Seehofer und Maas lassen sterben

ABSCHIEBUNG KURZFRISTIG AUSGESETZT! 4-8-2021

Abschiebung nach Afghanistan abgesagt

Stand: 04.08.2021 11:48 Uhr

Es gibt zunehmend Anschläge und Kämpfe, die Taliban sind auf dem Vormarsch. Abschiebungen nach Afghanistan sind deshalb umstritten. Nun wurde ein Flug aus München abgesagt.

Die Absage kam kurzfristig. Nach Informationen der Deutschen Presseagentur waren zu dem Zeitpunkt schon mehrere Männer aus Afghanistan in München. Am Abend sollte der Abschiebeflug dort starten. Erst nach Wien – und von dort weiter in die afghanische Hauptstadt Kabul. Eine offizielle Begründung dafür gibt es bislang nicht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte gestern aber die bevorstehende Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers aus Österreich gestoppt. Die Richter begründeten das mit der Sicherheitslage in Afghanistan. Die Regierung in Wien spricht von einem Einzelfall. Ein pauschales Abschiebeverbot gebe es nicht.

Bundesregierung grundsätzlich für Rückführung

Obwohl es derzeit vermehrt zu Kampfhandlungen sowie Anschlägen in Afghanistan kommt und die Taliban auf dem Vormarsch sind, hält die Bundesregierung die Rückführungen dorthin grundsätzlich weiter für möglich. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden in diesem Jahr 167 Menschen „zurückgeführt“. Grüne, Linkspartei und Flüchtlingsorganisationen in Deutschland halten Abschiebungen nach Afghanistan aufgrund der momentanen Lage für nicht vertretbar. 01.08.2021 Trotz Taliban-Vormarsch Seehofer will weiter nach Afghanistan abschieben Innenminister Seehofer will an Abschiebungen nach Afghanistan festhalten, trotz der Taliban.

Tote bei Angriff auf Gästehaus in Kabul

Aktuell wurde ein Angriff auf das Gästehaus des afghanischen Verteidigungsministeriums in der schwer gesicherten „Grünen Zone“ Kabuls gemeldet. Mindestens acht Menschen wurden getötet und 20 verletzt. Der Sprecher des Innenministeriums, Mirwais Staniksai, sagte, der Angriff sei von vier Männern am Dienstagabend ausgeführt worden. Erst sei eine Bombe explodiert, dann habe es Feuergefechte gegeben, bei denen die Männer getötet worden seien.

Die Attacke habe anscheinend dem amtierenden Verteidigungsminister Bismillah Chan Mohammadi gegolten. Dessen Partei Dschamiat-e-Islami teilte mit, der Minister sei nicht in dem Gästehaus gewesen und seine Familie sei in Sicherheit gebracht worden. 03.08.2021 Helmand im Süden Afghanistans Taliban erobern Großteil von Provinzhauptstadt Die Kämpfe im Land verlegen sich zunehmend in die Städte. Die UN warnen vor katastrophalen Auswirkungen.

Die afghanische Regierung hatte die EU-Mitgliedsstaaten Mitte Juli aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage um einen Abschiebestopp gebeten. Trotz dieser Entwicklung beendete die Bundeswehr ihren Militäreinsatz in Afghanistan Ende Juni. Die US-Truppen ziehen Ende August ab.

Mit Informationen von Björn Dake, ARD-Hauptstadtstudio

das Nachfolgende zur Erinnerung an gestern:

Es wird weiter nach Afghanistan abgeschoben. Ausgerechnet vom schon halb jenseitigen Horst Seehofer, und von den marktliberalen der fdp und vom AA unterstützt:https://www.tagesschau.de/inland/seehofer-abschiebungen-afghanistan-101.html. Der nächste Flug wurde VORVERLEGT und soll heute oder morgen ÜBER WIEN erfolgen, um abzulenken vom Rechtsbruch und der Tötungswahrscheinlichkeit für Abgeschobene (hört euch den BMI Sprecher von heute, 3.8.21 um 18.30 an…). Laschet stimmt den Abschiebungen ausdrücklich zu, da schmecken ihm die Hostien besser.

Beruhigt euch. Wenn man politisch handeln will, reicht Illoyalität gegenüber diesen Wahlkämpfern nicht. Lest erst einmal:https://thruttig.wordpress.com/2021/08/03/afghanistan-abschiebung-als-wahlkampfmunition-zum-aa-asyllagebericht/

Man knann sich empören, aber das bringt nichts. Man muss den Ungeist, der hinter diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit steckt, aufdecken, d.h. seine Wurzeln bloßlegen, und dann in politischen Widerstand umsetzen. Also nicht Revanche oder Rache, sondern eben Widerstand, und das heißt in diesem Fall: Verweigerung von Loyalität, eigene Aktionen und vor allem Aufklärung. Wenn ein Minister dieser Regierung sagt, Afghanistan sei für Abgeschobene sicher, dann lügt er. Dagegen hilft nur die Wahrheit. Und diese kann man erfahren.


Dann schaut euch auch andere Länder an, die längst die Abschiebungen aus humanitären und rechtlichen Gründen ausgesetzt haben (und nebenbei mehr afghanische Ortskräfte und ihre Familien schneller und effektiver aufnehmen).
Das Archiv mit den Missetaten der deutschen Abschiebepolitik füllt sich – hoffentlich kommt es unter einer neuen Regierung zu Strafprozessen gegen die Abschiebetäter im BMI, im AA und anderen Regierungsstellen.

Auch wenn es afghanische Straftäter (angeblich, hört den Pressesprecher des BMI) sind, auch wenn, dann haben sie das Recht, in einem deutschen Gefängnis von der deutschen Justiz – behandelt zu werden und nicht nach unseliger Tradition abgeschoben zu werden. (Wegen des Hinweises auf diese Tradition werde ich oft kritisiert, aber wir leben nun einmal im Land der Nachfolger, und man hat nicht alle Erbschaften ausgeschlagen, von Globke bis zum Erfurter Urteil und vor allem zur Verzerrung der Grundrechte zugunsten der Meinungsfreiheit der Rechtsradikalen – die Erde ist eine Scheibe, ich weiß schon).

Redet darüber, verbreitet es, fragt die Wahlkämpfer, ÖFFENTLICH. Der Rechtsstaat bietet kein Versteck für die Schreibtischtäter, die angeblich mit den Abschiebungen die Deutschen schützen wollen. DIESEN Zynismus teilen etliche Größen auch der demokratischen Parteien.

Dass man über WIEN abschieben möchte, berührt mich als Doppelstaatsbürger doppelt. Aber auch dort haben die Ewig-Gestrigen nicht vergessen, dass ihre Zeit abläuft. Hoffentlich. Immerhin schreibt der ORF umgehend:

EGMR stoppt Abschiebung nach Afghanistan

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit einer einstweiligen Verfügung die geplante Abschiebung eines abgelehnten Asylwerbers nach Afghanistan gestoppt. In der Begründung wird auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan verwiesen. Im Innenministerium spricht man von keinem „pauschalen Verbot“. In Afghanistan steigt unterdessen die Zahl der zivilen Opfer. Uns lest was Sima Samar5 zu sagen hat: https://www.spiegel.de/ausland/afghanistan-ich-kenne-den-krieg-ich-lebe-in-grosser-angst-kolumne-aus-kabul-a-de97ee1e-e109-4a84-bcdb-34d78b2a3b71?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

BITTE

Sagt etwas dazu, wo immer ihr seid, man muss über den Olympia-Nebeln auch auf die Wirklichkeit schauen. Mit Deutscher Hilfe werden Menschen in die Hände der Taliban geschickt. Wißt ihr, was das bedeutet?
UND SPENDET FÜR DIE ORTSKRÄFTE. Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte e.V.
IBAN: DE23 4306 0967 1180 4776 00
BIC GENODEM1GLS

Rückmeldungen für das AFGHANISTAN ARCHIV und zu euren Aktivitäten erbeten und erwünscht.

Danke: Michael Daxner


michaeldaxner@yahoo.com

Blog: http://www.michaeldaxner.com
+49 174 1805837

ORTSKRÄFTE IN AFGHANISTAN SCHÜTZEN – HERHOLEN UND UNTERSTÜTZEN!!!

LIEBE BLOG-LESERINNEN UND LESER!!! Sie lesen hier einen sehr dringenden Aufruf zur Unterstützung von Ortskräften in Afghanistan.

Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


1
Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan: Afghanische Ortskräfte in Sicherheit bringen!
Der Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan hat begonnen und soll voraussichtlich Anfang Juli
2021 beendet sein. Das Bundesverteidigungsministerium hat erklärt, dass es in der Abzugsphase zu
einer größeren Gefährdung der Soldatinnen und Soldaten kommen könne. Medien zitierten unter
Berufung auf einen vertraulichen Bericht des Auswärtigen Amtes und des
Bundesverteidigungsministeriums, dass die Bundesregierung eine weitere erhebliche
Verschlechterung der Sicherheitslage nach dem Abzug erwarte. Während die Truppe unter
verstärkten Sicherheitsvorkehrungen längst bei den Vorbereitungen zur Rückkehr ist, wachsen die
Befürchtungen der afghanischen Ortskräfte, die oft viele Jahre für die Bundeswehr, die deutsche
Polizeiausbildungsmission, diplomatische Missionen und die staatlichen Zwecke der
Entwicklungszusammenarbeit u.a. tätig waren – als Dolmetscherinnen und Dolmetscher,
qualifiziertes Fachpersonal, Wachleute und Hilfskräfte. Sie fürchten um ihre Sicherheit und ihr Leben

  • wie auch um das ihrer Familienangehörigen.
    Wir fordern eine unbürokratische und schnelle Aufnahme der Betroffenen in Deutschland parallel
    zum Abzug!
    Die Taliban haben immer wieder deutlich gemacht, dass sie diese Ortskräfte als Kollaborateure des
    Westens begreifen, die sie als Unterstützer eines militärischen Besatzungsregimes zur Verantwortung
    ziehen wollen. Über Anschläge auf und Morde an Ortskräften wird seit Jahren berichtet, u.a. aus
    britischen, deutschen und US-amerikanischen Quellen. Letztere berichten von etwa 300 getöteten
    US-Ortskräften. Viele Ortskräfte haben versucht, sich Bedrohungen durch Umzug in andere Regionen
    Afghanistans zu entziehen, was aber nur selten eine dauerhafte Lösung und das Ende der
    Gefährdung ist.
    Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat Mitte April von einer tiefen
    Verpflichtung der Bundesrepublik gesprochen, die afghanischen Ortskräfte jetzt nicht schutzlos
    zurückzulassen. Zu befürchten ist aber: Genau das geschieht. Wer die effektive Aufnahme wirklich
    will, der kann in den verbleibenden Wochen nur eine unbürokratische Prozedur für all die Ortskräfte
    und ihre Angehörigen umsetzen, die für deutsche Stellen gearbeitet haben: Öffentliche Bekanntgabe
    des Aufnahmeprogramms, Registrierung, Vorbereitung der Ausreise, die möglichst geschehen muss,
    solange die Bundeswehr noch im Lande ist, ggf. Durchführung von Charterflügen.
    Der Verweis auf das bisherige Aufnahmeprogramm für afghanische Ortskräfte mit Abgabe einer
    individuellen Gefährdungsanzeige bei Vorgesetzten, in der nachgewiesen werden muss, dass für
    Bedrohungen durch die Taliban die Tätigkeit für deutsche Stellen entscheidend ist, ist angesichts der
    neuen Sicherheitslage nicht mehr zielführend. Das bisherige Verfahren ist viel zu zeitintensiv,
    insbesondere seit die Kapazitäten des deutschen Kontingentes im Lande mit dem beginnenden
    Abzug Woche für Woche schwinden.
    Seit 2013 wurden nach Zahlen des Verteidigungsministeriums knapp 800 Ortskräfte (plus
    Familienangehörige) in Deutschland aufgenommen, fast alle jedoch innerhalb eines kurzen
    Zeitraums, nachdem das Programm diese Chance eröffnet hatte. Zwischen 2014 und 2021 sind dann
    gerade einmal 15 zusätzliche Aufnahmen hinzugekommen – trotz einer in diesem Zeitraum immer
    weiter sich verschlechternden Sicherheitslage. Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte

