…auf den ich kommen möchte. Manchmal fehlt mir in der Grünen Kritik der Politik der letzte Schritt, die Hinwendung zur Praxis und die klare Kante, die ja auch Anschlussfähigkeit für andere Parteien bedeuten kann.
Bitte zuerst lesen:
Thruttig.wordpress.com/
Einigung mit Afghanistan über „Rückführungen“ in Sicht/ „Dublin“-Rückschiebung eines Afghanen aus Berliner Psychiatrie
11 SundaySep 2016
Posted by Thomas Ruttig in Flüchtlinge/Asyl
dann geht es weiter mit Kritik:
Jetzt, mitten in den Wahlkämpfen, mit den Stimmenverlusten nicht nur in MV (–> vgl.: Grün Gewinnt) und Nds, mit der programmarmen Urwahl einmal ein Wort in meiner eigenen Partei: etwas zu mutlos, eng. Die Wahlkämpfer*innen in Berlin und anderswo überbieten sich mit präziser Kritik an den derzeit Regierenden, sagen aber nicht, wie sie mit einer der Parteien nach der erfolgreichen Wahl in bestimmten Fragen koalieren wollen. Was wäre, wenn man in der Flüchtlingspolitik einmal fünf Punkte klar benannte und dann daraus politische, finanzielle und soziale Forderungen ableitete, z.B. so:
- ASYL und EINWANDERUNG POLITISCH UND PRAGMATISCH TRENNEN: Für Asyl kann es keine Obergrenze geben, wir müssen diesen Menschen gegenüber alle menschenrechtlich gebotenen Handlungen offen, offensiv und „pro-aktiv“ setzen. Auch wenn sehr viel mehr Asylsuchende kommen, als das derzeit der Fall ist (siehe 2.). Für EINWANDERUNG, v.a. von FLÜCHTLINGEN, gelten die gleichen moralischen Grundsätze wie beim Asylverfahren, wir können aber deutlich sagen:
- Deutschland kann mindesten 2-3 Millionen ankommende Flüchtlinge nach den Grundsätzen der menschenrechtlich gebotenen Politik aufnehmen. DAS PROBLEM sind nicht die Flüchtlinge, sondern deren dramatische Lebensrettung aus Krieg, Bürgerkrieg und Gefahr (siehe Artikel von Ruttig oben). Wie das gehen soll? Ziemlich einfach
- NICHT INTEGRATION an erster Stelle versuchen, sondern aus dem ÜBERLEBEN und den FLUCHTGRÜNDEN überhaupt erst ein sprechfähiges Umfeld schaffen und so schnell wie möglich folgende Maßnahmen treffen:
- Arbeits- und Ausbildungserlaubnis sofort nach Registrierung
- Zuhilfenahme der jeweiligen Diaspora, soweit vorhanden, ggf. besondere Förderung
- Gruppenweise Traumabehandlung (Hier haben Menschen ihr Leben gerettet und nicht einfach eine politische oder wirtschaftliche Migrationsoption getroffen)
- Wohnort-Zuweisung unter Berücksichtigung kommunikationsfähiger kultureller Kerne an bestimmten Orten (dann gerade entsteht keine Gegenkultur)
- Die Kosten werden zunächst nach einem nationalen Schlüssel geteilt (wir können soviel von den europäischen fordern wie wir wollen, da haben wir keine starke Stimme, jedenfalls zur Zeit nicht.
- Das ist ein Positivkatalog, der ziemlich genau differenziert werden kann. Hier haben wir mehr Kompetenz als andere Parteien und wir können die Erfahrungen der Ehrenamtlichen noch stärker bündeln und verbreiten als bisher (Hier läuft es gut, also keine Kritik). Nun aber kommt es darauf an, einige klare Entscheidungen zu treffen und nicht einfach der GroKo Unfähigkeit und den EU Institutionen versagen vorzuwerfen:
- Unsere Position zu den Außengrenzen: sichern? Ja, wenn ja, wie? Zusammenhang mit dem Türkeiabkommen? Da müsste unsere Partei mehr Ambiguität ertragen lernen, zB. dass man sich die Diktatur, mit der man Verträge schließt und einhält, nicht immer aussuchen kann, und dass man trotzdem Kritik üben muss und auf anderen Gerbieten eher sich abgrenzt. Konfliktfähigkeit steht der Außenpolitik weniger im Weg als Appeasement (das gilt übrigens, was Syrien betrifft erst recht für unsere Position zu Russland und den USA). Was soll Frontex machen, wie soll es handeln, und vor allem: wie helfen wir Griechenland und Italien? Diese Verbindung ist unterentwickelt, und wir müssen hier längerfristig tragbare ökonomische Konzepte entwickeln? Nicht sichern: Nein, wenn nein, wie? Offene Grenzen an den Außengrenzen der EU können nur bedeuten, dass wir uns auf die oben genannten 2-3 Millionen in relativ kurzer Zeit (2 Jahre) einstellen. Abgesehen von großen Problemen mit manchen europäischen Partnern fände ich das eine Herausforderung, die Deutschland a) bestehen kann und b) die eine Weiterentwicklung einer seit 50 Jahren bestehenden EINWANDERUNGSGESELLSCHAFT Schwierig, ja, teuer, ja, und? In beiden Fällen spricht viel für eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik mit Augenmerk auf den Außengrenzen, gerade wenn man zur Türkei ein ambivalentes Verhältnis hat und die Mittelmeeranrainer nicht überlasten möchte.
