In Brandenburg regiert „rot“-„rot“. Man kann auch rot vor Ärger über diese Anmaßung werden, das „Regieren“ zu nennen.
Kohle mit Subventionen verrechnen, bedeutet für diese Regierung Sozialpolitik.
Politiker der zweiten Reihe beenden ihre Reden, wenn sie der so genannten Arbeiterklasse oder den Bergleuten zu Ende ihrer Berufslaufbahn oder den Bewohnern bestimmter Reviere ihre Reverenz erweisen wollen, mit einem herzlichen GLÜCK AUF!
(Die Assoziation zu einem zweisilbigen Gruß erspare ich uns, aber wenn schneidig gerufen, klingt Glückauf schon fatal…eben schneidig).
Die Klassentheorie des alten Marx war genial, aber sie ist etwas überholt. Lesen!
Die Klassentheorie des Marxismus, Marxismus Leninismus, Staatssozialismus oder der akademischen „Ableitungs“-Experten ist schlicht unsinnig, halbgar, praktisch unbrauchbar, auch wenn gut verpackt. Nicht lesen!
Neuere Variationen, wie die Theorien von Bourdieu, nehmen bei Marx auf, was noch trägt, und verbinden es mit einer Gesellschaftstheorie, viel weiter weg vom traditionellen Herrschaftssystem, als Sozialisten dies wahrhaben wollten.
Um das alles zu verstehen, müsste man nicht die Klassenkonstruktion, sondern die Plattform untersuchen, die der ARBEIT ihren zentralen Platz in der Sozialanthropologie der Klassenpolitiker verleiht. Das würde mehrere Blogs sprengen. Aber so viel ist wichtig, auch im Moment:
Die unmittelbare Verbindung von abhängiger Arbeit mit der Würde „des“ Menschen ist so verquer wie weniges.
Das ist eines der Braunkohlenausstiegsprobleme: dass hier Arbeitsplätze verlagert werden, denen nicht mehr oder weniger Würde anhängt als anderen; pure Ideologie?
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Schauen wir einmal. Arbeit zur Reproduktion des eigenen Lebens und derer, die mit einem Leben: Genesis 3,19. Arbeitszwang als Strafe für die Freiheit der Menschen, da sorgt niemand mehr für das gute Tier, das im übrigen ja auch seine Nahrung suchen oder jagen muss, aber eben nicht als bewusst geplante Reproduktion. Das Internet quillt über von Interpretationen. Die Würde der Arbeit ist eine Konstruktion, die vor allem dem Selbstbewusstsein des unfreiwillig zur Arbeit angehaltenen Menschen dient. Nichts dagegen einzuwenden? Als Einführung sollte man lesen: Hannah Arendt, Vita activa, 3. Kapitel. Dabei interessiert mich der Aspekt der Flüchtigkeit des Arbeitsprodukts im Gegensatz zum dauerhaft Hergestellten. (Dann kann man zurück auf Marx‘ Gebrauchs- vs. Tauschwert greifen, muss nicht den Epigonen mehr Sinn abtrotzen). (Und im Nebensatz: „labour“) heißen im Englischen die Wehen von gebärenden Frauen (schaut euch die Bilder an: da arbeitet nicht etwas, sondern ein Mensch:
Schaut euch die Bilder an: da arbeitet nicht „etwas“, sondern ein Mensch: https://de.images.search.yahoo.com/search/images;_ylt=AwrLIwUM7ERcCSYAoh0zCQx.;_ylu=X3oDMTByZmVxM3N0BGNvbG8DaXIyBHBvcwMxBHZ0aWQDBHNlYwNzYw–?p=labour+women%27s&fr=mcasa .: ein Kind wird nachhaltig, und es muss ernährt und behütet werden…da ist kein Arbeitsplatz. Aber um das Kind durchzubringen, wird von den Eltern und anderen „work“ verlangt.
Würde erlange ich nicht schon dadurch, dass ich arbeite. Was diese Tätigkeit bewirkt und was sie herstellt, wirkt sich auf meine Würde aus (und nicht auf die zweifelhafte Ehre, Arbeiter zu sein). Und keineswegs allein, vielleicht dominant. Aber da gibt es noch anderes.
Unsere Komposita sind da zwiespältig. Lohnarbeit, Beziehungsarbeit, Sozialarbeit. Wenn die Würde um die selbstbestimmte Arbeit angeordnet wird, gar um das Kollektiv der Werktätigen, von dem auch nur Profit bleibt oder eben Autos und Kohlebrocken, wo bleibt da die Würde? Der abgekürzte sarkastische Gedanke: Wenn die Bergleute weiter so handeln, dass ihre Ergebnisse die Kraftwerke heizen, dann können sie vielleicht sich selbst oder ihren Kindern beim Ersticken zusehen? Nicht doch – was können die Kinder für Engheit ihrer Eltern und der IGBCh? Und die Kumpels sollen nicht schlimmer am Klimawandel leiden als die RWE und andere Aktionäre.