2
Zügige Aufnahme statt untauglicher Vorschläge
Das Bundesinnenministerium verweist wenige Wochen vor dem Truppenabzug die Ortskräfte auf das
alte Prüfungsverfahren mit seinem bürokratischen Aufwand, was in der Kürze der Zeit nicht
praktikabel ist. So steht zu befürchten, dass es kein effektives Aufnahmeprogramm, sondern lediglich
ein Pseudo-Prüfungsprogramm geben wird. Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages
Reinhold Robbe hat schon vor Jahren den Umgang mit den Ortskräften als „beschämend“ und
„unwürdig“ bezeichnet (vgl. bundeswehr-journal v. 17.10.2014). Diese Diagnose gilt bis heute. Wer
seinen Dienst als Ortskraft vor mehr als zwei Jahren beendet hat, der soll von der Aufnahme in
Deutschland ausgeschlossen bleiben. Im Ernstfall werden sich die Verfolger bei den Taliban wohl
kaum an dieser Frist orientieren. Und noch nicht einmal die zuletzt beschäftigten ca. 500 Ortskräfte,
die nicht pro forma bereits wegen dieser Ausschlussregelung aus dem Programm herausfallen,
sollten sich darauf verlassen, dass aus der Ankündigung der Bundesverteidigungsministerin und guter
Absicht praktische Hilfe wird.
Ein Büro für afghanische Ortskräfte in Kabul und evtl. an einem anderen Ort, so das BMI, soll
eingerichtet werden, wo das umständliche Prüfungsverfahren zur Aufnahme stattfinden soll – als ob
man sich nicht in einem Land befände, in dem längst ein Großteil der Regionen nicht mehr von der
Regierung kontrolliert wird, Reisen riskant sind und selbst die deutsche Botschaft nur noch
eingeschränkt operieren kann. Zu befürchten ist, dass ein solches Büro für die Taliban ein
vorrangiges Anschlagsziel werden könnte, insbesondere wenn sich die Sicherheitslage weiter
verschärft.
Waren die Ortskräfte in den Jahren 2014/15, als der größte Teil derer nach Deutschland kamen, die
eine Aufnahmezusage erhalten hatten, eine Gruppe, die unter den Geflüchteten hierzulande oft
übersehen wurden, so haben sich in den Jahren danach Solidaritäts- und Unterstützungsstrukturen
herausgebildet, nicht zuletzt auch ein Patenschaftsnetzwerk der Bundeswehr. Denn auch dort
vertraten viele die Auffassung, dass denen, die die Einsatzrisiken mit deutschen Soldatinnen und
Soldaten geteilt hatten und ohne die insbesondere die Verständigung in Afghanistan kaum möglich
gewesen wäre, in bedrängter Situation geholfen werden müsse. Und für deren Integration wollte
man sich einsetzen.
Anlässlich der Vorstellung eines Buches der Bundeszentrale für Politische Bildung im Dezember 2019,
in dem die Rolle der afghanischen Ortskräfte dargestellt und gewürdigt wurde, brachte es einer der
Mitautoren des Buches und langjähriger Bundestagsabgeordneter auf den Punkt: “(…) die
Schlüsselrolle der afghanischen Ortskräfte: Ohne sie wäre der Einsatz unmöglich und von
vorneherein aussichtslos gewesen. Mit ihrem Dienst für deutsche Einsatzkräfte meinten viele, ihrem
Land am besten dienen zu können. Sie nahmen dafür hohe Belastungen und Risiken in Kauf. Dafür
gebührt ihnen von deutscher Politik und Gesellschaft Aufmerksamkeit, Dank, Anerkennung nicht nur
verbal (…) sondern auch praktisch. Wo Ortskräfte von sozialen und existenziellen Einsatzfolgen
betroffen sind, an Leib und Leben, oft zusammen mit ihren Familien, da steht die Bundesrepublik
Deutschland (…) in einer selbstverständlichen Fürsorgepflicht. Das ist ein Gebot der Verlässlichkeit,
der Glaubwürdigkeit und auch der politischen Klugheit.“
Ähnlich sehen es auch US-Militärs: Ex-US-General David Petraeus hat sich zusammen mit der
Nichtregierungsorganisation No One Left Behind Ende April in einem Brief an US-Außenminister Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


3
Antony Blinken dafür eingesetzt, alle notwendigen Ressourcen aufzubieten, um die afghanischen
Ortskräfte aus Afghanistan herauszuholen, bevor die letzten US-Truppen das Land verlassen.
Zwar haben einige andere Truppenstellerstaaten, die z.T. schon vor langer Zeit aus Afghanistan
abgezogen sind, ihre Fürsorgepflicht für die Ortskräfte ebenso verstanden und einigen „ihrer“
Ortskräfte Aufnahme gewährt. Demgegenüber waren andere Staaten zögerlich und stehen nun
ebenfalls, wie die Bundesrepublik, vor der Situation, von Absichtserklärungen, die nicht eingelöst
wurden, zu wirksamen Verfahren zu kommen. Jetzt, wo der vorzeitige und bedingungslose Abzug der
US-Armee wie des deutschen Kontingentes die Risiken dramatisch erhöht hat, wäre ein anständiges
und großzügiges Verhalten der Bundesregierung mehr denn je nötig. Wie sollten sonst diejenigen,
die Unterstützerinnen in gefährlicher Situation zurücklassen, künftig erwarten können, als verlässliche Partner in allen Bereichen der internationalen zivilen und militärischen Zusammenarbeit angesehen zu werden? Angesichts der akuten Bedrohung bisheriger Ortskräfte an Leib und Leben und bezugnehmend auf die Wertegebundenheit deutscher Krisenengagements (s. Leitlinien „Krisen verhindern“ der Bundesregierung 2017) erheben wir eindringlich die folgenden Forderungen: Zügige und unbürokratische Aufnahme afghanischer Ortskräfte und ihrer Familienangehörigen parallel zum laufenden Abzug des deutschen Kontingentes. Öffentliche Verbreitung von Informationen über ein zu diesem Zweck vereinfachtes Verfahren für (ehemalige) Ortskräfte in Afghanistan. Verzicht auf Prüfungsprozeduren, die in der Praxis weitgehend unmöglich oder für die Antragstellerinnen unzumutbar sind.
Verzicht auf Ausschlusskriterien, die der Realität nicht gerecht werden, wie die Beschränkung auf
Personen, die in den letzten zwei Jahren als Ortskräfte tätig waren.
Berlin, 11.05.2021
Erstunterzeichnende
• Prof. Dr. Michael Daxner, Berater des afghanischen Hochschulministers 2003-2006, Leiter des
Afghanistan-Projekts im SFB 700 FU Berlin bis 2018
• Bernd Mesovic, Mitarbeiter von PRO ASYL a.D.
• Winfried Nachtwei, MdB a.D.
• Thomas Ruttig, Afghanistan-Analyst, UNSMA/UNAMA 2000-03, Stellv. des EUSondergesandten für Afghanistan 2003/04Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


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• Pfr. Albrecht Bähr, Sprecher der Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in
Rheinland-Pfalz
• Prof. Dr. Ingeborg Baldauf, Afghanistan-Forscherin an der Humboldt-Universität zu Berlin
• Dr. Hans-Peter Bartels, MdB 1998-2015, Wehrbeauftragter 2015-20
• bee4change e.V., Hamburg
• Hannah Birkenkötter, Mitglied des Bundesvorstandes der Deutschen Gesellschaft für die
Vereinten Nationen
• Prof. Dr. Thorsten Bonacker, Zentrum für Konfliktforschung, Philipps-Universität Marburg
• Eberhard Brecht, MdB und Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für die
Vereinten Nationen
• Dr. Doris Buddenberg, Leiterin des UNODC-Büros Afghanistan 2004-06
• Hans-Jörg Deleré, Neustadt-Pelzerhaken, DIPL.Bau-Ing. Straßenbau, als Sohn eines deutschen
Beraters des afgh. Ministeriums für Öffentl. Arbeiten in Kabul aufgewachsen (1951-57) und
2006-09 im Auftrag der GIZ und des AA in Afghanistan tätig
• Bernhard Drescher, Oberstleutnant a.D., Bundesvorsitzender Bund Deutscher
EinsatzVeteranen e.V.
• Detlef Dzembritzki, MdB i.R., Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten
Nationen
• Stefan Feller, Senior Adviser Auswärtiges Amt zur Kleinwaffenkontrolle, Leiter
Polizeiabteilung im Rat der EU 2008-12, Leitender Polizeiberater des Generalsekretärs der
Vereinten Nationen 2013-17
• Botschafter a.D. Dr. Karl Fischer, Stabschef United Nations Assistance Mission in Afghanistan
2001-04
• Marga Flader, für Afghanistan-Schulen e.V.
• Freundeskreis Afghanistan e.V., der seit 1982 Selbsthilfeinitiativen im Land fördert
• Alexander Gunther Friedrich, UN Executive Secretary (rtd)
• Thomas Gebauer, Mitglied im Kuratorium der stiftung medico international
• Rainer L. Glatz, Generalleutnant a.D., Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der
Bundeswehr 2009-13
• Kristóf Gosztonyi, Forscher und Berater internat. Organisationen in Afghanistan, z.Zt. Univ.
Osnabrück
• Angelika Graf MdB a.D., Ehrenvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus, Vorsitzende
des Vereins „Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen rechts“ und Ombudsperson der
Hilfsorganisation HELP
• Antje Grawe, UNAMA 2006, 2008-10 und 2018/19
• Marcus Grotian, Erster Vorsitzender Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte
• Heike Hänsel, MdB und Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten
Nationen
• Matthias Heimer, Militärgeneraldekan, Leiter des Evangelischen Kirchenamtes für die
Bundeswehr
• Generalleutnant a.D. Norbert van Heyst, 3. Kommandeur der International Security
Assistance Force (ISAF) in Kabul von 10.02. – 11.08.2003
• Dr. Haschmat Hossaini, Literatur- und Sprachwissenschaftler (Iranistik), Berlin
• Prof. Dr. Klaus Hüfner, Präsident a.D., Deutsche UNESCO-Kommission
• Dr. Margret Johannsen, Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und
Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)
• Jürgen Kanne, 2. Vorsitzender Afghanic e.V.
• Hans Peter von Kirchbach, General a.D. und ehem. Generalinspekteur der Bundeswehr
• Dr. Anne Koch, Forschungsgruppe Globale Fragen, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin
• Susanne Koelbl, Journalistin „Der Spiegel“, Initiatorin des Poetry Project mit afghanischen
FlüchtlingenInitiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


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• Tom Koenigs, MdB i.R., UN-Sondergesandter für Afghanistan 2006-07
• Karin Kortmann, Vize-Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZDK)
• Gerald Knaus, Gründungsvorsitzender European Stability Initiative (ESI), Wien/Berlin
• Prof. Dr. rer.pol. Dr. h. c. theol. Klaus Leisinger
• Dr. Kerstin Leitner, Beigeordnete Generaldirektorin, WHO, Genf
• Dr. Thomas Loy, Oriental Institute, Czech Academy of Sciences, Prag
• Daniel Lücking, Redakteur ND.Der Tag, Offizier ISAF Kunduz/Masar-e-Sharif, 2005-08
• Klaus Ludwig, Bundespolizeibeamter a.D., langjährige Erfahrung am Flughafen Ffm; seit 2016
ehrenamtliches Engagement in der Betreuung afgh. Flüchtlinge
• Eckhard Maurer, Kriminalhauptkommissar i.R., Garbsen, leitete 10 Jahre lang khyberchild e.V.
mit Projekten in Afghanistan
• Kerstin Müller, MdB 1994-2013, Staatsministerin im Auswärtigen Amt 2002-05
• Botschafter a.D. Bernd Mützelburg, Leiter Abteilung Außen- und Sicherheitspolitik im
Bundeskanzleramt 2002-05, Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes für Afghanistan und
Pakistan 2009-10
• Nanette Nadolski, Marketing- und Kommunikationsberaterin u. Afghanistan-Netzwerk bei
matteo e.V., Weichs
• Prof. Dr. Sönke Neitzel, Universität Potsdam
• Dr. Hannah Neumann, MdEP
• Prof. Dr. Christine Nölle-Karimi, Wien, Stellvertretende Direktorin, Institut für Iranistik,
Österreichische Akademie der Wissenschaften
• Karin Nordmeyer, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen
• Dr. med. Thomas Nowotny, Arzt, Stephanskirchen, Initiator http://www.change.org\nodeportation
• Johannes Pflug, MdB i.R., stellv. Sprecher für Außenpolitik der SPD-Bundestagsfraktion sowie
Vorsitzender der SPD Task Force Afghanistan/Pakistan 2009-13
• Maximilian Pichl, Wissenschaftl. Mitarbeiter am Fachbereich
Rechtswissenschaft Goethe-Universität Frankfurt am Main
• Ruprecht Polenz, MdB 1994-2013, Vors. des Auswärtigen Ausschusses 2005-13
• Nadia Qani, Inhaberin des kultursensiblen Pflegedienstes in Frankfurt/Main und Autorin
• General a.D. Egon Ramms, Oberbefehlshaber Allied Joint Force Command der NATO in
Brunssum 2007-10
• Generalleutnant a.D. Friedrich Riechmann, erster Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr 2001-04
• Reinhold Robbe,MdB 1994-2005, Wehrbeauftragter 2005-10
• Dr. Lutz Rzehak, Privatdozent, Zentralasien-Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin
• Narwan Sayed, Hamburg
• Klaus-Hermann Scharf, Vorsitzender Fachbereich Zivile Beschäftigte im Bundesvorstand des
Deutschen BundeswehrVerbandes
• Niklas Schenck, Autor und Filmemacher
• Prof. Dr. Conrad Schetter, Professor für Friedens- und Konfliktforschung, Universität Bonn,
und Direktor des Bonn International Center for Conversion (BICC)
• General a.D. Wolfgang Schneiderhan, 14. Generalinspekteur der Bundeswehr 2002-09
• Wolfgang Schomburg, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und den UN-Tribunalen für
das frühere Jugoslawien und Ruanda
• Georg Schramm, Kabarettist (ZDF-Sendung „Neues aus der Anstalt“)
• Ulrike Schultz, Journalistin, Mitarbeiterin der Hanns-Seidel-Stiftung Islamabad und Kabul
2001-09
• Dr. Hans-Ulrich Seidt, Deutscher Botschafter in Afghanistan 2006-08
• Dr. Anja Seiffert, Bundeswehr-Forscherin, Leiterin für die sozialwissenschaftliche Begleitung
des Afghanistaneinsatzes seit 2009
• Kava Spartak, Berlin
• Dr. Rainald Steck, Deutscher Botschafter in Afghanistan, 2004-06
• Andrea Thies, European Police Mission in Afghanistan, 2008-15Initiative zur Unterstützung der Aufnahme afghanischer Ortskräfte


