DLF Das Feature Täter in Uniform 24.07.2018 BITTE LEST DAS ZUERST: https://www.deutschlandfunk.de/polizeigewalt-in-deutschland-taeter-in-uniform.1247.de.html?dram:article_id=420459
„Polizeigewalt in Deutschland Täter in Uniform Von Marie von Kuck Wenn Polizisten in Deutschland Straftaten begehen, werden sie nur sehr selten zur Verantwortung gezogen – begünstigt durch ein System, in dem Gewalt von Polizisten nicht unabhängig untersucht wird. Dafür landen nicht selten die Opfer auf der Anklagebank“.
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Wenn man dieses Feature hört, wird man aufgerüttelt, weil es ja nichts neues ist, das man erfährt, aber konsequent, gut recherchiert und vor allem: institutionell. Das sind nicht einfach Ausreißer, die schwarzen Schafe und der Bodensatz, den alle Sicherheitsorgane der Welt haben. Wir sind eines der wenigen Länder, in denen Straftaten der Polizei von der Polizei untersucht werden. Und diese Straftaten haben System, sie sind gegen Ausländer, gegen Aliens und Strangers und Foreigners gerichtet, und sie werden nicht nur von den eigenen Kameraden gedeckt – weil die sonst selbst gemobbt und gewalttätig unterdrückt werden; sie werden von den Gerichten begünstigt, die halt einem Polizisten mehr glauben als einem Menschen.
Nein, ich pauschaliere nicht, ich schätze auch nicht, ob es fünf oder zehn oder nur zwei Prozent sind, die so aus dem Rahmen fallen. Was an dem Bericht so erschreckend ist, erinnert an NSU: da wurden zunächst auch die Opfer der grausamen Straftaten verdächtigt. Und bei Polizeigewalt ist das Routine, dass die Opfer die Polizei angegriffen haben, schwer zu bändigen waren und nur mit angemessener Gewalt diszipliniert werden konnten.
Man besorgt sich im Bundestag, dass die Polizisten – wie auch Rettung, Feuerwehr und Hilfsdienste – immer häufiger angegriffen werden, dass man die alle schützen müsse. Richtig:
Alle die Genannten müssen geschützt werden; aber die Polizei ist ja Element des Gewaltmonopols des Staates, die muss man anders schützen, auch vor sich selbst.
Wir hab’n den Tierschutzverein, wir hab’n den Kinderschutz,
wir hab’n den Rentnerschutzverein, und der ist gar nichts nutz.
Wir haben außerdem den Mutterfreudenschutzverband
und einen Schutzverband fürs teure Vaterland.
Wir hab’n den Denkmalschutz, wir haben auch den Jugendschutz,
und einen Schutzverband, der schützen soll vor Schund und Schmutz.
Doch es gibt etwas, was man überhaupt nicht schützt.
Ich möchte hoffen, daß man mich da unterstützt:
Schützen wir die Polizei
vor Verdruß und Schererei!
Wenn ein Räuber überrascht wird und das Weglaufen vergißt,
ja, wer schützt den Polizist? Ja, wer schützt den Polizist?
Oder sag’n wir: Ein Student
geht spaziern vorm Parlament.
Ja, was denkt sich der dabei?
Schützen wir die Polizei!…Schützen wir die Polizei!
Sie wär längst schon an der Reih‘.
Manchmal läßt sie sich bestechen, und ich weiß ja, das ist trist,
doch wer schützt den Polizist? Ja, wer schützt den Polizist?
Und wer schützt ihn vor dem Schmerz,
wenn er pfeift und keiner hört’s?
Oh, wir schützen jedes Tier, schützen Steuerhinterzieh’r,
schützen Volksdemokratien, schützen Schützenkompanien.
Jeden Tag sind wir beim Schützen frisch dabei,
schützet auch die Polizei!
(Georg Kreisler, https://www.golyr.de/georg-kreisler/songtext-schuetzen-wir-1783538.html)[1].
Das klang damals noch harmlos, und war natürlich nicht so gemeint.
Der Rechtsstaat – zur Zeit vom Innenminister, der AfD, der CSU und anderen verunglimpft, lebt auch vom Respekt vor der legitimen Autorität. Wie soll man vor den Polizeirowdys im Vorfeld von G20 Respekt haben, wie vor einem Gericht, das einer Kameradschaft der Polizei alles, einem zu Unrecht Beschuldigten nichts glaubt? Wir brauchen Standhaftigkeit und eine gewisse Zivilcourage, denn wenn sie einen einmal in der Mangel haben, kann man sich schlecht wehren, und wer sich wehrt, dem kann Übles geschehen, … Mit Polizisten sprechen lernen, wäre ein Erziehungsziel, das aber auch eine anständige Ausbildung der Polizisten voraussetzt. Schon viele Polizistinnen haben es schwer, und die können noch weniger drüber sprechen als viele ihrer anständigen männlichen Kollegen.
Und wie machen wir das, aus Respekt vor dem Rechtsstaat keinen vorausgesetzten Respekt vor der Polizei und den „Diensten“ zu haben? Alles auch eine Frage der Öffentlichkeit und keineswegs eine des blinden, symmetrischen Zurückschlagens, nur weil einem ein Polizist schräg kommt. Wenn man einen Polizisten anzeigt, wegen Körperverletzung, Beleidigung oder anderen Straftaten, wird man leicht selbst Beschuldigter, wegen Verunglimpfung der Polizei, gar ihres sozialen Umfelds und ihrer Familien (!). Darauf kann jeder gefasst sein, der einem Polizisten Widerworte gibt oder gar Recht hat in einer Auseinandersetzung. Mehr Rückgrat ist da den Gerichten zu wünschen und mehr Schutz für die Whistleblower. Die so genannte Kameradschaft, mit der sich die Straftäter in der Polizei selbst schützen, kann aufgebrochen werden – mit genau den Mitteln, die wir von der Polizei erwarten.
[1] Kreisler hören lohnt sich: Diskographie und Werkverzeichnis: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Kreisler (26.7.2018). Als ich ihn zuletzt in Salzburg gehört habe, wurde mir etwas anders: in den 60er und 70er Jahren gehörte er zu meinen wichtigsten Anregern, und jetzt war er bald 90, und bissig wie eh und je.