Dass wir uns wehren müssen, wenn wir nicht bedauernd auf eine mögliche gute Welt zurückschauen wollen, ist klar. Dass Widerstand nicht im Zurückschlagen oder Zurückschimpfen gegen den Aggressor sich erschöpfen darf, wissen wir. Dass wir nicht nobel schweigend oder schmollend aufgeben und dann als Helden des inneren Widerstands gefeiert werden wollen von post-humanen Geschichtsrobotern des absterbenden Planeten, kann man verstehen. Panik hilft nicht, und Trotz lassen wir den Kindern.
Da kann man ja Hamlet lesen: (3/1; und muss sich nicht fragen: „Sterben – schlafen“?.
… Daß wir die Übel, die wir haben, lieber Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll, Ich habe diesen Satz absichtlich hervorgehoben. Wir wissen, dass es ohne Handlung nicht geht, d.h. nicht ohne hektische Betriebsamkeit der Helikopterbourgeoisie, sondern ohne Politik. Wir wissen, aber wir tun nichts entsprechendes, weil wir falsche Rücksicht nehmen auf das, was wichtiger erscheint als überleben. Wir ertragen oft die Übel, die wir haben, weil wir von neuen, unbekannten erwarten, dass sie schlimmer sind oder weniger vorübergehend… Zur Politisierung schlage ich unter anderem einen Weg vor, den uns exemplarisch Thomas Assheuer in der Zeit demonstriert. Man kann Trump psychpathologisch erklären, aber man kann auch die Politik ableiten, die seiner Person, dieses sexistischen Hampelmanns gar nicht bedarf. Ideologie wirkt. (à ZEIT Online: Donald Trump: Das Recht bin ich Donald Trump revolutioniert die Weltordnung. Eine konservative Kaderschmiede, die den Philosophen Leo Strauss verehrt, liefert ihm dafür die passenden Stichworte. Thomas Assheuer 21. Mai 2018. Ihr lest mal wirklich Leo Strauss[1] und die Herrschaftsideologie eines emigrierten jüdischen, klugen Menschen; dieser fleischgewordene Widerspruch – lest auch sein Verhältnis zu Hannah Arendt! – hat eine „Schule“ begründet, à Claremont, und deren Philosophie wird heute Politik, verkörpert durch Trump (aber vorher schon durch andere und bei anderen, sucht sie euch aus. In einer provozierenden Direktheit hat der Kritiker Linken, der er davor verbunden war, die Paradoxien der Leo Strauss- und Neo-Con Ideologie, aber auch die der agnostischen Zionismus- und Religionspolitik der USA aufgezeigt (Rudolf Burger, 2004, 83f.)[2].Ich knüpfe hier an, nicht ohne die andere Seite der Trump-Politik als notwendig komplementär zu benennen: dass er der Führer ist, indem er nur eine Klientel und sich selbst bedient, und die genannten Herrschaftstheoretiker in sich „erkennen“ lässt, obwohl er von ihnen nichts, gar nichts weiß und versteht. Aber das steht auf einem andern Blatt. Trump beschleunigt nach dem Führer-Prinzip, was wahrscheinlich ist. Finis terrae. Es geht um das Bewusstsein, das uns eine so schreckliche Wirklichkeit präsentiert, dass wir mutlos werden: wer will denn gegen die angehen? Nur angesichts der wahrnehmbaren Herrschaft wird man mutlos und feige, weil sie übermächtig erscheint, so wie früher Gott (mit Blasphemie konnte man den ja nicht loswerden). Die Welt als eine von Lobbys verwaltete und durch Vorurteile im Bewusstsein verkleinerte ist ja nur eine Variante, die den Schrecken nicht an uns heranlässt. Natürlich sind die Monsantos, Kochs, Albrechts, Zuckerbergs….bis hin zum dörflichen Bauunternehmer oder Gewerkschaftsboss „stärker“ als jeder von uns. Und wir scheinen vor ihrer schieren Macht zu verzweifeln, als ob es um Goliaths gegen je einen David ginge. Aber wir wissen, wer und was sie sind. Siehe oben: Bewusstsein. Ich fürchte, dass wir instinktiv eher zur Unterwerfung als zum Widerstand neigen. Deshalb darf man sich auch nicht auf die Instinkte oder die stets stereotypen Charakteristiken konzentrieren, bei den Deutschen sowieso nicht, und jüdisch wird auch nichts draus. Das ist nicht einfach ein Seitenhieb, sondern ganz konkret gegen die Zivilisationskritik (seit Konrad Lorenz explizit bis zur Vergasung à Konrad Lorenz[3]: das Problem ist, dass viele in Höckes und anderer AfD-Nazis den Kontext gar nicht mehr erkennen) und gegen die Identitätspolitik nicht nur der AfD, sondern fast aller politischen Gruppen bzw. Flügel von ansonsten akzeptablen Parteien. Wenns weder Instinkte noch Bewusstsein sein darf, was dann? Ist natürlich eine Falle. Das Bewusstsein wiederherstellen bedeutet zunächst, den Dreck von der Brille zu kratzen, und zu sehen, dass Überleben nie kostenlos war, und dass die Preise nun wirklich steigen. Diese Einsicht hat etwas ebenso Banales wie Unvermeidbares an sich. So, wie „Me too!