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• Uwe Trittmann, Studienleiter Evangelische Akademie Villigst / Berlin (Villigster AfghanistanTagung)
• Verband afghanischer Organisation in Deutschland e.V., Berlin
• Dr. Kira Vinke, Sprecherin des Beirats Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der
Bundesregierung
• Dieter Wehe, Inspekteur der Polizei NRW (2002-15) a.D., Vorsitzender der Bund-Länder
Arbeitsgruppe Internat. Polizeimissionen (AG IPM) 2002 -20
• Thomas Wiegold, Journalist, Berlin
• Dr. Almut Wieland-Karimi, Leiterin des Landesbüros Afghanistan der Friedrich-Ebert-Stiftung
2002-05
• Kathrin Willemsen, Unterstützer:innen-Initiative Oranienburg
• Ronja von Wurmb-Seibel, Autorin und Filmemacherin
• Oberstleutnant Andre Wüstner, Bundesvorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbandes
• YAAR e.V., Berlin
• ZAN e.V., Frankfurt am Main
• Massieh Zare, Bremen
• Prof. Dr. Christoph Zöpel, MdB a.D., Staatsminister im Auswärtigen Amt, 1999-2002

Stand 13.5.2021, 18:00

WIR HABEN DIES AN DIE ZUSTÄNDIGEN MINISTERIEN UND PARLAMENTARISCHEN STELLEN GESCHICKT UND DIE MEDIEN INFORMIERT:

MELDUNG IM DEUTSCHLANDFUNK HEUTE UM 9:30 an ERSTER STELLE:

Nach dem Beginn des internationalen Truppenabzugs aus Afghanistan wächst die Sorge um den Schutz der afghanischen Ortskräfte.

Afghanen, die als Dolmetscher, Wachleute oder Helfer unter anderem für die Bundeswehr tätig gewesen seien, fürchteten um ihre Sicherheit und ihr Leben, heißt es in einem Offenen Brief an die Bundesregierung, der dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ vorliegt. Zu den Unterzeichnern gehören rund 80 frühere Diplomaten, Bundeswehr-Führungskräfte, Politiker und Wissenschaftler. Sie fordern, diese Menschen und ihre Familien zügig und unbürokratisch in Deutschland aufzunehmen. Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hatte in dieser Frage bereits eine unbürokratische Lösung zugesagt. Sie empfinde es als tiefe Verpflichtung, diese Menschen nicht schutzlos zurückzulassen, erklärte die CDU-Politikerin per Twitter.

Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan hatte offiziell am 1. Mai begonnen und soll bis spätestens 11. September beendet sein. Bis dahin sollen alle internationalen Truppen das Land am Hindukusch verlassen haben.

Diese Nachricht wurde am 14.05.2021 im Programm Deutschlandfunk gesendet.

BITTE LEST AUCH

http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1694

UND ALLE AKTUELLEN MELDUNGEN BEI https://www.afghanistan-analysts.org/en/

Wir dürfen Afghanistan und den deutschen Anteil an der situation dort nicht vergessen. WEITERE INFORMATIONEN FOLGEN.

Abschiebungsheuchelei

Wieder zwei Abschiebungen nach Afghanistan.

Die offizielle deutsche Politik ist heuchlerisch und unaufrichtig: Menschenrechte, wo es passt – Der Urwald brennt, er brennt auch für unsere Fleisch- und Soja-Importe. Im Mittelmeer ersaufen Flüchtlinge, weil wir in Libyen nicht eingreifen, weil wir in der Herkunftsländern nicht wirksam helfen, weil wir Fluchtursachen verbal besser als praktisch bekämpfen. Und Menschen werden unter fadenscheinigen, oft juristisch nicht haltbaren Gründen, nach Afghanistan abgeschoben, nur um den rechten Pöbel im Land ruhig zu stellen (denn die Summe der Abgeschobenen ist im Vergleich zu anderen Volksgruppen nach wie vor klein, aber mit dieser Politik verdeckt man das weitgehend gescheiterte Engagement der Bundeswehr in Afghanistan – da habe ich jetzt fast 20 Jahre an den Entwicklungen räsonniert, um von Zustimmung zur Kritik an diesem Einsatz zu kommen; das ist wichtig im Kontext, denn der Einsatz hätte tatsächlich Frieden bringen können, jetzt stehen die Taliban unter amerikanischem Schutz vor einer Wiederkehr). Es geht nicht darum, ob die Abgeschobenen Straftäter sind (ich wünsche mir viele von denen dauerhaft hinter Schloss und Riegel, aber bei uns!); es geht nicht darum, ob Verordnungen und Ermessen von Behörden es erlauben, Integration und Schutz zu verweigern. Es geht darum, dass hier Menschen, die dem Tod entkommen sind – und der ist in Afghanistan überall – wieder in Todesgefahr zu bringen. (Darüber redet man heute weniger als je zuvor in der Vergangenheit). „
Seit der ersten Abschiebung im Dezember 2016 sind insgesamt 645 abgelehnte afghanische Asylbewerber nach Kabul gebracht worden.“ DLF 27.8.2019

Ich weiß sehr gut, dass man Seehofer & seinen Schreibtischtätern juristisch schwer ans Leder kam, es ist auch nicht einfach ein Inkaufnehmen von gewaltsamem Tod – das wäre ja Mord&Totschlag, sondern es ist die infame Volksberuhigung und -verdummung: wenn sie weg sind, sind sie weg.

 

Drei Fragen:

  • Und wenn sie dort einen gewaltsamen Tod finden?
  • Und wenn sie wiederkommen?
  • Und wenn sie vergessen werden vom Rechtsstaat Deutschland?

Seehofer braucht man nicht mehr zu kritisieren, der ist schon gerippige Kritik wie im Mysterienspiel. Aber unsere Menschenrechtspolitik soll nicht dauernd in die Ferne schweifen – was an sich richtig und notwendig ist -, wenn sie hier leicht machbare humanitäre Aufgaben nicht erfüllt. Alle afghanischen Diasporaangehörigen in Deutschland dauerhaft zu versorgen und zu integrieren kostet weniger als Scheuers betrügerische Mautverträge oder der BER. Am Geld soll humanitäre Politik nicht scheitern dürfen.

Sicheres Afghanistan

Bitte lest erst einmal

https://thruttig.wordpress.com/2018/05/01/angriffe-und-anschlage-allerorten-in-afghanistan-taz-online-30-4-18/

und verfolgt die zunehmende Sicherheit im Deportationszielland Afghanistan mit Spannung. Seehofer folgt der Linie seines Vorgängers de Maizière, auch wenn er keinen Migrationshintergrund hat.

Zu den Deportationen eine ergänzende Überlegung:

Das Innenministerium und die Deportationsbehörden in Bund und Land begründen Abschiebungen nach Afghanistan damit, dass „nur“ Straftäter, Gefährder und Identitätsverweigerer deportiert würden. Das ist eine wirksame Propaganda für die Bevölkerung, die auf diese Weise beruhigt wird: „anständige“ Migrant*innen und Flüchtlinge werden „ohnehin“ zur Zeit nicht nach Afghanistan deportiert. Man drückt ein wenig in Richtung auf „freiwillige“ Rückkehr, und hofft, dass wenigstens dieses Land aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwindet. Dass wir in Afghanistan andere Verpflichtungen haben als z.B. gegenüber Syrien, sollte klar sein. Für den ganzen Nahen und Mittleren Osten ist es wichtig, keine, absolut keine, deutschen Waffen zu exportieren und der Rüstungslobby das Maul zu stopfen. Afghanistan ist ein Land, in dem wir über viele Jahre Krieg parallel zur Aufbauarbeit geführt haben, für das wir Verantwortung und Haftung tragen. Ich hab das schon oft und genauer erläutert. Hier geht es aber um ein besonderes Problem: Straftäter, Gefährder und Identitätsverweigerer, aja, an denen darf man die Menschenrechte außer Acht lassen. Vielleicht hilft das, den alten Brauch der Deportation von Kriminellen Häftingen in die Kolonien modifiziert wieder aufleben zu lassen…Das Akzeptieren von Unmenschlichkeit ist oft eine Folge von selbstvermschuldeter Unmündigkeit, d.h. nichts zu wissen, nichts überprüfen zu wollen, seinen Vorurtneilen etwas subjektiven Freiheitsraum zu geben – sind ja nur Straftäter, vielleicht sogar Muslime, vielleicht sogar solche, die meine Familie und Freunde angreifen könnten. Natürlich wollen wir die gleichen Fragen nicht auf original deutsche Straftäter angewandt wissen, weil die ja Deutsche sind. Decouvrierte Unmenschlichkeit. Es wäre auch humanitär nicht zu verantworten, Seehofer & Co. nach Afghanistan zu deportieren, auch wenn das vergeltungssüchtige liberale Gewissensmodell das nahelegt: sogar Deutsche, ja, sogar Bayern, stehen unter dem Schutz der Menschenrechte…

Das ist keine Forderung nach Ausnahmeregelungen für irgendwelche Flüchtlinge, Ausländer oder nicht-identifizierte Personen im Geltungsbereich der Justiz und des Strafgesetzes. Aber mit den paar  Leuten werden wir noch fertig? (Oder? in unseren überfüllten Gefängnissen sitzen tausende, echt!, tausende Schwarzfahrer…)

Klärt auf über Afghanistan, lest AAN, und bedenkt: der Begriff der „Gefährder“ ist auch nicht konkreter als Erdögangs oder Assads „Terroristen“… Auch wenn Besorgnisse mancher Mitbürger*innen verständlich sind, muss man sie weder akzeptieren noch unkommentiert tolerieren.

Und dazu noch eine wichtige Ergänzung:

Thomas Ruttig
5 minutes ago·

thruttig.wordpress.com

Dazu jetzt noch eine Ergänzung von mir:
Der Blog POUYA – keine Abschiebungen nach Afghanistan! (https://ahmadpouyaistwillkommen.blogspot.co.uk/2018/04/spon-deutschlands-grotes.html?utm_source=feedburner&utm_medium=email&utm_campaign=Feed:+Pouya-KeineAbschiebungenNachAfghanistan+(POUYA+-+keine+Abschiebungen+nach+Afghanistan!) verwies gerade auf einen Bericht im Spiegel mit folgendem tendenziösen Titel und Unterzeile: “Deutschlands größtes Abschiebegefängnis: Morddrohungen und Randale/Häftlinge machen Krawall und greifen das Personal an: In Deutschlands größtem Abschiebegefängnis eskaliert nach SPIEGEL-Informationen die Lage.

