Milliarden werden für die Steiger, Obersteiger, Baggeristen und Anwohner der Kohlereviere aus Steuermitteln, meinen unter anderem, gezahlt. Nur damit diese Klimavernichter weiterhin sich als Opfer fühlen, das Geld und das öffentliche Mitleid annehmen, und dann trotzdem AfD wählen. Diese Nazipartei hat sich das gut bei ihren Vorgängern in der Weimarer Republik abgeschaut: den Rechtsstaat ausnutzen um ihn zu zerstören, und Opfer zu produzieren, wo eigentlich Täter sind.
Die Bergleute als Täter? Nicht direkt, aber indirekt natürlich, und Nutznießer ihrer Abhängigkeit allemal, die sie zu Abgehängten macht.
Blast ihnen weiter Goldstaub in den Hintern, das fördert ja nur das Selbstopferbewusstsein, denn wenn wir so viel Geld für diesen lokalen Blödsinn haben, dann muss ja mächtig schlechtes Gewissen bei den herrschenden Eliten da sein, die uns die Heimat und Existenz gefährden. AfD wählen die trotz Goldstaub.
Haben Sie denn gar kein Verständnis für diese Menschen, die man um ihre Existenz, den Stolz auf ihre Arbeit, und ihre Heimat bringt? Doch, habe ich. Die Heimat, die niedlichen Dörfer mit ihren Einfamilienhäuschen, wurden ja von ihrer stolzen Arbeit systematisch abgegraben, die Existenz ist schon seit Jahrzehnten obsolet, und doch sind die Menschen frei – freigesetzt, lest Marx – sich innerhalb der Korridore verhandelter Lohnarbeit für den Arbeitsplatz zu entscheiden – oder eben nicht. Und wer wollte ihnen verdenken, sich für die Arbeit entschieden zu haben. Verachtungsvoll blickt man auf diejenigen, die den Arbeitsplätzen nachziehen – müssen, wollen, dürfen. Hochschullehrer*innen, andere akademische und Dienstleistungsberufe, … allenthalben war Mobilität ein positiver Wert (Wanderungsbewegungen vom Umzug ins nächste Dorf, in die Stadt, an die entfernte Hochschule…bis hin zur Immigration, Emigration, Flüchtlingsbewegung…sind ein Komplex, der nie vom Einzelnen an seinem oder ihrem Ort, schon gar nicht allein, entschieden wird, der aber für jedes Individuum Folgen haben muss). Die Geschichte der Gastarbeiter (à Hört: Tonio Schiavo), die Geschichte der Vietnamesen in Ostdeutschland, die Geschichte der ankommenden Flüchtlinge, die Geschichte der Sesshaften…diese vielfältigen Narrationen kann man nicht ausblenden, die Ohren verschließen, und Geld in die Lausitz pumpen.
Doch, ich habe Verständnis: darum wünsche ich den Kumpels im Bergbau keinen Benjamin Button, bei dem das Kind den alten Bergmann verröcheln sieht, weil keine Luft zum Atmen mehr da ist. Da tröstete es auch wenig, wenn die Aktionäre genauso verröcheln, weil die Klimakatastrophe ja global ist und man sich nicht verstecken kann.
Meine Emotionen bei diesem Thema sind normalerweise nicht hoch, denn man kann die ökologische und die ökonomische Dimension gut und rational diskutieren, und da die beiden nicht ohne Konflikt zusammengeführt werden können, muss die Politik her. Aber dann kommt mir der unheilige Hubertus dazwischen, Unheil von sich gebend: ja, natürlich, Kurzarbeitergeld, je früher desto besser; ja, natürlich, Weiterbildung, je intensiver desto besser; und wenn die Krise dann da ist, muss man natürlich angesichts der zu erwartenden Ressourcenknappheit auch Prioritäten setzen, wem auf dem betroffenen Arbeitsmarkt man wie hilft und wo der Staat einspringt. So weit, so verständlich. Aber der Heil redet ja die Krise den Arbeitgebern so zurecht, dass es die kaum abwarten können, dass ihren Kosten (Lohn, Zusatzausbildung, etc.) vom Staat – also uns Steuerzahlern – zugeschossen wird. Merke: wenn die Krise dann kommt, weiß man nicht mehr woher – und wenn sie das ist, wird es noch sehr viel mehr Instrumente brauchen, um den dann bedrohten Arbeitern zu helfen. Wer meint, die Krise schert sich nicht um das Gerede des Arbeitsministers, der kann in die Vergangenheit schauen und Krisen studieren.
