschwinden)…ich fasse hier nicht schon neue Hoffnung, denn ob diese Art der Widerständigkeit nachhaltig sein wird, hängt davon ab, ob sie anschlussfähig an das Szenario vom Ende der beeinflussbaren Entwicklung ist. Aber ich überlege: wenn Individuen und neu entstehende Gruppen (Kollektive? Gemeinschaften? – letztere oft nicht als Werte-Gemeinschaften, denn da ist keine Zeit, die Werte zu sortieren) zu Phänomenen des Widerstands fähig sind, unter Inkaufnahme von schweren persönlichen Nachteilen (Türkei), dann gibt es möglicherweise auch eine Fähigkeit zur Politik, die nur nicht hinreichend gehoben ist, noch nicht „emergent“. Auch so ein Begriff…Ich spreche von Phänomenen, Erscheinungen des Widerstands, und nicht von schon von Handlungen, die sich faktisch in den Lauf der Dinge einschalten.  Das ist das Problem der Gleichzeitigkeit von Handlung und Kritik. Aber da wir wenig Alternativen haben, nehmen wir den Trittstein einmal als Basis.

In meinen Überlegungen bedeutet das, dass viele Personen die Kraft und den Mut zum Widerhandeln nicht verloren haben. Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen, wie Widerstand sich gesellschaftlich artikulieren kann (nicht wie er sich formiert, davon verstehe ich zu wenig). Weltbürgertum gegen Staatsvergötzung; und Verzichtethik als Kritik und politische Waffe.

Weltbürgertum

Das schließt an die Zivilisationsdiskussion an. Finis terrae lässt uns wenige Optionen, und nur in „Würde unterzugehen“ ist mir zu pathetisch und bringt in der Immanenz nichts. Da muss schon Politik her.

Verzichtethik

Die zu politisieren ist schwierig. 1992 forderte der Naturwissenschaftler und frühe Ökopolitiker H.P. Dürr, wir sollten uns auf einen Lebensstandard wie den der Schweiz 1975 einstellen, dann könne man bestimmte Schäden beheben und eine andere Ressourcenpolitik ansteuern. Seither sind tausende Texte und Programme geschrieben worden, davor gab es auch schon tausende, der Club of Rome war keineswegs der Anfang der Debatte. Ob wir zur Weichenstellung zurückkehren können, aber der etwas schief gegangen ist? Falsch, es gab keine solche. –>Finis terrae XII

Finis terrae XI. Nah und nahe liegend.

 

Dieser Blog beginnt ganz anders als er aufhört. Das gehört dazu. Große Verwirrung….?

In diesen Tagen sehen viele das Ende ihrer bisherigen Welt durch die Amtsübernahme des so genannten US Präsidenten Donald Trump gekommen; kein anderer Diktator oder autoritärer Politiker oder Kasper in wichtiger Position hat so viel Verwirrung, Angst und Hilflosigkeit verbreitet; weil kein anderer, auch nicht Putin oder Erdögan, so viel Macht zu haben scheint. Er wird viel zerstören, er wird vielleicht einen Krieg anzetteln, er wird uns allen schaden, vor allem den Amerikanern; aber die andern – eben jene Putin, Erdögan, Duterte, Netanjahu, Orban, Kaczinsky und wie sie alle heißen – sind doch auch schon dabei, ihr Zerstörungswerk weiterzutreiben, und wieder andere importieren geradezu Sand, um ihren Kopf darin zu vergraben. Das Ende der Zivilisation ist kein Weltuntergang, sondern eine Entblößung der Erde von der Species Mensch. Diese wirkt an ihrer Finalisierung mit, und zwar nicht nur durch Exponenten („Führer“), sondern durch große Massen von Menschen, die erst dann gemeinsam Zerstörungswerk mitwirken, wenn sie sich als dazu befugtes Volk begreifen. (Die Führer brauchen das Volk, auch um es zu missbrauchen; das Volk braucht keine Führer, außer es will sie brauchen).

Die Erde, das meint alles, was da ist, global. Wer sich ein gegen die Globalisierung stemmt, müsste das Segment beschreiben, um das es ihm geht. America first! ist so ein Anspruch, der meint, „alles“ von einem Kraftzentrum aus beherrschen zu können und nur dieses Zentrum beschützen und stabilisieren zu müssen. Ein sehr simpler Gedanke. Leider einer, der bei vielen Globalisierungsgegnern auch in seiner Einfachheit zutage tritt. Die Vertikalen der Macht zersägen die Erde nur, sie machen sie für die einzelnen Menschen kleiner oder größer und damit insgesamt kleiner.  Die meisten Gegner der Globalisierung argumentieren vom Erhaltungswillen für ihren privilegierten Standort, und der heißt natürlich Westeuropa, Deutschland. Der heißt schon nicht mehr Griechenland und schon gar nicht irgendein Land in Asien, Afrika oder Lateinamerika. Nur Nordamerika könnte, wegen seiner Ausdehnung und Märkte, eine solche privilegierte Gegnerschaft ausdrücken, wären da nicht die Ungleichheiten der Lebensbedingungen und die Unmöglichkeit auch dieses Kontinents, sich gegen die Welt abzuschotten. Aber von dem Privileg, hier, in Westeuropa zu leben, unter den Bedingungen, die wir kennen, wollen wir doch mehrheitlich nicht lassen. Und die sind nicht einfach über die ganze Erdoberfläche zu verbreiten, selbst wenn das Paris Abkommen durchgesetzt würde, selbst wenn es Regime Change in Moskau, Ankara, Washington DC, und hundert anderen Hauptstädten gäbe. Wenn alles gut sich entwickeln würde, also Demokratie, Umwelt, Lebensmöglichkeiten sich gleichmäßig verbessern könnten, wäre der Heilungsprozess gegenüber dem jetzigen Zustand und seiner Verschlechterung durch die neuen Führer ungleichmäßig, wahrscheinlich ungerecht und sicher langwierig, also nichts mehr für unsere Generation und die unserer Kinder.

Für viele stellt sich da in einem unbeobachteten Winkel ihres Bewusstseins die Frage, mit welcher Gewalt könnte man die Wende zum Besseren herbeiführen und beschleunigen. Mit dieser Frage geht die Saat auf, die die Gegner der Demokratie ausgebracht haben. Wenn Gewalt angewendet werden muss, als Notwehr und legitimer Widerstand, kann sie nicht Ergebnis einer Planung aus einem politischen Portefeuille sein. Man möchte oft so gerne zuschlagen, oder hoffen, dass ein Attentat einmal einen Richtigen trifft….und muss dieses Man zurückdrängen, um fast jeden Preis. Es ist klar, der Widerstand, der sein muss, kann sich weder durch Anmutung an das Niveau der Diktatoren und Scharfmacher formieren: Trump ist nur ein besonderes Ferkel, aber nicht schlimmer als Putin und die immer wieder Genannten. Er hat nur mehr Macht und er ist unvorsichtiger, weil er persönlich wahrscheinlich brutaler sein möchte. Also: Infektion durch schlechtes Benehmen vermeiden, der Anstand gibt den Diktatoren keine Würde, aber er nimmt sie uns, wenn wir ihn zu billig versetzen. Wenn es um Gewalt geht, ist das ohnedies keine anständige Sache.

