Meine Sorgen und Rothschild

„Deine Sorgen möchte ich haben – und das Geld von Rothschild“, war ein running Gag in meiner Familie. Wenige Sätze haben mich bis heute bei der Beobachtung von Öffentlichkeit und Politik so beeinflusst.

In diesen Tagen geschieht seltsames: wenn monatelang die Ängste der Abgehängten anscheinend die Leitidee von Rechtfertigung von politischen Willensbekundungen oder sicherheitsrelevante Gesetzesverschärfungen bestimmt haben; dann geht es plötzlich, in der Agonie der Großen Koalition, um die Ehe für alle, in der Vorbereitung auf G20, im Aussparen von Konflikten mit anderen europäischen Partnern, und um die Verzögerung von Umwelt- und Sozialstandards. Man könnte aufatmen: endlich zur realistischen Politik – nicht einfach „Realpolitik“ – zurückkehren. Herstellung von Normalität?

Ich möchte aufatmen, dass die Republik wieder zur demokratischen Normalität auch in den herrschenden Diskursen zurückkehrt. Ich atme nicht durch, sondern halte den Atem an. Hinter all den genannten Themen und einigen mehr (Abschiebungen, Erdögan-Redeerlaubnis und inhaftierte Journalisten) verschwinden die Probleme. Thema und Problem sind nicht das Gleiche. Was sind unsere Probleme – ich reduziere sie jetzt auf zwei: Umsteuern in der Klimapolitik, so wie das à Hans Joachim Schellnhuber in der Perspektive 2020 genau beschrieben hat; und Abkehr von der Versicherheitlichung zugunsten einer menschenrechtlichen globalen Innenpolitik. Problem Klima: Überleben, mit allen Implikationen überschaubarer Zukunft, also dem Leben von Enkeln, ggf. Urenkeln. Es ist falsch, einen Kompromiss oder eine Versöhnung von Ökonomie und Ökologie zu suchen. Nicht weiter. Problem: Sicherheit gegen Freiheit. Es ist falsch, einen Kompromiss oder eine Versöhnung von S und F zu suchen.

Die Verkürzung auf zwei politische Foci ist eine Reduktion von Komplexität, die politische und gesellschaftliche Umsetzung aber eine gewaltige Erhöhung dieser Komplexität.

Ich habe dafür zwei Leitvorstellungen: zum einen die These, dass die Probleme leichter zu lösen sind, wenn sie von supra-nationalen Verbänden und Verbünden durchgeführt werden (also UN, EU, auch NATO, und die entsprechenden Ansätze im globalen Süden). Zum andern die tatsächliche Umverteilung des vorhandenen Reichtums auf so viele Mitwirkende und Mitbestimmende wie möglich.

Ein solches Argument hat nicht, zu keinem Zeitpunkt, andere Probleme aus den Augen Verloren: Ernährung, Gesundheit, Bildung und Kultur, Habitat etc. Aber keines dieser Probleme ist ohne den Kontext zu Klima und Freiheit auch nur zu diskutieren, geschweige denn zu lösen.

Das ist nicht abgehoben: nehmen Sie nur das Problem weltweiter Flucht und Migration: wenn alle Fluchtgründe analysiert werden, sind die beiden Hauptprobleme immer präsent.

Dazu ist es notwendig, dass das nationalstaatliche Gewaltmonopol auf die supra-nationalen Institutionen übergeht. Und dass der öffentliche Raum ausgeweitet wird, damit die Mitwirkung der Menschen besser möglich wird (also, dass Politik gemacht wird und nicht nur öffentliche Güter besser verteilt werden).

Die Durchsetzung hängt nicht nur am Willen von Instanzen, die die Macht haben, diese Probleme normativ durchzusetzen. Solche Macht sollte in der Lage sein, die Durchsetzung sanktionsbewehrt zu erzwingen, d.h. ggf. Gewalt anzuwenden, wobei die Grenzen genau im zweiten Problem angesprochen sind: Das kein Plädoyer für Gewalt, es sagt nur, dass Frieden als Folge der Lösung der beiden Problem nur das Ergebnis der Konfliktregulierung sein kann; und wenn die sich den beiden Problemen verschreibt, ist auch Gewalt eine von vielen Instrumenten. Je mehr der Rechtsstaat anerkannt wird, desto gewaltärmer kann die Durchsetzung zB. von Gesetzen erfolgen (z.B. Abschaffung von Kohlekraftwerken gegen den Widerstand der Kohlenlobby etc.). Die Analogie zu früherer legitimer Gewaltanwendung kann z.B. an der Dekolonisierung gezeigt werden. Und ein Hinweis: wer die Zeile boykottiert, ist nicht einfach ein Spoiler, sondern hinter ihm stehen Interessen).

Diese Interessen zu erkennen und ihre Stoßrichtung gegen die beiden Ziele deutlich zu machen, ist eine Frage der allgemeinen Bildung und der aufgeklärten Reflexion und Information. Womit wir wieder bei der Freiheit wären.

So etwa sähe mein Wahlprogramm aus, das alle Ressorts einer Regierung den beiden Zielen zu- und unterordnet. Mein Sorgen, das Geld ist da.

 

 

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