Auferstehung? War gestern.

 

  1. Lamento in einfacher Sprache

Die Medien sind voll davon – Auferstehung als Metapher für wirkliche Geschichten, Religion ohne Gott und ewiges Leben, und womit man sich die Leerstellen im eigenen Bewusstsein halt zu füllen pflegt. Ich fang ja auch damit an; Auferstehung, das ist so eine Konstruktion, wie sie viele alte Religionen irgendwie verarbeitet haben, im Frühling wird alles neu, Stirb & Werde GmbH, und ist ja auch gut, wenn bei jeder Reform der Grundgedanke einer bestimmten Politik wieder aufersteht.

Ihr merkt schon, ich mag den Begriff nicht.

Gerade zurück aus Zentralasien, aus Kirgisien.  Was dort in zehn Tagen zu sehen, erfahren und er-fahren war, würde mehrere Blogs füllen. Statt dessen schreib ich einen Reisebericht, und wer von den Bloglesern ihn haben möchte, möge sich melden. Nun gibt es aber einen Bezug zur Auferstehung, gerade jetzt, eine Woche nach dem christlichen Ostern. In Kirgisien, fast überall im hintersten Winkel, wenn es nur TV und Handy gab, konnte man wie eine Unterstimme den Schrecken der Tage erfahren: Sri Lanka, Mozambique, Kabul, Durban, Netanjahu, Nordirland; immer wieder Trump, Kim, Putin und ihresgleichen, man mag sie nicht mehr aufzählen. Der Brand von Notre Dame de Paris erscheint da fast wie ein Naturereignis, harmlos. Die Welt ist politisch aus den Fugen, und man soll sich auf eine herrliche Natur, komplizierte Gesellschaften und den Wandel der Zeit konzentrieren? Und dann leuchtet einem die Auferstehung in die Bibliothek der Aufmerksamkeiten.  Es muss sich alles, alles ändern…tut es aber nicht. Der Kreuzestod hat nichts und niemanden erlöst, nur den Begriff der Erlösung beschädigt. Der Frühling ist durch den Klimawandel auch nicht mehr, was er einmal war.

Ganz unsinnig ist der Begriff ja nicht, wenn man in Reformen auferstehen ließe, was man vorher verbaselt hat oder in die falsche Richtung getrieben. Ja, aber wer macht das? Kaum jemand wagt es, sich auferstehen zu lassen, weil das hieße: sich zu exponieren, in Frage zu stellen, was angeblich bis jetzt zu unser aller Wohl doch irgendwie geraten war; und in Frage stellen kann heißen, bestehende Ordnungen – die nur in sich anarchisch sein können, aber feste Außengrenzen haben – aufzusprengen. Der Begriff ist mit Absicht gewählt. Wenn die europäischen Konservativen mit dem Orban-Freund Weber auferstehen wollen, fällt dem Dumpfel nichts Besseres ein als die europäischen Außengrenzen, die man sichern müsse. Wenn man die Demokratie stärken will, dann gilt es Außengrenzen zu den Nazis in den Parlamenten (bei uns) oder, wie in Österreich u.a., in den Regierungen festzulegen. Heikel, weil das immer die Potenziale von Gewalt in sich trägt. Das sind zwei verschiedene Außengrenzen, evident. Dass die EU-Außengrenzen ein Produkt der innenpolitischen Diskurse sind, eine Konstruktion,  die vom  Innen und Außen lebt, muss man bedenken, wenn man das eine und das andere nicht verknüpft. Auferstehung: wenn der Geist, der Antrieb, zur Verbesserung der Welt = Politik, Globalisierung usw. auferstehen soll, dann fragt sich in welchem Zyklus – Das Jahr ist zu wenig und schon eine durch das Klima beschädigte Metapher; wenn ich den Lebenszyklus von Geburt und Sterben nehme, ist Auferstehung ein Problem: normal ist, dass vor den Kindern die Eltern sterben. Nun ist es aber weniger wahrscheinlich, dass die Kinder ihre Eltern am endgültigen Klima verröcheln sehen werden als dass diese Kinder verröcheln, vielleicht auch die Enkel oder Urenkel, und die Schuldigen an diesem Sterben sind längst tot (und keine Ewigkeit erlaubt ihnen, sich ihre Untaten anzuschauen). Was bei uns die Scheuers, Seehofers, Vassiliades, Lindners….anrichten, ist die Auferstehung des Untergangs. Kann man philosophisch schöner und genauer beschreiben. Was global daran ist, dass unter Trumps pathologischer Zerstörungswut die Auferstehung der Vereinten Nationen, die Reform von NATO und WTO so unmöglich wird, wie unter Putins zaristischer Selbstherrschaft die Demokratisierung seines Landes, ist schon bedenklicher, wenn unsere Regierungen diesen Autokraten Hand-  und Spanndienste leisten. Ich kann die beiden unterscheiden und weiß, dass und wie sich Abwehrpolitik gestalten könnte. Das wissen andere auch. Aber in Trumps Enddarmschlingen kann man immer noch vom, Bündnis quasseln, anstatt zu handeln. Jedes Appeasement mit diesen Autokraten bringt den Krieg vor dem klimatischen Ende der Welt näher. Und das ist ja nicht mehr so fern.