Zweitens: Jetzt, heute, die nächsten Tage, dominiert Trump, und die anderen Konflikte, die unsere Zeitenwende einläuten, segeln in seinem Schatten. Unsere Aufmerksamkeit muss denen gelten, die ohne Berechtigung, aber auch ohne Not eine Appeasementpolitik fordern, wahrscheinlich weil sie auf eine in der Wissenschaft wenig beachtete Mäßigungstheorie hoffen. ? Gebt Trump eine Chance, sich in der Praxis mäßigend und gemäßigt zu bewähren ? Wem hätten wir sie jemals gegeben? Nein, die Bringschuld liegt beim Täter. Und da heißt es, sich zu exponieren, in Demos (Washington war großartig, öfter & mehr so!), mit Satire, Spott und Aufklärung, möglichst ohne zuviel Pathos. Das können die Diktatoren besser – Erdögan hat gestern seine Verfassung durchbekommen, selbstentmachtete Parlamente also nicht nur in England, auch in Ankara, anderswo früher, aber die Türkei ist schon ein großer Brocken. Die Vasallen und Unterlinge nicht vergessen (im Schatten von Trump baut Netanjahu die Palästinenser zu und die Zensur in Israel auf – wachsam gegenüber diesen Koalitionären zu sein, die alle der Demokratie das Plebiszit entgegenstellen, auch bei uns, das Plebiszit jenes Volks, das es nicht gibt). Ein Kampfmittel gegen diese autoritären Herrscher ist es, sich nicht ihrer Medien zu bedienen, sondern mehr zu sprechen, mehr zu sagen, mehr zu hören und zu schreiben, und hier gilt wieder, was ich oben betone: so hart wie möglich auch in der Sprache und so deutlich wie nötig. Aber eben nicht auf dem Niveau der attackierten. (Was mögliche Beleidigungen betrifft: ein Sexist, Rassist, Wirtschaftsverbrecher, Lügner…das alles kann man bei Beleidigungsklagen vor Gericht nachweisen; also kann man es sagen). So, Schluss mit Trump & co.

Wenn es um die letzten Tage der Menschheit geht, also um ein paar Jahrzehnte oder vielleicht ein Jahrhundert, dann spricht einiges dafür, den Absterbensprozess der Species nicht schmerzhafter zu machen als er ist und sein wird. DAS ist ein Grund, im Widerstand gegen die Führer sich zu bewegen. Aber wie gegen die verdorbenen Verderber, die sich Volk und Menschheit nennen und das „We, the people“ nie verstanden haben? Wir werden uns nicht retten können durch Empörung, Abtauchen, Schreien oder den Aufstand, der in unserem Blut erstickt.

Über kaum einen Satz hatte ich in meinen Zirkeln mehr diskutiert als über Marxens Diktum: Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muss gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“ – Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. MEW 1, S. 385, 1844. Klar, das hat uns Bedeutung im Protest gegeben, und wir durften die Waffe der Kritik schmieden und schmieden, ohne dadurch jemanden zur Abrüstung zwingen zu können. Ökonomie hat da mehr Erfolg gehabt, was die Abrüstung betrifft.

Theorie muss nicht zu theoretisch sein, sie ist „als Praxis“ denkbar. Das ist alles andere als abstrakt. Beispiel ist die Fortführung der Idee des Weltbürgertums von Kant in einen erneuerten Kosmopolitismus. Der ist ein Angriff auf alle immer wieder gleichgesetzten Autokraten und Nationalisten, und kann mehr als nur die Straßen mit Demonstrationen füllen. Weltbürgertum bedeutet auch Abschied von einer Reihe von Gewohnheiten  aus der privilegierten Enklave unseres Konservierungsinteresses. Ein anderes Beispiel ist die gemeinsame, überindividuelle politische Ökonomie von Umwelt. Das heißt dann, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Mobilitätsabbau, strengere Abgrenzungen zwischen positiven und negativen Freiheiten politisch verhandeln und durchsetzen, – also sie nicht auf eine bloß individuelle Haltung, sondern auf einen politischen Lebensstil mit Gemeinwohlakzenten zu bauen. Lebensstandard ist dann nicht der Parameter, dessen Nicht-Anstieg schon den Furor der Verlustängste beim gemeinen Volk, d.h. beim ungebildeten profanum volgus auslöst. Dass dies keine Beschimpfung ist, steht schon in einem früheren Blog, dass es aber auch eine Aufforderung zur politischen Bildung ist, ebenfalls. Evolution stagniert, wenn sie sich nicht als lernfähig erweist, und das geht seit einiger Zeit nur über den Menschen und nicht mehr eine Materie, die sich ständig evolviert.

Über den Menschen ist seit einigen Jahrhunderten die Internalisierung von immer mehr Verhaltensregeln einer immer komplexeren Umwelt gelaufen. Zugleich hat sich die Rationalität entwickelt, sinnvollere Entscheidungen zu treffen und weniger sinnvolle zu vermeiden. Das scheint in dem Maß verloren zu gehen, in dem die scheinbar unabwendbaren Gefahren zu Risiken anwachsen, die wir nicht mehr beherrschen, aber auch nicht mehr versichern können; und in dem wir den solidarischen Zusammenhalt durch Verhandeln und ständiges Erneuern von Sinn gegen die kurze Wertschöpfungskette von Machtgewinn und Herrschaftsausübung eintauschen. Warnungen sind da sinnlos.

Darüber werde ich weiter und ausführlich denken und schreiben. Die politischen und lebenspraktischen Konsequenzen der abgeknickten Sinngebungskurve sind erheblich, der Lebensstil – und nicht einfach unsere Haltung – stehen zur Disposition. Nach einem Atombombenabwurf werden vielleicht einige Menschengruppen im Zustand der Homöostase überleben, aber Politik oder Zukunft ist da nicht zu erwarten. Aber wir leben vor einem Abbruch der Entwicklungslinien in die Zukunft, wahrscheinlich in einer Vorkriegszeit, wahrscheinlich in einer Zeit sozialer Dissoziation, mit einer sehr beschränkten Zeit, für uns und die Zukunft zu handeln, also im Begriff, sie nicht geschehen zu lassen. Das ist keine Apokalypse, sondern die Beschreibung einer Situation, in der Politik sinnlos würde, wenn es nicht wenigstens eine Option des Auswegs gäbe. Was aber, peinlich paradox, heute niemanden ernsthaft zwänge, sein Leben zu ändern, sofern er kein künftiges davon abhängig macht.

Wenig zu Trump

In Deutschland herrscht Sicherheitshysterie. Jetzt kommt die hilflose Hysterie der Ungewissheit dazu, was der neue US Präsident wohl tun wird, nein, was er uns antun wird. Trump und seinesgleichen – Putin, Erdögan, und die vielen autoritären Kleinherrscher Netanjahu, Orban, Kaczinsky u.v.m. sind das ERGEBNIS eines lang andauernden Prozesses demokratischer Desintegration und nicht ihre URSACHE. Jetzt macht sich dieses Ergebnis selbstständig, zumal es sich auf große Machtressourcen und Reserven stützen kann. In meinem Blog FINIS TERRAE befasse ich mich mit den Ursachen, aber man kann nicht umhin, die realen Personen und Umstände zur Verdeutlichung und auch als „Trigger“ für bestimmte Überlegungen anzuführen. Trump hat halt das größte Arsenal, er hat besonders viele Schurken und Dummköpfe in seinem Kabinett, aber eben nur mehr, nicht qualitativ sehr anders. Ungemach wird kommen, es hat schon begonnen: in der Klimapolitik, in der Sozialpolitik, im Welthandel usw. Aber gegen Ungemach hilft kein trotziges Lamentieren, nur Widerstand. Auch im eigenen Land gegen die Appeaser und Beschwichtiger (Friedrich Merz und andere charakterarme Trump-Erhoffer schauen auf ihre Bilanzen). Nein, Widerstand auch bei uns. Der kann nicht mit heißer Nadel gestrickt werden, sondern will durchdacht sein und immer auch die Trumps im eigenen Land ins Visier nehmen. Kulturkritisch ist Trump wie Borat (im Film von Barron), und sozialwissenschaftlich ist er ein Sexist, Rassist und ein Verächter zivilisierten Diskurses. Das dürfen die Diplomaten nicht sagen, verstehen wir uns Recht: sie müssen ja mit diesem Menschen verhandeln. Aber sie dürfen das auch ohne Respekt tun. Kein Schmähgedicht trifft diesen Menschen so hart wie die Hoffnung auf Regime Change durch sein eigenes Volk mit seiner demokratischen Erbschaft. Das gilt auch für Putin, Erdögan, JiPing, die aber keine demokratische Erbschaft zu verwalten haben. An dieser Frage wird sich zeigen, ob wir auch „global“ denken können.

Eine US Stimme zum Auftakt,ein Journalist, kein Wissenschaftler:

President Trump and the end of the American Century

Matt Bai

National Political Columnist

January 19, 2017

It’s inauguration week just as the Framers must have imagined it: citizenry streaming into the capital from every state to celebrate the most sober and symbolic moment in the democracy, even as the soon-to-be president tears into an American hero, fends off criticism from allies, deflects a sexual harassment suit and wails that his public approval ratings are rigged.

