+ Grüne an SPD: „Sagt nein zu Benzin und Beton“ + Prominentester Wal-Berliner „Moby Dick“ kehrt zurück nach Tegel + Neuköllner Restaurant wegen Kakerlaken geschlossen + (Tagesspiegel Kurzstrecke 9.3.23)
Zu jeder dieser Überschriften können wir eine Glosse schreiben…
Am 20.2.2022 habe ich einen Blog geschrieben Terror der Aktualität – Angst vor der Wirklichkeit. Bitte lest ihn nach und kritisiert die Kurzschlüssigkeit der Forderung nach Helsinki II, oder teilt, aber jedenfalls setzt euch mit dem Begriff auseinander….Terror…Aktualität.
Natürlich sind die Themen vom Tagesspiegel austauschbar, und Zeitungen müssen aktuell sein. Kein Problem, ABER. Glossen im Ausnahmezustand, im Krieg, sind tückisch. Sie werden uns von der nächsten Generation an den Kopf geworfen, wenn sie die Wirklichkeit verdrängen. Andererseits: ohne den Blick auf die kleinen Wirklichkeiten wird der bloße Anblick der großen Wirklichkeit, und die ist nicht nur der Krieg Russlands gegen die Ukraine und den Westen, die ist auch die Zerstörung der Demokratie durch die verbrecherischen Banden von Netanjahu. Und es lässt sich noch mehr finden an der „großen“ Wirklichkeit.
Über die darf und kann es nicht alltägliche Glossen geben, die dürfen daneben bestehen, aber eben nicht im Kontext von Ablenkung oder gar der Trennung von Wir und Sie, wobei wir zwar spenden, mitfühlen und uns ängstigen, sie aber kämpfen, sterben und leiden.
Das ist schwierig. Das moderierende Gehampel in weiten Bereichen der Politik bekümmert mich. „In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod“ (Friedrich von Logau im 17. Jahrhundert ! und natürlich Alexander Kluge und Edgar Reitz 1974). Das kann man rückschauend auch als Kritik an Merkel und Schröder sehen, man kann etwas schärfer den Vorzug der Wirtschaft vor der Politik in den Blick nehmen, der lange Zeit auf Russland gesetzt hatte, das was die blöden Neoliberalen als Markt verunstalten, man kann noch weiter ausholen…ABER. Das lenkt vielleicht auch vom Jetzt ab, von der Wirklichkeit des Tötens, Sterbens, und von der Wirklichkeit des Klimawandels (Benzin und Beton, siehe oben). Wenn man nicht an den beliebten Ausflugdampfer Moby Dick denkt, sondern an die Geschichte vom Wal und, dann passt da auch einiges an der Kritik der Hybris, die auch hier (noch) vorherrscht (Moby Dick, siehe oben). Glaubt ihr nicht auch, dass es schon jetzt um bestimmte Formen des Überlebens geht, in einem Krieg, der woanders heftige Kämpfe, bei uns aber tiefe Spuren im gesellschaftlichen Zusammenhalt bewirkt? Kakerlaken zum Essen, die Symbolik vernachlässigter Hygiene ist schon in Friedenszeiten ein Alarmzeichen, wobei die Kakerlaken ja harmlos sind gegen Flöhe und Läuse, wenn man kein sauberes Wasser hat, sich zu waschen. Weit hergeholt? Ich habs im Kosovo und Afghanistan „erlebt“, und Berliner können die Ableitung dieser Gedanken erleben (siehe oben).
Das ist eine Übung gegen die Hysterie. Den Tagesspiegel hab ich herausgegriffen. Auch gegen den Terror der Aktualität. Denn der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist so wenig aktuell wie die Entwicklung in Israel, wie…und wie der Klimawandel, wenn auch nicht im Detail. Darum geht’s aber, beinahe ums Ganze: wir müssen verantwortungsbewusst ergänzen, was wir schon wissen können, und uns nicht überfahren fühlen. Sonst vernebelt die Hysterie der unlösbaren Aufgaben unser Bewusstsein und wir schließen die Augen vor der Aktualität.