Machen wir doch

In einem gerade fertig geschriebenen Buch, das demnächst erscheint („Flanieren im Mythos“)[1], schreibe ich: Im Übrigen ist das eine entscheidende Grundlage für meinen negativen Ausblick auf die kommende Geschichte: was wird alles geschehen, bevor die Menschen wirklich da sind, „wirklich da“, bevor sie unumkehrbar in die inhumane Natur abstürzen?

Das ist keine pessimistische Attacke auf die Gaspolitik oder die Ausrottung der meisten Insekten zugunsten des Wachstums (Truss-Tussy: „Grow, grow, grow!“ 4.10.2022). Ich denke, nur eine nicht vollendete Evolution der Menschen kann sich so verhalten, wie es alle tun (mich eingeschlossen), und dann wird die Spezies nicht still verbleichen, sondern einen ungemütlichen Abschied feiern. Feiern müssen?

Negative Utopien, auch resignative Zukunftsszenarien sind nichts neues, sie unterhöhlen die positiven, selbst-tröstenden Vorstellungen, wann und wie sich das Rettende auch zeigen wird.

In dieser Situation drehen die meisten PolitikerInnen der Wirklichkeit den Rücken zu und predigen, sie wollten ohnedies das Nächstliegende tun, und was liegt näher als das zu tun, was die meisten kennen, ohne sich dafür verantwortlich und haftbar erklären zu müssen. Der Gasverbrauch stieg im Herbst, weil es ohnedies „egal“ ist. Egal heißt, man kann entweder nichts machen oder, was man macht, kehrt wie Entwicklung nicht wirklich um. Das „Wirklich“ ist ein Schlüsselwort, hinter dem jede(r) Einzelne die Nichttätigkeit versteckt. Die Philosophie nennt das Teil der schlechten Unendlichkeit. (Gas war eine Metapher, ich mache hier keine Energiedebatte).

Wahrscheinlich ist, dass es demnächst allen schlechter geht, gemessen am Wohlstandsdogma (das sagt der humane Ausnahmeliberale Gerhard Baum angesichts des Schuldenbremsers Lindner, aber seine Wahrheit hatte wenig Wirkung). Was heißt „schlechter gehen“? Noch mehr Menschen werden verhungern, noch mehr Menschen werden hungern, die Rückzugsgebiete der Superreichen werden flächenmäßig kleiner, und die Menschen dazwischen werden allmählich die Abnehme ihres bisherigen Lebensstandards wirklich spüren, nicht nur von 20° auf 19°. Und? Wird das die Diktaturen mäßigen, wird es die Kleriker von ihrer Gottesdiktatur abbringen, wird es die Börsen schwächen? Wird es der zunehmenden Faschisierung der Demokratien Einhalt gebieten in ihrer Abwehr gegen die Diktaturen? Wird es die Geburtenrate rasch senken?

Natürlich nicht. Natürlich, weil wir noch nicht so weit in der Evolution sind.

Und, was soll dieser düstere Ausblick?

Nichts. Wenn ich hoffentlich nicht Recht habe, bleibt uns ja gar nichts anderes übrig, als kontrafaktisch, als gegen diesen Ausblick so zu handeln, als wären die 1,5° erreichbar, als könnte man Putin und XI und den Supreme Court und und und stürzen, und die Faschisten bei uns unter 15% halten und und und.


[1] Flanieren im Mythos – Sexualität und Gewalt. Edition Splitter, Wien 2022

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