G Null

 

Ich kann nicht anders, als meinen Senf zu dieser Wurst entstellter Ereignisse zu geben.

Ob solche Gipfel nötig sind, entscheiden nicht wir. Richtig ist, dass demokratische Regierungen – legitim, kompetent, fehlerbehaftet – mit Diktatoren, Wahnsinnigen und Autokraten reden müssen, das ist klar. Dass sie nicht alle Verdammten dieser Erde dazu einladen, ergibt sich aus den global etablierten Regimen. In Hamburg saßen die Obervögel auf der Vertikale der Macht, und für manche ekelhafte Gestalten war es wie der unverdiente Blick auf eine vergleichsweise harmlose Pausenlandschaft im Fegefeuer. Aber es waren eben nicht nur die Geier dabei, auch die Eulen und Raben.

Die damit verbundenen Rituale gehören so sehr zur Regierungsführung von Staaten wie die Kritik daran. Ich kann verstehen, dass einem diese säkularen Messen, mit obligaten Diners und Konzertbesuchen, so absurd vorkommen wie nur irgendein überkommener Brauch. Ich kann weniger verstehen, dass diese Pantomimen bei den Polonaisen und Quadrillen der Repräsentanten von Herrschaft für die Erscheinungen des Kapitalismus, wahlweise des globalen Wirtschaftssystems, der Umweltvernichtung, der schlechten Gesellschaft schlechthin, genommen werden.

Mancher Protest, nicht nur der gewalttätige, ist genauso symbolisch-abstrakt wie das Gehabe der G20 Teilnehmer und ihrer 6000 (!) Satrapen, die angeblich hinter den Kulissen (welchen) verhandeln. Deshalb ist er nicht legitim, weil er den konkreten Protest und Widerstand gegen das Unheil, das die Gipfeltiere anrichten, diskreditiert.

Es ist richtig, notwendig und klug, gegen die Politik, die „Agency“,  vieler dieser Herrschaften zu protestieren. Es ist richtig, gegen das zu demonstrieren, was sie immer stärker festzuzurren anstehen. Das muss in der demokratischen Republik nicht nur Bürgerrecht sein, sondern steht sozusagen unter dem Gewaltmonopol des Staates, gegen den – stellvertretend für alle, die sich da versammeln – demonstriert wird.

Zur Gewalt, zur Wahl der „Waffen“ komme ich, unabweislich. Aber später.

Erstmal zu den Umständen. Wahl des Ortes? Hamburg so gut wie jeder Ort in einem Land gleichmäßiger Geltung von Freiheitsrechten und Gesetz. Über Ort im Ort kann man streiten: es ist als, hätten die jetzt lautstarken Hassredner der CDCSU, Spahn und Konsorten, das Ergebnis provozieren wollen. Pragmatisch? Vielleicht nicht taktisch klug, aber vielleicht auch gerade angemessen: eine der schönsten Städte Deutschlands mit der kulturellen Fassade, an denen einige der versammelten Unholde schon auch bürgerschaftlichen Sinn studieren könnten. Aber dorthin dürfen sie gar nicht. Die von den Partys erholten Polizisten haben vorrangig sie beschützt und nicht die Bürger.

Die Inhalte dessen, was die G Leute besprochen haben, sind höchst unabhängig von dem, was sich Hamburg, im Schanzenviertel und anderswo „ereignet“ hat. Was aber dort geschah, hat einige dieser Inhalte im Focus. Zum Abschlusskommuniqué sage ich nichts wirklich wertendes, aber eines ist ganz wichtig: dass bestimmte Formen der Kommunikation leidlich von den Teilnehmern anerkannt werden; die Ausnahmen liegen bei der oben angesprochen Teilgruppe der Diktatoren und Wahnsinnigen. Aber sollte man sie austauschen; gar nicht einladen? Krieg erklären, eisigen Blicks sie verachten und strafen, öffentlich durch Juncker und Merkel beschimpfen lassen? Alles, was einem so einfällt, bleibt im Privaten. Die Res Publica, die öffentliche Sache ist im Verfahren ganz gut legitimiert, auch wenn sie nicht unbedingt und unmittelbar positive Folgen zeitigt. So, wie die G 20 in Zukunft geplant ist, hat sie schon vor allen Inhalten ihr Format verloren. In Saudi-Arabien zu tagen ist so wie im Vatikan eine Agnostiker-Konferenz abhalten. Aber siehe oben: Das ist nicht das Problem.

Zum wichtigsten Merkmal dieser Folgen des republikanischen Verhandelns gehört die Angstlust, die gewalttätigen Krawalle weit intensiver und dilettantischer zu diskutieren als das Gipfeltreffen mit seinen Ergebnissen.

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Mit dieser nicht nur medialen Aufmerksamkeit rechtfertigt man geradezu – paradox bis peinlich – die Gewaltargumentation des Schwarzen Blocks, der ja das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennen will, während wir meinen, dass jeder es in diesem Staat anerkennen muss. Nur, wenn Konflikte nicht eingebettet sind, dann kann man sie nicht herkömmlich auflösen. „Eingebettet“ heißt, dass alle Konfliktparteien bestimmte Regeln teilen, bis hin zur Handhabung von Gewalt, aber auch weit davor (dazu vgl. Georg Elwert). Nur, wer das nicht einsehen oder gar praktizieren will, kann sich nur beschränkt auf die Regeln berufen, unter denen in zivilisierten Gesellschaften Konflikte geregelt werden, um immer wieder Frieden zu schaffen.