This is how the Trump presidency begins, and the American Century ends.

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I don’t say this in a way that’s gloomy or hysterical; don’t count me among those who assume the nation is headed off a cliff. (Count me, instead, among those who think the odds of us doing all this again in three years or less are about 50-50.)

I’m only saying that political epochs, like the one into which every one of us was born, have demarcation points that can only be clearly seen in retrospect. And we’re living through one right now.

Any calendar will tell you, for instance, that the 19th century ended in 1901, the year President McKinley was assassinated and Teddy Roosevelt took his place. But most historians would argue that, for any practical purpose, the previous century of British dominance — Pax Britannica and all that — really saw the curtain fall in 1914, at the onset of the First World War.

The empire would hold together for another 30 years after that, give or take, but beginning with the campaign against Germany and its allies, the orchestra was playing Britain off center stage. The costs of planetary preeminence, already a burden in peace, were unsustainable in war.

The 20th century as we think of it probably began about 30 years later, after Franklin Roosevelt solidified American dominance over the western half of a globe riven by ideology. From then on, Washington was at the epicenter of world events, the seat of unrivaled might among free nations.

America was the most expansive country in the world, but whereas Britain had chiefly expanded its physical domain, we expanded our standard of living at a staggering rate. We expanded our markets to much of the world, education to all reaches of the country and — at long last — civil rights to the citizenry.

We expanded the cultural reach of America — movies and sitcoms, soft drinks and sports teams, transcendent celebrity and defiant individualism — to every hamlet on earth where you could string an electrical wire.

But just as the British Empire strained to maintain its momentum in the decades leading up to World War I, so too did our vast expansion run up against the boundaries of time and technology.

Globalism, made possible by cheaper technologies and transportation, gave rise to competitors, even as automation made our own workers redundant. Factory towns cratered. The price of maintaining global hegemony, both in lives and in credit, became harder to justify.

Government continued to grow, but now so did the chasm between the rich and everyone else.

Still, well into the 21st century, the nation’s political establishment clung tenaciously to this ideal of an essential, expansive America. It was at the heart of George W. Bush’s calamitous adventure in Iraq and of his party’s bid to create a new federal program for prescription drugs. It was the vision behind Barack Obama’s health care plan, his pact with Iran and his failed effort to forge a new market in Asia.

And it’s precisely what Donald Trump’s election repudiates.

Trump has said all kinds of conflicting things about almost everything; I expect he’ll contradict himself a half dozen times on the Capitol steps alone. But in this one respect he has been faithful: He believes the time has come for withdrawal and isolation, rather than expansion and globalism.

Trump rejects free trade. He rejects our disproportionate role in the military defense of Europe and the West. He rejects the diversifying of our culture and the opening of our borders.

He embraces the kind of tariffs that were once thought the relic of an old international system. He would cede the shaping of markets to a Chinese leadership that now, improbably, seems to be the world’s largest cheerleader for trade. He imagines profound beauty in a wall.

Ronald Reagan, to whom Trump would like to compare himself, defied his critics by reaffirming our global ambition to enemies abroad. Trump launches his presidency by telling our allies we’ve had enough.

His antipathy toward the political establishment is an antipathy toward globalism itself. His ambition is personal, not national. His promise to make America great is a promise only to a subset of Americans to whom modernity has been callous.

Kommentar MD: Nicht nur Trump vermischt taktisch Eliten – von denen es demokratische und nichtdemokratische gibt und die EstablishmentS, von denen es mehrere gibt, die sich jeweils nach Interessen, Macht, Reputation und Wahrnehmung „etablieren“. Dass sich Angehörige der Eliten wehrlos in ein bestimmtes Establishment eingliedern lassen, war z.B. ein wirklicher Fehler von Hillary Clinton, und nicht nur ihrer. Das ist ein globales Problem, und verschont uns keineswegs. Dass das „Volk“ eine Gesellschaft groß machen kann, gegen das Establishment, verbindet Trumps Ideologie mit den meisten europäischen Nazis und völkischen Hetzern.

It is a vision that resonates widely. In fact, it is the only aspect of Trump that does.

A poll by the Washington Post and ABC News this week found that Trump arrives in Washington with the lowest approval rating of any president-elect in 40 years — about half as much support as Obama had at the same time in 2009. Remarkably, though, Trump inspires enviable confidence when it comes to creating jobs and stopping terrorism.

Americans may not countenance a literal wall, but they see promise in the idea of hunkering down for a while, of trying to do a little less abroad and at home.

You can say this is only a momentary digression. You can imagine that Trump represents a kind of national catharsis, after which we will get ourselves together and continue on with the sober business of statecraft and global leadership.

Kommentar MD: Das ist ein wichtiges Argument: die “Reinigung” ohne Ziel, aber durch die Gewalt des Kampfes, des Krieges letztlich, war ein mitentscheidendes Argument für die rechten, nationalistischen Töne vor dem Ersten Weltkrieg, Töne, denen die Linke nicht viel entgegenzusetzen hatte. Viel spricht dafür, dass die Abgehängten nicht wissen, was sie wollen, aber dass sich etwas ändern muss, ohne ihnen Verantwortung für den Wandel aufzubürden. Der „Wechsel“ als Ersatz für Inhalte – und als Orientierung an dem, was ihnen die Elite der demokratischen Republik scheinbar vorenthält: selbst aktiv zu werden.

But here’s the thing: Once you leave a vacuum, it’s not so easy to step back in and say you were only messing around. Economic rules get written. Rising powers exploit the moment. The world looks elsewhere for predictability.

This is what Vladimir Putin understands, by the way. This is why he loves Trumpism. Russians are nothing if not patient, and they’ve been waiting about 75 years for this moment.

Even as Trump prepares to place his hand on a Bible, the world is shucking its reverence for American democracy, aghast at our penchant for triviality. When I was in Australia last summer, when Trump was just a nominee, the comment I heard again and again from the political elite was some version of: What exactly do you people think you’re doing? Do you not get how much the world relies on your stability?

Yes, we get it. And apparently we’re tired of it. No offense, but we’re all expanded out over here.

Of course America can still be great in the decades ahead. (And yes, Mr. President-elect, it is.) We’re bound by demographics to become a more diverse, more enlightened country, not less so. We remain the world’s leading exporter of culture and consumerism. We’re awash in technological talent, and we command more military machinery than any nation in history.

But like the British before us, we’re increasingly reconciled to being one power among many — to act modestly on our own behalf, rather than grandly in the service of what Joe Biden, speaking at Davos this week, called the “liberal international world order.”

The vastness of America’s vision gives way now to the smallness of Trump’s appeal. The American Century recedes, 140 characters at a time.

Finis terrae X

Warum die Kommentare vermehren, sich noch weiter einlassen auf den vielfach erörterten Schrecken?

Im Jahr des Unheils 2016 wurde eine ungeheure Produktivität an kritischen und wohldurchdachten Kommentaren zur Lage der Welt und unserer in ihr entfaltet – mehr auf der Seite der Medien und häufiger in kontroverser Wechselrede als in großen Abhandlungen und weltbewegenden Analysen, für die bewegte sich alles zu schnell, verschob sich und machte viele Prognosen zunichte; was mich freut.

Es scheint, dass die Feuilletons, die Reportagen, die Essays in den besseren Medien – das sind die kritischen, die mit Korrespondent*innen, die mit Kontroversen im Kommentarteil, sage niemand, man könne nicht zwischen den besseren und schlechteren unterscheiden, – es scheint, dass diese Medien von der Politik einfordern, was diese zu leisten nicht (mehr? denke ich nicht) in der Lage ist. Zu regieren, legitime Macht auszuüben, was auch im Rechtsstaat, auch in der Demokratie oft nicht ohne Zwang geht – vom Frieden erzwingenden Einsatz, von der Durchsetzung des Rechts, vom Freizwingen der Korridore für Menschenrechte, für die Ausübung von Grundrechten. Das ist nicht nur der starke Staat, der das können sollte, das sind auch die republikanischen Bürger*innen, die die res publica ernst nehmen und sich nicht in die diversen Hängematten passiver Behandlung sinken lassen, wenn es gilt sich zu exponieren.