Dazu kommentiert der Pouya-Blog sehr treffend u.a.:

“Spiegel-Online sehr einseitig in der Berichterstattung zum Artikel “Deutschlands größtes Abschiebegefängnis – Morddrohungen und Randale”

Allein die Wortwahl ist schon bemerkenswert, eher abwertend, gleich in mehrere Richtungen. Inhaltlich bekommt die geneigte Leserschaft den Eindruck, dass hier nur Schwerstkriminelle untergebracht sind. Es wird nicht etwa von Menschen geschrieben und schon gar nicht von den vorhandenen Hintergründen, die zu dem Verhalten führen, dass hier in Dauerschleife präsentiert wird.
Es wird von Insassen, von Flüchtligen, ja – von Häftlingen geschrieben. Wie bitte, Häftlinge, also echte Kriminelle, die womöglich längst verurteilt sind oder dies zu erwarten haben, wegen einer anhängigen Straftat. (…)
Abschiebehäftlinge dürfen bis zu ihrer Ausreise aus Deutschland nicht in normalen Gefängnissen untergebracht werden, sondern nur in speziell dafür vorgesehenen Einrichtungen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden.
Das Menschen in Gefängnissen untergebracht werden, die sich keines Verbrechens schuldig gemacht haben, ist eine sehr große Schande für die Bundesrepublik Deutschland. Es ist dem Staat wohl auch vollkommen egal, dass der (EuGH) dies längst untersagt hat. Wir dürfen uns also nicht wundern, wenn sich dort Emotionen hochschaukeln. Und es sei am Ende auch erwähnt, dass sicherlich nicht die Mehrzahl der “Häftlinge” kriminell und gewalttätig sind. Natürlich werden dort auch Menschen dabei sein, die sich einer Straftat schuldig gemacht haben. Umso schlimmer, wenn dann diese Menschen zusammen mit nicht straffällig gewordenen Menschen eingesperrt werden, die lediglich das Pech haben, kein Bleiberecht erhalten zu haben.”

Dazu, v.a. zum letzten Satz, mein Kommentar: das Bleiberecht unter wie auch immer prekären Bedingungen bedeutet für viele Menschen die Rettung des eigenen Menschenlebens. Diie Verwaltung dieses Rechts, die Verweigerung anderer Rechte (Familiennachzug, Teilhabe an Arbeit und Bildung….) muss sich auf die Herrscahft des Unrechts – die ihre Residuen auch im Rechtsstaat hat, nicht nur in Deutschland, auswirken. Von hier muss ein Reformimpuls ausgehen, der über Afghanistan hinausgeht.

 

Sterben in Kabul, schon vor der Wahl?

Deportationsminister de Maizière hat sich rückversichert. Das Auswärtige Amt, bisher zurückhaltend und vorsichtig – schließlich wurde eine Botschaft und ein Konsulat beinahe in die Luft gesprengt, – das AA also hat festgestellt, dass es für abgeschobene Afghan*innen gar nicht so gefährlich ist wie für Deutsche, die deshalb kaum mehr in Afghanistan sind und deshalb genau wissen, wie es in den einzelnen Provinzen zugeht.

Wahltaktisch klug setzt sich der Innenminister für das Abschieben derer ein, die hier ohnedies niemand mag, Gefährder, Straftäter und – solche, die ihren Namen nicht nennen mögen (was ja bei deutschen Menschen auch vorkommt; und wer das afghanische Namensrecht nicht kennt, wie die meisten Ministerialien, sollte hier aufpassen). Zwar hat die Botschaft kein Personal, die Deportierten zu empfangen oder gar zu betreuen, aber, wie gesagt, der Zwangsdeportierte kann ja im Volk diffundieren und wird sogar in Orten, die von den Taliban beherrscht werden, weniger gefährdet als z.B. deutsche (von denen fahren nur ein paar Desperados freiwillig nach Afghanistan, die andern dürfen zu Recht aus Sicherheitsgründen nicht da hin).

Unrecht wird nicht dadurch besser, dass man sich daran gewöhnt und andere Aktualitäten diese grenzenlose heuchlerische Unmenschlichkeit überbauen. Es werden jetzt in nächster Zeit nicht viele abgeschoben, es geht aber um mehr als ums Prinzip: wer den Tod von Menschen billigend in Kauf nimmt, obwohl man ihn gut verhindern kann, schadet auch dem Vertrauen in den Rechtsstaat hier im Land. Die Hermanns und Maizieres werden mit daran Schuld haben, dass die Verächter des Rechtsstaats weiter Aufwind verspüren.

Ich werde den Argumenten gegen die Zwangsdeportation nichts mehr hinzufügen. Thomas Ruttig und andere, darunter auch mein Blog, haben die Problem oft und genau dargestellt. Mir geht es um etwas anderes, genauso wichtig:

Die Situation Deutschlands in Europa und der Welt verführt viele Politiker*innen, nicht alle, zu einer fast unerträglichen moralischen Arroganz: Korruption – das sind immer die andern (VW und Autovorstände, Energiekonzerne, Glyphosat, Kohle, Presselenkung und Windkraftzerstörung in NRW …die Unschuldsvermutung für die Regierungen gilt nicht). Dass die berechtigte Kritik an der polnischen Demokratiezerstörung auch zum Nachdenken über unsere Wahlverfahren zum Verfassungsgericht führen könnten – Fehlanzeige. Dass alle Umweltzerstörung von Regierungsseite immer mit Arbeitsplätzen begründet wird, und manche Gewerkschaften hier plötzlich ganz neue Bündnispartner entdecken, ist pure Heuchelei. Dazu demnächst ein Blog. Aber, um auf die Deportationen zurückzukommen, es ist auch Heuchelei, wenn die Abgeschobenen mit den freiwilligen Rückkehrern in einen Topf geworfen werden, um darzustellen, dass ja für die Menschen keine wirklich Gefahr bestünde. Die beiden Gruppen haben wenig miteinander zu tun, und das kann man beweisen. Mich erbittert, dass man über Trumps Fake-News lästert, aber sich in Fragen überprüfbarer Realität, wenns um nicht-deutsche Menschenleben geht, derselben Methoden und unbelegten Annahmen bedient. Menschenrecht müssen Vorrang haben vor der Wahltaktik, und da geht es im konkreten Fall nicht nur um Deportationen nach Afghanistan, sondern in ganz viele Herkunftsländer, woher die Elendsten der Elenden kommen. Dass darunter auch ein paar sind, die besser in einem Gefängnis aufbewahrt würden, leugnet niemand. Aber die Flüchtlinge pauschal zu diskriminieren, ist unmenschlich und unklug: daran wird  man noch lange gemessen.

 

 

INTERVENTIONSGESELLSCHAFT

In eigener Sache, und doch nicht. Seit 14 Jahren bin ich in und für Afghanistan tätig. Hunderte Seiten Tagebücher, mehrere Forschungsprojekte, mehr als 30 Veröffentlichungen, und eine starke persönlich Bindung an das Land, seine Menschen und das Thema haben einen ganz anständigen Teil meines Lebens geprägt. Dabei hat mich quer zu den Disziplinen am meisten interessiert, wie eine Intervention  die Gesellschaft des intervenierten Landes verändert und die der Intervenierenden dazu. Das hatte ich schon im Kosovo die Anthropologie von Interventionen genannt. Nun habe ich – nachdem ich aus Sicherheitsgründen selbst nicht mehr nach Afghanistan fahre und mich mehr mit den Flüchtlingen und der Diaspora hier in Deutschland befasse – eine Monographie abgeschlossen, die das Thema der INTERVENTIONSGESELLSCHAFT theoretisch fundiert und anhand von AFGHANISTAN verdeutlicht. Ein Essay, der sich nicht mehr um akademische Konkurrenz oder Reputation kümmern muss und einen vorläufigen Abschluss meiner Arbeiten zu Afghanistan bildet.

Im Juni wird das Buch vorgestellt, dazu werde ich noch gesondert einladen. Man kann das Buch ab sofort bestellen, es ist in englischer Sprache geschrieben, um auch in den angelsächsischen Ländern Verbreitung zu finden.

AUS DER ANKÜNDIGUNG DES BIS VERLAGS DER UNIVERSITÄT OLDENBURG:

„Militärische Interventionen aus humanitären Gründen sind ein Normalfall internationaler Politik. Oft sollen sie Frieden erzwingen, wo ein Staat nicht mehr in der Lage ist, seine Konflikte zu regulieren; häufig dienen sie auch der Auswechslung von Regierungen, Verfassungen oder dem Schutz von Minderheiten resp. ausgegrenzten Teilen der Bevölkerung. Ich spreche nicht von Eroberungskriegen oder Gewaltmaßnahmen zur Ausweitung der eigenen Einflusssphäre, obwohl solche
Interessen immer auch eine Rolle spielen. Interventionen sollen Konflikte in einem Land beenden oder einhegen. Aber sie bringen auch selbst Konflikte mit sich. Aus diesen entstehen neue Gesellschaftsformen, die ich INTERVENTIONSGESELLSCHAFTEN
nenne.“

Michael Daxner
A SOCIETY OF INTERVENTION
An Essay on Conflicts in Afghanistan
and other Military Interventions
BIS-Verlag
Oldenburg 2017
263 Seiten
ISBN 978-3-8142-2358-2
€ 22,80
BIS-Verlag
der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Postfach 2541
26015 Oldenburg
E-Mail: bisverlag@uni-oldenburg.de
Internet: http://www.bis-verlag.de
A SOCIETY OF INTERVENTION
EINE INTERVENTIONSGESELLSCHAFT
Michael Daxner
A SOCIETY OF INTERVENTION
An Essay on Conflicts in Afghanistan and other Military Interventions

Ein Essay über Konflikte in Afghanistan und
bei anderen militärischen Interventionen

Informationen über die offizielle Buchvorstellung schicken wir
Ihnen gerne per E-Mail zu.
Ihre Rezensionen und Bestellungen schicken Sie bitte an:

E-Mail: bisverlag@uni-oldenburg.de
Internet: http://www.bis-verlag.de

Erscheint im Juni 2017

Michael Daxner:
„Deutschland war an der Schaffung einer sehr typischen Interventionsgesellschaft im Kosovo beteiligt (ab 1999) und hat sich massiv an der Intervention in Afghanistan nach 2001 beteiligt. Damit übernimmt Deutschland Verantwortung und Haftung für das intervenierte Land. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, was in der afghanischen Gesellschaft, aber auch bei uns geschieht, wenn wir uns an derartigen Interventionen beteiligen.
In Afghanistan können wir die verschiedenen Erscheinungsformen und Ausprägungen einer Interventionsgesellschaft besonders gut studieren. Die letzte Intervention, die dem Land hoffentlich eine stabile und friedliche Zukunft bringen wird, ist nicht die erste für dieses von Gewalt, Bürgerkrieg, Vertreibung, Flucht und Rückkehr gezeichnete arme Land. In meinem Essay beschreibe ich die Situation der GESELLSCHAFT, die in allen Teilen durch die Intervention betroffen und gezeichnet ist. Dazu entwickle ich ein Konzept von Interventionsgesellschaften, das ich dann für Afghanistan und andere Intervention umsetze. Nicht STAAT und Staatlichkeit interessieren mich dabei vorrangig, sondern das Entstehen einer neuen Form von Gesellschaft, an der die Intervenierenden ihren Anteil haben. Es ist eine Verschränkung und keine eindimensionale Herrschaft wie in Kolonialzeiten, obwohl die Machtverhältnisse natürlich nicht ausgeglichen sind.
Ich versuche unter anderem zu erklären, warum und wie eine neue Mittelschicht entsteht, die weder authentisch afghanisch noch importiert westlich ist, sondern eben „neu“ aus der Erfahrung von Gewalt und Krieg entsteht und sich von anderen Klassen, Eliten oben und Arme unten, absetzt. Dabei kommen Themen wie Urbanisierung, Säkularisierung und Widersprüche in der Kommunikation zur Sprache.
Ich nenne diesen Text einen Essay, weil er der Versuch ist, aus allen Disziplinen und Blickwinkeln zu argumentieren und sich nicht in eine fachliche Engführung pressen lässt. Es bleibt der Versuch, nach 14 Jahren Arbeit in Afghanistan und mit afghanischen Menschen eine Situation zu beschreiben, in der die gute Zukunft für das Land alles andere als gewiss ist.
Wenn militärische Interventionen den Aufbau eines neuen Staates begleiten, so können sie ihn doch niemals leisten, bestenfalls können sie helfen, das Gewaltmonopol dieses Staates zu festigen.
Auch die Entwicklungszusammenarbeit kann nur Beiträge leisten, aber einen solchen Staat nicht nach Plan befestigen. Eine friedliche Entwicklung kann es nur geben, wenn die Menschen für sie – nicht für uns! – gültige Antworten finden auf die Frage: Wie wollen wir leben? Ohne diese Antwort werden sie ihr Land verlassen oder wieder in Gewalt versinken.“

Aus dem Inhalt:
Es wird ein theoriegeleitetes und durch praktische Erfahrung angereichertes Konzept von Interventionsgesellschaften entwickelt. Dabei greift Daxner auf Forschungen im Zusammenhang mit der Langzeitstudie zu Sicherheit und Entwicklung des Sonderforschungsbereichs 700 an der Freien Universität Berlin zurück und baut auf jahrelange Vorarbeiten im Bereich der Konfliktforschung. Rückwirkungen von militärischen Interventionen auf die Diskurse zu Hause werden ebenfalls wieder aufgegriffen („Heimatdiskurs“).
Daran schließt sich die Frage, was die Intervention mit den Praktiken der Machtverteilung und Regierungsführung zu tun hat. Dabei geht es vor allem darum, die Anschlussstelle zwischen regelsetzenden Institutionen und der Lebenswelt der wirklichen Menschen, also der Bevölkerung, im Schatten der Intervention zu finden.
Ein großer Abschnitt zielt auf die neue Sozialstruktur; vor allem auf den Ersatz der alten Mittelschicht durch eine neue, junge, städtische Mittelklasse, die durchaus das Rückgrat gesellschaftlicher Erneuerung wird bilden können – oder aber den Rückzug in alte Strukturen antreten wird.
Es gibt keinen Bereich des Landes, in dem die Intervention nicht wirkt – sie hat die neue Gesellschaft tief imprägniert. Wir können das nur verstehen, wenn wir einen empathischen Blick auf die Lebensumstände der Menschen in Afghanistan werfen und ständig unsere Haftung als Mitglieder der Intervenierenden im Auge behalten.

