Warum die Kommentare vermehren, sich noch weiter einlassen auf den vielfach erörterten Schrecken?
Im Jahr des Unheils 2016 wurde eine ungeheure Produktivität an kritischen und wohldurchdachten Kommentaren zur Lage der Welt und unserer in ihr entfaltet – mehr auf der Seite der Medien und häufiger in kontroverser Wechselrede als in großen Abhandlungen und weltbewegenden Analysen, für die bewegte sich alles zu schnell, verschob sich und machte viele Prognosen zunichte; was mich freut.
Es scheint, dass die Feuilletons, die Reportagen, die Essays in den besseren Medien – das sind die kritischen, die mit Korrespondent*innen, die mit Kontroversen im Kommentarteil, sage niemand, man könne nicht zwischen den besseren und schlechteren unterscheiden, – es scheint, dass diese Medien von der Politik einfordern, was diese zu leisten nicht (mehr? denke ich nicht) in der Lage ist. Zu regieren, legitime Macht auszuüben, was auch im Rechtsstaat, auch in der Demokratie oft nicht ohne Zwang geht – vom Frieden erzwingenden Einsatz, von der Durchsetzung des Rechts, vom Freizwingen der Korridore für Menschenrechte, für die Ausübung von Grundrechten. Das ist nicht nur der starke Staat, der das können sollte, das sind auch die republikanischen Bürger*innen, die die res publica ernst nehmen und sich nicht in die diversen Hängematten passiver Behandlung sinken lassen, wenn es gilt sich zu exponieren.
Solche Gedanken haben mich zur Serie finis terrae geführt, die aus der Verzweiflung über eine Situation entstanden ist. Die Abwesenheit von Politik – institutionell und personal – lässt Tyrannis entstehen. Dass sie nicht alle wie Hitler und Stalin aussehen, die neuen Tyrannen, versteht sich, dass sie sich anderer Medien bedienen als zu Goebbels und Berijas Zeiten, ist auch klar, aber ebenso ihr Ziel: illegitime Machtausübung zum Zweck illegaler Herrschaft. Das gilt für die ganze Namenspalette von Putin über Trump und Orban, Kaczinsky, Erdögan, Duterte und noch ein paar Namen mehr, da ist manch einer dabei, den eine besondere Sensibilität und Korrektheit schützt, oder den man auf den ersten Blick nicht kennt. Man muss die Namen ebenso wiederholen wie den Kontext, damit diese grausige, denkabgewandte Schutzwand der festgefrorenen Meinungen und Ressentiments durchbrochen wird.
Sagen, was wer ist, fällt einem oft schwerer als eine Analyse von großflächigen Zusammenhängen. Der konstruktivistische Glaube daran, dass Personen immer und zur Gänze austauschbar sind, übertreibt genau das, weshalb er eingesetzt wurde: dass eben charismatische oder gewaltherrscherlicher Personen ohne den Anhang, die Gefolgschaft, den Zuspruch der Massen und Meuten nichts vermögen. Hinter all den Lügnern, Sexisren, Rassisten, Zockern – auch solche Epitheta muss man wiederholen, um nicht der allgemeinen Beschwichtigung anheim zu fallen, hinter all diesen steht ein Teil des Volkes. Warum und aus welchem Anlass zu klären ist wichtig, das geht übrigens ohne Wissenschaft nicht, aber es zeigt nicht automatisch den Weg, mit diesen Mehrheiten oder sehr großen Minderheiten umzugehen.
Was also will ich, kann ich wollen? Aus der Verzweiflung als kulturpessimistischer Ätherwolke auszusteigen und Politik zu denken und wo das geht zu machen. Ersteres kann ich und muss mich der Medien bedienen, nicht nur meines Blogs, meiner Forschungsprojekte, meiner Netzwerke – mein soziales Kapital und mein kulturelles Kapital müssen, jenseits ökonomischer Verengung, dafür herhalten, und da kann ich auch „ich“ sagen. Das Zweite geht nicht in der maßlosen Selbstüberschätzung, ein Einzelner könne Politik „machen“. Die Konstitution von Politik ist das Ergebnis von Verhandlungen im öffentlichen Raum, den herzustellen jeder, auch ich, eine Verantwortung trägt, aber in dem keiner allein agieren kann. Trivial? Die Ent-Öffentlichung unserer Gesellschaft durch den Schutz des gewalttätigen Eigentums an Daten, Umweltzerstörung und Geld zwingt zu einem Widerstand, der nicht an der Globalität all dessen ansetzt, sondern an der Lokalität der Politik, die unsere Freiheiten schützen oder bedrohen kann.
Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern.
Diesen Satz aus Lampedusas Leopard zitiere ich oft, wenn es darum geht, Widerstand zu leisten. Widerstand? Es ist das Credo vieler Bewegungen, die sonst nichts miteinander zu tun haben: Die Wende um ihrer selbst willen – zuletzt die Wahl von Trump, vorher viele Proteststimmen für Afd und FPÖ, beileibe nicht nur von den Abgehängten; die Reinigung durch den Tod an der Front, die alles geändert hatte; Bewegung als Prinzip eines Futurismus, dessen Zukunft immer nur das beinhaltet: Änderung. Ein Philosoph hat oft von der schlechten Unendlichkeit gesprochen, und in der Tat, wer dauernd ändert, was ist, müsste sich auch dauernd fragen, ob wir uns wirklich mit den Veränderungen selbst auch verändern.
Es scheint, dass in leicht abgewandelter Form wiederkommt, was wir wissen oder kennen, nicht als Wiederkehr des immer Gleichen, aber als Wirklichkeit, deren Wiederkehr wir nicht für möglich gehalten hätten.
Es hat sich alles geändert.
Alles? Auf den verschiedenen Wegen zu 1989 hin sind viele Gewissheiten, auf denen etwa 1968 und unsere Gewissheiten dazumal, weggebrochen. Als wir noch 1968 oder in den 1970ern unsere Schlussfolgerung, der Faschismus, der Nazismus, sei noch nicht tot, kaum bestätigt sahen, weil die Demokratie sich als einigermaßen tragfähig erwies, hätten wir nicht gedacht, wie populär sie heute demokratische Strukturen und ihre abgehängten Ränder penetrieren, um zu wiederholen, worin sie einst erfolgreich waren. Es ist gut, dass sie nicht erfolgreich schon sind. Es ist gut, dass wir gegen den Aufstieg der Wiedergänger Opposition machen können, auch weil wir sie durchschauen, aber es ist nicht gut, dass wir das überhaupt nötig haben.
Friedensdividende: Fatigue de democracie und Nationalismus mit neuer Unterwerfung
Wir haben es sehr gut in Deutschland und den meisten Ländern der EU. Verglichen mit vielen anderen westlichen Gesellschaften, einschließlich der USA, sind unsere sozialen, kulturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen unerhört groß und belastbar. Wir sind aber dabei, viel von dem zu verspielen, tatsächlich spielen wir, indem wir kontrafaktisch handeln, als wollten wir die Tragfähigkeit unserer gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien testen. Freiheit gegen Sicherheit, ist das dümmste und gefährlichste Spiel, der Einsatz riesig groß. Die Sicherheit kann siegen, wenn es nach dem Wunsch der volksnahen, völkisch nahen, machtgeilen Hetzer geht. Wenn sie gesiegt hat, wird es nur keinen Staat mehr geben, den zu verteidigen, demgegenüber loyal zu sein, Sinn macht. (Schaut nach Israel, wo Netanjahu und sein Kabinett – darauf komme ich noch – vormacht, wie die Sympathie mit dem geliebten Land umschlägt in weitere Isolierung der angeschlagenen Demokratie; schaut auf die CSU, deren Forderungen sich wie eine Kampfansage an den Rechtsstaat lesen; schaut auf alle europäischen Länder, wo die gewalttätigen Populisten um die 30-40% des Volkes – welchen Volkes? Des Volkes, da muss man einmal nachfragen – hinter sich haben. Kein Herumreden: wir müssen um der Freiheit, des tatsächlichen Nutzens der Freiheit, Unsicherheit, das Leben mit Anschlägen und Einschränkungen hinnehmen; aber nicht die Freiheit ausnützen, benützen, um eine wirkungslose Sicherheit zu befördern. Wer das betreibt, sollte sich nicht „konservativ“ nennen, sondern totalitär. Ein anderes Beispiel ist das Ausspielen von Arbeitsplätzen gegen die Umwelt. Das Lieblingsspiel der Sozialdemokratie besteht in einer absehbaren Vernichtung von Klimazielen und Zukunft zugunsten kleiner Punktgewinne bei maroden Gewerkschaften, Beispiel Kohle, Beispiel Straßenverkehr und Emissionen. Hier würde ich auch die sonst von mir tatsächlich hochgeschätzte und zur Zeit alternativlose Kanzlerin kritisieren, wie sehr sie den Lobbys und Partikularinteressen bei den Rahmenbedingungen von geänderter Wirtschaftsordnung nachgibt. Ich schreibe im Konjunktiv, denn eigentlich sind es wieder wir, ein Teil des Volkes, der hier paradox selbst populistisch die Feder führt, der den rauchenden Schornstein von VW jeder Zukunft vorzieht (Vor undenklichen Zeiten, bei der Klimakonferenz Stockholm 1972, sagte ein Politiker aus der Dritten Welt, er wolle den Himmel verdunkeln mit Abgasen, statt ihn für die Wirtschaftsdiktatoren der Ersten Welt zu säubern. Ich erinnere mich schamvoll, dem mit Verständnis begegnet zu sein).
