Unterwerfung 2

Warum „2“?

Ich wollte gerade diese Woche einen Blog schreiben, der auf Michel Houellebecqs „Soumission“ (=Unterwerfung) anspielt und die Achtlosigkeit oder deprimierende Hohlheit der wertebasierten pragmatischen Konsense unserer politischen Ökonomie und unserer Leitkulturen angreifen sollte.

Nun hat meine tägliche Zeitung  #1, die Süddeutsche (ja, das ist Werbung), heute, am 27.1.2018, ihre Themenseite „Unterwerfung“ übertitelt. Darin geht es zu Recht gegen die miesen internationalen, auch deutschen, vor allem deutschen „Wirtschaftsführer“, wie sie sich in der Kloake von Trump regenerieren und demütigen. Würde das österreichische Wort „Oaschkräuler“ nicht auch zu Trumps Repertoire gehören, hier passte es.

Nun wollte ich nicht nur diese ökonomischen Feinde angreifen, sondern auch die Politiker selbst, deren Unterwerfungsgesten eine neue Normalität geschaffen haben. Die AfD sei demokratisch gewählt, deshalb dürfe man sie nicht von den Ämtern der demokratischen Republik – genauer: des Parlaments – fernhalten. Wie wurde die NSDAP gewählt, vor 1933? Wie wurde in der UdSSR gewählt und was geschah dann in deren Akklamationsgremien? Die Unterwerfung in Wien ist famos, auch die Unterwerfung unter Wien. Da regieren die Nazis mit, und es reicht, wenn sich ihre Sprecher verbal von der Judenvergasung distanzieren, dass diese weitgehen d unbehelligt im Kreis ihrer zerhackten Gesichter – hier passt Nahles „Fresse“, nicht auf die deutsche Regierung – und irgendwie wird der Herr Kurz mit seinen Kumpanen Orban, Kaczinsky, Zeman usw. ein Teil der europäischen Normalität. Ganz sanft ging Frau Merkel mit dem Jungführer um, so sanft wie Gabriel mit dem türkischen Diktaturboten, wie…Hier kann man Normalität auch mit Mehrheit übersetzen, und sich zu Europa zu „bekennen“ hat den fatalen Beigeschmack, den alle hohlen Gesinnungsbekundungen haben (christlich, sozial, demokratisch etc.). Niemand ist davor gefeit.

Unterwerfung ist eine fatale Form von Versöhnung mit der Realität.

Nach Houellebeqs ultra-realistischer Projektion ist mir aufgefallen, wie sehr in der Abwehr islamischer Autokratie und Dogmatik vor allem bei unseren Rechten, aber keineswegs nur dort, die heimliche uneingestandene Sehnsucht nach Fremdführung besteht. Nicht nach illiberaler Demokratie, die Orban stinkt, sondern nach Diktatur. Wenn nur endlich Ordnung herrscht und man sich ihr unterwerfen kann, solange der eigene Status nicht angegriffen wird und man nicht schlechter lebt als vorher.

Heute ist der Gedenktag an die Befreiung von Auschwitz. Überlebende wurden gerettet und befreit, es wurde Zeit, die Ermordeten zu betrauern (im österreichischen FPÖ Liederbuch will man die siebte Million Juden vergasen….). Die Meinungsfreiheit ist oft unerträglich expandiert, und ich denke, dass diese Freiheit missbraucht wird, wenn sie nicht mit Denken und Handeln verbunden wird. Es wäre zu platt jetzt sagen: Auschwitz sei noch nicht zu Ende. Aber da ist etwas daran. Die Vorbereitung einer selbst-induzierten Vernichtung geht immer mit der Abschaffung von moralischen, ästhetischen und pragmatischen Handlungsmustern einher. Trump zeigt das deutlicher als Putin, aber die neuen Diktatoren sind sich da einig.

Was ist der Widerstand gegen die Unterwerfung? Nicht unbedingt Empörung (Hessel), nicht unbedingt Ärger (Kabarett), schon gar nicht Replik mitgleichen Waffen. Also: Widerstand erwächst aus der Bildung neuer Kollektive der Verweigerung, und kann dort ansetzen, wo die Endprodukte der autoritären Regime an die Menschen gebracht werden sollen: materieller und intellektueller Boykott. Das bedeutet sich Bloßstellen, gewiss. Das macht angreifbar. Aber so schwach sind unsere Institutionen noch nicht – in Deutschland oder in Österreich, selbst in den USA – dass man das nicht auch einmal bei Gericht und in den öffentlichen Medien durchfechten könnte.

Mäßigungstheorien sind schön: wenn man die Verbrecher lange genug an der Macht lässt, dann werden sie zahmer. Wenn sie nicht zutreffen, ist es zu spät. Und wenn, dann nicht, weil die Theorie richtig war, sondern weil der Widerstand die Gewalt abschwächt.

Bitte lest noch einmal den Antisemitismus-Blog. Und: http://orf.at/stories/2424055/2424056/

Und recherchiert selbst, wie sich der FPÖ Innenminister Kikl Konzentrationslager für Flüchtlinge vorstellt. 2018.

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