Nestroys Kometenlied ist angesagt: https://omasgegenrechts.at/die-welt-steht-auf-kein-fall-mehr-lang/ Was die Omas gegen Rechts in Wien versuchen, ist wichtig: vor dem Weltuntergang haben nur Angst diejenigen, die wirklich ans Jenseits glauben…
Ratgeber heißen auch so: https://www.bbk.bund.de/DE/Ratgeber/Handeln_in_Katastrophen/Handeln_in_Katastrophen_node.html
Da fällt es auf uns nieder: καταστροφή –
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Den Utopien Schreckensszenarien entgegenstellen, ist so alt wie die Menschheit; der Hoffnung das „Ja, aber“ zur Seite zu stellen, gebietet nicht nur die Vernunft; Katastrophen kommen meist ohne das erwartete Szenarium, sie haben noch unbekannte Regisseure.
Es gibt eine Menge Desaster-Historien, die Geschichte der Katastrophen verweist immer auf die Ähnlichkeit mit „heute“, wobei die Ausdehnung des Schrecklichen in das „Morgen“ natürlich der besonders besorgniserregende Geist hinter dem Vorhang ist. Vgl. ZEIT GESCHICHTE 5/20 …“Und was die Menschheit aus ihnen gelernt hat – von der Antike bis heute“. DIE Menschheit – nicht etwa die Menschen, alle, die nicht-weißen (Black Lives Matter) oder die nicht-gesunden, die nicht-satten, die unglücklichen Menschen…
Mich beunruhigen die beiden Brennpunkte Katastrophe und Erlösung gar nicht. Aber mich verstört nachhaltig dieses „Dazwischen“, das den einen Irrsinn mit dem andern zu überdecken sucht. Trump hat mit allem, was er tut unrecht, und mit dem meisten, das er für richtig glaubt. Aber er hat Recht, wenn er fordert, Corona soll nicht das Zentrum und der Angelpunkt unserer Diskurse sein. Diese Wahrheit macht ihn nicht besser, sollte uns aber aufwecken.
Zum Wesen der meisten Katastrophen gehört, dass ihre Nachwirkungen meist unter die Haut gehen (subkutan), sich aus den Diskursen nur scheinbar verabschieden (Subtext) oder mit einiger Gewalt auf Ebenen verschoben werden, wo wir uns stark fühlen – wir suchen das heruntergefallene Geldstück immer dort, wo Licht hinfällt, obwohl es unter das dunkle Sofa gerollt ist. Fast alle Katastrophen sind auch Abschiede: Lissabon war ein typischer Verlust des liebevoll-vorsorgenden Gottes, die Pest und Cholera haben jeweils die Marktautomatismen erschüttert und den Staat auf den Plan gerufen, die Forschung hat die Verschwörung – leider nicht ganz – ins Abseits geschickt.
Konstant ist die Suche nach den Schuldigen, im Zweifel sind‘s die Juden, und nach dem individuellen, persönlichen Ausweichen. Obwohl es sich nicht leichter stirbt, wenn ich weiß, wer mich angesteckt hat, und unter welchen Umständen, die vielleicht trotzig-angenehm waren?
Je stärker man sich an haltende Katastrophenumgebungen gewöhnt, desto weniger persönlich nimmt man die Wahrscheinlichkeiten, selbst in den Strudel und ins schwarze Loch gezogenen zu werden. Das gehört ins Reich der Psychologie. Ins Reich der Politik gehören die Strudel jenseits des Klassen- und Geschlechter- und Arbeitskampfes: Klima, Flucht, Hunger und Krieg. In meinem Geschichtsbuch zu den Katastrophen steht auch der Dreißigjährige Krieg, nicht nur der Erste und der Zweite Weltkrieg. Dieser wirklich große europäische Vernichtungskrieg zeigt, wie detailliert Katastrophen wirklich sind, anders als Infektionskrankheiten oder Erdbeben, die das auch sind, aber nicht zeigen.
Eine Katastrophe ist, wenn wir nicht mehr auf das Geschehen schauen können, sondern mitten drin in der Wahrscheinlichkeitsrechnung verfangen sind, wann und wie es uns erwischt, wobei uns die Statistik so wenig hilft wie der Hedonismus einer jugendlichen Coronaparty in Kreuzberg. Nur: eigentlich dürfte man vor diesem Szenario keine Angst haben. Vorsicht, Kritik an den Maßnahmen und Konzentration auf das, was uns ohnehin mehr betrifft – ja, aber keine Angst.
Angst ist das schärfste Schwert der willkürlich Herrschenden, der Unaufgeklärten und der Jenseitsgläubigen (es gibt auch andere Ängste, ich weiß, hier aber keine Psychologie). Politisch geht es darum, die Interessen wirklich auseinanderzuhalten. Und wenn die Corona-Übersterblichkeit noch für viele Jahre steigen sollte, vielleicht 5% übersteigt – was ist das gegen mehr als 1,5° Temperaturanstieg?
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Merkt ihrs? Mir geht es nicht um das reale Krankheitsgeschehen, da verhält man sich so vernünftig es geht und nicht so bequem es gerade ansteht. Und damit aus. Es geht mir um einen Diskurs, der monothematisch alles so dominiert, dass man die Welt vor lauter Viren nicht mehr sieht. Dabei sind diese Viren IN der Welt. So ungefähr wie die redeflüssigen in Boccaccios „Decameron“ sollten wir von dem „Anderen“ reden, was uns hierzulande für unser Leben noch und immer wieder wichtig erscheint. Die Wirklichkeit ist ohnedies nicht zu verdrängen oder zu vergessen, aber sie ist kein gleichmäßig gebügeltes Leintuch, wollte schon schreiben: Leichentuch, sondern hat ihre Landschaft wie alles andere auch.
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Dies ist keine verkappte Predigt zur Lebenspraxis. Ich verlange aber, dass die vielen anstehenden Probleme der Gesellschaft in Politik und Kultur nicht dauernd „Im Lichte von CoVid“ betrachtet und geformt werden sollen, sowenig wie Fukushima und Tchernobyl die ausschlaggebenden Argumente gegen die Kernenergie geliefert haben. Katastrophen beschleunigen manchmal den Erkenntnisprozess – hoffentlich.