Solche Gedanken haben mich zur Serie finis terrae geführt, die aus der Verzweiflung über eine Situation entstanden ist. Die Abwesenheit von Politik – institutionell und personal – lässt Tyrannis entstehen. Dass sie nicht alle wie Hitler und Stalin aussehen, die neuen Tyrannen, versteht sich, dass sie sich anderer Medien bedienen als zu Goebbels und Berijas Zeiten, ist auch klar, aber ebenso ihr Ziel: illegitime Machtausübung zum Zweck illegaler Herrschaft. Das gilt für die ganze Namenspalette von Putin über Trump und Orban, Kaczinsky, Erdögan, Duterte und noch ein paar Namen mehr, da ist manch einer dabei, den eine besondere Sensibilität und Korrektheit schützt, oder den man auf den ersten Blick nicht kennt. Man muss die Namen ebenso wiederholen wie den Kontext, damit diese grausige, denkabgewandte Schutzwand der festgefrorenen Meinungen und Ressentiments durchbrochen wird.

Sagen, was wer ist, fällt einem oft schwerer als eine Analyse von großflächigen Zusammenhängen. Der konstruktivistische Glaube daran, dass Personen immer und zur Gänze austauschbar sind, übertreibt genau das, weshalb er eingesetzt wurde: dass eben charismatische oder gewaltherrscherlicher Personen ohne den Anhang, die Gefolgschaft, den Zuspruch der Massen und Meuten nichts vermögen. Hinter all den Lügnern, Sexisren, Rassisten, Zockern – auch solche Epitheta muss man wiederholen, um nicht der allgemeinen Beschwichtigung anheim zu fallen, hinter all diesen steht ein Teil des Volkes. Warum und aus welchem Anlass zu klären ist wichtig, das geht übrigens ohne Wissenschaft nicht, aber es zeigt nicht automatisch den Weg, mit diesen Mehrheiten oder sehr großen Minderheiten umzugehen.

Was also will ich, kann ich wollen? Aus der Verzweiflung als kulturpessimistischer Ätherwolke auszusteigen und Politik zu denken und wo das geht zu machen. Ersteres kann ich und muss mich der Medien bedienen, nicht nur meines Blogs, meiner Forschungsprojekte, meiner Netzwerke – mein soziales Kapital und mein kulturelles Kapital müssen, jenseits ökonomischer Verengung, dafür herhalten, und da kann ich auch „ich“ sagen. Das Zweite geht nicht in der maßlosen Selbstüberschätzung, ein Einzelner könne Politik „machen“. Die Konstitution von Politik ist das Ergebnis von Verhandlungen im öffentlichen Raum, den herzustellen jeder, auch ich, eine Verantwortung trägt, aber in dem keiner allein agieren kann. Trivial? Die Ent-Öffentlichung unserer Gesellschaft durch den Schutz des gewalttätigen Eigentums an Daten, Umweltzerstörung und Geld zwingt zu einem Widerstand, der nicht an der Globalität all dessen ansetzt, sondern an der Lokalität der Politik, die unsere Freiheiten schützen oder bedrohen kann.

Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern.

Diesen Satz aus Lampedusas Leopard zitiere ich oft, wenn es darum geht, Widerstand zu leisten. Widerstand? Es ist das Credo vieler Bewegungen, die sonst nichts miteinander zu tun haben: Die Wende um ihrer selbst willen – zuletzt die Wahl von Trump, vorher viele Proteststimmen für Afd und FPÖ, beileibe nicht nur von den Abgehängten; die Reinigung durch den Tod an der Front, die alles geändert hatte; Bewegung als Prinzip eines Futurismus, dessen Zukunft immer nur das beinhaltet: Änderung. Ein Philosoph hat oft von der schlechten Unendlichkeit gesprochen, und in der Tat, wer dauernd ändert, was ist, müsste sich auch dauernd fragen, ob wir uns wirklich mit den Veränderungen selbst auch verändern.

Es scheint, dass in leicht abgewandelter Form wiederkommt, was wir wissen oder kennen, nicht als Wiederkehr des immer Gleichen, aber als Wirklichkeit, deren Wiederkehr wir nicht für möglich gehalten hätten.

Es hat sich alles geändert.

Alles? Auf den verschiedenen Wegen zu 1989 hin sind viele Gewissheiten, auf denen etwa 1968 und unsere Gewissheiten dazumal, weggebrochen. Als wir noch 1968 oder in den 1970ern unsere Schlussfolgerung, der Faschismus, der Nazismus, sei noch nicht tot, kaum bestätigt sahen, weil die Demokratie sich als einigermaßen tragfähig erwies, hätten wir nicht gedacht, wie populär sie heute demokratische Strukturen und ihre abgehängten Ränder penetrieren, um zu wiederholen, worin sie einst erfolgreich waren. Es ist gut, dass sie nicht erfolgreich schon sind. Es ist gut, dass wir gegen den Aufstieg der Wiedergänger Opposition machen können, auch weil wir sie durchschauen, aber es ist nicht gut, dass wir das überhaupt nötig haben.

Friedensdividende: Fatigue de democracie und Nationalismus mit neuer Unterwerfung

Wir haben es sehr gut in Deutschland und den meisten Ländern der EU. Verglichen mit vielen anderen westlichen Gesellschaften, einschließlich der USA, sind unsere sozialen, kulturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen unerhört groß und belastbar. Wir sind aber dabei, viel von dem zu verspielen, tatsächlich spielen wir, indem wir kontrafaktisch handeln, als wollten wir die Tragfähigkeit unserer gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien testen. Freiheit gegen Sicherheit, ist das dümmste und gefährlichste Spiel, der Einsatz riesig groß. Die Sicherheit kann siegen, wenn es nach dem Wunsch der volksnahen, völkisch nahen, machtgeilen Hetzer geht. Wenn sie gesiegt hat, wird es nur keinen Staat mehr geben, den zu verteidigen, demgegenüber loyal zu sein, Sinn macht. (Schaut nach Israel, wo Netanjahu und sein Kabinett – darauf komme ich noch – vormacht, wie die Sympathie mit dem geliebten Land umschlägt in weitere Isolierung der angeschlagenen Demokratie; schaut auf die CSU, deren Forderungen sich wie eine Kampfansage an den Rechtsstaat lesen; schaut auf alle europäischen Länder, wo die gewalttätigen Populisten um die 30-40% des Volkes – welchen Volkes? Des Volkes, da muss man einmal nachfragen – hinter  sich haben. Kein Herumreden: wir müssen um der Freiheit, des tatsächlichen Nutzens der Freiheit, Unsicherheit, das Leben mit Anschlägen und Einschränkungen hinnehmen; aber nicht die Freiheit ausnützen, benützen, um eine wirkungslose Sicherheit zu befördern. Wer das betreibt, sollte sich nicht „konservativ“ nennen, sondern totalitär. Ein anderes Beispiel ist das Ausspielen von Arbeitsplätzen gegen die Umwelt. Das Lieblingsspiel der Sozialdemokratie besteht in einer absehbaren Vernichtung von Klimazielen und Zukunft zugunsten kleiner Punktgewinne bei maroden Gewerkschaften, Beispiel Kohle, Beispiel Straßenverkehr und Emissionen. Hier würde ich auch die sonst von mir tatsächlich hochgeschätzte und zur Zeit alternativlose Kanzlerin kritisieren, wie sehr sie den Lobbys und Partikularinteressen bei den Rahmenbedingungen von geänderter Wirtschaftsordnung nachgibt. Ich schreibe im Konjunktiv, denn eigentlich sind es wieder wir, ein Teil des Volkes, der hier paradox selbst populistisch die Feder führt, der den rauchenden Schornstein von VW jeder Zukunft vorzieht (Vor undenklichen Zeiten, bei der Klimakonferenz Stockholm 1972, sagte ein Politiker aus der Dritten Welt, er wolle den Himmel verdunkeln mit Abgasen, statt ihn für die Wirtschaftsdiktatoren der Ersten Welt zu säubern. Ich erinnere mich schamvoll, dem mit Verständnis begegnet zu sein).

