Finis terrae XXXVI 3. Teil: Blockwart und Gott

Prolog:

Nun ist die Zeit der Blockwarte und Denunzianten wieder im Anbruch. Wo allgemeine Regeln gelten, wird jeder Verstoß gern gemeldet, und geahndet. Vigilantes heißt das bei den Rechten. In ihrem CoVid Roman beschreibt Marlene Streeruwitz die Wandlung der Nachbarn (https://mail.yahoo.com/d/search/name=Marlene%2520Streeruwitz&emailAddresses=mail%2540marlenestreeruwitz.at&emailAddresses=office%2540marlenestreeruwitz.at&listFilter=FROM&contactIds=74dd.5a4a/messages/93617?reason=invalid_cred). Eine Welt von Beobachtern, man zählt selbst dazu, weil einem plötzlich das Verhalten einer großen Menge auf dem Wochenmarkt auffällt, wenn sich die Hälfte nicht an die Regeln hält, die man auch dann befolgen muss, wenn sie einem nicht klug erscheinen. Habeck hat heute früh (DLF 7.15) das Richtige dazu gesagt: auch wenn man Regeln befolgt, darf und soll man kritisieren: nicht die auferlegten Regeln, sondern die Politik dahinter.

Die Strafe Gottes:

Einen Gott, den „es gibt“, gibt es nicht. Dietrich Bonhoeffer 1929. Lest auch sein Glaubensbekenntnis.

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,…(aus dem apostolischen Glaubenbekenntnis)

Gott ist einzig, darum sollst du ihn lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft! Aus dem Sch’ma Israel

Ich bezeuge: Es gibt keinen Gott außer Allah und ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist. Muslimische Shahada

Ich kann hier endlos fortfahren mit Dogmen, die das politische Handeln der Herrschaften, wo sie gelten, legitimieren sollen. Macht wenig Freude, weil generell die Staatsreligionen Herrschaftsreligionen sind, und wo das nicht der Fall ist, die Religionen bis heute mit dem Staat um das Recht konkurrieren, in das Leben der Einzelnen oder kleinster Gruppen eingreifen zu dürfen…und sei es nur, die Ziviltrauung zu verhindern. In Zeiten großer Not lehrt diese beten, sagt man. Mag sein, nur was kommt dabei heraus?

In vielen Ländern wehren sich Kleriker gegen die Sperrung von Gotteshäusern und die Beschränkungen beim Gottesdienst. Makabre Gestalten behaupten, dass CoVid niemanden befällt, der so richtig an den richtigen Gott glaubt (Allah zur Zeit besonders häufig, Ramadan ist und Ostern ist vorbei, was den Evangelikalen eine Chance gegeben hat). CoVid als Strafe Gottes macht es sich leicht – sündig hat man vor Januar 2020 gelebt, schnell holt einen die irdische Strafe ein. Und da die Mehrheit der Menschen an einem Ort nicht an den richtigen Gott richtig glauben, werden die Kollateral-Geschädigten aufs Jenseits verwiesen, sterben müssen wir alle, wie der Faschist Bolsonaro richtig sagt, und nicht nur er…um die Tatsache geht es nicht, sondern um die Unzeit des Sterbens und die Umstände.

Im Schatten der Seuche versuchen die Religionsgemeinschaften verlorenes Terrain wieder zu gewinnen. Macht die Kirchen auf, die 15, die noch immer gekommen sind, dürfen auch jetzt hinein, und den Mitgliederschwund werden sie ja jetzt ein wenig abflachen, da es nicht um Kirchensteuer geht, sondern um ein Vorsorgeticket ins Paradies. Lass sie doch glauben, wovon sie wissen, dass es wenig Sinn hat, zumindest kausal. Gott war in Auschwitz grad nicht dabei, beim Ausbruch von HIV und Ebola auch nicht, in Fukushima und Chernobyl schon gar… wäre er dabei gewesen und hätte nicht eingegriffen, hätten die Sünder ja recht behalten, die Satmarer, Islamisten, christlichen Fundamentalisten, Hindus in Indien, Buddhisten in Myanmar –  alles das gleiche Spiel: Das Virus ist ein Trajectory, eine Rutschbahn zur Wiederbelebung Gottes, bzw. einer Gotteskonstruktion. Wer daraus Trost zieht, soll nicht daran gehindert werden. Nur: welche Hoffnung jenseits der vielfältigen und solidarischen Tröstung gibt es dabei?