Das ist ein Einblick in die Gedanken, die mich auch Angesichts schöner Berge, frühblühender Wiesen und lebendiger Städte nicht losgelassen haben. Und jetzt bin ich wieder in Deutschland und stelle fest, die Auferstehung vorige Woche hat nichts gebracht.

  1. Was kann geändert werden – nicht „Aufstehen“, sondern „Handeln“

Vom Ende der Welt wollen die Empörten nichts wissen, statt dessen verlagern sie die politische Korrektheit von rechts auch nach links, die Hauptsache, niemand ist beleidigt. Die ZEIT hat drei Auferstehungsgeschichten geschrieben, die erfreulich heißen könnten: das Leben geht weiter unter besonderen Bedingungen, die zum Zeitpunkt des Einbruchs in diese Gewissheit das nicht erwarten haben lassen. Von Auferstehung keine Spur, ebenso wenig bei der nach Kohlsuppe riechenden Bewegung „Aufstehen“.

Es geht darum, den Nazis das Handwerk zu legen, und ihren sich links und radikal gebenden Wiedergängen zu begegnen. Schaut nach Österreich: die sind schon weiter, Nazi-Minister wie Kickl und Kneissl und Parteifunktionäre wie Gudenus und Strache unterscheiden sich von der Hitlerei vor 1933 in einem nicht: sie sind gewählt – und meinen damit, Ausländer konzentrieren zu dürfen, Flüchtlinge schikanieren zu können.  Das Gewähltsein allein verleiht noch keine demokratische Legitimation, und das ist die erste Lehre aus der Vergangenheit.

Demonstrieren und Aufstehen sind keine Gegengewalt. Von unserer Regierung kann man verlangen, dass sie die Zusammenarbeit mit den globalen Partnern verändert, die den Rahmen dafür schaffen, dass auch im Land  die rechtspopulistischen Kräfte gestärkt werden. Also: wer vor Trump buckelt (wegen meines lieben Hundes sage ich nicht, hündisch buckelt), befördert natürlich die nationalistischen Kräfte der Europagegner genauso wie die Zuwendung der AfD Nazis zum russischen Geheimdienstler Putin. Man kann nicht gegen die Amerikaner? Ach, da hätten wir ganze Kataloge – was bei Harley Davidson wirkt, kann auch noch ganz andere Dimensionen annehmen. Und unterhalb von Trump gibt es in den USA noch Gerichte und Medien, die oft besser funktionieren als unsere Wirtschaftspolitik. Die zweite Lehre ist: man bleibt oft in Bündnissen, aber nicht mit der gleichen Intensität, Loyalität und Unterwerfung. Was lange Jahre nach 1945 und sicher bis 1989 und danach richtig war, muss heute nicht mehr stimmen. Natürlich haben wir andere Beziehungen zu den USA als zu Russland. Aber das heißt nicht, dass man auf zwei Gegnerschaften gleichermaßen verzichten muss, nur weil schon eine anstrengend ist. Es wird noch mehr geben, und das ist einer der Gründe, dritte Lehre, warum die EU unverzichtbar ist, auch als Friedensprojekt, aber auch und ganz wichtig, um der eigenen Position Nachdruck zu verleihen, den großen und kleinen EU-Feinden gegenüber.

Das hat mit Auferstehung mehr zu tun, als manche jetzt denken. Ich blöke da ja nicht Revolution oder Gelbe Hemden. Ich will nur nicht, dass meine Kinder und Enkel erleben, was sich als Wiederkehr des von vielen noch Erinnerten darstellt. Das, was uns – mit Scharten, Brüchen, Defekten – nach 1945 zur Demokratie gebracht hat, das Republikanische in Europa, liegt im Augenblick auf dem Krankenlager. Auferstehung heißt, Reformen durchsetzen – oft kontrafaktisch. Gegen die Marktwirtschaft und gegen den autoritären Ständestaat neuer Prägung. Ja, wie dann? Haben wir doch in vielen Bereichen bewiesen. Nicht so wie Österreich, das in seine schwarz-braune Vergangenheit zurückeilt und dabei Menschenrechte und soziale Mindeststandards nachhaltig zerstört – mit Billigung von großen Teilen der Bevölkerung. Wie dann?

Ich habe mehrfach UK Preuß zitiert, der die Konstitution des Volks aus der Bevölkerung als Voraussetzung dafür darstellt, dass das Recht vom Volk ausgehen kann, dass wir das Volk sind. Das geht nur mit Finis terrae Argumenten und mit der harten Hand von Fakten, eben weil der Markt nichts reguliert: kein Klima, keine Wohnungen schafft, und keine Flüchtlinge integriert. Dem Blödsinn der FDP Propaganda kann man in der Tat mit dem begegnen, was Habeck, Baerbock, aber auch Kretschmann und Palmer, schon in Angriff nehmen. Und wovor die Große Koalition Angst hat, weil sie „im Felde unbesiegt“ zugrunde gehen möchte, lieber als die Auferstehung der Demokratie mitzugestalten. Ist das zu starker Tobak? Schaut nach Wien.

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