Ein drittes Beispiel berührt meine eigene Arbeit mehr als die beiden anderen, obwohl es weniger in mein einziges wirkliches Leben eingreift. Es wird gespielt mit Frieden gegen Konfliktregulierung. Die globale Gewalteskalation gibt es nicht erst seit heute, Globalisierung heißt ja beileibe nicht Gleichmäßigkeit oder Glättung der politischen Verhältnisse, sie ist auch kein Nullsummenspiel. Konflikt dort, Frieden hier. Auch bei uns, selbst in meiner Partei, gibt es eine Menge von Sofapazifisten, die alle Gewalt in die unterschiedlichen Hände der jeweils im Recht Gemeinten legen wollen und Friedenschaffenohnewaffen zum Dominusvobiscum ihrer Diskurse machen. Das kann dann Putin sein, mit seinen ewig Gestrigen, das kann auch Washington sein (oft gegen Obama), oder der Sicherheitsrat oder die Regierung, oder das BMVG, als wäre es nicht Teil der Regierung usw. Mir geht es darum, dass es Frieden schaffen heißt. Nicht beschwören, beten oder herbeireden. Man kann Frieden auch nicht herbeibomben. Aber es kann absolut notwendig sein, ihn durch eine Machtdemonstration zu erzwingen, das wäre in Syrien 2012 angezeigt gewesen. Stattdessen steuern wir auf eine pax post-sovietica zu, die schlechter ist als alles, was durch einen Eingriff vor drei Jahren möglich gewesen wäre, und nur die Einflusssphären neu ordnet. Nicht immer, wenn die Waffen schweigen, bleiben sie lange ruhig; und nicht immer erlebt das Volk, die übergroße Mehrheit der Armen und Kriegsopfer eine Erleichterung in ihrem Leben und ihrer Fortsetzung in Familie, Arbeit und Lebensfreude. Oft im Gegenteil. Zwischen den Extremen – dem unrechtmäßigen, falschen Krieg der USA gegen den Irak, und dem unterlassenen Eingreifen im Mittleren Osten liegt nicht das Ausbleiben prinzipiengeleiteter Politik, sondern auch das Vergessen der neuesten Geschichte und der Lehren aus ihr: das Hinnehmen der Krim- und Ukraineüberfälle wird mit dem Hinnehmen früherer Rechtsbrüche durch die westlicher Seite mitbegründet, was Orban darf, wollen andere Innenminister in EU-Demokratien auch gern dürfen. Das politische Gedächtnis wird ausgeschaltet, um die Kontextualisierung von Ereignissen und Strategien zu verhindern oder abzuschwächen. Dazu tragen schlechte Bildung, der Meinungsterror der sozialen Medien, die Feigheit und der Besitzstandsdünkel der politischen Eliten und vieles anderes bei: aber immer auch die Trägheit des Volkes, das Demokratie missversteht als die Herrschaft an der Wahlurne.

Vielesvon dem liegt daran, dass wir uns 1989 nicht um eine Friedensdividende bemüht haben, sondern tatsächlich selber uns der Illusion eines Endes der Geschichte in den Armen des liberalen, demokratischen, marktwirtschaftlichen Kapitalismus hingegeben haben. Auch die Restlinke hat das getan: Fukuyama wurde pflichtgemäß kritisiert, aber das Arrangement innerhalb unserer Gesellschaften – also der Verzicht auf Reformen – war ja nutzbringend: für den Westen, für Deutschland, für die EU. Es war gar nicht mehr nötig, den Irrsinn der sogenannten sozialistischen Alternative unter Moskauer Führung in Europa zu demonstrieren, er war einfach weg. Auch die Linke hat lange eine fiktive Einheit des Westens über „Werte“ vermittelt, stets unehrlich. Und den neuen Mitgliedern der EU hat man das Gedächtnis und die Enttraumatisierung verwehrt, man hat Griechenland bewusst ruiniert und die ehemaligen Ostblockländer schutzlos dem nachholenden Nationalismus preisgegeben (was politisch eine zusätzliche Front, und nicht etwa eine Milderung unserer eigenen Fehler bedeutet). Die westliche Demokratiemüdigkeit hat das Wiedergängertum der charismatisch-totalitären Trugbilder befördert. (Erdögan macht uns vor, wie man mittelfristig eine starke Volkswirtschaft ruiniert, aber kurzfristig dem Pöbel Brot und Spiele anbietet, um seine Zukunft zu verspielen. Nicht nur er, aber die Türkei ist, in der Sprache der Grauen Männer, systemwichtig für alle möglichen Konstellationen).

Ich bin nicht zerknirscht, aber zutiefst verstört darüber, dass (auch) ich vieles von der versäumten Friedensdividende mitgetragen habe: wie das sein konnte? Back to square one: wirklich, nochmal von vorne anfangen zu lesen, bei Finis terrae I oder in diesem Abschnitt X.

Trump, Zinnober – Trump, Cameron, Netanjahu

Klein Zaches war kleinwüchsig, missgestaltet und eine Last seiner armen Mutter. Durch freundliche Hilfe gütiger Menschen und vor allem einer zauberkräftigen Fee wird ihm eine besondere Gabe  zuteil, die ihn aufsteigen lässt in hohe und höchste Ämter: wo immer er auftaucht, was immer ein anderer an Gutem und Klugen sagt und tut, ihm wird es zugeschrieben, ihm der jetzt Zinnober heißt und herrschsüchtig sich ins Zentrum der Macht spielen lässt, unterstützt von allem Volk, das seiner Gewahr wird außer von wenigen Einsichtigen, die zwar die Wirkung des Zinnober auch nicht genau erklären können, wissen sie doch nichts von der Fee, aber jedenfalls missbilligen, weil sie um ihre Teilhabe an der Gesellschaft und guten Regierung sich von Zinnober betrogen wissen. Nun, im Widerstand und Aufruhr gegen den Tyrannen und durch die Einsicht der Fee endet Zinnober kopfüber in der Blumenvase und aufgeklärte Optionen tun sich auf. Ein Märchen. Wer nun war und ist Trumps Fee?

E.T.A.Hofmanns Märchen birgt noch viel mehr Voraussicht auf Donald Zinnober Trump, aber mich fasziniert dieser Mensch nicht so durch das was er sagt und tut, sondern durch die Zuneigung von Massen, die Volk zu nennen sich mein Sprachschatz weigert. Ach ja, die Appeaser sind am Werk, man möge ihm Respekt entgegenbringen – er sei nun halt der demokratisch gewählte Präsident, man möge abwarten – ja, manche seiner wirtschaftlichen Vorschläge seien doch bedenkensswert hört man aus deutschen Hochfinanz, ach ja: Respekt und wegducken. Man muss weiterhin, ich werde weiterhin, ihn sexistisch, rassistisch, gewalttätig, lügnerisch und inkompetent bezeichnen, was immer er sagt, was immer er tun wird. Werde ich ihn künftig besser oder günstiger beurteilen, habe ich von dem, was ich jetzt sage, nichts zurückzunehmen, und dass die Wahl weder demokratisch noch zu seinen Gunsten war, wissen wir. Mit oder ohne Putin im Computer. Die ihm zujubeln, sind überwiegend „White trash“. Das ist nun die höchst problematische Formulierung, die im Kollektiv ehrenrührig ist und sein soll. Es gibt keinen Singular für White trash, keine Einzelperson ist das (die mag arm oder reich, kriminell oder unscheinbar sein, sie ist menschlich und mit Würde begab)t; aber wenn sie sich dieser Würde begibt und sich also in das Kollektiv des White trash begibt, dann bleibst bei der gewollten Ehrverletzung – siehe Blog 52 – um klarzumachen, dass der Souverän, von dem das Recht ausgeht und die Macht ausgehen sollte, jemand und etwas anderes ist. Zinnober regiert auch, weil überzeugend die Regeln verletzt, nach denen wir alle mehr oder weniger gut leben können.

(Cameron mit dem Referendum hat ähnlich unbedacht gehandelt, aber er ist dumm; das ist Trump nicht: der will unsere Institutionen zerstören, angefangen bei den VN und wohl endend in völkerrechtlich bindenden Verträgen. Dann muss man anfangen, ihn zu bekämpfen und nicht mit ihm zusammenzuarbeiten, wie in einem neuen München).