Daszwischen lese ich Konrad Schullers Reportage „Proschim und die Malediven“ (FAS 20.2019, 5). Da geht es primäre nicht um den Arbeitsplatz, sondern um Heimat gegen Heimat. Diese Begriffe werden politisch, wenn sie Lebenswelt beschreiben. Man sollte sie nicht zuordnen, bevor der Kontext klar ist. Dazu hat Robert Habeck ein großartiges, kleines Buch geschrieben: Wer wir sein könnten. Ein Buch über Sprache und Politik, nicht eines über Programme und Ideologie. In dem Artikel von Schuller ist alles drin, was wir zur Politik gegen die Kohle, gegen die blinden Herrscher über die Energie brauchen. Kohleausstieg – wie auch Verkehrsbeschränkungen und andere klimaschonende Maßnahmen – sind nicht von einer Komplexität, zu deren Reduktion es übermenschlicher Anstrengung bedarf. Das machen uns nur die Glückaufhampel vor. Wenn sie dir dein Dorf zerstören, weil ihnen der Wasserspiegel der Malediven so egal ist wie dein Garten, dann verdienen sie Reduktion, nicht das Problem. Heimat gegen Heimat ist dennoch kompliziert. Wer aus den falschen Gründen für den Dorferhalt ist, macht es nicht besser als beim Arbeitsplatzerhalt. Der eine scheint von rechts zu kommen, der andere scheinbar von links. Sie sind nicht gleich, aber gleichartig zu kritiseren und zu bekämpfen; zumal wenn sich der Arbeitsplatzinhaber im Dorf befindet, das ihm unter dem Hintern weggesteuert wird. Mit Subventionen in die Phantasielandschaft der Arbeitsplatzretter, seien das Ministerpräsidenten, Gewerkschafter oder Arbeitsgläubige.
Fahrt mal in die Lausitz.
Und wenn ich umgekehrt sage, dass Arbeit nur dann Würde verleiht, wenn etwas vernünftiges unter würdigen Bedingungen hergestellt wird, dann setzt das nicht nur Gerechtigkeit voraus, sondern auch ein menschenwürdiges Arbeitsumfeld. Würde trotz Sklavenarbeit? Würde trotz Zwangsarbeit? (die Würde der KZ Häftlinge, Arbeit macht frei! Die Würde von Ivan Denissowitsch im Gulag, die Würde von Onkel Tom? Nicht die Arbeit, sondern die Umstände bestimmen den Grad an Menschenwürde, der aus ihr kommt -und dann bekommt die Arbeiterbewegung und ihre Filiationen einen Anteil an der Würde durch Arbeit. Aber, siehe oben, keinen übergroße und keinen absoluten).
Den Kohleausstieg hinauszögern, damit wir alle früher sterben, ist ein zu hoher Preis für die Verlängerung der Fristen des Kohleausstiegs. Schellnhuber vom PIK oder die Grünen gehören zu den wenigen, die das wissen und vertreten. Und wo bleibt die Würde der Kumpel und ihrer Familien? Sofort aufhören, Kohle zu schürfen, morgen. Die einen sollen die montan zerstörten Landschaften restaurieren, hohe Stundenlöhne, immer über den Sicherheitsleuten im Flugverkehr. Die andern auf ihre Mindestsicherung setzen, 3000 € im Monat netto mindestens, bei den paar Tausend Bergleuten und Zulieferern fällt das nicht ins Gewicht, auch nicht über 10 bis 15 Jahre. Rechnet das mal zusammen….). Die Gesamtsumme erreicht bei weitem nicht die Gesamtheit aller korrupten oder unnötigen Beraterverträge der Koalition.
Wir haben so etwas schon mehrfach erlebt, mit dem Umbruch in der chemischen Indust rie, wo eine neue Generation die Kenntnisse der alten nicht mehr brauchte; mit der Digitalisierung; mit dem Verschwinden des Setzkastens bei den Druckern…aber die Symbolkrakeeler von Kohle (und Stahl?) bekommen einen Bonus. Der wird bei einem Abflauen der Konjunktur verschwinden, aber die Zechen werden nicht mehr aufgemacht.
Wie asozial, knurrt Herr Vassiliadis, im Chor mit den Glückauf-Männchen. Es gibt kein Zurück, nicht für die Lausitz, nicht für das rheinische Revier, nirgends. Ohne Kohleimport können wir das schnell schaffen. Schnell, wenn wir ganz viel unsinnige Energieverschwendung stoppen. (Analogien: Autoindustrie, Binnenflugverkehr, Klimaanlagen, Lieferschleifen usw.).
Wir büßen als Individuen einiges an tradierten Gebrauchswerten ein, mehr noch an Tauschwerten (auch Status, Bequemlichkeit, Adipositas und Trendhörigkeit gehören dazu…). Mir geht es aber um die Bergleute und ihre Familien. Sind die denn so verrottet, dass die die Argumente nicht hören wollen, oder steht das blödere Deutschland zu ihrer Befestigung Spalier?
Nein, ich habe nichts gegen die Hammer&Schlägel-Helden, die Steiger und Obersteiger, die Geretteten der Grubenunglücke. W ichtige Arbeit war das, aber kein gute. Über Jahrtausende. Auch die Würde der Vergangenheit darf gegenwärtig und politisch genutzt werden. Zukünftig gibt es da nichts würdiges, auch nicht ehrenvolles, nur die Mahnung umzukehren.
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Das Arbeitsplatzargument ist unsinnig. Output-orientiert können Zwangsarbeiterarbeitsplätze vielleicht mehr einbringen als tarifgebundene, so wie nicht nur früher Schichtarbeit sich dem Maschinentakt unterworfen hatte, und heute die Freiheit des vagierenden Lohnabhängigen, der überall erreichbar sein muss, als Freiheit verkauft wird. Die Abtrennung der Ökonomie von der Politik, wie sie auch von Vertretern der Lohnabhängigen im Einzelfall, zB. bei Branchenverhandlungen usw. eingebracht wird, schafft keine Würde, sie untergräbt sie.
Privilegiert alle Bergleute, die ihre Jobs morgen verlieren müssen. Bezahlt sie gut und achtet sie. Aber lasst sie nie mehr mit Kohle Kohle machen.