Um das Bild der Politik aufzuhübschen, setzen die Ministerien u.a. auf Visagistinnen, Friseure und Kosmetikerinnen – allerdings in sehr unterschiedlicher Weise, wie aus der Bundestagsdrucksache 19/27101 hervorgeht. Demnach gab das Finanzministeriumseit 2011 gerade mal 900 Euro für Make-up und Frisur aus, das Forschungsministerium ließ sich eine gepflegte Erscheinung der Verantwortlichen im selben Zeitraum 6300 Euro kosten – und das Umweltministerium sogar 23.500 Euro. Auf der Traktor-Überholspur ist aber eindeutig Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner: In ihrem Ministerium wurden allein in der Zeit seit 2018 rund 13.600 Euro für kosmetische Zwecke abgerechnet – eine wahrlich weinkönigliche Summe. (tagesspiegel online 10.3.2021) Wir sind in der Normalität angekommen, die angeblich wieder hergestellt werden soll. Ich meine dabei weniger die Eitelkeit unserer unerträglich schönen Regierungsmitglieder, sondern die Tatsache dieser Nachricht. Das Vorspiel waren Fragen, warum die Fußballprofis trotz Lockdown immer so gut frisiert auf den Rasen stolpern. Und der heilige Markus, Patron der Friseure, trat demonstrativ verwuschelt vor die Kamera, nachdem er die Öffnung der Salons metaphysisch begründet durchgesetzt hatte. Währenddessen ist es kaum eine Nachricht wert, dass das Abschiebeunternehmen Seehofer weitere 26 Menschen beim 37. Transport nach Afghanistan in den möglichen Tod schickt. Todschick, das ist ja auch so ein Begriff. Geschmacklos? Sicher. Um den Kalauer zu vervollkommnen: schick = unsicher. * Nachrichten für die Öffentlichkeit sollen etwas bewirken, Informiert-Sein für sich ist kein Wert. Neid, Wut, Anerkennung, ungläubiges Kopfschütteln sind primäre Reaktionen. Im besten Fall bewirkt eine Nachricht Nachdenken. Worum geht es denn da eigentlich? dem hilft eben manchmal der Kalauer auf die Sprünge: die Künstlerin Barbara Ungepflegt (die heißt so, bitte), Artist in Residence beim ifk Wien, hat 2019 ein „Ministerium für Heimatschmutz und internationale Affären“ propagiert[1] und damit der Realität die ironische Pointe geklaut. Vor mehr als 40 Jahren haben W. Streffer und andere an der Universität Osnabrück den Sozialfriseur erfunden, und Nachrichten zu ihm entwickelt. Der brauchte keine Erklärung, aber oft wurden wir gefragt: was soll das? |
[1] Ifk now, 1/2021, 16-17