Ein drittes Beispiel berührt meine eigene Arbeit mehr als die beiden anderen, obwohl es weniger in mein einziges wirkliches Leben eingreift. Es wird gespielt mit Frieden gegen Konfliktregulierung. Die globale Gewalteskalation gibt es nicht erst seit heute, Globalisierung heißt ja beileibe nicht Gleichmäßigkeit oder Glättung der politischen Verhältnisse, sie ist auch kein Nullsummenspiel. Konflikt dort, Frieden hier. Auch bei uns, selbst in meiner Partei, gibt es eine Menge von Sofapazifisten, die alle Gewalt in die unterschiedlichen Hände der jeweils im Recht Gemeinten legen wollen und Friedenschaffenohnewaffen zum Dominusvobiscum ihrer Diskurse machen. Das kann dann Putin sein, mit seinen ewig Gestrigen, das kann auch Washington sein (oft gegen Obama), oder der Sicherheitsrat oder die Regierung, oder das BMVG, als wäre es nicht Teil der Regierung usw. Mir geht es darum, dass es Frieden schaffen heißt. Nicht beschwören, beten oder herbeireden. Man kann Frieden auch nicht herbeibomben. Aber es kann absolut notwendig sein, ihn durch eine Machtdemonstration zu erzwingen, das wäre in Syrien 2012 angezeigt gewesen. Stattdessen steuern wir auf eine pax post-sovietica zu, die schlechter ist als alles, was durch einen Eingriff vor drei Jahren möglich gewesen wäre, und nur die Einflusssphären neu ordnet. Nicht immer, wenn die Waffen schweigen, bleiben sie lange ruhig; und nicht immer erlebt das Volk, die übergroße Mehrheit der Armen und Kriegsopfer eine Erleichterung in ihrem Leben und ihrer Fortsetzung in Familie, Arbeit und Lebensfreude. Oft im Gegenteil. Zwischen den Extremen – dem unrechtmäßigen, falschen Krieg der USA gegen den Irak, und dem unterlassenen Eingreifen im Mittleren Osten liegt nicht das Ausbleiben prinzipiengeleiteter Politik, sondern auch das Vergessen der neuesten Geschichte und der Lehren aus ihr: das Hinnehmen der Krim- und Ukraineüberfälle wird mit dem Hinnehmen früherer Rechtsbrüche durch die westlicher Seite mitbegründet, was Orban darf, wollen andere Innenminister in EU-Demokratien auch gern dürfen. Das politische Gedächtnis wird ausgeschaltet, um die Kontextualisierung von Ereignissen und Strategien zu verhindern oder abzuschwächen. Dazu tragen schlechte Bildung, der Meinungsterror der sozialen Medien, die Feigheit und der Besitzstandsdünkel der politischen Eliten und vieles anderes bei: aber immer auch die Trägheit des Volkes, das Demokratie missversteht als die Herrschaft an der Wahlurne.
Vielesvon dem liegt daran, dass wir uns 1989 nicht um eine Friedensdividende bemüht haben, sondern tatsächlich selber uns der Illusion eines Endes der Geschichte in den Armen des liberalen, demokratischen, marktwirtschaftlichen Kapitalismus hingegeben haben. Auch die Restlinke hat das getan: Fukuyama wurde pflichtgemäß kritisiert, aber das Arrangement innerhalb unserer Gesellschaften – also der Verzicht auf Reformen – war ja nutzbringend: für den Westen, für Deutschland, für die EU. Es war gar nicht mehr nötig, den Irrsinn der sogenannten sozialistischen Alternative unter Moskauer Führung in Europa zu demonstrieren, er war einfach weg. Auch die Linke hat lange eine fiktive Einheit des Westens über „Werte“ vermittelt, stets unehrlich. Und den neuen Mitgliedern der EU hat man das Gedächtnis und die Enttraumatisierung verwehrt, man hat Griechenland bewusst ruiniert und die ehemaligen Ostblockländer schutzlos dem nachholenden Nationalismus preisgegeben (was politisch eine zusätzliche Front, und nicht etwa eine Milderung unserer eigenen Fehler bedeutet). Die westliche Demokratiemüdigkeit hat das Wiedergängertum der charismatisch-totalitären Trugbilder befördert. (Erdögan macht uns vor, wie man mittelfristig eine starke Volkswirtschaft ruiniert, aber kurzfristig dem Pöbel Brot und Spiele anbietet, um seine Zukunft zu verspielen. Nicht nur er, aber die Türkei ist, in der Sprache der Grauen Männer, systemwichtig für alle möglichen Konstellationen).