Nachwort: was haben Trump und Netanjahu gemeinsam: dass sie ihre Regierungen aus Gaunern, Rassisten und Gefährdern zusammensetzen; bei Trump kommen noch Milliardäre dazu. (Wie man diese Leute bezeichnen soll, liegt an Schmähkritikgrenze, Gauner sind sie allemal…aber was sagt das schon?). Deshalb ist Respekt und vorbehaltlose Offenheit diesen Regierungen gegenüber nicht angezeigt: Netanjahu gefährdet Israel, da können seine Anhänger gerade noch die Zeit abschätzen, wie lange solches Regime gut geht. Trump gefährdet uns alle. Also bringt ihm weder Vertrauen noch voreilige Opfergaben entgegen. Das wäre übrigens kein schlechter Anfang, gegenüber all diesen missratenen Führern und Wiedergängern einmal Stärke zu zeigen, nicht Säbelrasseln. Stärke, die unserem Stil – dem Republikanismus – und unserer Praxis, dass wir uns an die selbst gegebenen Regeln halten unserer Bereitschaft, im öffentlichen Raum zu handeln, entspringt.

Nun, andere als Trump und Netanjahu haben diese Übung schon etwas länger betrieben, oder sie sie sind eher lächerlich für uns, aber nicht für ihr eigenes Volk. Die habe ich zwar nicht aus den Augenverloren, aber das Beispiel schmerzt akut, hoffentlich viele.

Gibt es denn gar keine Hoffnung?

Falsche Frage. Hoffnung gibt es immer. Aber sie entsteht aus dem Handeln und einer Politik des kritischen Denkens von Optionen und Auswegen. Das Trugbild des Sozialismus ist in Animal Farm verwundet und in der Realität verschrottet worden. Ob und wie wir die Rechts-Links-Koordinate noch brauchen können, ist fraglich. Viel ist noch am Oben-Unten zu tun (die Linke kann jedenfalls bei Didier Eribon lernen, was sie falsch macht). Oben-Unten sollte uns zunächst lehren, dass die Abgehängt oft gar nicht unten sind, aber jedenfalls von Oben gegängelt werden.

So, wie man Frieden auch einmal erzwingen muss, sollten wir anderes, wie die Klimaziele erzwingen – das setzt fast notwendig Widerstand gegen ein an der Bruchkante von Legalität und Legitimität balancierende Politik voraus, Widerstand, der seine Form erst finden muss, aber schon im Begriff ist sie zu finden. Dazu gehört, dass auch Errungenschaften bewahrt werden müssen, im Widerstand gegen die Sicherheitshysterie, Freiheitsrechte müssen verteidigt und zur Not gegen verirrte Staatlichkeit einfach in Anspruch genommen werden.

Das kann die Hoffnung stärken.

Ich finde die Flüchtlings-Asyl-Deportations-Situation auch hoffnungsvoll: noch nie wurde der Rückgang der ohnedies nicht so hohen Flüchtlingskriminalität so ehrlich beschrieben wie jetzt durch das BKA. Noch nie hat sich ein Widerstand an der Basis gegen Abschiebung so argumentenreich formiert. Noch nie gab es so viele Flüchtlingspatenschaften und freiwillige Unterstützer*innen, und noch nie war die Aufmerksamkeit diesen hundert tausenden geschundener Menschen – die alle bei uns bleiben könnten – so sensibel. Da ist das Volk, vom jede republikanische Verfassung spricht.

Von mir wird niemand hören: Empört Euch! Oder Resigniert! Oder Arrangiert Euch!. All das geschieht sowieso, wird weiter geschehen, vielleicht weiter auf der abschüssigen Bahn. Ich bin von Evolution unserer unbedingten Veränderungsfähigkeit zum Erhalt der Spezies nicht überzeugt. Wenn wir aber die Vor-vor-letzte Generation sind – was dann? Nichts für ungut, dann eben 2017 weiter arbeiten; in der Gewissheit, dass mit steigendem Widerstand die Spannung steigt, und dass nicht der Konflikt das Böse sein muss, sondern die Art, wie er geregelt wird. Er kann auch zum Guten führen, immer wieder.

Finis terrae X

Ein Jahr lang Gedanken über das Ende der menschlichen Evolution. Ein Jahr lang Versuch, eine Parallelschwingung zu den Kommentaren und Analysen zu komponieren, die Zukunft sehr kurzfristig und Handlungsmöglichkeit sehr endlich anklingen lässt. Das ist weder pessimistisch noch erschöpft. Es bleibt der Versuch, aus der Verzweiflung heraus verständlich zu bleiben und deshalb jeden Zinnober zu bekämpfen.

EIN GUTES, EIN BESSERES NEUES JAHR 2017 !!!

Deutsche Täter

Die Zahl deutscher Vergewaltiger, Körperverletzer, Harassierer, Taschendiebe und Gewalttäter gegen Deutsche und Ausländer, auch und vor allem gegen Flüchtlinge und Arme, ist sehr groß. ABER WEIL SIE DEUTSCHE SIND, segeln sie im wohlwollenden Schatten der bayrischen Staatsorgane, die meinen, durch Kriminalisierung der Flüchtlinge, also durch Selektion, Sicherheit vortäuschen zu können, wo sie die Gewalt herbeirufen. Ich sage wohlwollend, weil die Hermanns und Scheuers und Seehofers zu den deutschen Tätern, zum Ausländerhass, den sie selbst säen, zur Not und zum verbindlichen Völkerrecht gar nichts sagen, aber das Recht brechen wollen, um Deutschland in ihren Augen und für ihre Klientel sicherer zu machen.

*

Sich dem unerzogenen, primitiven Ton der Seehofers, Petrys, Hermanns und des grunzenden Parteivolks allenthalben anzuschließen, verbietet wohl mein Habitus und die Gewissheit, dass eine Verbrüderung im Ton mit dieser Hetzmeute mich ebenso beschädigen würde. Aber natürlich ist bereits etwas hängen geblieben von der Vorschau auf eine neue weniger zivilisierte Periode; Vorkrieg, Gewalt, Verlust von Freiheiten, Aufwertung der nationalen Gewalttäter, – und damit einhergehend der notwendige Verlust von Loyalität gegenüber dem so genannten Staat (der als Subjekt nur glaubwürdig erscheint, wenn er der Gesellschaft eine lebbare und tragfähige Basis gibt, ansonsten aber zum kühlen Gegner sozialer und kultureller Dynamik wird, auch wenn man den Gesetzen noch im Großen und Ganzen gehorcht). Nur, wer nicht schimpft, kann nicht schon deshalb hoffen, auf eine einfache und reduzierte Formel zu bringen, was wirklich Welt-, vielleicht Lebens-entscheidend ist.

Die Deutschen haben sich ganz besonders hervorgetan, wenn es um Selektion ging; jedenfalls länger und mehr als viele andere Völker (das waren nicht nur Staaten). Die Zuordnung von Flüchtlingen zu kriminellen Handlungen ist ein typisches Muster der Selektion. Zigeuner und Diebstahl wären dafür ein gutes Beispiel.

Was Seehofer und Hermann in den letzten Tagen zur Sicherheitspolitik von sich gegeben haben, macht sie bündnisfähig für die AfD; und warum sollen Wähler christlich und sozial verbrämen, was sich nazistisch so viel besser und klarer sagen lässt.

