Wenn man von Prostituierten, Huren, Laufhäusern und Bordellen spricht, ist das meist eine Sentiment- und Ressentiment-geladene Rhetorik, die die betroffenen Opfer – meist Frauen – schlecht wegkommen lässt oder sie zu Symbolen begrenzten Widerstands umdeutet. Das ist bei meiner Wortwahl nicht der Fall. Ich sage: die Bundesregierung und Teile von Wirtschaft und Gewerkschaften prostituieren sich, und die Zuhälter sitzen in den betrügerischen Vorständen der Autoindustrie – und unter den Autofahrer*innen selbst, sozusagen die „kleinen Fische“.
Herr Diess, ausgerechnet von VW, droht mit 100.000 Arbeitsplätzen, die verloren gehen, wenn die Klimawerte der Autos weiter gesenkt würden – obwohl der so genannte Kompromiss, von Deutschland halbherzig mitgetragen und wahrscheinlich unterlaufen – noch zu schlechte Ziele vorgibt. Und die Arbeitsplatzverwalter kuschen, zittern, winden sich – im Fachjargon sind das Varianten der „Zurichtung“, und das so genannte Volk, von dem das Recht ausgeht, dieseln weiter, helikoptern in ihren SUVs, stehen freiwillig hunderte Kilometer täglich im Stau, bei laufendemMotor, und verkaufen im Wortsinn nicht nur die Zukunft ihrer Kinder, sondern auch ihre Körper. Früher als nötig werden sie sterben, aber der Individualverkehr wird ihre Grabstätte in Form eines marktwirtschaftlichen Bekenntnisses zieren. Die Zuhälter in den Autovorständen verstehen ihr Geschäft.
Fast alle Parteien beteuern ja, sie würden schon irgendwie dem Klimawandel entgegenwirken wollen, aber da sind die Arbeitsplätze in den Autowerken, bei den Zulieferern, bei deren Klienten, bis hin zu den Parkhauswächtern. Das ist verlogen.
Lasst 100.000 Arbeitsplätze bei der Autoindustrie verloren gehen. Oder mehr. (Gemessen am Arbeitsmarkt wäre das selbst objektiv nicht viel). Zwingt die Abgasbetrügerbande zu Umrüstungen und neuen Antriebskonzepten. Reduziert den Binnenflugverkehr. Lasst die Autowerker umschulen oder sich am Markt neue Jobs suchen. Dann müssen sie wenigstens nicht zusehen, wie ihre Enkelkinder anfangen zu ersticken. (Und was ist mit uns, der übergroßen Mehrheit?)
Ist das nicht ein wenig einseitig, Herr Daxner? Ist es nicht. Natürlich ist es heute schwieriger als vor zwanzig Jahren, die Verkehrspolitik umzusteuern. Aber was wir nicht alles können. Sogar die ständig verspätete und unterausgestattete Bahn hat begonnen, ich Netz zu erneuern und die Kapazitäten auszuweiten. Schluss mit dem Autobahnbau, Schluss mit der Zulassung von PKW, die schneller als 130 km/h fahren können, hohe Steuern auf LKW-Transporte außer Zubringern, ….Konzepte gibt es allenthalben. Die Politik traut sich nicht zu handeln, weil sie Liebesentzug des Volkes fürchtet, und so prostituiert sie sich weiter. Die Zuhälter haben keine hohen Strafen zu befürchten und verdienen an ihren Klimakillern soviel, dass sie jetzt bereits die EU-Strafen (für D ca. 2-3 Mrd/Jahr) einkalkulieren…Erholungsurlaub für die Regierung?
Es gehört zur Ausübung des Gewaltmonopols des Staates, klimaschonende Politik zu erzwingen. Das gilt für Autos und für Braunkohle und etliches andere. Zuhälter sind nicht zu verschonen, aber man kann ihre Zellen im Knast vielleicht mit Braunkohle oder Dieselöl heizen.
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Nachtrag: es gibt viele Ausnahmetatbestände, das weiß ich so gut wie ihr. Aber ihre Summe macht nicht mehr als 1% im Verkehrsaufkommen, und bei der Energiegewinnung sogar weniger. Weder müssen wir in Zukunft frieren ohne fossile Energiegewinnung, noch wird unsere Mobilität eingeschränkt. Wenn schon Individualisierung, ist auch unser persönlicher Widerstand gefragt.