- Unsere Position zur von Gabriel, Seehofer und anderen betriebenen Spaltung in Zuwanderer und bereits hier Lebende: die Spaltung gilt dann nicht, wenn die gleichen und nicht bloß vergleichbare Bedingungen auf dem Bildungssektor und Arbeitsmarkt Das setzt eine Antidiskriminierungsgesetzgebung ebenso voraus wie einen Forderungskatalog: nicht unsere Werte sollen die Zuwanderer anerkennen, sondern unsere Gesetze befolgen. (Das sollen die Deutschen auch…).
- Zu den Hetzmeuten und nationalistischen bis nazistischen Attacken – explizit von CSU-Spitze, AfD, Pegida und vielen anderen, auch Einzelstimmen – ist hier schon viel geschrieben worden. Aber im Alltag der Politik muss auch klar sein, dass die diskursive Milde der deutschen Justiz zu den verbalen Morddrohungen (AfD gegen Merkel oder von Türken gegen Özdemir usw.) ein Ende haben muss. Es bedeutet, dass Wiederbetätigung genauer und konkreter gefasst wird. Bei Frau Petrys Apologetik des „Völkischen“ darf man sich nicht auf die Philologisierung einlassen, sondern auf die KONTEXTUALISIERUNG bestehen, ebenso wie bei der Veranstaltung der AfD im Münchner Bürgerbräu. Diese nationalen Angriffe sind nicht ein „rechts“populistisch, weil populistisch sind andere auch, wir auch…in Maßen. Was Gewalt provoziert, und zwar in einem bestimmten Kontext, muss auch so genannt werden. Das heißt auch, die AfD ernst nehmen, bzw. ihre Wähler*innen und die Parteispitze gegen einander anzuleuchten.
- Das soll weder originell sein, noch behaupte ich, dass dies nirgendwo aufscheint. Aber einen solchen oder einen vergleichbaren Katalog will ich an den Straßen, in den Zeitungen, im Rundfunk, im Fernsehen wahrnehmen. Was die GroKo falsch macht, was Merkel richtig macht, was wir nicht wollen, wissen wir zur Genüge. Aber um diese fünf Punkte auszuarbeiten, bedarf es eines bundesweiten und tiefgestaffelten Projekts kurz- und mittelfristigen Einsatzes von Intelligenz, Fachwissen, incl. eines „grünen Gedächtnisses“ dazu, was wir schon gemacht haben und wo das funktioniert. Gehen wir ruhig von 3 Millionen wenig gebildeten, armen, familiär zerrissenen Ankommenden aus – uns ihnen zuzuwenden würde uns auch dann nicht erspart bleiben, wenn wir auch in Syrien intervenierten und die Lager in Jordanien verbesserten und die Abschiebungen – häufig DEPORTATIONEN IN DEN INKAUF GENOMMENEN TOD – unterließen. So ein Programm macht keinen Deutschen ärmer, aber vielleicht viele Deutsche menschlicher…und bisschen weniger Deutsch hat manchmal nicht geschadet.
Wenn das alles ohnehin schon in Angriff genommen wird, wenn es geplant wird, wenn es weitere erste Schritte gibt, umso besser.
Zum Positivkatalog: guter Ansatz.
Dazu noch ein paar Ideen: Österreich und Schweiz scheinen Asylbewerber bisher einzulassen, wenn sie enge Verwandte im Land haben, die sich um sie kümmern wollen (während andere Länder Familienzusammenführung erschweren; und die ggw österreichische Regierung mit ihrem „Notstands“gesetzespaket da auch nachziehen will). Solche Spaltung von Familien sollte nicht zugelassen werden. ich habe von Fällen in D gehört, wo nach den jüngsten Verschärfungen der Asylgesetzgebung anerkannten Asylbewerbern eine Aufenthaltsbeschränkung auferlegt wird, obwohl sie zu Verwandten oder Bekannten ziehen könnten. Hier sollte man nicht noch künstlich zusätzliche Härtefälle aufbauen.
Zudem sollte ein Modell gefördert und ermutigt werden, wie es in Kanada existiert, wo sich fünf Bürger zusammentun und einen Flüchtling sponsern können. Auch hier gibt es ja bereits eine ganze Reihe Leute, die als Pflegeeltern einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aufgenommen haben.
Beispiele hier (D): http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/43788/Wir-holen-dich-da-raus
und hier (CH): http://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/lebern-bucheggberg-wasseramt/neues-familienmitglied-aus-afghanistan-130550324
Und noch einmal generell: Was beendet werden muss, ist die Ethnisierung der Asylgewährung – Beispiel Afghanen: Die haben eine sog. Schutzquote von unter 50 Prozent und werden damit generell von der Bundesregierung unter „schlechte Bleibechancen“ eingeordnet, mit entsprechenden Benachteiligungen bei Integrationsmaßnahmen wie Sprachkursteilnahme. Das Individualprinzip muss ein Prinzip bleiben.
Mehr Hintergrund, wie das funktioniert und sich auswirkt, hier: https://thruttig.wordpress.com/2016/08/14/neue-asylzahlen-fur-afghanen-schutzquote-drastisch-gesunken-medienubersicht/
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