Ich hatte mir vorgenommen, im Blog, nach Trump auch Corona, das C Wort, nicht zu verwenden, so es sich nicht vermeiden lässt. Ich bleibe dabei, trotz der Einleitung:
„Gegen die Wissenschaft und die Mehrheitsmeinung machen 16 MP’s Lockerungsübungen“, schimpfte am Sonntag auch Ex-Charité-Direktor Ulrich Frei: „Nach der 3. Welle müssen sich Staatsanwälte dann fragen, ob dies nicht Beihilfe zu Körperverletzung mit Todesfolge war.“ (Tagesspiegel online 29.3.2021). Falsch daran ist, dass nicht alle 16 MPs so unsinnige Übungen veranstalten, richtig ist, dass die Merhehitsmeinung nicht die von den Medien behauptete ist. um die Politik bzw. Politiker gehts mir aber hier nicht.
In Großbritannien sind bei mehr als 18 Millionen Impfungen mit AstraZeneca insgesamt rund 30 Fälle von seltenen Blutgerinnseln gemeldet worden. Das teilte die britische Arzneimittelbehörde MHRA in einem Bericht mit. „Das Risiko, diesen speziellen Typ von Blutgerinnseln zu bekommen, ist sehr klein“, heißt es darin. Es seien bisher (Stand: 24. März) 22 Fälle von Hirnvenenthrombosen und acht andere Arten von Thrombosen gemeldet worden.
Unsere Politiker können Gefahr und Risiko nicht unterscheiden. Sie vor Gericht zu bringen hat wenig Sinn, man betrachte Stuttgart zu Ostern. nachdem T weg ist, sollte man zu C auch nichts mehr sagen.
Mir geht es um die Körperverletzung mit Todesfolge. Viele Entscheidungen der Politik in einem reichen, gut strukturierten Land mit einem tragfähigen Gesundheitssystem sind anders zu bewerten als vergleichbares Handeln und Nichthandeln in ärmeren, schlecht ausgestatteten oder armen und diktatorischen Systemen. Das macht einen Unterschied. Auch beim gemeinsamen Bewerten und Betrauern von Todesfällen und Einbrüchen in Wirtschaft und Kultur. Der un-notwendige Tod, das aus prinzipiellen Gründen in Kauf genommene Sterben erinnert oft an Kriegsmoral, oft an undurchdachtes Festhalten an Verwaltungsabläufen und an der Beharrung der Agenten staatlichen und interessengeleiteten Handelns. Das alles unterscheidet unsere Gesellschaft, auch unseren Staat, von armen und hilfsbedürftigen Ländern.
Wir sind wissenschaftlich schon weiter, aber in der laienhaften Vorurteilsstruktur, im Rassismus und der Abwertung des als unnormal Angesehenen bedeutet „survival of the fittest“ eben, dass die, die ohnehin nichts besseres verdient haben oder bei denen nicht besseres angelegt ist, früher krank werden, früher sterben. Das ist halt so…was bei den Querdenkern eine neu aufgelegte Nazi-Argumentation ist, ist in der Politik eine unpolitische Form der Resignation.
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Diese Gedanken sind mir unweigerlich gekommen, weil ich das obige Zitat schon vorhergedacht hatte in den letzten Tagen, aber dann in einem ganz anderen Zusammenhang. Werden die Menschen in Syrien, in Myanmar, in Weißrussland überleben? Wie viele werden an der Körperverletzung mit Todesfolge zugrunde gehen, nicht nur in diesen drei Diktaturen?
Die häufigste Antwort der westlichen Demokratien: Diplomatie, Verhandeln, vielleicht Sanktionen, aber keine Gewalt. Das sagen sie untereinander, z.B. bei Grenzstreitigkeiten zwischen Bayern und Tirol, oder gegen Verträge, fordern sie aber meistens von den Demokratien ein. Verträge und Abkommen werden – wenn es keine win-win-Situation gibt – meist nur geschlossen, wenn hinreichend viele Drohungen im Raumstehen: wenn nicht – dann. Die Gewürze solcher politischen Speisefolge sind Vertrauen, Hoffnungen, aber vor allem Unterordnung unter stärkere Macht oder Erwartung solcher Unterordnung durch die stärkeren Mächte.
Ich habe jetzt ungefähr 50.000+ Texte der politischen Wissenschaften, Überlegungen und Philosophien zusammengefasst. Auf etliche davon blicke ich in meiner Bibliothek, an viele erinnere ich mich. Keine Antworten auf die Frage nach Weißrussland, Myanmar, Syrien, und noch etliche Krisen mehr. Und ich weiß, auch wenn ich es nicht durch Nennung konkreter Namen beweisen kann, wie viele denken – da sollte man doch einmarschieren, kann man doch die kleineren Diktaturen schnell zur Räson bringen. Manchmal, bei den verschiedenen Stammtischen, sagen sie es, um ganz schnell wieder diese Gedanken zu verwischen. Weil sie nicht statthaft sind in unseren demokratischen Gesellschaften. Auch das ist noch trivial, obwohl.
Hätte man in Syrien, nach Assads Giftgasangriffen, eingreifen können, sollen, müssen? Die größere Gewalt mit angemessener Gewalt beenden? Was kostete es, die Generäle und ihre ökonomischen Hintermänner in Myanmar auszuschalten? Würde die Ausschaltung Lukashenkos die Russen auf den Plan rufen? Wiederum: genügend Material für tausende Doktorarbeiten.
Tatsache ist, dass im internationalen Aktionsraum Diktaturen stabilisiert werden, wenn man den Menschen in ihren Ländern hilft, ohne politische Änderungen massiv anzudrohen oder mit Gewalt einzufordern (Syrien ist das heutige Beispiel). Trotzdem wird niemand die Hilfe für die Millionen von hungernden Menschen deshalb kritisieren. Der Vorsprung der Diktaturen vor den Demokratien kann so nicht bemäntelt werden. ich nenne das „Support for the fittest“
Noch einmal: hätte man eingreifen sollen, als es noch möglich war, eingreifen=angreifen? Das Sollen hängt vom Können ab, und von den Folgen.
Anscheinend ist die Vorstellung einer globalen Verständigung aufgrund menschenrechtlicher Prinzipien auf dem Rückzug. Einschließlich der Tatsache, dass ein großer Teil der humanitären Hilfe die autoritären Systeme stützen muss, um bei den Menschen anzukommen. Da hilft Diplomatie wenig.
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Wie hängt die Aussage von Ulrich Frei mit diesen Wahrnehmungen zusammen? Resignation lockert beides: den Zusammenhalt der individuellen Handlungsmechanismen und die politische Konsistenz von Gesellschaften. Man schlackert sozusagen zwischen Moral und Macht.
Wenn man nicht resigniert ist, muss man Macht einsetzen, und wenn nicht als Gewalt, dann als Drohung. Die aber muss glaubwürdig sein. Und ist deshalb riskant. aber unterlassen darf man das trotzdem nicht.
Die Todesfolgen abzuschwächen ist auch eine Definition von Politik.