Michael Daxner: A Society of Intervention
BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg | E-Mail: bisverlag@uni-oldenburg.de

ICH WERDE DIESEN BLOG SOFORT BEI ERSCHEINEN DES BUCHES AUF DEM MARKT AKTUALISIEREN. BESTELLEN UND REZENSIONSEXEMPLARE ANFORDERN KANN MAN JETZT SCHON.

Ich bitte auch Verrständnis dafür, dass einige Menschen diese Werbung mehrfach erhalten.

DEPORTATIONSWAHNSINN

 

Es hört nicht auf: am 27.3. wurden wieder afghanische Männer nach Kabul deportiert. Wie meine Leser*innen wissen, sind sie dort ungeschützt und in Gefahr, getötet zu werden, zu verhungern oder von enttäuschten Familienangehörigen misshandelt zu werden.

 

AFGHANISTAN IST NICHT SICHER

 

Der Hugenotte de Maizière, selbst Nachfahre von Flüchtlingen, WEISS DAS. Willfährige Informanten beraten ihn, wie er Afghanistan als sicher beredet. Ausnahmslos ALLE FACHLEUTE, die ich kenne, sagen öffentlich, wie unsicher Afghanistan ist. In den Ministerien hält man sich zurück. Aber auch dort wissen viele, dass man das Land nicht sicher reden kann; und aus menschenrechtlichen Gründen NICHT ALS SICHER VERKAUFEN DARF.

 

D

Warum niemand laut und öffentlich protestiert, fast niemand?

Weil leicht zu durchschauen ist, dass die Innenminister der Länder dem Deportationsminister de Maizière nicht in den Arm fallen, wenn er sich gegenüber der deutschen Rechten als tatkräftiger Volksreiniger betätigt (zeigen, dass man‘s besser kann als die AfD, und auf anderen Gebieten ja etwas weiter von den Nazis entfernt).

Auch deshalb gibt es wenig Widerstand. Denn verantwortungsbewusste Gerichte und viele Behörden, aber auch viele Ehrenamtliche, kümmern sich um die Flüchtlinge und sorgen dafür, dass sie einigermaßen über Runden kommen, hier, bei uns im Land des übergewichtigen Wohlstands.

Eine andere Frage ist, was mit denen geschieht, die Afghanistan auf ihre Chance warten, zu uns nach Europa zu kommen. Die meisten von ihnen sind sehr wohl informiert über den Fremdenhass der jungen Demokratien in Osteuropa und die Verhärtungen im gefestigteren Teil europäischer Demokratien. Sie wissen auch, dass sie bei den Menschen eher willkommen sind als bei den Regierungen. Sie werden kommen, weil wir die Grenzen nie dicht machen können, sie werden Opfer auf sich nehmen, und wenn die Deportierten in Afghanistan überleben, werden sie sich wieder auf den Weg machen. Dagegen hilft das Abkommen von Brüssel nicht.

Wir müssen mithelfen, den Menschen in Afghanistan mehr Zukunft zu geben. Wir haften dafür, nachdem wir uns mehr als zehn Jahre an einem Krieg zu Festigung ihres Landes beteiligt haben, aber die Gesellschaft dort etwas aus den Augen verloren haben. Entwicklungszusammenarbeit braucht nicht nur Geld – davon ist genug da – sondern auch eine koordinierte Politik – daran fehlt es, und an Vertrauen, dass die Afghanen mit unserer Hilfe besser umgehen könnten, ließe man sie denn. WIR bestimmen noch immer, was für die Afghanen gut zu sein scheint. Aber OWNERSHIP bedeutet, dass SIE mitverhandeln über das, für ihre Zukunft gut ist (Nicht einseitig Rentiersforderungen stellen oder sich abschotten). Nein, Afghanen können ihre Zukunft mit uns verhandeln. Dazu bedarf es der Bildung, des Vertrauens, des demokratischen Vorbilds – und natürlich unseres Geldes, ich denke, lassen wir es beim EUROPÄISCHEN Geld.

Der außenpolitische Sprecher GRÜNEN, Omid Nouripour, hat ein Fachgespräch am 27.3. veranstaltet, bei dem doch recht anschaulich klar wurde, dass alle Forderungen nach Ownership, Ermächtigung, guter Regierungsführung, materieller Unterstützung und Hilfe (nennt „Hilfe“ nicht Zusammenarbeit, wenn ihr nicht zusammen arbeitet) nach wie vor aktuell sind.

AFGHANISTAN DARF NICHT VERGESSEN WERDEN.

Das ist nicht nur die politische, sondern auch die moralische Haftung Deutschlands, auch eine Folge der neuen, größeren Bedeutung im globalen Spiel um Frieden und Krieg.

Bei dem Gespräch ging es um Korruption in Afghanistan. Mein Eindruck ist, dass es den Regierungen fast egal ist, was wir Expert*innen WISSEN, solange sie ihr HANDELN vor der Kritik der Öffentlichkeit schützen können und das alles nicht zu teuer wird. Es wird aber teuer, und es wird unsere Legitimität weiter belasten, wenn wir Menschen in dieses Land heute deportieren ohne ihm bei seiner Zukunft wirkungsvoll zu helfen.

SELBSTVERTEIDIGUNG:

Man hält mir, hielt mir auch gestern, entgegen: ich wüsste doch, wieviel Deutschland für den Wiederaufbau geleistet hätte; an manchem sei ich doch selbst beteiligt gewesen und noch immer beteiligt. Stimmt. Aber ich habe während dieser ganzen Zeit seit 2003 auch immer gewarnt vor amoralischen Staatsbildnerei an der Gesellschaft vorbei. Das Schicksal und Trauma der aus Afghanistan ankommenden Flüchtlinge hat auch damit zu tun. AUCH, nicht zur Gänze, nicht undifferenziert. Aber doch so sehr, dass eine Neubewertung nicht nur der Situation, sondern auch der Möglichkeiten, den 35 Millionen Afghanen beizustehen vorgenommen werden muss.

ZUR INFORMATION ÜBER DIE LETZTE DEPORTATIONSAKTION. Thomas Ruttig und ich wetteifern nicht in der Veröffentlichung dieser grausigen Wirklichkeit. Aber da wir zu denen gehören, die das WISSEN, was die Regierung nicht KENNEN will, ist es kein Zufall, dass wir oft parallel arbeiten:

Erstes Todesopfer: Afghane begeht wegen drohender Abschiebung Selbstmord/ Vierter Abschiebeflug gestartet (aktualisiert)

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Ein junger Mann aus Kandahar hat im bayerischen Haar nach Erhalt der Ablehnung seines Asylantrages Selbstmord begangen, berichtete die Müncher Abendzeitung heute. Der 20-Jährige sei seit 19 Monaten in Deutschland gewesen. „Er war traumatisiert und schwer depressiv. Er hatte eine unvorstellbare Angst davor, zurückkehren zu müssen“, wird eine Helferin zitiert. Laut Rechtsanwalt Gunter Christ habe „die Suizidgefahr [bei abgelehnten Asylbewerbern] dramatisch zugenommen… Es gibt immer mehr, die in Kliniken eingewiesen werden. Insofern ist es eine Art Suizidprogramm.“

Hier des AZ-Artikel weiterlesen.

Laut Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat – zitiert vom Bayerischen Rundfunk – sollen drei Flüchtlinge, die zuletzt in Baden-Württemberg gelebt haben, an Bord des Abschiebefliegers sein, außerdem zwei aus Hamburg – wobei einer von ihnen zuletzt in der JVA Mühldorf war – und zwei aus Bayern. In einem Fall hofft der Flüchtlingsrat noch auf eine Eilentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts.

[Aktualisierung 28.3.17, 10.00 Uhr: Laut Bayerischem Rundfunk waren diesmal 15 Abgeschobene an Bord, wieder weniger als bei den vergangenen Flügen. 34 waren es im Dezember 2016, 25 im Januar 2017 und 18 im Februar 2017 (mein Bericht aus Kabul zu letzterem hier). „Bei den Abgeschobenen handelte es sich ausnahmslos um allein stehende Männer. Einige von ihnen waren in ihrem Gastland auch straffällig geworden“, teilte das bayerische Innenministerium mit. Laut Welt beteiligten sich neben Bayern auch die Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Hessen sowie erstmals Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg an der Rückführungsaktion.

Einem dpa-Bericht aus Kabul zufolge sagte der Sprecher des Flughafens in Kabul, Mohammed Adschmal Faisi, die Ankunft sei ruhig verlaufen.

Die meisten Passagiere des vierten Fluges stammten zumindest nicht aus schwer umkämpften Provinzen, sagte ein Mitarbeiter des Kabuler Flüchtlingsministeriums, der ungenannt bleiben wollte. «Viele sind aus Kabul, andere aus Pandschir oder Parwan.» Einige kämen allerdings aus unsicheren Provinzen wie Wardak oder Nangarhar. Auf dem dritten Abschiebeflug im Februar kam etwa die Hälfte aller Passagiere aus umkämpften Provinzen wie Urusgan, Kundus oder Paktia. (…) Die meisten Ankömmlinge wollten nicht mit Medien sprechen. Viele wirkten müde oder wütend.

In dem Bericht hieß es auch, dass ein Mann aus Nangrahar, Obaid Ros, unter den Abgeschobenen gewesen sei:

Obaid Ros aus der ostafghanischen Provinz Nangarhar sagte, er habe sieben Jahre lang in Landshut gelebt. Er habe Arbeit gehabt und Computer repariert. „Ich habe keine Ahnung, wieso sie meine Asylbewerbung gestoppt haben“, sagte der 24-Jährige. Als er von der bevorstehenden Abschiebung gehört habe, sei er geflohen. Die Polizei habe ihn wieder aufgespürt und drei Wochen lang festgehalten. Er werde trotzdem versuchen, nach Deutschland zurückzugehen. „Hier gibt es keine Sicherheit, keine Arbeit, kein Leben“, sagte Ros.

Nach mir vorliegenden Information soll der Mann auch kurz vor der Eheschließung gestanden haben; nur die Beglaubigung eines Dokuments durch die afghanische Botschaft in Berlin habe noch ausgestanden.

Ein dpa-Foto von ihm hier.

Hier ein ARD-Video von Protesten von Abschiebegegnern in München.]

 

Zwei weitere Afghanen, die in einer Aufnahmeeinrichtung in Mühldorf untergebracht, haben ebenfalls Selbstmordversuche unternommen, überlebten aber. Beide sollen dem gleichen Bericht zufolge im vierten Abschiebeflug sitzen, der heute abend von München aus startete. (Der Bayerische Rundfunk bestätigte jetzt den Start des Flugs um 22.15 Uhr.) Und einer der beiden stand kurz vor der Eheschließung

Die Süddeutsche Zeitung berichtete dazu:

Der Bayerische Flüchtlingsrat erhebt massive Vorwürfe gegen eine Memminger Amtsrichterin sowie einen Klinikarzt in Wasserburg am Inn. Beide hätten sich zu „willfährigen Handlangern“ der Abschiebepolitik von Innenminister Joachim Herrmann gemacht, sagt Flüchtlingsrat-Sprecher Stephan Dünnwald. Sie seien eine „Schande“ für alle Vertreter ihres Berufsstands. Konkret geht es um zwei Afghanen, denen am Montag offenbar die Abschiebung drohte. „Eine Psychiatrie stempelt einen Suizidgefährdeten gesund, damit die Behörden den Betroffenen noch auf den Flug nach Kabul setzen können. Eine Richterin am Amtsgericht Memmingen stellt im anderen Fall einen Haftbeschluss aus, wohl wissend, dass ein anderes Amtsgericht erst vor wenigen Tagen festgestellt hatte, es liege kein ausreichender Grund für Abschiebehaft vor“, so Dünnwald. Stellungnahmen zu den Vorwürfen lagen am Montagabend noch nicht vor.