Ich bin nicht zerknirscht, aber zutiefst verstört darüber, dass (auch) ich vieles von der versäumten Friedensdividende mitgetragen habe: wie das sein konnte? Back to square one: wirklich, nochmal von vorne anfangen zu lesen, bei Finis terrae I oder in diesem Abschnitt X.
Trump, Zinnober – Trump, Cameron, Netanjahu
Klein Zaches war kleinwüchsig, missgestaltet und eine Last seiner armen Mutter. Durch freundliche Hilfe gütiger Menschen und vor allem einer zauberkräftigen Fee wird ihm eine besondere Gabe zuteil, die ihn aufsteigen lässt in hohe und höchste Ämter: wo immer er auftaucht, was immer ein anderer an Gutem und Klugen sagt und tut, ihm wird es zugeschrieben, ihm der jetzt Zinnober heißt und herrschsüchtig sich ins Zentrum der Macht spielen lässt, unterstützt von allem Volk, das seiner Gewahr wird außer von wenigen Einsichtigen, die zwar die Wirkung des Zinnober auch nicht genau erklären können, wissen sie doch nichts von der Fee, aber jedenfalls missbilligen, weil sie um ihre Teilhabe an der Gesellschaft und guten Regierung sich von Zinnober betrogen wissen. Nun, im Widerstand und Aufruhr gegen den Tyrannen und durch die Einsicht der Fee endet Zinnober kopfüber in der Blumenvase und aufgeklärte Optionen tun sich auf. Ein Märchen. Wer nun war und ist Trumps Fee?
E.T.A.Hofmanns Märchen birgt noch viel mehr Voraussicht auf Donald Zinnober Trump, aber mich fasziniert dieser Mensch nicht so durch das was er sagt und tut, sondern durch die Zuneigung von Massen, die Volk zu nennen sich mein Sprachschatz weigert. Ach ja, die Appeaser sind am Werk, man möge ihm Respekt entgegenbringen – er sei nun halt der demokratisch gewählte Präsident, man möge abwarten – ja, manche seiner wirtschaftlichen Vorschläge seien doch bedenkensswert hört man aus deutschen Hochfinanz, ach ja: Respekt und wegducken. Man muss weiterhin, ich werde weiterhin, ihn sexistisch, rassistisch, gewalttätig, lügnerisch und inkompetent bezeichnen, was immer er sagt, was immer er tun wird. Werde ich ihn künftig besser oder günstiger beurteilen, habe ich von dem, was ich jetzt sage, nichts zurückzunehmen, und dass die Wahl weder demokratisch noch zu seinen Gunsten war, wissen wir. Mit oder ohne Putin im Computer. Die ihm zujubeln, sind überwiegend „White trash“. Das ist nun die höchst problematische Formulierung, die im Kollektiv ehrenrührig ist und sein soll. Es gibt keinen Singular für White trash, keine Einzelperson ist das (die mag arm oder reich, kriminell oder unscheinbar sein, sie ist menschlich und mit Würde begab)t; aber wenn sie sich dieser Würde begibt und sich also in das Kollektiv des White trash begibt, dann bleibst bei der gewollten Ehrverletzung – siehe Blog 52 – um klarzumachen, dass der Souverän, von dem das Recht ausgeht und die Macht ausgehen sollte, jemand und etwas anderes ist. Zinnober regiert auch, weil überzeugend die Regeln verletzt, nach denen wir alle mehr oder weniger gut leben können.
(Cameron mit dem Referendum hat ähnlich unbedacht gehandelt, aber er ist dumm; das ist Trump nicht: der will unsere Institutionen zerstören, angefangen bei den VN und wohl endend in völkerrechtlich bindenden Verträgen. Dann muss man anfangen, ihn zu bekämpfen und nicht mit ihm zusammenzuarbeiten, wie in einem neuen München).
