Dass man nicht Spitzenreiter beim Verein der Diktaturen sein möchte, ist den Menschen verständlich zu machen. Was aber, wenn eine große, wirtschaftlich ganz schön starke Nation, anfängt sich zu fragen, wo sie denn vorne sein will, wo sie das kann, und wo ihr Platz ist unter lauter Unsympathen.
Diese Fragen wälzen sich mehr oder weniger verkleidet und haarig im Bewusstsein und in der Aufmerksamkeit eines vom Krisenüberhang geschüttelten Volkes.
Gehen wir davon aus, dass alle Selbstzuschreibungen FIRST, ZUERST, OBEN etc. entweder diskriminierend oder blöde oder falsch sind. Das stimmt nicht für gemessene oder wahrgenommene Reihungen, aber immer für die Eingliederung in ein oberstes, bestes, wichtigstes Kollektiv. „Ich gehöre „DAZU“…wozu? Na, dazu, zu den Deutschen, zu den Besten, zu den …“.
Beispiele aus dem Sport (IOC, UEFA), der Religion (alle Konfessionen, die national Einfluss auf die Politik haben), auch innerhalb der Familie, der Clans etc. gehen aus von der Vertikale der Macht, und die ist nicht nur eine Erfindung von Putin, Orban und Konsorten. Es gibt dazu wissenschaftliche Studien und Kritik, z.B. zum amerikanischen Exceptionalism (Danner 2011, Danner 2022), und Deutschland war immer schon vorne…oder etwa nicht?
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Wer vorne ist hat andere hinter sich, wer oben ist hat andere unter sich. Viele wollen niemanden über sich haben. Darum der Wettkampf um Reihungen, Platzierungen und relative Suprematie. WIE GUT SIND WIR „EIGENTLICH“ und wie gut sind wir „WIRKLICH“, und warum wollen wir gut sein, besser sein, oben sein?
(Man könnte in der Anthropologie und Sozialwissenschaft ganze Institute zur Beantwortung dieser Fragen einrichten).
Nun sagt der von mir sehr geschätzte Alexander Kluge, einer der letzten Großintellektuellen der älteren Generation, in Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod , (https://de.wikipedia.org/wiki/In_Gefahr_und_größter_Not_bringt_…). Aber das ist der Weg und nicht der Platz im System.
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So, worum geht es mir jetzt? Um Deutschland. Das Bildungssystem ist seit Jahrzehnten miserabel, die Universitäten sind in der Lehre und der Nachwuchspolitik schlecht, das Gesundheitssystem zerbricht, die Briefzustellung funktioniert nicht und die Deutsche Bahn erst in 30 Jahren, von kleinen Patentzahlen und IT-Entwicklung gar nicht zu reden (das Internet funktioniert in weiten Teilen Deutschlands schlechter als in vielen Drittweltstaaten).
Na und?
Der Mittelweg, das dauernde zentral-föderal-lokale Gequacke, angeblich verfassungskonform, in Wirklichkeit entscheidungsfaul, und undemokratisch, bringt Deutschland in die Misere. Man muss schon nach oben, zum Besseren, zum Richtigen sich entscheiden, es beschließen und durchsetzen. Es ist undemokratisch, wenn die neoliberalen Motortrotteln weiter Autobahnen bauen, das Land zupflastern, CO² produzieren wollen, nur um ihre Klientel zu behalten (nach last, sondern LOST GENERATION), und leider ist das nicht nur die FDP.
Es ist undemokratisch, auf der Jugendauslese durch das teutsche Gümnasium zu setzen und die Kinder der Ärmeren in schlecht ausgestatteten und unterbesetzten Schulen vergammeln zu lassen.
Es ist undemokratisch, ein Zweiklassensystem im Gesundheitswesen zu fördern, nur damit die Privatzahler angeblich bessere, de facto nur teurere Behandlung erhalten.
Und es ist grauenvoll, den armen Ländern gut ausgebildete Arbeitskräfte abzupressen, anstatt hier eine effektive und ständig erneuerte Berufsausbildung zu machen.
Die Liste ist länger, ich weiß. Man kann nicht alles zugleich machen? DOCH, MAN KANN. Z.B. mit Demokratie, und zu der gehören Entscheidungen.
Und das hat auch damit zu tun, dass wir keiner Hinsicht eine Ausnahme sind.