Aber ich bin ja kein Mildredner, mir gefällt das Ganze auch nicht – politisch nicht, aber auch als kritischem Bildungsbürger nicht –  wie sich Trump und Erdögan und Putin und und und…aufführen. Nein, für die Reflexion dessen, was in Hamburg geschah, bedarf es der Kunst oder der Gewalt. Es wird durch einen Teil der Gipfelteilnehmer Gewalt ausgeübt, die ganz anders begründet und dimensioniert ist als die der Randalierer. Endgültig entziehen sich die Straßentäter der Bezeichnung „links“, so wie sich die G20 Nicht-Demokraten der unverschämten Behauptung entziehen, sie würden mit den Demokraten bei diesem Gipfel eine Wertegemeinschaft bilden. Da haben Altlinke leicht spotten: Mehrwertgemeinschaft…Aber ist es nicht egal, wie man die bezeichnet, die objektiv das Geschäft der Spahns, Hermanns und de Maizières betreiben? Ist es nicht, weil in der Genealogie des Protests „links“ schon noch etwas bedeutet. Die Linkenhatz aus der äußersten rechten Ecke der Union, also von der bayrischen Hetzmeute und den willigen Hetzern bei der Union, ist nicht allgemein. Sie verstärkt nur die Ressentiments der Unbelehrbaren auf beiden Seiten, nützt objektiv der AfD und stürzt die Sprachgehemmten auf der virtuellen Linken in wirkliche Probleme.

Zur Erinnerung: Vor einer Woche waren die pöbelhaften Partypolizisten in den Schlagzeilen, nicht wegen ihrer dämlichen, aber wahrscheinlich sozialisationsadäquaten Untaten, sondern weil sie einen unnötigen Autoritätsverlust des staatlichen Gewaltmonopols provoziert hatten. Ein paar Tage später waren ihre Taten nicht einmal mehr disziplinarrechtlich relevant, und jetzt lobt man den „heldenhaft“ (ja, wirklich) Kampf der Polizei. Ströbele sagt das Richtige: die Straftäter aburteilen und einsperren. Nicht weniger, nicht mehr. Was am Einsatz heldenhaft war, wissen nur die Veteranenvereine. Der Einsatz war nicht oder dilettantisch geplant, dann sind natürlich die Polizisten die Opfer und nicht die Polizeipräsidenten, aber ansonsten: business as usual, und bei den letzten Krawallen in Hamburg, Frankfurt u.a. wars auch nicht anders. Aber jetzt solls ja den Linken an den Kragen gehen, der Roten Flora, den Autonomen etc. Hier schließt sich der Kreis: wenn bestimmte Gruppen das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennen, kann sie dieser Staat nicht durch Umsiedlung überzeugen.

(Spahn und seine Kumpanen sollten einmal bedenken, wie nett sich dieser Staat den Reichsbürgern bisher gegenüber verhält….und die Vorfeldorganisationen der Nazis und des NSU, die sich im Verfassungsschutz und bei den Sicherheitskräften gebildet haben, sollten nicht auf „Links“ einschlagen, das ist schon mehrfach anders gelaufen, als von den quasi identitären Staatsorganen erhofft. Nur, es wird Gewalt provozieren). Es kommt auch die alte Leier. Wir Demokraten sollen uns von der Gewalt und den Tätern distanzieren. ICH DISTANZIERE MICH NICHT. Ich hätte ja auch nie mich auf die Wahl eingelassen, ob ich bei diesen Gewalttaten mittäte oder sie rechtfertigen wollte.

Mehr werde ich zu diesem Hamburger Skandal nicht mehr schreiben oder sagen, es gibt wichtigeres.

Aber ein P.S. ist nötig, zur Gewalt.

Der Innenminister und seinesgleichen fördern objektiv Gewalttätigkeit und relativieren, was sie zu schützen vorgeben. Sie fördern die Gewalt, indem sie die Untaten von politisch verhetzten Gewalttätern in einen Kontext setzen, als wären diese von breiten Massen von Sympathisanten umgeben und geschützt. Das ist nicht nur eine dreiste Lüge, es verkehrt die Situation in ihr Gegenteil.

(Und wenn ein Transparent des Schwarzen Blocks einen richtigen Satz sagt, so bedeutet das nicht, dass sein Träger richtig handelt. Wenn man also diesen Satz zustimmend wiederholt, kommt es nach Rechtsordnung und gesellschaftlicher Moral auf den Kontext und die Handlungen des Sprechers an, und nicht auf die Wahrnehmung eines parteilichen Beobachters).

Gewalt war zu erwarten gewesen, und die Prävention hätte besser sein können, aber nie vollkommen. Der Vorteil anomischer Gewalttäter ist immer, dass sie von vornherein die Regeln der Institutionen unterminieren, das ist ihre Stärke. Es verharmlost nicht, wenn ich diese Täter nicht Terroristen nenne, weil diese andere Ziele und Methoden haben. Gerade das unpolitische Element des Schwarzen Blocks und weiter Teile der Antifa sollten uns zu denken geben. Sie wenden linkes anti-kapitalistisches Vokabular so gedankenlos und sinnlos an, wie Maiziere und andere der AfD die rhetorischen Vorlagen liefern. Wenn sich das aufschaukelt, wird es mehr Gewalt geben.

(Und dann hat man diese Gedanken wieder einmal nicht gehabt).

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