Grüne Freude und Medienschelte

Naja, jetzt wissen es alle: was, die Grünen streiten nicht? So, dann wird wohl sie, die Baerbock, Kanzlerin, bei dem Stimmenvorsprung? Nein, das ist abgekartet, er wird’s, der Habeck. Und der Medienhype, und der Umfragehype, und der populäre Hype – alles ist nach diesem Peak vorbei.

Folgt man den Medien (ich meine, den seriösen), dann ergibt sich folgendes Szenario:

Habeck und Baerbock amalgamieren ihre Namen: Habock und Baerbig. Sie kandidieren als Duo für die Kanzlerschaft, und erlange diese mit einem Wahlergebnis von 27, 53 %, gefolgt von der CDU/CSU mit 26,54 % und der SPD 22,99 % und den anderen Parteien. Sie regieren so: Mo, Mi, Fr – Habock, Di, Do, So – Baerbig, Samstag zur Kinderbetreuung und Freizeit, striktes Netz-Twitter-Facebook-Telefonverbot.

Apropos Verbot: haben wir heute im DLF den seriösen Versuch eines Journalisten gehört, dem Habeck abzupressen, dass wir doch eine Verbotspartei sind. Der hat das natürlich souverän widerlegt, aber es zeigt, wie die Verbotsangst von Lindner Eindruck auf Verbotsängstliche macht. („Und vor allem, Lindner, hör, lutsche nicht am … Daumen mehr“). Es fehlt noch, dass man bei ROT wieder über die Straße gehen darf, weil Ampeln im Naturrecht nicht vorgesehen sind. Andererseits wird GRÜN dann doch nicht erlaubt, weil es parteiisch ist, und das soll der Markt nicht sein. Ach Lindner… Außerdem haben Verbote einen gewissen Charme: man kann die Gegner gut in Stellung bringen. Ich meine Denkverbote, Sprechverbote, Kleidungsverbote, Essverbote…solange es für die Neoliberalen ein Gräuel ist, brauchen wir nichts zu befürchten. Aber dass wir Gebote aussprechen, für die zivilisierte Demokratie, versteht sich von selbst, und verstehen die Demokraten.

Na, und wie schaut dann so ein Kabinett aus?  Kurzfristig wird es mit rätedemokratischen Elementen gemischt, damit immer anlassbezogene kleine Arbeitsgruppen von 143 Menschen ein Thema bearbeiten (z.B. Urananreicherung in Gorleben, Bienensterbeverbot in der Eifel, Mercedessternumwandlung in Benzolringe in Türkheim, pardon, in Mittelostheim etc.), das Problem lösen und wieder im Volk verschwinden. Die Ministerinnen und Minister sind voll mit Delegiertentagen ausgelastet.

Genug der Medienschelte: die den Grünen einen Abschwung voraussagen oder wünschen, sollen bei der nächsten Redaktionskonferenz die Alternativen durchdenken…heulen und Zähneklappern wird sein bei manchen Visionen des Weiter SO.

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Genug der Satire, lacht bitte niemals über den Erfolg der richtigen Politik, konzentriert euch auf das Verbot, die falsche weiter zu dulden oder gar zu fördern. Da kann natürlich meine Lesegemeinde (wow, geschlechtsneutral) sagen: jetzt wird er wieder ernst. Richtig.

Wenn wir in einer Gesellschaft leben, die zwischen der Ablehnung von Streitkultur und der Ablehnung von kompromissfähigem Dialog schwankt, ist das Demokratie-bezogen nicht normal. Normal wäre, durch Konflikte zu Ergebnissen zu kommen, die machbar, tragbar, legitim sind. Das heißt aber, dass man nicht schon mit einem erwarteten Kompromiss in die Debatte geht, und der jeweilige Diskurs nicht schon die Mühen der Ebene ausstrahlt. In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod (Kluge/Reitz 1974). Dann freut euch, dass der Grünenparteitag von Bielefeld am Wochenende diesen Weg nicht beschritten hat. Das Gejammere, dass wir nicht mehr nur Opposition sind, ist ja seit Jahren verstummt.  Das Gejammere, dass wir nicht nur grün sind, ist aber noch nicht abgeebbt. Der Hintergrund ist deutlich: als Juniorpartner bei einer der Volksparteien sind wir so etwas wie das grüne Gewissen und die ethische Schuldenbremse. Aber das sind wir bei den jetzigen Regierungskoalitionen auch nicht…

Also: diesbezüglich geht’s mir gut.

Was wirklich auf uns zukommt, hat mit der K-Frage nur indirekt zu tun, auch nicht mit dem erneuerten Parteiprogramm. Wir haben wenig Zeit. Für die Klimakatastrophe maximal, MAXIMAL, 20 Jahre, das ist nichts. Für die Welternährungspolitik wahrscheinlich weniger, vielleicht 10 Jahre. Für effektive Abrüstung, ein Verbot (s.o.) von Rüstungsexporten nach fast überall hin, vielleicht 1 Jahr. Nun kommt keine Lehre von den letzten Dingen, die ist in Finis terrae sowieso regelmäßig vertreten. Sondern es kommt die Frage, die viele Endzeitpolitik-, Religions-, Sozial-, Ethik-, Wissenschafts-Wissenschaftler immer häufiger stellen: kann man diese Krisen mit Demokratie, mit mehr Demokratie gar, bewältigen, oder muss es zur autoritären Überlebensherrschaft kommen?

Die Frage ist nicht trivial, sie hat Vorläufer, Mitläufer, und ist Teil einer autoritären Neigung,  (die Verbotsdebatte ist nur das Vorfühlen, mit wieviel weniger Demokratie sich etwas durchsetzen lässt, egal ob richtig oder falsch – siehe China, Russland, Trump und Orban, Seehofer). Wir können das am Beispiel des Widerstands gegen die Windräder durchspielen. Demokratie muss aber hier die Akteure und nicht nur deren unmittelbare Interessen (zB. Lärm) abwägen, sondern vielmehr Habitus, Kultur, Opportunismus und den plebejischen Gelbwestenhabitus, es seien ja nur die elitären Städter, die dem guten Landvolk die Windmühlen aufzwängen. Nur hinhören reicht da nicht. Die Demokratie besteht nicht nur aus Partizipation, sondern aus dem Übergang von Meinung zu Politik. Eines meiner wichtigsten Argumente klingt grausam, nicht so gemeint: die meisten Protestierer gegen die Windanlagen werden längst tot sein, wenn sich ihr Widerstand an den Kindern und Enkeln auswirkt.

Ich gehe jetzt gar nicht in die konkrete Debatte, die werden wir wohl ausstehen mit mehr Windkraft und weniger Altmeier. Es geht darum, dass es neben den Grünen kaum eine demokratische Partei gibt, die diesen Konflikt aushält, die nicht an den darin enthaltenen Widersprüchen zerbricht (SPD) oder erstickt (CDU) oder sich paralysiert (FDP, Linke).

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Wer meint ich mache Propaganda für die Partei, der ich funktionslos angehöre, irrt. Die Tatsachen aussprechen, die für uns sprechen, so schnörkellos wie Harbock und Baerbig, ist eine Kunst, die durch die Menschen zum Leben erweckt und am Leben gehalten wird. Ach, das ist jetzt pathetisch? Gehe zurück auf Feld 1.

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