 

Bereits am Sonntag hatten in Mühldorf am Inn über 400 Menschen vor dem Abschiebegefängnis demonstriert – eine Zahl, die so nicht erwartet worden war. In Leipzig demonstrierten zuvor am Sonnabend afghanische Geflüchtete und Unterstützer gegen drohende Abschiebungen aus Sachsen. Am gleichen Tag wurde auch im bayerischen Neumarkt gegen die drohende Abschiebung eines jungen Afghanen demonstriert, der sogar einen Ausbildungsplatz hat.

Die Deutschen Welle berichtete über eine Schulklasse in Cottbus, die gegen die drohende Abschiebung dreier afghanischer Mitschüler mobilisiert, eine Petition gestartet und Geld für Anwälte gesammelt hat.

 

Pro Asyl hat unterdessen Pressebeiträge über Abschiebungsfälle gesammelt und verlinkt, die bereits lange Jahre in Deutschland lebten, gut integriert waren und häufig einen Job oder Aussichten auf eine Ausbildung hatten. Hier: „Jeden Monat ein Flieger in die Unsicherheit

 

AFGHANISTAN WIRD UNS NICHT LOSLASSEN

WÄHREND ICH AM  NÄCHSTEN BLOG GEGEN DIE ABSCHIEBUNG schrieb, hatte Thomas Ruttig schon dazu ein wichtiges und authentische Interview gegeben. Ich habe am Ende noch einen kleinen Kommentar angehängt. An meine Leser*innen und Followers: die ständige Wiederholung darf uns nicht daran hindern, gegen die Deportationspraxis des deutschen Innenministers und seiner Verbündeten zu protestieren und weiterhin die menschenrechtlich gebotene und machbare Politik mit afghanischen Flüchtlingen, Asylsuchenden und auch Rückkehrwilligen zu unterstützen.

Thomas Ruttig: https://thruttig.wordpress.com/2017/03/12/blanke-verzweiflung-in-afghanistan-interview-mit-publik-forum-5-3-2017/

Das folgende Interview führte die Zeitschrift Publik-Forum mit mir, auf deren Online-Seite es am 5.3.17 erschien. Blanke Verzweiflung in Afghanistan Interview: Markus Dobstadt Die Bundesregierung will weiter abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abschieben. Doch ein normales Leben ist dort nirgendwo möglich, sagt Thomas Ruttig vom unabhängigen Afghanistan Analysts Network. Er kennt das Land seit 35 […]

via Blanke Verzweiflung bei afghanischen Abgeschobenen (Interview mit Publik-Forum, 5.3.2017) — Afghanistan Zhaghdablai

Noch der Kommentar:

Natürlich lässt mich Afghanistan nicht los. Ich habe zu viel gesehen und zu viel darüber diskutiert, als dass ich jetzt ein neues Kapitel aufschlagen könnte. Es gibt zwei schwer erklärbare Tatsachen: die Frage, an welcher Art von Krieg wir bislang dort teilgenommen haben, ist fast verschwunden, wenn überhaupt, wird Afghanistan als sicheres Herkunftsland und Deportationsziel für den Innenminister eingestuft. Und die Frage, warum wir uns zwar mit Geld, aber nicht mit intensiver Politik dem zentralasiatischen Raum und vor allem Afghanistan zuwenden, ist mir auch schwer erklärlich.

Zunächst kann es nur darum gehen, weitere Abschiebungen nach Afghanistan zu verhindern und die Propagandashow von Minister de Maiziere, sich für jedes Gesicht am Deportationsflughafen als strammen Verteidiger deutscher Konsequenz feiern zu lassen zu beenden.

Aber wir müssen weiterdenken.

Zur Zeit sieht sich Deutschland in der komfortablen politischen Position gegenüber verschiedenen Formen moderner Tyranneien – Auch den USA unter Trump, Russland, der Türkei, den Philippinen usw. mit unterschiedlicher Interessenlage, laut, leise, empört oder diplomatisch, auf seinen funktionierenden Rechtsstaat, seine gesicherten Grundrechte, seinen Wohlstand und sein moralisches Gewicht verweisen zu können. Prima. Aber jeder Schritt weg von dieser unbezweifelten Realität bringt uns näher an die, die wir unter allen Umständen verhiundern und behindern wollen.

So ist es auch mit dem härteren Vorgehen, das der Herr de Maiziere ankündigt. Natürlich weiß auch er, dass er vielleicht ein paar Hundert rechtswidrig und unmenschlich in die Todesgefahr der erzwungenen Rückkehr befördern kann, aber er tuts um der noch schlimmeren AfD bei Wechselwählern das Wasser abzugraben und den „Deutschen“ zu signalisieren, im Zweifel geht Sicherheit (oder was ER davon hält) vor Recht und Humanität. Dieser linguistische Leisetreter ist kein Feindbild für mich, er ist nur der Repräsentant der moralischen Doppelzüngigkeit des christlichen Abendlandes. AFGHANISTAN IST NICHT SICHER, für niemanden, und auch er würde vielleicht, statistisch!, eine Fahrt über die Zugangsstraße zum Flughafen nicht unbeschädigt überstehen, wei so viele vor ihm. Er weiß, dass das LAND NICHT SICHER  ist, aber sagt es nicht. Soviel wie Ruttig müsste er doch längst wissen, wennseine Dienste nicht schon an einer Verschwörung gegen ihn arbeiteten oder gar selber nichts wissen.

Mir geht es nicht um Sonderbehandlung für Afghan*innen oder die Rhetorik des martialischen Ordnungsstaates. Mir geht es darum, die Gründe für Flucht und Asylbegehren nicht so zu verbiegen – Trumpische alternative Fakten – dass die Deutsche Mithaftung an der afghanischen Unsicherheit nicht mehr im Zusammenhang mit den Deportationen steht.

Das sage ich, der ich in einigermaßen intaktem Vertrauen mit Teilen des AA und der GIZ an humanen und humanitär wie rechtlich gebotenen Alternativen zur Deportationslogik des Maizière arbeite und keineswegs glaube, dass es keine friedlichen und zukunftsweisenden Alternativen für Afghan*innen in ihrem eigenen Land gibt.

Für Geld zurück in die Zukunftslosigkeit

STERBEGELD UND ABLASSHANDEL.  Afghanische Flüchtlinge werden abgeschoben, dafür gibt es Entwicklungshilfe für das unsichere Afghanistan. So einfach ist das? Nicht ganz.

„Salahuddin Rabbani, Minister of Foreign Affairs, told the house, “European countries told us: you should either receive our aid [in the form of aid] to Afghan refugees in our countries, or for development projects in Afghanistan; you can choose between these two options. They asserted very clearly that they cannot help Afghanistan in both areas.”  AAN 6. Oktober 2016. Bitte den ganzen Artikel lesen: EU and Afghanistan Get Deal on Migrants: Disagreements, pressure and last minute politics by Jelena Bjelica (https://www.afghanistan-analysts.org/eu-and-afghanistan-get-deal-on-migrants-disagreements-pressure-and-last-minute-politics/)

These

14 Jahre hat Deutschland in Afghanistan an einem Krieg mitgewirkt; man hat eine begründbare und vielleicht aussichtsreiche Intervention durch die Fehler der Amerikaner, eigene Fehler und wohl auch die der afghanischen Regierung in ein Desaster münden lassen, unbeirrt, unbelehrbar.

Jetzt werden ca. 50.000 Afghanen von der Europäischen Gemeinschaft, das heißt in diesen Tagen und im konkreten Fall aus Deutschland abgeschoben, damit man sich leisten kann, dem maroden afghanischen System weiterhin Geld  nachzuwerfen, damit man sich seiner moralischen und politischen Haftung entledigen kann. Es geht nicht darum, die Betroffenen wirklich abzuschieben, da ist der Rechtsstaat vor, sondern darum, neue Flüchtlinge abzuhalten. Und das ist nirgendwo leichter als mit einem Land, das dringend auf Hilfe, und nicht nur Zusammenarbeit angewiesen ist.

Abdullah Abdullah, der „CEO“ der afghanischen Regierung behauptet, es hätte keinen Deal gegeben. Mogherini behauptet, es hätte keinen Deal gegeben, Abschiebung gegen Entwicklungshilfe. Steinmeier, den ich sonst überaus schätze, fällt in die gleiche Rhetorik. Der Choleriker Erös wird als Eideshelfer benutzt: Afghanistan ist sicher, kein Krieg, nur ein paar Anschläge (5.10. DLF). (Wie sicher, kann man am besten in ausländischen Medien nachlesen, gerade jetzt in der INYT: „Voices from Afghans caught up in a worsening war“, 10.10.2016, S.7.

Klartext: wenn 50.000 Afghan*innen, darunter viele unbegleitete Jugendliche, abgeschoben werden, wird das für viele das Ende des Lebens oder ihrer Lebenshoffnung oder ihrer Emanzipation aus einem unerträglichen Lebensumfeld, oft schon jahrelang im Iran oder Pakistan,  armselig, oft als Minderheit bedroht, bedeuteten.

Was mit diesen Heimkehrern geschieht, ist ungewiss. Familien, die viel Geld in die Flucht investiert hatten, werden enttäuscht oder feindselig sein; Familien, die froh sind, ihre Angehörigen wieder zu bekommen, werden jedenfalls nicht besser leben als zuvor; wer abgeschoben wird, wird in die Arbeitslosigkeit, im Falle vieler Hazara und anderer Minderheiten auch in die Stigmatisierung geführt. Und wer politisch denken kann, wird die Verantwortung der Deutschen für dieses unnötige Drama erkennen – vielleicht wird das auch eine Gefahr für die wenigen Deutschen in Afghanistan, die aus ihren Bunkern dürfen. (Dieser Aspekt wird auffällig standhaft geleugnet, ich möchte nicht Recht behalten).

Von wegen sicheres Herkunftsland: es gibt keinen Ort im Land, der vor Anschlägen geschützt ist. Die Deutschen beurteilen meist die Lage aus den Sehschlitzen ihrer Hotelbunker oder den Treppenaufgängen gesicherter Ministerien (beide sind auch nicht wirklich sicher). Natürlich wird nicht jeder, der sich vernünftig bewegt und die Umstände erkennt, immer und sofort ermordet oder entführt. Erös vergleicht das mit den Verkehrstoten in Deutschland. So denken Realpolitiker ohne Moral und Verstand. Aber für die Abgeschobenen besteht Lebensgefahr, mehr noch als für die, die im Land leben.

Antithese

Es ist richtig, so viele Afghan*innen wie möglich abzuschieben, wenn sie keinen Anspruch auf Asyl oder Duldung haben (und dass die nicht zu viele werden, dafür kann man, wie man täglich sieht, sorgen). In Afghanistan herrscht der Normalzustand aufgegebener intervenierter Staaten: die Intervention (Besatzung, Militäreinsatz) hat ihre Ziele weitgehend verfehlt, jetzt haben die Lokalen die Verantwortung. Und aus der Haftung haben wir (die Intervenierenden insgesamt) uns doch mit hunderten von Milliarden Dollars herausgekauft (selbst wenn man militärische Ausgaben und Selbstschutz abzieht, bleibt eine gewaltige Summe).

Wir verkennen nicht, dass die Lebensumstände in Afghanistan nach wie vor schlecht sind, dass die Regierungsführung trotz aufwändiger deutscher Projekte nach wie vor nichts taugt, aber wo auf der Welt ist das anders? Man kann Deutschland nun wirklich nicht vorwerfen, dass es bei den humanitären und technischen Hilfen geknausert hätte; dass die Regierungen in Kabul weder Beratung noch Geld bekommen hätten, um ihre Governance, ihre Regierungsführung zu verbessern. Das müsste doch auch den aus Deutschland mit einem Reisepakt versorgten und stabilisierten Schubhäftlingen zugute kommen, die ja vielleicht sogar der darbenden Wirtschaft Afghanistans einen Impuls geben können. Eine Analyse der sozialen und kulturellen Kapazitäten der ankommenden Afghan*innen wäre dringend notwendig. Damit könnte man genauer auf den ambivalenten Wunsch der Regierungsmehrheit in Kabul eingehen, sehr wohl Abgeschobene zurückzunehmen und in eine wirtschaftliche Dynamisierung zu integrieren (und zusätzliche Leistungen zu erhalten). Und Maizière, Erös und andere Fachkundige wissen, von den Geheimdiensten und der Botschaft instruiert, wo es sicherer ist als anderswo, wo es unsicher ist und wohin man ruhig abschieben kann. Ich weiss es doch selbst…und Anschläge gibt’s bei uns auch.

