Um Missverständnisse auszuschließen, muss ich deutlich über mich selbst sein: ich bin jüdisch-deutscher und jüdisch österreichischer Kosmopolit, kein israelischer Staatsbürger und nachweislich standfester Verteidiger von Israel gegen Angriffe aus islamistischen, terroristischen und scheinbar völkerrechts-gebundenen Lagern, auch ein Gegner der subtil anti-semitischen Angriffe auf Israel aus dem „linken“ traditionellen Lager. Ich bin auch Mitglieder einer Gemeinde, habe aber noch nie und werde auch nicht über persönliche Glaubenszusammenhänge öffentlich werden.
Dies ist notwendig zu sagen, weil meine Kritik an der israelischen Regierung und an der Knesseth, sowie besonders an MP Netanjahu, die Minister Shaked und Bennet und anderen Mitglieder des Kabinetts, deutlich sein muss. Es ist keine „Israelkritik“..
Konkret geht es um die Zensur des Buches von Dorit Rabinyan „Wir sehen uns am Meer“ (KiWi Köln 2016, orig. 2014). Das Buch darf in Schulen nicht mehr gelesen werden, weil es angeblich die „getrennten Identitäten von Juden und Nicht-Juden“ beleidigt.
Konkret geht es um das Landraub-Gesetz vom 7.2.2017, das die nachträgliche Enteignung von palästinensischem Land erlaubt.
Das sind zwei von vielen Übergriffen der Netanjahu-Regierung gegen den Rechtsstaat, sie sind, was die Zensur betrifft, relativ neu, was die Siedlungspolitik betrifft, Routine. Dagegen protestieren eigentlich alle zivilisierten Rechtsstaaten, wahrscheinlich folgenlos, solange sich Israel auf die Unterstützung des ähnlich übergriffigen Donald Trump verlassen kann.
Mir liegt es nicht, in den oft unspezifischen Protest gegen die Regierung einzustimmen, und mir liegt es nicht zu schweigen.
Shaked, die Justizministerin argumentiert identitär, also falsch, völkisch und rassistisch. Das reicht, um eine diskursive Ebene des Konflikts zu eröffnen. Es geht nicht nur um Kritik, sondern um aktiven Einspruch aus der Wissenschaft, der Kunst und der intellektuellen Szene. Dazu gehören eher Menschen, die an Israel festhalten.
Das gilt auch zum zweiten Teil, der Beendigung der Zweistaatenlösung. Ich war immer GEGEN diese Lösung. Entweder es gibt eine Einstaatenlösung auf demokratischer Basis, wie es vor Jahrzehnten schon Tony Judt gefordert hatte; oder eine Einstaatenlösung a la Siedlermob und Minister Bennet, der Bildungs(!)minister, die praktisch die Annexion bedeutet. Das würde für Israel bedeuten, eine riesige und starke Opposition im eigenen Staat zu bekommen. Gewalt ist vorprogrammiert. Die Rechtfertigung der Palästinensischen Politik war und ist m.E. überwiegend grundfalsch und zukunftslos. Aber das erlaubt gerade einem noch demokratischen Staat nicht, sowohl die Rechtsstaatlichkeit als auch die auf Gleichheit und nicht auf Ethnie ausgerichtete Staatlichkeit und Gesellschaftlichkeit zu zerstören. Dass eine sehr große Minderheit – Siedler, Nationalisten, religiöse Extremisten – in der Bevölkerung diese Zerstörungspolitik unterstützen, ist so bedenklich, wie wir ähnliches in Europa und den USA auch erleben. Israel ist international isoliert, aber diese Selbstermächtigung des so genannten Volkes ist global und deshalb darf sie nie Israel zum spezialisierten Kritikobjekt seiner Gegner reduziert werden. Das ist schwieriger als die Kritik an Putin oder Trump. Aber es ist notwendig.
Lest bitte das Buch, lest Oz, Grossmann, Sobol, lest Ha’aretz, und macht vor allem den Wissenschaftler*innen und Künstler*innen in Israel, die die jetzige Politik kritisieren, dass sie nicht allein sein. Das können wir ihnen auch in der deutschen Diaspora klar machen.