Nachwort: was haben Trump und Netanjahu gemeinsam: dass sie ihre Regierungen aus Gaunern, Rassisten und Gefährdern zusammensetzen; bei Trump kommen noch Milliardäre dazu. (Wie man diese Leute bezeichnen soll, liegt an Schmähkritikgrenze, Gauner sind sie allemal…aber was sagt das schon?). Deshalb ist Respekt und vorbehaltlose Offenheit diesen Regierungen gegenüber nicht angezeigt: Netanjahu gefährdet Israel, da können seine Anhänger gerade noch die Zeit abschätzen, wie lange solches Regime gut geht. Trump gefährdet uns alle. Also bringt ihm weder Vertrauen noch voreilige Opfergaben entgegen. Das wäre übrigens kein schlechter Anfang, gegenüber all diesen missratenen Führern und Wiedergängern einmal Stärke zu zeigen, nicht Säbelrasseln. Stärke, die unserem Stil – dem Republikanismus – und unserer Praxis, dass wir uns an die selbst gegebenen Regeln halten unserer Bereitschaft, im öffentlichen Raum zu handeln, entspringt.
Nun, andere als Trump und Netanjahu haben diese Übung schon etwas länger betrieben, oder sie sie sind eher lächerlich für uns, aber nicht für ihr eigenes Volk. Die habe ich zwar nicht aus den Augenverloren, aber das Beispiel schmerzt akut, hoffentlich viele.
Gibt es denn gar keine Hoffnung?
Falsche Frage. Hoffnung gibt es immer. Aber sie entsteht aus dem Handeln und einer Politik des kritischen Denkens von Optionen und Auswegen. Das Trugbild des Sozialismus ist in Animal Farm verwundet und in der Realität verschrottet worden. Ob und wie wir die Rechts-Links-Koordinate noch brauchen können, ist fraglich. Viel ist noch am Oben-Unten zu tun (die Linke kann jedenfalls bei Didier Eribon lernen, was sie falsch macht). Oben-Unten sollte uns zunächst lehren, dass die Abgehängt oft gar nicht unten sind, aber jedenfalls von Oben gegängelt werden.
So, wie man Frieden auch einmal erzwingen muss, sollten wir anderes, wie die Klimaziele erzwingen – das setzt fast notwendig Widerstand gegen ein an der Bruchkante von Legalität und Legitimität balancierende Politik voraus, Widerstand, der seine Form erst finden muss, aber schon im Begriff ist sie zu finden. Dazu gehört, dass auch Errungenschaften bewahrt werden müssen, im Widerstand gegen die Sicherheitshysterie, Freiheitsrechte müssen verteidigt und zur Not gegen verirrte Staatlichkeit einfach in Anspruch genommen werden.
Das kann die Hoffnung stärken.
Ich finde die Flüchtlings-Asyl-Deportations-Situation auch hoffnungsvoll: noch nie wurde der Rückgang der ohnedies nicht so hohen Flüchtlingskriminalität so ehrlich beschrieben wie jetzt durch das BKA. Noch nie hat sich ein Widerstand an der Basis gegen Abschiebung so argumentenreich formiert. Noch nie gab es so viele Flüchtlingspatenschaften und freiwillige Unterstützer*innen, und noch nie war die Aufmerksamkeit diesen hundert tausenden geschundener Menschen – die alle bei uns bleiben könnten – so sensibel. Da ist das Volk, vom jede republikanische Verfassung spricht.
Von mir wird niemand hören: Empört Euch! Oder Resigniert! Oder Arrangiert Euch!. All das geschieht sowieso, wird weiter geschehen, vielleicht weiter auf der abschüssigen Bahn. Ich bin von Evolution unserer unbedingten Veränderungsfähigkeit zum Erhalt der Spezies nicht überzeugt. Wenn wir aber die Vor-vor-letzte Generation sind – was dann? Nichts für ungut, dann eben 2017 weiter arbeiten; in der Gewissheit, dass mit steigendem Widerstand die Spannung steigt, und dass nicht der Konflikt das Böse sein muss, sondern die Art, wie er geregelt wird. Er kann auch zum Guten führen, immer wieder.
Finis terrae X
Ein Jahr lang Gedanken über das Ende der menschlichen Evolution. Ein Jahr lang Versuch, eine Parallelschwingung zu den Kommentaren und Analysen zu komponieren, die Zukunft sehr kurzfristig und Handlungsmöglichkeit sehr endlich anklingen lässt. Das ist weder pessimistisch noch erschöpft. Es bleibt der Versuch, aus der Verzweiflung heraus verständlich zu bleiben und deshalb jeden Zinnober zu bekämpfen.