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Das eine hat mit dem andern zu tun. Sollen die Steiger aus der Lausitz erstmals versuchen, was Vernünftigeres und anderes zu machen…tun sie schon? Das klingt im Wahlkampf bei Woidke aber anders: der lässt ja den Steuersäckel bluten, damit sie gar nicht anfangen, an sich selbst zu denken.
Dieses An-sich-selbst-denken ist etwas anderes als die Sorge um sein Eigentum, seinen erarbeiteten Wohlstand etc. Es wäre die Sorge darum, wie in dem Eigentum gelebt, wie mit ihm umzugehen wäre; aber wie man leben möchte, wenn z.B. die Subsistenz gesichert wäre, weil sie der Staat übernähme. Kann man ja ausrechnen: ihr bekommt alles, was ihr zum Leben braucht, vielleicht noch etwas drauf, aber mit der Kohle und ihren Abnehmern und den Zulieferern ist Schluss. Wie lebt ihr dann?
Plötzlich sind wir am Ende der Welt.
Nehmen wir einmal die deutsche Situation als Symptom-Kabinett für alles, was in Finis terrae beschlossen ist. Und die Kohle als Symptom, mit dem man deutsche Verhältnisse am besten verstehen kann. Hunderte, tausende Gutachten, Kommentare, politische Überlegungen, manche Entscheidungen, halbherzig oder wirkungsvoll, … dann gibt es viele Menschen, die meinen, all das ginge über sie hinweg unter ihnen durch an ihnen vorbei. Sie behaupten, sie seien abgehängt, und sie haben Angst, dass es mit ihnen abwärts geht. Angst…Cornelia Koppetsch macht die richtige Unterscheidung zwischen Furchtkulturen (Links) und Angstkulturen (Rechts), also zwischen Gefahrenabwehr und existenzieller Bedrohung (Koppetsch, die Gesellschaft des Zorns, Pos. 786). Es geht also weniger um Risikoabwägung als um Dispositive der „Einzäunung einer vorgeblich sicheren Gemeinschaft und der Ausgrenzung von vermeintlich von außen eindringenden Gefahren“. Das ist nicht schematisch, kann auch einmal die Position wechseln, aber generell kann man damit arbeiten: die sich abgehängt fühlen, brauchen einen Feind (Koppetsch: einen gegnerischen Willen), d.h. es gerade nicht das verhasste System, sondern ein Feind. Und: es wird von „Kulturen“ gesprochen“, d.h. von Kommunikations- und Erfahrungszusammenhängen, von Traditionen und lebensweltlichen Brüchen.
Wir machen uns Sorgen darüber, wie ein globales Zusammenbrechen lebbarer Weltstrukturen vermeidbar ist, und lesen aus den Gründen für sein Zustandekommen bestenfalls Instrumente für diese Korrektur der Welt(gesellschaft). Aber die Abgehängten, konkret die AfD, die Trumps usw. sehen in denen, die sie von diesem Handlungszwang überzeugen müssen, konkrete Feinde, ohne die es dann weder Klimawandel noch wirtschaftliche Bedrohung noch einen unerwünschten Lebensstil geben würde (menschengemacht wird immer dann gegen natürlich ausgetauscht, wenn man keiner Politik den öffentlichen Raum anvertrauen möchte).
Das ist, zugegeben, sehr schwierig und kompliziert zu denken und zu formulieren. Aber wenn wir es anwenden, und sei es nur auf den Wahlkampf in Brandenburg, auf die Lausitz und auf die Relevanz der Arbeitsplätze in der Kohle, dann kommen wir sehr wohl weiter im Begreifen, wo es Sinn macht zu handeln, und wo nicht.