Lest einmal die Liedfassung von 1937, von Bruno Schestak gereimt und vertont, Hitler gewidmet.
Ich schreibe sie hier nicht auf, sie ist zu gräulich. Interessant ist, wo man den Text im Netz findet, in welcher Nachbarschaft sich der Hass breit macht. Die Beziehungen zu älteren Liedtexten und Melodien (Sturmlied: https://en.wikipedia.org/wiki/Sturmlied) sind nachgewiesen.
Oder vielleicht doch die zweite Strophe von Schestak: (http://ingeb.org/Lieder/deutsche.html)
. All diese Heuchler, wir werfen sie hinaus,
Juda entweiche aus unserm deutschen Haus!
|: Ist erst die Scholle gesäubert und rein,
Werden wir einig und glücklich sein! 😐
Das klingt wie Beatrix von Storch, wie Höcke, wie Kalbitz….wie ein ganze Menge von AfD Politikern. Und die lässt man reden.
In einem Einwanderungsland wie der Bundesrepublik können wir Juda durch Millionen Menschen, die als MigrantInnen zu UNS gekommen sind, ersetzen, gleichzeitig einen ethno-rassistischen Antisemitismus weiter hinnehmen, und dann der Verheißung folgen: Wir werden einig und glücklich sein. Dass jüdische Menschen in der Regel gerade die Scholle nicht besessen haben, war den Menschen 1937 wohl entfallen; und dass das Verschwinden der jüdischen Deutschen, später der jüdischen Europäer Einigkeit und Glück gebracht hätte, wird niemand unterstellen. „Verschwinden“ = Wir töten sie.
Nun überlasse ich Deutschland nicht den Nazis von NPD, AfD und Identitären. Langsam wachen die wachen Geister auf und verstehen, dass es sich bei diesen Menschen und Parteien nicht um zurückgelassene verängstigte Abgehängte handelt, sondern um a) Nazis, wie sie VOR 1933 zunehmend den Ton angegeben haben, b) um deren geistig-moralische Gefolgschaft, die vor 1933 und dann im „Reich“ und dann danach unter allen Lebensumständen die Ideologie der Protagonisten nicht verstehen konnten, weil sie sie nicht verstehen wollten, c) um solche, die das alles sehr wohl verstehen und sich Erfolge oder Positionen für die Zukunft erhoffen.. mit der Gruppe d) den Verführten, Eingeschüchterten, dem Missverstehen anheim Gegebenen wollen die Politiker reden, die selbst, als Demokraten, Wahlen verlieren und sich Legitimität zurückholen wollen…reden, reden, reden.
Nun, die Kommentare der Wissenschaft werden erfreulicherweise immer deutlicher. Ein gutes Beispiel ist Matthias Quent; es gibt deren mehrere. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Wissenschaft der Politik politisch voraus ist.
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Die Nazis sind keine neuen Nazis, es sind Nazis, und ihr Gedankengut ist, mit den zeitbedingten Verschiebungen und kommunikativen Modernisierungen, so identitär grundständig wie eben die früheren Nazis auch nicht homogen waren. (Das war im übrigen eine ausnutzbare Stärke der Nazis, gegenüber relativer Engführung der kommunistischen Fokussierung). Und dass gemäßigte oder so genannte Bürgerliche bei den AfD und Identitären jedes Potenzial zur illegitimen Gewalt, zum Rassismus, zur Diskriminierung leugnen – Meuthen etwa, das war früher auch so: der osmotische Rand verbrecherischer Organisationen ist sozusagen die Systemumgebung der Faschisten, aus der sie ihre Ressourcen ständig beziehen und erneuern.
Damals wollten sie, dass Deutschland zur Diktatur erwache, sie also nicht einfach von oben geschehen lässt. (was ja auch geschähe, könnte die AfD mitregieren und im demokratischen Rahmen mit entscheiden, was ja einigen Ortes bereits der Fall ist…).
Die Demokratie muss hinnehmen, dass sich ihre Feinde artikulieren. Sie muss den Versuch der Teilhabe an der Herrschaft nicht hinnehmen und damit sind auch die Grenzen der Meinungsfreiheit für diese Nazis deutlich gezogen. Die Frage, ob „man“ mit ihnen reden dürfe, diskutieren, ob sie in der öffentlichen Meinungsvielfalt adäquat „vorkommen“ dürfen, entscheidet sich nicht schematisch, das ist wirklich ein Problem. Muss die AfD bei jedem Thema in jeder Talkshow „vorkommen? Der heikle Punkt ist, dass das Vorkommen der Nazis nicht ausschließlich das Ergebnis einer Wahl, eines Ergebnisse von 20-30% sein kann. Womit wir wieder bei a)-c) sind. Die oft geforderte klare Kante besteht nicht in pauschaler Ablehnung und eigener (demokratischer?) Redebereitschaft oder Kommunikationsverweigerung. Zuerst müssen die nebeligen Begriffe beiseite geräumt werden, dann kann man auch leichter mit Gruppe d) reden. Aber Nazis sind eben Nazis und keine Rechtspopulisten, Gewalt- und Hassprediger sind eben nicht nur Übertreiber, Abgehängte sollen sagen, worin sie abgehängt sind, bevor man sich ihrer Sorgen annimmt…Da können wir Wissenschaftler schon mehr an Beiträgen leisten als jetzt der Fall ist.
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Ich lege hier meine eigene Latte hoch: Klima und Nazis sind die Twintowers. Dazu: die Nazis sind nicht immer Nazis im historischen Sinn, Trump steht ihnen geschichtlich näher, auf niedriger Ebene Orban oder Kaczynski, aber die andern Selbstherrscher sind da nicht weit weg. Test für arrivierte Lehrende an der Oberstufe: Nazitexte, Stalintexte, in manchen Fällen Texte des Vatikan, und solche von Subalterndiktatoren: mischt sie, und lasst die SchülerInnen und StudentInnen herausfinden, woher der Sound kommt. Die DDR war groß im Verwerfen der Totalitarismustheorie und hat sie doch nur gefestigt; die USA, auch von uns lang gepflegter Verbündeter in Recht und Entwicklungszusammenarbeit, sind mit China, Russland und einigen andern Weltmarktführer in Folter, Todesstrafe, Vertragsbruch. Messen wir andere Gesellschaften an dem, was wir zur Gewaltherrschaft und zum Klima tun, wie wir handeln, gibt uns eine Reflexionsebene ab.
Zwischenfazit: zum ersten Teil dieses Blogs ein kleiner Aufruf: Stellt euch auf den weitern, langwierigen und langfristigen Umgang mit Nazis ein, gebt ihnen nicht nach, und zwingt sie in den Diskurs-Zusammenhang, der Demokratie lebendig hält, also widersprüchlich und unabgeschlossen. Vor allem, wenn sie glauben, sie seien erwacht, heißt das noch lange nicht, dass wir schlafen.
Zum zweiten Teil: auch wir haben unseren Anteil am Erstarken einer Bewegung, die wir gut kennen sollten (ich erspare mir das „eigentlich“, wie gut wir sie kennen sollten). A) bis c) kann man nicht bekehren, und soll sie nicht bekehren wollen: man muss sie bekämpfen. D) ist die Zielgruppe, die soviel faschistisches, nazistisches, stalinistisches, klerikales, unaufgeklärtes Potenzial in sich trägt, das für alle Parteien reicht und in allen gilt.