“ ja nicht den Verzicht auf Begehren, Flirt und die Unvernunft des Körpers bedeutet, sondern deren Abtrennung von der illegitimen Ausübung von Macht; ebenso ist der Widerstand, den wir uns abverlangen müssen, nicht die Askese und eine ins Maßlose gesteigerte globale Mülltrennung, sondern Politik, bei der bestimmte Formen von Einschränkung mit verlängerter Lebenserwartung der Spezies kompensiert werden. Mehr ist eh nicht drin. „Ich stieg gern auf die Kampenwand / wann ich mit meiner Wampen kannt‘“. Dann halt mit weniger Wampe. Wir werden alle abnehmen, müssen, nicht wollen. * Was im Großen sich abzeichnet, ist im Kleinen oft zu erkennen. Man kann die globale Entwicklung an den Details gesellschaftlicher Entwicklung ablesen, die durch Verweigerung von Politik entstehen. Mit feinem Gespür nutzen die Nazis und andere Verweigerer genau die dadurch entstehenden Risse in der republikanischen Demokratie. Sie produzieren die Opfer, deren Status ihre Verweigerung legitimieren soll. (Herfried Münkler hat das für die Deutschen als Ergebnis des dreißigjährigen Kriegs so herausgearbeitet; ich folge ihm darin, setze aber ganz weit unten, bei viel geringeren Anlässen…warum man so gern Opfer ist? Erstens, weil man als solches keiner moralischen und politischen Norm wirklich sich meint unterwerfen zu müssen; und zweitens, weil man die Rolle des à Privileging the maginalized auf gesamtgesellschaftlicher Ebene dauerhaft spielen kann, nationalistisch zumeist: Beispiel Serbien…). In meinen Beispielen kann man das nachverfolgen: Drei Beispiele für Probleme, die allesamt lösbar sind, aber im Bewusstsein z.B. von möglichen weiteren Wahlniederlagen, Wohlstandseinbußen, Ärger oder Konflikten wird Lebenszeit schon der nächsten Generationen verkürzt und schneller beendet. (Das als Kritik an der GroKo wäre die Provokation einer politischen Kontroverse, die nicht in Ablehnung von Realpolitik durch die so genannten linken Flügel passt, sondern an die Substanz geht). 1. Kohle, Diesel, Fahrverbote. Opfer: Arbeitsplätze im Bergbau und der sozialen Umgebung; Autofahrer; Freiheiten durch Verringerung von Mobilität. Gegenstrategie: Für Versöhnung von Ökonomie und Ökologie (Blödsinn, nicht argumentationsfähig), Hinauszögern der Klimapolitik (Im Prinzip ja, aber im Detail noch nicht…erst die Lausitz retten); Diskriminierung der Ökologie; Korruption bis in die Bundesregierung hinein: Lobbyabhängigkeit von Ministern und Abgeordneten, Strafnachsicht der Justiz, Common sense schlägt Empirie (Dauernd das Argument, dass es soooo schlimm nicht sei). 2. Grundeinkommen. Opfer: wir alle, die wir arbeiten (müssen), um unser Leben weiterzuführen und/oder zu reproduzieren. Alle, die Gerechtigkeit wollen. Gegenstrategie: Vermischung bzw. Kopplung der Arbeitsunfähigen, der Arbeitsunwilligen und der Arbeitsgeschädigten. Hinweis: man könnte einfach und gerecht ein Grundeinkommen an gemeinnützige Arbeitspflicht binden. Sofort schreien da die Großopferkoalitionäre, das sei ja wie Reichsarbeitsdienst und Zwangsarbeit. Warum das nicht so ist, könnte man sofort erklären, auch wenn wir wieder Common sense gegen Moral und Empirie setzen müssen. 3. Asyl, Aufnahme, Wir versus Sie. Opfer: wir, wenn es ein Sie gibt. Wir alle, wenn wir „deutsch“ sind. Gegenstrategie: in Wirklichkeit geht es um nicht-weiße, nicht-getaufte, nicht-germanoglott redende, nicht-akkulturierte…Zuzügler, deshalb versuchen die Heimatidioten[4], die Nazis, die Leitkulturisten und andere, uns alle zu Opfern derer, die kommen zu machen.