„Das von den Vereinigten Arabischen Emiraten initiierte Hohe Komitee der menschlichen Brüderlichkeit (Higher Committee of Human Fraternity) schlägt den 14. Mai als weltweiten Gebetstag gegen die Coronavirus-Pandemie vor.“ ORF online 2.5.2020

Die Kirchen öffnen Meditationsräume, um die Versäumnisse der utilitaristischen Politik zu kompensieren. Wenn man glaubt, am besten an den allmächtigen Gott, dann muss man sich fragen lassen, warum der nicht eingreift – die Antwort ist klar: weil ER nicht will. (oder er (nicht ER) kann nicht, dann ist der Glaube vielleicht etwas zu schwach…). Wir werden mit allen menschengemachten Katastrophen bestraft: unsere Umwelt-, Wirtschafts-, Sozial-, Kultur-, Justiz-, Migrations-etc. Politik, hat mitverursacht, worunter manchmal viele, manchmal wenige leiden, je nachdem, ob die Klassenunterschiede eine größere oder kleinere Rolle spielen.

Da Virus wird benutzt, um die Frauen zu diskriminieren (Rückkehr an den Herd, weltweit, nicht nur in Bayern), um die Kinder zu schädigen (anfangs hat man die Kitas und Schulen gar nicht im Blick gehabt), um die Umwelt unter das Normalitätsprinzip des ökonomischen Ausnahmezustands zu unterwerfen (siehe Habeck oben), … und es gibt denen Auftrieb, die die Verursacher in den Juden, Chinesen, Amerikanern, Wissenschaften, Ungläubigen oder im schicksalhaften Zufall suchen. Das freut die Regelbrecher aller Schattierungen, von den Klinikbetreibern, Seniorenheimbesitzern, bis hin zu Freigängern einer nicht funktionalen Justiz…(schaut mal, welche Prozesse jetzt eingestellt werden, dem Virus sei Dank).

Zurück zu Gott.  Religionsfreiheit bedeutet, dass das soziale Ordnungssystem Kirche (pauschal, alle organisierte Konfessionen) eine Rolle neben andern Akteuren bei der Stabilisierung einer Gesellschaft spielt…alle haben die Wahl, und wenn jetzt viele Gott als Begründung für religiöses Handeln und Solidarität aus Ritual wählen: in Ordnung. Glaubensfreiheit heißt in diesem Zusammenhang, einen Wirkungszusammenhang anzunehmen, den niemand beweisen kann, weshalb es eine persönliche Entscheidung ist. Diese führt nicht notwendig zur Wahl einer Religionsgemeinschaft, aber sie kann. Dass die Öffnung der Kirchen und Moscheen gegen die Öffnung der Möbelhäuser und Friseurläden ausgespielt wurde, ist rhetorischer und ideologischer Unsinn. Auch die Kirchen könnten, wenn sie wollten, eine Umkehr oder Veränderung ihrer Politik nach der akuten Zeit der Virusausnahme anstreben und damit werben…das können die Autohäuser und Blumenläden nicht so richtig. Aber zurück zum Vorwurf: Der Glauben wird angerufen, weil die Politik und die Zivilgesellschaft nicht hinreichend die betreuen, die sich nicht positionieren können. Das heißt, dass alles falsch ist, das die Politik macht? – keineswegs; es heißt aber, dass man Fragen, wie sie Schäuble und Palmer  aufwerfen, nicht einfach abbügeln darf, sondern beweisen kann, dass die Antworten ein Mehr und kein Weniger an Solidarität erbringen können, um den Preis von vielleicht größeren Opfern an Wohlstand und Lebensqualität als man uns, der Bevölkerung zutraut.

Gott hat noch jede Krise überlebt. Wir übrigens auch, mit einer unterschiedlichen Zahl von Opfern und mit sehr ungleich verteiltem Leid. Die Pointe ist nicht ganz einfach: wer daran glaubt, dass seine oder ihre Handlungen (=gelebte Solidarität, Handeln) im Jenseits vergolten werden, der handeln und dann, wenn noch Zeit ist, beten. Er oder sie würden, dem Dogma entsprechend, auch ohne Gebet mit einem schönen Jenseits belohnt. Wer Gott anruft, um Vertrauen gegen Handlungen einzutauschen, soll sich nicht wundern, wenn Gott wieder einmal nichts tut. Also haltet die Moscheen, Synagogen und Kirchen offen, es tut ja auch gut, sich vom Handeln auszuruhen.

  • Übrigens: Blockwarte kommen nicht in den Himmel.

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