Eigentlich wollte ich, und werde ich, etwas tages-angemessnes zum 31.12. schreiben. Aber ich habe jetzt des WDR „Intendanten“ Erklärung für das Verbot des satirischen Videos im Ersten gesehen, und das verlangt ein Update: Buhrow sagt, Satire dürfe zwar einiges, aber sich nicht gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe wenden, also z.B. die Alten. Die Alten – das sagt Angela Merkel völlig richtig – werden die Folgen des Klimawandels gar nicht mehr erleben. Das Vewrbot der Satire wendet sich also gegen alle Jungen. Buhrow entschuldigt sich „ohne wenn und aber“. „Ohne wenn und aber“ steht er aber auch hinter all seinen MitarbeiterInnen, wenn die wegen des Videos angegriffen werden. Ich finde, dieser Mann gehört ohne wenn und aber von seinem Posten entfernt und z.B. in die Satirewerkstatt des WDR versetzt. Er ist schlimmer als die notorisch hetzerische rechte Bildzeitung, die halt täglich einen Aufreger braucht. Der WDR ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt, und keine journalistische Gosse. Die Satire in den Grenzen der kleinbürgerlichen, spießigen Unvernunft des Herrn Buhrow. Man hätte sicheinen besseren Jahresausklang gewünscht. * Selten eine so einfache und so komplizierte Sache spontan aufgegriffen. Um es gleich am Anfang zu sagen: ob sich Ältere („Oma“ als Metapher, nicht an Jahren gemessene Großmutter) beleidigt fühlen, ist eine Sache, die mich weniger interessiert. Ich bin selbst Opa, und intelligent genug, Satire von Berichterstattung oder Hetze zu unterscheiden. Dass die AfD und anderes Gesocks das nicht wollen und können, ist eine Sache. Eine andere ist die Reaktion von Herrn Buhrow, der vom Krankenbett seines umweltfreundlichen Vaters reagiert hat, und vielleicht einiges nicht versteht. Eine Dritte ist die Betonung von Oma, und nicht von Sau. Darauf ist in den Kommentaren kaum jemand eingegangen: auf die Tiere, und die Bedeutung der Tiermetapher in der deutschen Sprachgeschichte. Und gleich ganz deutlich: das Video muss wieder öffentlich werden, der WDR soll seine Entschuldigung zurückziehen und sich dafür entschuldigen, dass er sich entschuldigt hat, und ansonsten: fröhlichen Jahreswechsel in das Klimaverachtungsjahr öffentlich rechtlicher Heuchler. * Der Bericht: „Aufregung um „Oma als Umweltsau“: Nach einer vom WDR-Kinderchor gesungenen Umweltsatire über die „Oma als Umweltsau“ gab es Proteste vor dem Gebäude des Senders in Köln; einige Demonstranten hätten augenscheinlich zur rechten Szene gehört, sagte ein Polizeisprecher. Es gab eine spontane Gegendemonstration aus der linken Szene. Der Kinderchor singt in dem mittlerweile gelöschten Video zur Melodie von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ davon, wie diese Oma dabei jeden Monat tausend Liter Sprit verbraucht, mit ihrem SUV „zwei Opis mit Rollator“ überfährt und sich jeden Tag ein Kotelett brät, weil „Discounterfleisch so gut wie gar nix kostet“. Der WDR hatte sich für die missglückte Aktion entschuldigt. tagesspiegel.de; sueddeutsche.de (Chorleiter Zeljo Davutovic)“ 30.12.2019 * Ich entschuldige mich für den WDR. Der entschuldigt sich, weil angeblich Ältere beleidigt worden waren. Dass die Aktion missglückt war, mag sein – warum eigentlich? Dass sich ein öffentlich-rechtlicher Sender dafür entschuldigt, darf nicht sein. Erfreulich: die Kontroverse um die Angelegenheit. Das Lied soll überall und vermehrt gespielt werden, und was die Geschmacklosigkeit betrifft, so gilt gerade hier: Satire darf alles. Auch den Geschmack verletzen. (Wer hat eigentlich protestiert, als der Rundfunk ausstrahlte „Hast du noch ein Mütterlein, dann sei gut zu ihr“?). Mir geht es um etwas anderes, um die TIERMETAPHER. Die UmweltSAU. Immer die Tiere. Umgangssprachlich würde man das hündische Bauchkriechen der Bundesregierung vor Trump oder Erdögan gerne bemäkeln, und einen dummen bayrischen Politiker auch einmal „du Aff‘“ nennen. Die Intrigantin ist eine Schlange, der devote Untergebene ist ein Wurm usw. So gesehen ist die Umweltsau ganz und gar in den deutschen Sprachgebrauch eingeschrieben. Einem Sprachgebrauch, der von seinen antijüdischen und antisemitischen Konnotationen nicht einfach abstrahieren kann, auch wenn bestimmte Tiere im Alltag nicht in diesem Kontext stehen, andere umso mehr. Eine ganz gute Übersicht dazu https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BC discher_Parasit . Aber noch viel genauer und stringenter bei Monika Urban: Zur Genealogie diskursiver Dehumanisierung – Tiersymbolisierungen in judenfeindlichen Diskursfragmenten im deutschen Sprachraum und ihre postfaschistischen Residuen“ (Oldenburg 2014). Vorsicht: ich wende mich jetzt NICHT GEGEN DAS WDR LIED, sondern stelle die TIERVERGLEICHE insgesamt in einen politischen Kontext. Ich gehe soweit zu sagen, dass der Tiervergleich, wenn überhaupt, nur in der Satire seinen Platz hat, und selbstverständlich auch außerhalb des antisemitischen Kontexts vorkommt und satirisch vorkommen kann. Aber hinter dem saublöd, Rampensau, Schweinehund, hinter hunderten Metaphern mit Tieren, bis hin zur Abhörwanze und Floh im Ohr, lauert die Geschichte. Nun, so gut wie sicher NICHT IM WDR CHORLIED. Warum bring ich das dann hier im Zusammenhang. Weil wir den Feinden der Satire und den Klimapolitikern, weil wir den Jungen wieder etwas aufzwingen, das wir eigentlich mit ihren Strategen bekämpfen sollten. Mit ihren ältlichen Strategen, Omas und Opas. Ich muss mich selbst oft zurückhalten, keinen Tiervergleich anzubringen, wo er sozusagen auf der Zunge läge. Das ist kein Geständnis, sondern eine Selbstbeobachtung, dass man (allgemein) und ich (konkret) außerhalb der Satire eben nicht öffentlich sagen soll, was auch anders verstanden werden kann in der Geschichte und Gegenwart der Sprache, die wir in allen Ebenen nutzen. Die „Sau“ hat sich schon engrammatisch in den Sprachgebrauch eingefügt, so ähnlich wie alle anderen Tiervergleiche. Der bayrische Witz: Wer einen Hund hat und frei herumläuft wird erschossen. Aber das ist missverständlich. Ach so: Wer einen Hund hat und frei herumläuft wird erschossen, der Hund. Die Realität: nicht der ungeprüfte Sprachgebrauch ist das Thema, sondern der Klimawandel, das Vergehen der älteren Generation an den nachkommenden Generationen, die Unsinnigkeit von SUVs, und das scheinbare Recht der Älteren, ihre Leben selbst zu bestimmen (Freiheit missbraucht), sei es zu Lasten der Nachkommenden. Und der WDR entschuldigt sich. * |