Ich habe nicht willkürlich, aber auch nicht zwingend diese drei aus vielen möglichen Beispielen ausgewählt. |
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Jeder Auszug, jede Flucht, jede Migration… ist Widerstand gegen das, was schon da ist und nicht erträglich. Die Auffassung, alles andere wäre noch ärger oder unerträglicher, wird von denen vertreten, die mit an den Umständen, die zum Widerstand führen, beteiligt sind, sie mit verantworten. Was nicht bedeutet, dass wir mit der Opposition immer Rechthaben, auch wo wir im Recht sind. Sicher sind wir nirgends. Nur: wir schlagen nicht zurück, weil das bedeuten würde, dass wir uns mit Verhältnissen abfinden.
So wenig der Tyrannenmord mehr als dem Augenblick sein Sedativum gewährt, so wenig gibt es revanchistische Politik als gangbares Konzept politischer Selbstermächtigung.
[1] Der Wikipedia-Artikel gibt eine Vielzahl von Quellen an, die man berücksichtiigen muss, um zu verstehen, warum Strauss die Neo-Cons so inspirierte: https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Strauss
[2] Vgl. Rudolf Burger: Re-Theologisierung der Politik. Wespennest 134, 2004. Nachdruck im gleichnamigen Essayband, Springe 2005 (zu Klampen). 69-98. Mit Burgers Kritik muss man sich auf einer anderen Ebene auseinandersetzen, u.a. gegen die „Menschheitsretter“.
[3] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_Lorenz#Gegen_die_%E2%80%9EVerhausschweinung_des_Menschen%E2%80%9C. Eine ausführliche Übersicht zu Lorenz’ in wissenschaftlichen Fachzeitschriften publizierten Forderungen nach einer „Aufartung und Verbesserung von Volk und Rasse“ sowie seines Plädoyers für eine „bewußte, wissenschaftlich unterbaute Rassenpolitik“ hat Ute Deichmann in ihrem Standardwerk Biologen unter Hitler auf den Seiten 254–260 zusammengestellt. Im Vorfeld des Nobelpreises haben Norbert Roszenich und ich in den Grüften der Wiener Universität ein „verschollenes „ Manuskript gefunden, das zu den markantesten rassistischen Instinkttheorien führt: Durch Domestikation verursachte Störungen arteigenen Verhaltens. in: Zeitschrift für angewandte Psychologie und Charakterkunde 59 (1, 2), S. 2 – 81.).
[4] Zur Heimat schreibe ich viele und hoffentlich differenzierte Gedanken. Ich baue meine Thesen meist auf Blochs Prinzip Hoffnung auf und habe einen Heimatbegriff, in dem die Heimat nie wirklich in der Vergangenheit liegt, sondern immer erst wird. Die Heimatidioten sind die, die eine Heimat postulieren und aus der Vorhandenheit von festgelegten Bildern konstruieren (Beispiel: Kulturschutzgesetz; Beispiel: Seehofer).