Impfen, zum STEINER weichen…

Kafka sprach zu Rudolf Steiner:
»Von euch Jungs versteht mich keiner!«
Darauf sagte Steiner: »Franz,
ich versteh’ dich voll und ganz!«

Steiner sprach zu Hermann Hesse:
»Nenn mir sieben Alpenpässe!«
Darauf fragte Hesse Steiner:
»Sag mal Rudolf, reicht nicht einer?«

Steiner sprach zu Thomas Mann:
»Zieh dir mal dies Leibchen an!«
Darauf sagte Mann zu Steiner:
»Hast du’s auch ‘ne Nummer kleiner?«

Robert Gernhardt: Gesammelte Gedichte 1954 – 2006

So unbekannt war Steiner also nicht. Und wenn jetzt in den Medien berichtet wird, wieviele Impfgegner unter den Anthroposophen sind, belebt das die Erinnerung an den Gründer dieser Zweigreligion der gebildeten Mittelschicht.

Was hat die Anthroposophie mit der großen Impfskepsis in Baden-Württemberg zu tun? (SWR 21.10.2021); eine bedenkswerte, wahrscheinlich unvollkommene These vertritt der Antisemitismus beauftragte und Religionswissenschaftler Michael Blume:

Andererseits gibt es historisch eine starke Verbindung zu Verschwörungsmythen. Zum Beispiel zum Antisemitismus: der Austrofaschismus, der italienische Faschismus ab 1919 in Mailand. Die NSDAP entsteht in Bayern. Oder die Anti-Impf-Bewegung. Die Salpeterer-Unruhen im heutigen Baden-Württemberg im 19. Jahrhundert richteten sich gegen die Pockenimpfungen, auch in Tirol gab es Aufstände gegen das Impfen. Dazu kommen noch die esoterischen Bewegungen, zum Beispiel die Anthroposophie. Die erste Waldorfschule entstand in Stuttgart. Oder schauen Sie sich ganz aktuell die Wahlergebnisse der Querdenkerpartei „Die Basis“ an: Die besten hat sie im südlichen Bayern und im Bodensee-Raum.(SZ 19.11.2021). Er führt das auf die kulturautonome Aversion gegen den Zentralstaat zurück. Bedenkenswert, wohl nur Ansatz zu weiterführenden Studien im ethno-geo-kulturellen und nicht im polit-ökonomischen Raum.

Aber man sollte unbedingt auch lesen: Waldorfschule und Impfgegner In Steiners Sekte

Ein autobiografischer Essay von Tobias Rapp (https://www.spiegel.de/kultur/waldorfschule-und-impfgegner-in-steiners-sekte-a-8242889d-190f-479f-bf6d-a22ccab54013). Warum unbedingt? Das gilt auch und nicht nur für mich, weil ich, ohne Waldorfschule, teilweise im anthroposophischen Umfeld aufgewachsen bin und viel von sektenaffinen und sektenskeptischen Seite mitbekommen habe, auch viel Weleda und vor allem ein Bücherregal voll Steinerliteratur. Rapp ergänzend – ein großer Teil von Steiners Werken ist aus der intellektuellen und psychosozialen Situation der Welt vor 100-120 Jahren zu erklären; verstanden hat man immer nur die Hälfte, aber die Vermischung von Wiedergeburt, östlicher Weisheit, Gnosis, lebensphilosophischer Privatisierung und mehr noch war damals anziehend, und nach der Sektengründung auch ein gewisser Protest gegen den Stillstand der beiden großen christlichen Kirchen, Protest, der im Gottesdienst der „Christengemeinschaft“ diese peinlich nachgeahmt hatte.

Ich hatte also viel gewusst, das jetzt, über 60 Jahren wieder hochkommt. Impfgegnerschaft gabs in meiner Apothekerfamilie nicht. Aber sonst eine Reihe von Dingen, die Rapp aufzählt, andere und vielfältige, vor allem widersprüchliche. (Die wenigen Steinerianer, die ich jetzt, eher zufällig kenne, sagen dazu natürlich nichts, und die offiziellen Stellungnahmen winden sich).

Man kann das alles auch von einer ANDEREN: EHER COVID-FERNEN Seite sehen: bestimmte Sekten, die nicht Zivilreligionen sein wollen, versuchen zu beeinflussen (Influencer!) durch eine Mischung von rationalen und esoterischen, traditionellen und hyperrealen Elementen, die die Geschichte der Steinerianer, ihre politischen Affinitäten, ihre Förderer und Kritiker eher rauslassen und dafür aktuell sich anbieten: mehr oder weniger gute Kosmetik, mehr oder weniger kluge Pädagogik – der Übergang in die andere, wirklichere Realität, ist für viele SchülerInnen nicht ganz einfach, aber auch nicht ganz falsch, was z.B. den ästhetisch körperbetonten Aspekt betrifft, geht zurück nach 1900! – und: man muss sich ja nicht Steinerschen Theologie, pardon: Anthroposophie und ihrer Geheimwissenschaft anschließen (Vgl. Die Geheimwissenschaft im Umriss (Rudolf Steiner 1910, Taschenbücher aus dem Gesamtwerk). Aber geht einmal ins Internet, die Zahl der angebotenen Schriften ist beachtlich: Unter „Steiner Geheimwissenschaft“).

Ich konnte später die Form distanzierter Anerkennung bei den mir bekannten Anthroposophen analysieren; sie haben durchaus die Rolle der Religion (glauben konnte man so einen Quirl ja nicht) als sozialer Instanz, die „Gemeinschaft“ fördert, studieren wollen – und man hatte es leichter, schwer zugängliche Quellen der Gnosis und der Ägypter und Inder bereits aufbereitet zu finden.

IMPFGEGNER? Vielleicht. Nicht viel anders als aus anderen Quellen berufen sich viele Impfgegner und -skeptiker auf eine Vorstellung der Eingriffsmöglichkeit spiritueller Kräfte UND eines gesunden oder asketischen Lebenswandels. Das ist nicht weit von den bürgerlichen mittelständischen, oft gebildeten, Zivilreligionen entfernt. Hat mit Steiner nicht so viel zu tun. Den kann man geistesgeschichtlich in der Schublade: vergangen und weitgehend vergessen, rubrizieren. Und seine kosmetischen und pädagogischen Nachwirkungen mit Skepsis nachverfolgen.

Immerhin merkt ihr, es hatte einen gewissen Einfluss auf meine Jugend, zum Missfallen der Gläubigen habe ich es bis zur Kritik durchgehalten. Die kam dann nicht so gut an.

ABER bis heute: ich komme in einem meiner Forschungsprojekte oft in und durch die kleine Stadt Gloggnitz in Niederösterreich. Die hatte mit seinem Leben zu tun (1861-1925), und von dort zur Goetheausgabe, zum Goetheaneum, zu Demeter und Weleda war es sehr weit.

GEGEN IMPFUNGEN WAR ER NACHWEISLICH NIE….nur so nebenbei.

Ein Gedanke zu “Impfen, zum STEINER weichen…

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