Zwei Probleme an die geschätzten Leser*innen: das eine ist subjektiv, bei mir und bei anderen. Viele haben oft Anfälle von Revanchegelüsten und eine Form von Heimzahlen als Ergebnis von Ver-Wünschung: Seehofer in den ungarischen Stacheldraht, Hermann nach Aleppo in den russischen Bombenhagel und Petry mit einem IS Kommandeur verheiratet. Das ist so unsinnig wie komisch, darf es als Satire sein, aber nie politisch, versteht sich. Nur: Vor Verwünschungs-Sucht schützt uns nicht der gesunde Menschenverstand allein, sondern eine politische Einsicht, dass die Bestrafung niemandem Glück bringt, dem Täter nicht – aber auch nicht dem, der die Strafe für gerecht oder angezeigt hält. Also: was ich mir für die Hetzmeute ausdenke (übrigens verwendet der Journalist Adrian Kreye diesen von Elias Canetti abgeleiteten Begriff auch zutreffend, ich bin da nicht allein), ist unsinnig. Solche  Straf-Phantasien muss ich reflektiert ablehnen, aber nicht ausblenden. Das führt zum zweiten Problem: ich bin Wissenschaftler, und wenn ich kritisiere, dann muss ich das so machen, dass meine verwendeten Begriffe vor einem Gericht aus erklärt werden, verstanden werden können, und sollten sie jemandes so genannte Ehre kränken, auch Wahrheitsbeweise durchmachen können. Das geht wissenschaftlich ganz gut, wenn ich die FPÖ als nazistisch, Höcke als Nazi, einige rechte Gruppen ebenso, andere aber als faschistisch bezeichne (das kann man wissenschaftlich ziemlich genau). Andere Begriffe, wenn nicht durchsichtig und übertragen, sprechen zu nächst für sich (Verbrecher=Rechtsbrecher und/oder Regelverletzer, potenzieller Totschläger=CSU Forderer für Flüchtlingstod auf dem Mittelmeer oder an den Außengrenzen). Aber wissenschaftlich sind andere Begriffe nur sehr umständlich zu beschreiben: Gesindel, Mafia, Pöbel. Wenn ich nun diese Begriffe bewusst verwende, dann, weil ich mir zutraue, sie gegen den alltäglichen Hörgebrauch zu erklären, abzuleiten, in die politische korrekte Sprache umzusetzen. Wenn man mich lässt und mir die Zeit dazu lässt….

Die beiden Probleme verfolgen mich. Es macht wenig Spaß, unsere gesellschaftlichen und innenpolitischen Feinde und Gegner zu beschimpfen. So wenig, wie sie zu verwünschen, oder ihnen das aha-Erlebnis eines frühen Todes zu erhoffen, dann würden sie schon (aber gar nichts, gar nichts) sehen…usw. Aber es macht auch keinen Spaß, jeden Angriff wissenschaftlich abzupolstern, nur um niemandem, der nicht eh schon verurteilt ist, in seiner Ehre zu kränken. Soll er sich kränken, denk ich mir, und erzähle einer meiner liebsten jüdischen Witze dazu: Kommt a Frau zum Rabbi und sagt: wir sind arm und hungrig. Wir haben nur mehr einen Hahn und eine Henne. Eins von beiden muss in den Kochtopf. Schlacht ich den Hahn, kränkt sich die Henne. Schlacht ich die Henne, kränkt sich der Hahn. Der Rabbi befindet diese Frage als schwierig, man trifft sich mehrfach und immer wiederholt sich die Frage der Frau, wen sie nun schlachten solle. Nach dreimaligem Anklopfen und zwischenzeitlichen Talmud- und Kommentarlesen sagt der Rabbi mit Bestimmtheit: Schlacht den Hahn! Sagt die Frau: Dann kränkt sich die Henne. Sagt der Rabbi: Nu, soll sie sich kränken!

Will sagen: solange ich versuche, Wahrheiten zu sagen, auch wenn sie beleidigen, ist mir nicht bange. Das gilt auch für Meinungen, die durch Nachdenken politisch gehärtet werden.

Zurück zum Thema:

Wir alle sollten uns bemühen, den Hasspredigern und Erpressern aus der CSU und AfD und Pegida und einzelnen sonst bedeutsamen Rhetorikern klarzumachen, dass sie längst Geister aus der Flasche sind, die sich und ihre Rhetorik nicht mehr kontrollieren können. Dass also jede wie auch immer GEMEINTE sprachliche Formel jenseits der gegenwärtigen Praxis eine künftige, GEWALTTÄTIGE(RE) Praxis vorbereitet und sie ex ante entschuldigt. Obergrenze, Flüchtlinge rechtswidrig ohne Gehör ins Elend und das Sterben zurückzusenden  –SELEKTION – und immer einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und tatsächlichen Gewalttaten, also STRAFTATEN in Deutschland herzustellen. Indirekt decken diese Hetzer die ca. 1000 schweren Anschläge von Deutschen gegen Flüchtlinge und Asylbewerberheime, und ermutigen die Bevölkerung – jetzt würde ich gerne „Pöbel“ erklären – gegen alle nicht-weißen Flüchtlinge Stimmung und Denunziation zu machen, aber an der Strafverfolgung und Offenbarung der DEUTSCHEN TÄTER, durch Anzeigen, Shaming & Naming und andere Mittel so wenig zu unternehmen.

Christlich und Sozial.

Das bringe ich in Zusammenhang mit den Abgehängten, mit denen, die Angst verbreiten weil sie Angst haben, man weiß nur nicht genau wovon, außer dass sie sich fürchten vor dem, was sie nicht wissen (wollen), und mit Politikern, die Angst vor der Angst vor der Angst haben (Heinz Bude). Seehofer wird nie Ruhe geben, er und seine Consorten werden meinen, dass das Land befriedet ist, wenn keine Menschen mehr rein und rausdürfen ohne Genehmigung der staatlichen Inquisition (ha, der Flüchtling mit Reisepass und einer Empfehlung von IS an den Herrn bayrischen Innenminister…). Dass wir dann mittlerweile in einem Land leben werden, dem wir nur, weil es angeblich sicher ist, weniger und nicht mehr Loyalität schulden, ist denen, die auf die Volksgemeinschaft anstatt auf den Rechtsstaat setzen egal. Und denen, die mit Gewalt SICHERHEITSEMPFINDUNGEN anstatt Tatsachen pflegen, ist auch egal, dass sie Leben und kollektive Schicksale (Familiennachzug, unbegleitete Jugendlicher, Kinder ohne Hoffnung auf Befreiung von ihren Traumata…dafür aber Haft auf Verdacht) gefährden. Sie sind die nachhaltigen Gefährder. Das alles ist gut christlich und sozial, und schreit nach einer Alternative für Deutschland.

Sachsen ist das Bayern Deutschlands

 

 

  • …, ich möchte Politiker werden
  • Bist deppert?
  • Wieso? Is des leicht Bedingung?

(Geflügelte Kurzfassung eines berühmten österreichischen Dialogs)

(man kann auch http://cbp.at/blockflyers/VG_2008.html nachlesen, da geht es auch nicht um Sachsen).

*

Für gewöhnlich halte ich die hetzerischen Ausbrüche des CSU-Vorstands für so ziemlich das Schlimmste jenseits der Neuen Rechten. Aber was sich im Zusammenhang mit dem Tod von Al-Bakr in Sachsen abspielt, lässt vermuten, dass sogenannte Freistaaten besonders anfällig für die Mischung aus Dummheit und Gefährlichkeit sind.

Der Innenminister Gemkow (AfD) weist jede Schuld und jedes Rücktrittansinnen von sich; der Gefängnisdirektor Jacob (Pegida) hat alles vorschriftsmäßig erledigt. Die Sicherheitsorgane haben alle Hände voll zu tun, der Pegida Erfolg bei der Denunziation unserer Verfassungsorgane zu wünschen und ihn durch Schutz und Schild zu garantieren; die Fahndung und Arrestierung von Terrorverdächtigen überlassen sie lieber den Flüchtlingen, die können sich mit diesen wenigstens verständigen, man hat zu wenig Übersetzungskapazität in der Justiz. Hat man nun Azubis bei der Überwachung des Gefangenen eingesetzt, damit die Hauptamtlichen im Justizdienst nicht gestört werden? Ist die Psychologin überhaupt befugt, das zutreffende Urteil des Haftrichters (Suizidgefahr) durch ihre mangelhafte Kompetenz in Frage zu stellen? Herausgerissene Steckdosen und Glühbirnen verweisen auf Vandalismus, sagt die JVA, obwohl der Gefangene laut Psychologin ruhig und am Schicksal der Anstalt sogar Anteil nehmend war.

Ministerpräsident Tillich (angeblich noch CDU) deckt seine Beamten und Minister. (Siehe oben)

Nur ganz wenige Kritiker dieses Skandals stellen zunächst fest, dass ein Mensch durch Fahrlässigkeit oder unbewusste (?) Absicht der Innen- und Justizbehörden zu Tode gekommen ist. Wer erstattet jetzt Anzeige, Anfangsverdacht gibt es ja hinreichend?

Nur zur Warnung: wenn das Schicksal Al-Bakrs im Gefängnis eines anderen Landes sich ereignet hätte, wären die Medien schon voll der Anklage gegen das dort herrschende Regime. Bei uns geht alles nach Vorschrift. Der Freistaat scheint frei von Moral und Menschenwürde zu sein.