Wenn wir die Afghanen abschieben, können wir den wirklich Hilfsbedürftigen besser helfen, und es wird ja schon geredet, dass man auch nicht alle Syrer behalten muss. (A8ußer denen, die in Sachsen die Aufgaben der deutschen Polizei erfüllen, so nebenbei).

Politik

Der Konstruktivismus lässt politische Entscheidungen nach normativen Maßstäben aktiv werden, die nicht einfach an der Oberfläche der Welt erkennbar sind, sondern gewollt eine bestimmte Richtung einschlagen. Z.B. Abschreckungspolitik, z.B. humanitäre Interventionen, z.B. menschenrechtsbasierte Außenpolitik usw. Es wird konstruiert, was nicht einfach aus der Situation und den Machtverhältnissen gefolgert wird, die ohnedies anarchisch und nicht geordnet erscheinen. Soweit für den Beratungstisch. Afghanistan war und ist eine Katastrophe in der Umsetzung an sich sinnvoller und vertretbarer politischer Aktionen. Nicht die Intervention hat die Katastrophe bewirkt, sondern die Fehler und Versäumnisse, die in ihrer Umsetzung und Politik bis heute geschehen. Deshalb ist der Abschiebungsdeal so unfassbar schäbig, weil er diese eigenen Versäumnisse damit zu tilgen scheint. Aber nichts bleibt auf Dauer verborgen.

Viele Afghan*innen sind keine Flüchtlinge, sondern Migrant*innen aus Not und Zukunftslosigkeit, viele flüchten nicht vor dem, was ist, sondern vor dem, was kommt.

Synthese

Der Deal Geld für Abschiebung ist dann ein Skandal, wenn man moralische und auch praktische Maßstäbe an Politik anlegt. Bezogen auf eine Beruhigung der deutschen Hysterie ist der Deal gut, weil er die bedenkt, die bei jeder Meldung über afghanische Krakeeler, Rechtsbrecher und Unangepasste auch ihr Unverständnis für das deutsche Engagement bestätigt sehen (für dieses Engagement habe ich selber mehr als zehn Jahre eher regierungsfreundlich gedacht und geschrieben, auch gearbeitet…).

Ein Versäumnis der deutschen Regierung: die Diaspora wurde nie ernsthaft in die Flüchtlingspolitik einbezogen. In den Ministerien weiß man über sie zu wenig und nicht immer das Richtige; die Kommunikation zwischen Asylbewerber*innen, Flüchtlingen, Migrant*innen und der afghanischen Bevölkerung wurde nicht tragfähig ausgewertet; hier könnte multikulturelle, friedensfördernde Kooperation liegen, die auch Rückkehrende vom Stigma der Deportation und Abschiebung ins Unerträgliche befreit.

Die deutsche Regierung haftet für genau die Lebensumstände mit, die es eigentlich verbieten, auch nur eine Afghan*in abzuschieben.

Nachsatz: das gilt natürlich auch für das gerade entdeckte „Afrika“ (das ist kein Land, sondern ein Kontinent, bitte).

29. Villigst Tagung: Afghanistan

Auf dieser wie immer hochkonzentrierten und ertragreichen Tagung hielt Dr. von Rennesse einen Einleitungsvortrag zur Geschichte der hundertjährigen afghanisch-deutschen Beziehungen. Dabei war besonders lehrreich, wie sich Konstellation – Freund, Feind, Spionage, kulturelle Idiosynkrasien etc. – auf das Bild auswirken, das Generationen später von einander haben. Ich habe seit Jahren von einem Afghanistan gesprochen, das wir in Deutschland „erfunden“ haben. Die Wirklichkeit ist oft eine ganz andere.

Das war mein Vortrag:

Staatliche und nichtstaatliche Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan

Villigst, 29. Afghanistan-Tagung 27.-29.11.2015

  1. Wie über Afghanistan sprechen?

Der Ort, das Thema und der Zeitpunkt unserer Tagung zwingen mich gleichermaßen zu einer Vorbemerkung: Villigst erfordert eine Tagungsethik, die ich als untaktische Diskursmoral bezeichnen möchte, die eine Rede weder opportunistisch noch politisch korrekt rahmen möchte[1]. Das Thema wird einem Vortragenden gegeben, der kein EZ-Spezialist, sondern Konfliktforscher ist, und entsprechend sich darauf eingestellt hat[2]; und ich spreche hier vier Tage vor dem Besuch des afghanischen Präsidenten in Berlin. Dies gibt Anlass zu reflektieren, welche Themen das weitverbreitete Desinteresse von Politik und Öffentlichkeit an Afghanistan unterbrechen oder umkehren können. Sicherheit und afghanische Flüchtlinge sind einfach zu identifizieren als Triggerthemen, aber was soll eigentlich bis 2025 mit dem vielen Geld, das auch Deutschland bereitstellen wird – oder nicht – geschehen? Dass Sicherheit in Afghanistan und Asylbewerber*innen und Flüchtlinge verknüpft werden, ist nur ein Teil des Problems. Deutsche Verunsicherung und eine recht ignorante Flüchtlingspolitik gehören zum anderen Teil, unserer Teilhabe an dem Problem.

  1. Die Ambiguität der Politik[3]

Der Innenminister meint, unser EZ Budget für Afghanistan sollte doch die jungen Menschen im Land veranlassen, nicht auswandern oder fliehen zu wollen. Die Meinung von de Maizière ist zwar inhuman, aber auch ehrlich: sie beleuchtet die These, dass man in den Zielländern Fluchtursachen mit EZ, mit einer zielgerichteten Geberpolitik verringern oder beseitigen kann. Für eine besser koordinierte Politik stellt sich die Frage, ob diese These auf die Ergebnisse von Tokyo aufgetragen werden kann und sich eine Gesellschaft damit auch ein Stück mehr und besser gesicherter Staatlichkeit wird schaffen können. (Nachtrag Februar 2016: Sechs Wochen später ist de Maizière in Kabul und bereitet die afghanische Regierung auf Rückführung vor, sichere Teilgebiete in Afghanistan phantasierend, die er „innerstaatliche Fluchtalternativen“ nennt. Zu Recht kritisiert schon einen Tag später die SZ (Stefan Klein „Krieg ist Krieg“ (2.2.2016) die Vorstellung es könne „sichere Gebiete“ in Afghanistan geben.Man kann sein Land lieben, Träume von Zukunft haben und dennoch fliehen wollen. Im Märchen heißt das „Etwas Besseres als den Tod findest du immer“, aber in Abwehrhysterie gegen die Opfer von Krieg und Not sehen das deutsche Politiker nicht so genau). In Afghanistan weird vor den Fährnissen des Asylbegehrens und der Ankunft in Deutschland gewarnt. Der deutsche Staat macht in Teilen mobil gegen die Flüchtlinge, wo die deutsche Gesellschaft in ihrer Mehrheit sehr solidarisch ist.

Das bringt mich zum Titel meines Beitrags, der mir bona fide aufgetragen wurde. Die Trennung von staatlich und nichtstaatlich ist in instabilen Gesellschaften und fragilen Staaten nicht so, wie wir die einfache liberale Gleichung aufstellen: Staat und Politik neben Gesellschaft mit Wirtschaft und Kultur. Natürlich stimmt dieses Modell auch bei uns nicht, aber es gehört fast zum guten Ton der Diskurse, das Modell immer wieder aufzurufen.

Der Staat Afghanistan wird fast zur Gänze aus externen Zuschüssen finanziert, dazu kommen wenig eigene Einnahmen und einige Remittenden. Staatlich und nicht-staatlich entscheidet sich dort nach Strukturmerkmalen, die im Wandel sind, als da sind Patronage, Urbanisierung, Wissensdefizite, Korruption, Ablösung älterer Schichten durch neuere Varianten, weite Scheren in den Vermögens- und Einkommensverhältnissen usw. Es wäre richtiger zu fragen, was von den Menschen jeweils dem Staat zugerechnet, angemutet oder verweigert wird. Das gilt auch für extern geförderte Programme, deren Ergebnisse tatsächlich unten ankommen, am Boden der Gesellschaft, in den Dörfern oder den informellen Randorten der Großstädte.

Damit zu meiner ersten These: Staatlichkeit ist in Afghanistan aus dem gesellschaftlichen Wandel zu verstehen, und erst in zweiter Linie aus der Systemebene und der Aussen- und EZ-Politik.

2.

Afghanistan ist eine Nachkriegsgesellschaft auf der Suche nach mehr Souveränität und einer tragfähigen Staatlichkeit, die durch gute Regierungsführung gestützt wird. Good Governance anstatt Good enough Governance ist eine Forderung, die als zweite These lautet: Die Ziele der Kooperation mit Afghanistan können nur auf einem Ansatz beruhen, der menschenrechtliche, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Dimensionen gleichermaßen in den Kontext effektiver Politik bringt. Davon sind wir aus mehreren Gründen noch weit entfernt. Hauptursachen des Ungenügens sind zwei akzidentielle Defizite und eine grundsätzliche Ambiguität:

Defizitär ist die mangelnde interne Koordination der EZ-Ziele in Deutschland, v.a.im Viereck AA, BMZ, BMVg und BMI. Und die Koordination der wichtigsten Kooperationspartner untereinander[4] ist nach wie vor schwach. Hingegen kann man Fortschritte innerhalb bestimmter Sektoren der EZ feststellen; ich werde das im zweiten Teil meines Vortrags am Beispiel von Governance4Afghanistan darstellen.

Defizitär ist aber auch die mangelnde Konsequenz von Good Governance auf der Ebene eines nachhaltigen außenpolitischen Konzepts (Menschenrechte, Demokratie). Good enough governance in diesem Fall, heißt, den Konflikt zwischen Menschenrechten und Ownership zu verstärken und im Zweifel über Ownership Abstriche an den eigentlich legitimierenden wertbesetzten Begründungen für unser Engagement zu machen. Hier besteht die Gefahr von Kollusionsregimen[5].

Die Ambiguität ist die Gleichzeitigkeit von Sicherheitspolitik und menschenrechtsgeleiterer Außenpolitik, die keine hinreichende normative Vereinheitlichung zulässt. Entscheidungen zugunsten einer Wahrheit fordern immer die Opposition der anderen Wahrheit heraus. Ich will das an de Maizières These erläutern. Wenn Afghanistan sicher genug ist, um abgelehnte Asylbewerber*innen und Immigrationswillige zurückzuführen bzw. sie gleich dort bei sich im Land zu behalten, dann sind Überlegungen zur Beibehaltung oder gar Aufstockung des internationalen Militärs aufgrund der nachweislich gestiegenen Unsicherheit eine starke Widerlegung seiner These. Aber Vorsicht: wenn trotz der Unsicherheit das Land im zivilen Bereich weiteren Brain Drain zu fürchten hat, um seinen wirtschaftlichen Umbruch weiterführen zu können, dann hat zumindest die Verbleibsthese ihren Sinn. Sie würde aber die besser gebildeten jungen Afghan*innen größeren Gefahren aussetzen als wenn sie über den Iran nach Westen sich absetzten. EZ Organisationen, nicht nur deutsche, haben aus der Unisicherheit Konsequenzen gezogen. Nach Entführungen und allgemeiner Unsicherheitslage hat die GIZ Personal reduziert, MsF hat ihr Spital in Kunduz gesperrt, die no-walking-Politik deutscher GO Mitarbeiter*innen führt zu einer wachsenden Entfremdung gegenüber der Bevölkerung, die wechselseitige Unkenntnis steigt und ist ein Sicherheitsrisiko. Umgekehrt: wie soll man friedlich weiterarbeiten, wenn man nicht ausreichend geschützt wird? Um geschützt zu werden, sollte dann die Resolute Support Mission ausgeweitet werden, um das Gewaltmonopol des Staates schneller und besser zu stärken? Das würde sicherlich im nichtstaatlichen Wirtschaftssektor, v.a. bei den Dienstleistungen, die Rechtsloyalität stärken, während es wahrscheinlich auf das Leben der Armen wenig Einfluss hat. Zugleich, und das ist für staatliche und nichtstaatliche Sektoren gleich wichtig, destabilisieren Reformen für gute Regierungsführung die Machtpotenziale und Einwirkmöglichkeiten der herrschenden Eliten, sofern diese nicht, in der Minderheit, selbst diese Reformen befördern wollen.

