Prüde, zur Sonne, zur Freiheit

Aufgrund eines seltsamen Bündnisses von strenggläubigen Leitkulturaposteln und gendersensiblen Korrektheitseliten hat die Bundesregierung mit der Zustimmung aller Parteien und vor allem dem Schamgefühl der Bevölkerung beschlossen, zusätzlich zur Sozialgesetzgebung endlich die Sexualgesetzgebung in die Hand zu nehmen und Sexualgesetzbuch zu verfassen. Kleinen Minderheiten gegen dieses Vorgehen steht natürlich im Rahmen der Meinungsfreiheit Widerspruch zu, der aber in züchtig angemessener Form vorzutragen und zu den Akten zu legen ist. Protest ist auch im Rahmen der sittlichen Priorität durch Veröffentlichung von Namen und Wohnort der Kritiker gesellschaftlich abzusichern.

Kerngedanke ist, die Sexualität, ein wilder Überrest der Evolution von Säugetieren, gegenüber der Zeugungsverantwortung des Homo Postsapiens abzugrenzen. Weshalb die Maxime lautet: Fortpflanzung darf nur in vitro und ohne direkten geschlechtlichen Kontakt zwischen den Elternteilen erfolgen. Leihmutterschaft ist zu begünstigen. Kinder, die durch die veraltete traditionelle Methode des –> Geschlechtsverkehrs gezeugt werden, sind entweder Halbmenschen i.S. der Wortwahl von –> Lewitscharoff[1], und damit vom Erbrecht ausgeschlossen, oder werden als Gefährder in Abschiebeprozeduren eingepasst, sofern ein oder beide Elternteile nicht deutschen Blutes sind.

Die Verhinderung geschlechtlicher Kontakte im Zusammenhang mit der erwünschten Vertiefung sozialer Bindungen schließt begehrensgestützte Kommunikation („Flirt“) aus. Deshalb  ist der zweite Grundsatz ein generelles Flirtverbot. Dies muss natürlich strafrechtlich ausgestattet werden, z.B. durch § 6969 StgB: „Wer mit anderen flirtet oder diese zum Flirten verleitet, oder sich verleitet dem Flirten hingibt, wird mit nicht unter zwei Wochen Rosamunde Pilcher bestraft“. Die sogenannte Anmache wird dann schnell ein Ende haben, und die verlogene MeToo! Debatte ebenfalls: die will ja nur den Missbrauch, aber nicht den Gebrauch der Geschlechtseigenschaften beenden und ist verkappter Feminismus, also ein Angriff auf die Manneswürde.  (Immanuel Kant: Ehe (matrimonium), das ist die Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften. (Metaphysik der Sitten I))[2] (Derselbe: Das Weib wird durch die Ehe frei; der Mann verliert dadurch seine Freiheit. (Anthropologie 2, B), Na, das ist ja eine Freiheit…Das sind doch schöne Aussichten. Aber wie kommen die beiden, Mann und Weib, von den anderen  gar nicht, zusammen? Ganz einfach: entweder durch unzugängliche Vorsehung und Geschick: Rousseau hat seine fünf Kinder mit Therese Levasseur eher durch die Enge der Umstände gezeugt und wohl deshalb ins Waisenhaus gebracht (wogegen ja nichts spricht?)[3] oder aber durch eine leitkulturgesättigte Politik, die zusammenfügt, was zusammen gehört. Steuerlich begünstigt wird hier nur die so genannte Initialehe, d.h. geheiratet wird die erste Kontaktperson, weil ja mathematisch jede spätere ohnedies nicht besser wäre (man kann hier auch ein Auswahlverfahren a la  Paris ins Auge fassen: bei seiner Wahl war ja Flirt auch nicht vorgesehen. Für Verfassungsrechtler ein weites Feld….).  Kontaktanbahnung entweder traditionell (landbesitzende Cousins/Cousinen) oder urban (man trifft sich vor der Sonntagsmesse und geht danach zu den Schwiegereltern) oder naturalistisch (Als sie am Morgen erwachten, war sie schwanger und er noch  da).

Die neue Verordnung reinigt endlich auch die Literatur: Ulysses, Lolita, Lady Chatterley, und ca. 5412  lieferbare Titel werden verboten oder in gereinigter Form (z.B. die Mutzenbacherin als Bambi und nicht nur wie Bambi) einem erwachsenen Markt angeboten (ab 23 Jahren, mit Leumund des Vaters). Geschlechtsteile und Augenwimpern werden im Film und TV geschnitten und durch Sinnsprüche ersetzt. Z.B. Matth. 5, 28: Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen (Textbibel 1899). Ist doch klar, senkt eure Blicke, und die Sittenpolizei wird euch wohlgefällig weitergehen lassen.

Die Verordnung wird weiterhin ein Verhüllungsgebot beinhalten. Das hat allerdings den Nachteil, dass man, wenn es nun zu einer Enthüllung kommen muss, zB. beim Autofahren oder beim Arzt, zu Überraschungen kommen kann, denen Menschen mit dem Flirtroulette – man flirtet sozusagen auf Verdacht – zu entgehen suchen, welches also auch bestraft werden muss.

*

Dafür habe ich euch am 11.11. um 11 Uhr einigen Spaß vorenthalten.

[1] „Nicht ganz echt sind sie in meinen Augen, sondern zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas.“ http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/lewitscharoff-ueber-kuenstliche-befruchtung-halb-mensch-halb-kuenstliches-weissnichtwas-12834554.html (26.11.2018)

[2] https://www.aphorismen.de/suche?f_rubrik=Aphorismen&f_thema=Ehe&f_autor=1993_Immanuel+Kant

[3] https://300jahrerousseau.wordpress.com/start/wer-war-therese-levasseur/, Zu diesem Problem sollte man weniger die formalen Biographen zu Rate ziehen als vielmehr Ludwig Harigs Kapitel: Rousseau und Therese Levasseur schlafen in einem Bett in: L.H. Rousseau – Der Roman vom Ursprung der Natur im Gehirn, München 1981 (dtv), 85-99

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