Radikalisierung, Jihad & Europa

Dies ist ein Tagungsbericht von einer hilfreichen und gut platzierten Konferenz in Brüssel, die auch unaufdringlich zeigt,welche Programme und Vorstellungen die Europäische Union zum Thema Terrorismus oder auch „Radikalisierung“ entwickelt (hat) und welche Perspektiven sich für die Forschung ergeben. Intellektuell durchaus anregend und ohne große Hierarchien der Vortragenden – wenn man die ständige und aufmerksame Anwesenheit von Gilles Kepel ausnimmt, der nun auch eine besondere Rolle in diesem Themenbereich spielt – hat die Tagung Blickwinkel erweitert. Sie hat auch ein Problem deutlich gemacht: die Fixierung und Konzentration auf den Jihad, also eine Facette des Islam.Aus aktuellem Anlass – IS, Taliban, Paris, Brüssel, … – ist das verständlich, aber ein wenig verkürzt. Die Frage nach Radikalisierung in und durch RELIGION und nicht in und durch eine bestimmte KONFESSION, wurde nur sehr am Rande angesprochen. Aber immerhin: es war wieder so ein Tag, an dem man über die Europäische Union und die Leichtigkeit, mit der sie Expert*innen aus vielen Mitgliedsländern zusammenbrachte, froh sein konnte. Also

ADDRESSING TERRORISM – European Research in social sciences and the humanities in support to policies for Inclusion and Security.

Eingeladene Tagung in Brüssel, organisiert durch DG Research and Innovation, Unit B.6 Open and Inclusive Societies

Brüssel, 26.9. 2016

Anlass war die Vorstellung der Policy Review durch Gilles Kepel und Bernard Rougier, die im Auftrag der DG einen Bericht zum Forschungsstand verfasst haben. (Kepel/Rougier 2016). Die eingeladenen Panelisten haben vor allem Berichte und Programme der von der EU geförderten Forschung zur Terrorsimus, religiöser Gewalt und aktuellen islamistischen Aktivitäten vorgelegt. Alles stand unter dem Stichwort RADIKALISIERUNG.

Unter den ca. 100 Teilnehmer*innen war ich offenbar der einzige aus Deutschland.

Ich werde hier die Review nicht wiedergeben, sie ist hochkondensiert und gibt die Forschungslinie von Kepel weitgehend wieder (seine Kontroverse mit Olivier Roy wurde am Rande angesprochen, der ja nicht-religiöse Legitimation für Gewalt in den Vordergrund rückt; Kepel und Rougier erklären den Jihad durchaus auch mit soziologischen, kulturellen und lebensweltlichen Erfahrungen, aber nicht ohne die Religion als Ausgangspunkt bzw. Katalysator). Die meisten Panelbeiträge waren forschungsbasiert, die Daten bzw. Dateien werden zur Verfügung gestellt. Die folgenden Überlegungen sind eine erste Reflexion von Inhalten und Format der Tagung:

Über das Leitwort Radikalisierung gab es zu Recht einige Diskussion, die auch auf unterschiedliche Sprachgebräuche und Diskurse hinweist. Im Französischen und im „republikanischen“ Kontext bedeutet R. eher positiv konsequente Verfolgung von Ideen, was besonders von Keridis hervorgehoben wurde. Kepel verwendet den Begriff eher indikativ für eine übersteigerte Transgression, einen Bewusstseinszustand. (Das verwundert, wird aber klar, weil er den Begriff letztlich auf den Islamismus und seinen Diskurs verengt). Kritik: die Abgrenzung zum Extremismus fehlt. Konkret wichtig: Nicht alle Jihadis sind radikal, viele sogar „konservativ“ oder retro-positioniert. Von hier wichtige Brücke zu Analogien mit der neuen extremen Rechten (Inta Mierina, MYSPACE Untersuchung zur europ. Rechtsextremisten). Methodisch nehmen die Jihadis oft Rhetorik und Systematik der Linken (1960-80) in Anspruch, aber mit zeitgenössischer Repräsentation in den sozialen Medien.

Zu überprüfen das Phasenmodell Kepels: Das große Scheitern des Jihad im 8. Jh (Tours&Poitiers) und 1683 (Wien); zwei in jüngster Zeit gescheiterte Phasen des Jihad (in der Region und far enemy (USA); dritte Phase maßgeblich von internationalen Jihadis nach dem Erfolg in Afghanistan 1989 (Abzug der SU, Berliner Mauer) eingeleitet: nun wird Europa (mittlere Reichweite) zum Zielgebiet. Europa als

„weiches Einfallstor“ gegen den Westen zeigt bestimmte Analogien mit Houellebecq (FAZ 27.9.2016), aber andere Intention. Mir ist aufgefallen, wie Symboldaten analog zur Drei-Reiche-Theorie verwendet werden (Anschlag von Toulouse 2012 u.a.). Lohnt zu überprüfen.

Die Medien spielen noch eine wichtige Rolle in Kepels zentraler These von der vaterlosen Jugend – nicht nur der Jihadi-Familien, sondern auch im Rekrutierungsfeld der Konvertiten. Peers ersetzen den Vater (père), vermittelt über die Medien, dezentral (anders als bei Al Qaida). Dem stimme ich weitgehend zu: hier sollte man die Milieustudien von Pilkington (Manchester) verfolgen und sich stärker interdisziplinär, v.a. soziologisch und sozialpsychologisch befassen.

Rougier setzt zurecht auf Kontextualisierung, die Gefahr von Vergleichen mit früheren Phasen der politisierten/enden Religion (Text-Reinheit, Fundamentalismus immer unter dem Aspekt von „Verrat“, der auch aus der Marginalisierung folgt). Hier gibt es eine komplizierte Brücke zum Schutzraum Religion und der Selbstaufgabe in der dogmatischen religiösen Praxis. Mit der kontextarmen Dogmatik wird eine „irrational choice“ getroffen.

Weil die jihadistischen Narrative (aus Religion) nicht alles abdecken, was man zur Praxis braucht, werden Leihnarrative, v.a. die Kolonialgeschichte, Jugend- und Sozialstrukturen herangezogen (Kepel). Das ist m.E. richtig und zielt auch auf die Auseinandersetzung mit Roy).

Für das Verständnis der muslimischen Radikalisierung wäre es hilfreich gewesen, religiöse extremistische Bewegungen und Politiken im Christentum und im Judentum kontrastiv aufzuzeigen (Beispiele: Ermordung von Izhak Rabin, Pegida, Identitäre…).

Ich empfand drei große Defizitbereiche:

  • Keine Diaspora-Diskussion (habe ich angemerkt, wurde positiv aufgenommen, ich bleibe da dran);

  • Keine Diskussion über den Körper (aus religiöser, aber auch persönlicher Perspektive: hier sterben meist junge Menschen, hier gibt es komplizierte sexualisierte Anwerbeversuche, hier wird Gender politisiert: eine Menge auch symbolischer psychischer Dispositionen)

  • Keine Diskussion der Differenz von religiös unterlegtem Staatsterror und Terrorismus. Das ist diplomatisch verständlich, aber im Kontext nicht zu rechtfertigen.

Mit allen drei Bereichen verbinde ich defizitäre Wahrnehmung der Heimatdiskurse und der daraus entstehenden Bias.

  • Ich habe eine Methodendiskussion angeregt, weil viele der Forschungsprojekte empirisch arbeiten und schon auf Gebieten tätig sind, die teilweise bei uns nur sehr partiell bekannt

Die wichtigsten EU Projekte sind RAN, IMPACT Europe, EURISLAM, RELIGARE, ReligioWest, MYPLACE, EuroPublicIslam, CITYSPICE, SAFIRE und PRIME.

Mein positives Resümee ist die Ernsthaftigkeit, mit der Sozial- und Kulturwissenschaften zu transdisziplinären Forschungen und auch quantitativen Grundlagen aufgefordert werden und wie vielfältig die Forschungsansätze der entsprechenden DGs sind, oft auch nicht so gut koordiniert.

Wenn ich die Dokumente erhalte, können sie bei mir abgefragt werden.

Die Review von Kepel und Rougier findet sich als PDF unter KI-02-16-450-EN-N, ISBN 978-92-79- 58268-4