Ich erkläre die Ambiguitätsvermutung mit einer Metapher: Wie beim Wechselstrom oszilliert die gesellschaftliche Ordnung zwischen Krieg/Gewalt und Frieden/Demokratie, und ihre Entwicklungsrichtung ist kein nomineller Kompromiss. Man kann Politik eben nicht nur mit dem Plus- oder dem Minuspol begründen.

  1. Governance Forum Afghanistan

Welche Optionen, aus dieser Ambiguität zu entkommen gibt es? ich beschreibe nun ein Projekt, das die Ambiguität mitnimmt, aber nicht in ihr gefangen bleibt. Das Projekt heißt Governance Forum Afghanistan und soll einen nachhaltigen Dialog zur guten Regierungsführung zwischen deutschen und afghanischen Partnern herstellen, an dessen einem Pol Reformvorschläge entwickelt oder gemeinsam erarbeitet werden, an dessen anderem Pol diese aber auch umgesetzt werden. Dazu dienen u.a. Expertenteams von beiden Seiten, Workshops und offene Dialogveranstaltungen, aber natürlich auch die kritische Durchsicht von angestrebten Maßnahmen. Beauftragt und entworfen worden das Projekt von der GIZ, gemeinsam mit der KfW; bezahlt wird es vom BMZ, und durchgeführt wird es von einem Konsortium, das von AREU in Kabul und GOPA in Deutschland gebildet wird. Randbedingungen sind die neue Regierungskonstellation in Afghanistan unter Ashraf Ghani, die natürlich die ganze Ambiguität selbst auch erfährt; ferner die notwendige Verbindung der Handlungsebene zur jeweiligen politischen Ebene, was zur Zeit in Kabul sicher einfacher erscheint als in Deutschland; schließlich das starke, auch nachträgliche Legitimationsbedürfnis der deutschen Engagements in Afghanistan, zivil und militärisch, sowohl im exekutiven/parlamentarischen Raum als auch gegenüber der Öffentlichkeit. Damit natürlich im Zusammenhang stehen die bereits geplanten Gelder, die v.a. über das BMZ für den weiteren Aufbau des Landes vorgesehen sind. Nicht ohne Grund nennt sich dieses anspruchsvolle Projekt auch Think-and-Do-Tank, es möchte auf beiden Seiten Sichtbarkeit, Vertrauen und Bewusstsein von bzw. für gute Regierungsführung, also Reformen vor allem an der Staatlichkeit wecken. Zu den Randbedingungen gehören die oben genannten Defizienzen, sie können durch das Projekt im besten Fall bewusst gemacht und etwas abgebaut, aber nicht beseitigt werden.

Ausgangspunkt sind 6 thematische Schwerpunkte, die sich an bestehende Schwerpunkte innerhalb des GIZ/KfW Segments „Governance“ bzw. „Rule of Law“ bewegen:

– Subnational Governance

– Gender Related Budgeting

– Provincial Budgeting and Planning

– Civil Society Organizations

– Civil Service Sector

– Mining Sector Governance

 

Diese Themen werden, wie gesagt von Expertenteams ausgearbeitet und mit bestehenden Reformvorhaben aus Schlüsselministerien verknüpft. Zur Zeit arbeiten wir an der Verbindung der sechs Themen untereinander und der Vorbereitung neuer Themenfelder für 2016. Dabei haben wir jetzt bereits ein ursprünglich nicht beachtetes Feld – die afghanische Diaspora in Deutschland – begonnen zu bearbeiten. Ursprünglich im Dezember, nun im Februar 2016, wird es ein erstes binationales Forum in Kabul geben, das die Zwischenergebnisse festigt und dem Dialog neue Anstöße gibt. Das Ziel aller Dialoge und Foren ist theoriegeleitete Praxis, keine erneute und wiederholte wissenschaftliche Ausdifferenzierung, vor allem, wenn sie die angesprochenen Defizite selbst sorgsam umgehen muss. Ob das gegriffene Datum von 100 Jahren bei hinreichender historischer Genauigkeit hilfreich oder komplizierend sein wird, ist noch nicht entschieden. Sicher ist, dass das Projekt eine Menge von Übersetzungs- und Deutungsleistungen erbringen wird, wenn es für wissenschaftsgeleitete Politikberatung und praktische Umsetzungspolitik taugen will.

 

Zu jedem Thema kann ich einen Bezug zur Dichotomie staatlich/nichtstaatlich herstellen; einige Beispiele: in der Subnational Governance geht es darum, Partizipationsstrukturen an der Basis der Gesellschaft mit der staatlichen Vertikale der Macht in Verbindung zu bringen. Da sich die Intervention hauptsächlich in Projekten ausdrückt und diese durchaus auch von nichtstaatlichen Organisationen implementiert werden (NRO), ergeben sich interessante Muster der Wahrnehmung ebendieser und eine Erkenntnis: funktionierende Basisordnungen behindern nicht den Aufbau und die Governanceleistungen des Staates, sie führen oft sogar zu einem Bedürfnis danach (das widerlegt etliche frühere Hypothesen, wonach funktionierende Basispartizpation den zentralen Staat schwäche)[6]. Bei der Zivilgesellschaft stellt sich das Übersetzungsproblem besonders drastisch. Bei uns korrigiert die Zivilgesellschaft staatliche Politik, ist ihr legitimes Gegenüber; in Afghanistan ist die Zivilgesellschaft oft Substitut für ausbleibende staatliche Governance bis dahin, dass sie sich als Teil des Staates versteht. Das hat zum Beispiel ganz andere Folgen für die Schnittstellen Patronage und Korruption als in Deutschland die Nähe zu Lobbys oder zur politischen Opposition; ähnliche Konstellation gibt es im Bereich des öffentlichen Dienstes, bei den Bergbauproblemen gilt es, die öffentliche Beteiligung bis hin in die lokale politische Ökonomie zu bedenken … in vielen Themenbereichen haben wir erstklassige Fachleute mit viel Erfahrung in den Problemen und im Land. Aber, wie gesagt, Expertise allein genügt nicht.

 

  1. Größere Zusammenhänge und Ausblick

 

Diese Tagung hat mit einigen tiefschürfenden Einblicken in die Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan begonnen. Diese sind so wichtig für die heutige Diskussion, weil wir nicht 100 Jahre Freundschaft – kein politisch tragfähiger Terminus! – nur darauf bauen können, dass uns ein anti-britisches Ressentiment lange Zeit verbunden hatte. Die postkolonialen und ethnischen Residuen in der Beziehung sind ebenso irritierend wie die unterschiedliche Wahrnehmung der deutschen Regionalpolitik, also auch zu Pakistan und dem Iran, vor und nach 9/11, sowie natürlich im Rahmen der Intervention ab 2001. Auch gute und dauerhafte Beziehungen sind nicht so sehr von vergleichbaren Werten als von Interessen und übereinstimmenden Politikpraktiken bestimmt. Wenn die Modernisierung unter Amanullah Shah vor fast 100 Jahren neben der Türkei vor allem die Weimarer Republik als Modell herangezogen hatte, ist das viel ausdrucksreicher als die taktischen Bekenntnisse einer unsouveränen afghanischen Außenpolitik (und einer deutschen im Gefolge der US-Politik in der Region). Der große Zusammenhang ist, dass es uns in Deutschland, auch, aber nicht nur wegen unserer Geschichte, ein Anliegen sein müsste, eine andere, von Krieg und Gewalt verwüstete Gesellschaft, auf dem Weg in Freiheit und Selbstbestimmung zu begleiten und zu unterstützen, und hier nicht einfach auf das Gegengeschäft des guten globalen marktwirtschaftlichen Gewissens zu hoffen, das allerdings auch eine Rolle spielt. In vieler Hinsicht kann Deutschland ebenso wenig Vorbild sein wie es taugt, im Werte- und Verhaltensdiskurs abgelehnt zu werden, nur weil es „westlich“ ist. Aber beide Extreme sind anzutreffen. Das Geheimnis guter Zusammenarbeit ist immer die Praxis, fast nie das Wertekorsett oder die Religion. Die Praxis etwa der afghanischen Kulturschaffenden gegen oder außerhalb der recht konservativen offiziellen Normierungen macht große Hoffnung, ohne dass wir schon einen bikulturellen Handlungsboden gefunden haben. Die Praxis wissenschaftlicher Kommunikation kann sich leisten, nationale Engführung zu „überspringen“, d.h. sich in die globalen Strukturen der Universitäts- und Wissensreform einzubinden. Die wichtigste Praxis knüpft hier an: die Frage, wie wollen wir leben?, gilt für Afghan*innen und Deutsche gleichermaßen, aber sie ist dort schwieriger zu beantworten als hier. Und uneigennützige Hilfe beim Erlernen der afghanischen Gesellschaft durch sich selbst, und nicht als Ergebnis unserer Meinungen, sollte ein Beitrag unserer Zusammenarbeit sein.

 

Michael Daxner

FU Berlin SFB 700

Gossler Str. 2-4

14195 Berlin

Michael.daxner@fu-berlin.de

Senior Political Advisor

Governance4Afghanistan

Michael.daxner@gopa.de

+49 1741805837

 

 

Daxner M. (2014) (Ed.)^(Eds.) Deutschland in Afghanistan, BIS University of Oldenburg, Oldenburg. pp. Pages.

Daxner M. (2014d) Abzug aus Afghanistan – Vorschau auf ein neues Narrativ. Berliner Debatte Initial 25.

Daxner M. (2015) Afghanistan – vor dem Vergessen, nach dem Krieg, in: H. Buck (Ed.), Grenzüberschreitungen, V&R, Osnabrück.

Jochem T., Murtazashvili I., Murtazashvili J. (2016) Establishing Local Government in Fragile States: Experimental Evidence from Afghanistan. World Development 77:293-310.

Koehler J., Gosztonyi K., Böhnke J. (2013) Assessing Conflict and Stability in Afghanistan, Stanford. pp. 11-14.

Koehler J.K.G. (2011) Sub-district governance. Social engineering and local governance in north-east Afghanistan. Loccumer Protokolle:26.

Kühn F. (2014) „We are all in this together…“. Deutschland in der Ambiguität der Afghanistan intervention, in: D. Michael (Ed.), Deutschland in Afghanistan, BIS, Oldenburg. pp. 193-211.

 

 

[1] Einen Teil der Tagung hat Winfried Nachtwei zusammengefasst. www.nachtwei.de

[2] Vgl. neuere Zusammenfassungen: Daxner M. (2014) (Ed.)^(Eds.) Deutschland in Afghanistan, BIS University of Oldenburg, Oldenburg. pp. Pages, Daxner M. (2014d) Abzug aus Afghanistan – Vorschau auf ein neues Narrativ. Berliner Debatte Initial 25, Daxner M. (2015) Afghanistan – vor dem Vergessen, nach dem Krieg, in: H. Buck (Ed.), Grenzüberschreitungen, V&R, Osnabrück.

[3] Wichtige Studien zur Ambiguität und zu ihrer Bezugnahme auf Afghanistan hat Florian Kühn geleistet. Kühn F. (2014) „We are all in this together…“. Deutschland in der Ambiguität der Afghanistan intervention, in: D. Michael (Ed.), Deutschland in Afghanistan, BIS, Oldenburg. pp. 193-211.

[4] U.a. beim GTRT 5./6.11.2015 an der SWP 2015 wurde dies wieder ganz deutlich; ebenso in den Analysen von SIGAR in den USA (Vierteljährliche Berichte) und noch viel mehr in einem Alltag, den man als Forscher viel rücksichtsloser erfährt als es sich die Politik und oft die Medien leisten können. Und gersade bei uns, wo die Legitimation für bewaffnete humanitäre Einsätze schwach ist, werden bestimmte, unangenehgme, wenn auch frei zugängliche Informationen, oft marginalisiert.

 

[5] Das ist kein Druckfehler; häufiger sprechen wir Kollisionsregimen beim Konflikt antagonistischer Rechtsverständnisse und -ordnungen. Kollusion bedeutet (oft illegitime, fast immer illegale) pragmatische Kooperation bei unvereinbaren normativen Grundlagen der Akteure. Z.B. wenn im Rahmen der EZ man die Taliban bezahlt, um eine Straße durch ein von diesen beherrschtes Gebiet zu bauen.

[6] Vgl. die Arbeiten von Jan Koehler (SFB 700) und Kristof Gosztonyi (Berghof), die seit Jahren an diesem Problem arbeiten. Z.B. Koehler J., Gosztonyi K., Böhnke J. (2013) Assessing Conflict and Stability in Afghanistan, Stanford. pp. 11-14, Koehler J.K.G. (2011) Sub-district governance. Social engineering and local governance in north-east Afghanistan. Loccumer Protokolle:26.; aber auch: Jochem T., Murtazashvili I., Murtazashvili J. (2016) Establishing Local Government in Fragile States: Experimental Evidence from Afghanistan. World Development 77:293-310.