Hoffnung und Enttäuschung. Kehrtwende vor dem Weltuntergang?
Kann Hoffnung enttäuscht werden? „Sie wird enttäuscht werden, ja, sie muss es, sogar bei ihrer Ehre; sonst wäre sie ja keine Hoffnung“ (Ernst Bloch).
Nicht zufällig teile ich mit einem nahen Freund zeitgleich eine Erwartung, die zur Hoffnung sich steigert, in der Vorstellung: wir steuern auf den dritten überheissen Sommer zu, mögen die Polkappen schmelzen, mögen die Brandenburgischen Wälder abbrennen, die Ernten verdorren und die Wasserspeicher austrocknen. 2020, nicht erst 2025 oder 2030.
Wir werden die panik-produzierende CoVid-Zeit noch nicht überwunden haben, da würden die Menschen, in Deutschland, Europa, anderswo schnell den Unterschied zwischen Ursachen und Anlässen der Talfahrt unserer Spezies verstehen.
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Die Wirtschaft hofft auf Erholung, damit der Lebensstil der Wohlstandsgesellschaft mit einem etwas abgesenkten Wohlfahrtsstaat bald wieder aufrechterhalten wird.
Die Hoffnung wäre, dass die Lebensqualität bei massiv abgesenktem Konsum- und Reisewohlstand bei uns und einer wirtschaftlichen Restrukturierung in den armen Ländern (3/4 aller Länder, 4/5 aller Menschen) so verteilt würde, dass es keine internen Klassenkämpfe gibt und wir gut leben. (Wirtschaftlich würde diese Absenkung bedeuten, dass wir etwa das Niveau der Schweiz von 1975[1] etwas gerechter verteilen können…das soll nicht ohne Opfer möglich sein?).
Die Erwartung ist allerdings, dass die Herstellung der alten Ungleichheit wieder durchgesetzt wird, mit zwei Argumenten: 1. wenn es den Unternehmen und den Investoren gut geht, dann profitieren auch die Arbeitnehmer, und man kann sogar ökologische Zugeständnisse machen, wenn die Finanzen stimmen und die Aktionäre bei Laune bleiben, letztlich sollen staatliche Hilfen nur dazu dienen, dass der Markt wieder auf die Beine kommt. 2. Wenn alle gesellschaftlichen Herrschafts- und Druckmittel – Gender pay gap, Einschränkungen von Meinungs- und Kritikfreiheit, Zuteilung von Anerkennung und Integration, Flüchtlings- und Migrationsrestriktionen, – in einem Nationalismus zusammengefasst werden, der die Konkurrenz des nation-first Ansatzes in jedem dazu fähigen Land als legitim anerkennt.
Die Freiheit spielt sich im Bewusstsein vieler Menschen, vielleicht der Mehrheit, außerhalb der Sozio-Ökonomie ab. Bösartig gesagt, in Kultur, Freizeit, Gefühlen und in Wahlentscheidungen, die nur dann politisch sind, wenn sie wenig Wahrscheinlichkeit mit sich tragen, die Wähler zu enttäuschen. Das klingt so einfach wie es wohl ist, dass weltweit Demokratien, auch bei uns, gefährdet oder auf dem Rückzug sind.
Wie Demokratie auf dem Rückzug auch in noch nicht abgewirtschafteten Demokratien aussieht, ist anhand des Österreichers Kurz gut und knapp beschrieben: https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-04/sebastian-kurz-coronavirus-krisenmanagement-strategie?utm_source=pocket-newtab (1.5.2020). Und ich selbst lobe ja viele Entscheidungen, die Österreich hinbekommt und die deutsche Flickschusterei nie. (Das Beispiel: In Wien darf im Regelfall künftig kein Wohnhaus mehr ohne Solaranlage errichtet werden. So ist es in einer neuen Bauordnungsnovelle festgeschrieben, die dieser Tage in Begutachtung geschickt wird, wie am Montag bekanntwurde (27.4.2020). Damit will ich etwas heikles sagen, dass es nämlich nicht unbedingt der Grundrechte und demokratischen Prozesse bedarf, um sinnvolle Maßnahmen gegen Partikularinteressen durchzusetzen. Ich finde das nicht richtig, aber es funktioniert. Meine Kritik ist, dass es auch funktionieren kann, wenn man die Prozesse wieder demokratischer und offener gestaltet, wie bei der Solarverordnung.
Und das wird unausweichlich, alternativlos, Angela! sein, wenn wir die Gesellschaft auf die notwendige Klimapolitik der nächsten Jahrzehnte einstellen wollen, damit die nachkommenden zwei bis drei Generationen überhaupt eine Chance zur Politik bekommen. Denn weniger Wohlstand und mehr Solidarität zu Lasten unserer Generation kann man nicht befehlen, wie das umgekehrt Trump, also zu entgegengesetzten Zielen Trump, Modi und Bolsonaro ja erfolgreich tun. Nur ist nicht zu erwarten, dass denen schnell jemand die Gurgel zudreht, weil davon ja die richtige Klimapolitik auch nicht heraufdämmert.
Wer meint, dass das auf eine undemokratische Verzichtethik hinausläuft, irrt. Wer meint, dass die jetzt schon Benachteiligten die Generationen der terrestrischen Endphase gerne mit weiteren Waffenkäufen und Bürgerkriegen vergeuden, sollte die hiesiegn Waffenlieferanten siomt ihrer Arbeitsplätze und Gewerkschaften erst einmal zur Räson bringen. Dann wird Politik daraus, und weiterhin etwas hellerer Himmel – hoffen wir.
Morgen geht’s zur Religion, betet schon einmal.
[1] Die Zahlen habe ich von einem prominenten Umweltphysiker 1990, anlässlich einer Podiumsdiskussion an der Humboldt Universität.