Faschismus? Nicht schon wieder…

Soll man vom Faschismus sprechen und damit frühere faschistische Wirklichkeiten abmildern oder gar ignorieren? Soll man das Wort – auch den Begriff „Nazi“smus vermeiden, um den Vergleich mit der deutschen Besonderheit nicht am falschen Objekt zu verschleissen?

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und den Westen ist nur einer der derzeit ausufernden Kriege. Ich habe seit längerem Putin in der Nachfolge Hitlers und Stalins beschrieben und ich habe bewusst und ohne konkreten konfrontativen Gegner die Entwicklung eines europäischen, vielleicht globalen Faschismus nicht nur in/mit den Nukleardiktaturen verglichen. Das wird bisweilen belächelt, seltener kritisiert und fast nie mit Argumenten angegriffen, weil es egal ist, was ein privater Akteur jenseits der Meinungsdiskussion zur Situation sagt.

Es kommt darauf an, zu erklären, was man mit Faschismus meint, und auch, was ich am realsozialistischen und stalinistischen Begriff des Antifaschismus immer zurückgewiesen habe. Erich Fried: Aber ein Antifaschist, der nicht sehr viel mehr als ein Antifaschist ist, ist vielleicht kein Antifaschist. (1983). Was ich mit Faschismus meine – von Mussolini über Dollfuss bis Ceaucescu – setzt sich fort in Orban, Erdögan und in Staatssystemen, bei denen es weniger auf namentliche Akteure als auf systemische, schwer zurückzuholende Maßnahmen handelt, wie zur Zeit in Israel. Damit sind auch europäische Staaten gemeint, solche, die innerhalb der grundsätzlich demokratischen und rechtsstaatlichen EU faschistische Rhizome sich verbreiten lassen oder solche Strukturen pflanzen, Italien, Schweden, auch mein Österreich. Das ist, werte LeserInnen, nicht abschließend. Auch Entwicklungen in den USA sind hier festzuhalten, und natürlich China, bei dem die Faschisierung etwas anders verläuft, v.a. wegen der Ökonomie. Ich kann die Liste noch länger machen.

Die Abwehr des Begriffs ist massiv, wenn es um Hinweise auf den rechtsstaatlichen, demokratischen Charakter der so kritisierten Gesellschaften geht. Das ist im Übrigen ein wichtiger Punkt der Erkenntnis, dass es nicht nur um die staatliche, mehr oder weniger legitime, Vertikale von Macht geht, sondern auch um den Willen und die Meinung großer Teile von Bevölkerungen, die sich oft weniger um die demokratische Durchsetzung ihres Willens und um die Mittel, die angewandt werden, als um Ziele kümmern, die gar nicht zur Fragwürdigkeit reifen dürfen. Auch die Tatsache, dass z.B. innerhalb der NATO offen und latent faschistische Staaten ein Bündnis bewahren, das der Idee des „Westens“ so wenig entspricht, wie die Kritik des neuen „Ostens“ daran unsinnig ist, sollte man nicht übersehen.

Kurz, es geht mir darum, das, was evident vor unser aller Augen sich ereignet, so klar und ggf. zugespitzt auch zu sagen.

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Sagen ist mehr und etwas anderes als einfach „über etwas zu sprechen“. Es bedeutet, sich auszusetzen der Kritik wie der Zustimmung, es ist sozusagen eine Voraussetzung mit Dialog nicht einfach mitzureden, sondern etwas zu sagen zu haben, das die Wirklichkeit zu verändern oder zu bestätigen bestimmt wäre, wenn es auf aktive Gegenüber stieße. Also nicht einfach eine Meinung äußern, sondern darüber hinaus in die Politik kommunizieren. Wenn ich also wünsche, eine Ansage zum Faschismus zu machen, dann auch um den postmodernen Grauschleier von einem Begriff wegzuziehen, bei dem der Streit um seine Wahrheit nur zu oft von der Wirklichkeit – es gibt ihn ja, diesen Faschismus – ablenkt. Manche fürchten, dass den schrecklichen Faschismus und die Nazizeit verkleinert oder relativiert, wenn man den Begriff weiter und erneut verwendet und formiert. Dabei ist eine gewisse Arroganz dabei, dass man selbst das Fürchterliche besser erkennt und benennt als andere. Und wer sagt, dass viel Schreckliches nicht immer wieder kommen kann, in anderem Gewand allerdings.

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Viele Einlassungen zur derzeitigen politischen Situation, der Krieg der Russen, Postcovid, Erdbeben usw. lassen die wirklichen Probleme der Politik augenscheinlich an den Rand drücken oder verkleinern. Als ob die Umwelt, das Klima, der Hunger mehr „Zeit“ hätten, in „“, weil oft so getan wird, als wäre es in unserer Hand, Entscheidungen mal fünf, mal zwanzig Jahre hinauszuschieben. Das hat mit dem sich ausbreitenden Faschismus insofern etwas zu tun, als der ja u.a. darin besteht, demokratische Strukturen zugunsten einer alternativlos verordneten Politik=Machtausübung + Entscheidung abzubauen. Dass das nicht allen Menschen auffällt, kann man erklären; dass es sie nichts angeht, solange der Wagen rollt, ist nicht so leicht verständlich. Und das Leisereden der faschistoiden Herrschaft(en) macht die Dinge nicht besser. Orban, Meloni & al. werden durch Besäuseln nicht besser.

Was tun?

Nichts weiter als das tun, was man unter weniger faschistoiden Randbedingungen auch tun würde, müsste, sollte. Klimapolitik, Migrationspolitik, Verkehrspolitik, Friedenspolitik…immer Politik, nicht Meinungsaustausch bis zum Weltuntergang.

Ja, aber geschieht das nicht ohnehin? – Nein, es geschieht nicht hinreichend und vor allem deutlich. Deutlich heißt, dass die Folgen und erwartbaren Ergebnisse auch benannt werden. Ein unerfreuliches Beispiel: Ich habe, anstatt eine rechtslastige Kritik des „Westens“ zu unterstützen, einige massive Vorbehalte gegen die USA und die NATO konkret, z.B. ihr Mitglied Türkei. Ich denke, eine europäische Verteidigungspolitik sollte diese Realität aufheben, übersteigen. ABER das wird teuer und vielleicht andere Grundprinzipien, die scheinbar unsere globale Politik ausmachen, verändern. Ein anderes Beispiel: Anstatt Abschiebepolitik zu betreiben, kann man eine unethnische Integrationspolitik betreiben, die zwar die soziokulturellen Zusammensetzungen unserer Nationen verändert, aber mehr als nur Arbeitsplätze schafft. ABER das wird teuer und vielleicht andere Institutionen, wie unsere Bildungspolitik nachhaltig verändern.

Na und?

Angesichts der globalen Bedrohung kein unüberwindbares Hindernis. Dass es uns nicht bessergehen wird, ist vielleicht eine Meinung, aber kann man das wirklich so sagen? Was heißt schon, dass es uns gut geht und nicht schlechter gehen soll?

3 Gedanken zu “Faschismus? Nicht schon wieder…

  1. Bei uns verschiebt sich so viel,, dass ich das Land, welches ich fuer seinen Pragmatismus in der waehlenden Bevoelkerung bew;undert habe, nicht wiedeerkenne. Separation of powers? No more.

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