Eine gute Nachricht zuerst: Bundespräsident Steinmeier hat anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz präzise und deutliche seine Kritik an den Großen Drei vorgebracht, wie und warum die USA, Russland, China den Weltfrieden gefährden, und warum sich Deutschland dagegen stemmen muss.
Die weniger gute Nachricht: die Unterwerfung unter die amerikanische Hegemonie in der NATO und viele europäische Analogien dazu sind noch immer nicht zu einem EU-weiten Verteidigungskonzept umgestaltet worden.
Warten wir ab, was die drei Elefanten ihren Mäusen sagen.
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Ich habe abgewartet. Nicht Neues: das ist keine gute Nachricht. Pompeo und Esper beschwören den Westen, als ob es eindeutig wäre, dass Europa – das der EU – und die USA zum selben Westen gehören; Macron beschuldigt Russland der Subversion, zu Recht, und möchte sich doch mit diesem Land wenigstens zum Dialog treffen; die Amerikaner beschimpfen China, das sich verwahrt. Das alles hat eine unheimliche Ordnung, nämlich die erwartbare Ordnung der Aussagen. Was in der obersten Etage so geschieht, wiederholt sich ein Stockwerk drunter, wenn die Polen die USA zur Besatzung einladen und sich die Russen dagegen aussprechen, wenn wir für ein starkes Europa sind und doch den USA uns unterwerfen.
Nun ist die Ordnung der Diskurse nicht die Ordnung im Chaos der Welt.
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Ich bereite mich gerade auf eine (hoffentlich ernsthafte) Debatte um Israel und Palästina vor. Trumps idiotischer Plan zur Erweiterung der israelischen Annexion verbaut genau das, was Deutschland zu Recht für eine Zweistaatenlösung fordert, nämlich direkte Verhandlungen ohne interessengeile Interventen, ohne USA, Russland, Saudi-Arabien, Syrien, Iran etc. Daran muss man auch den Spruch des Gerichtshofs für Menschenrechte messen, wonach nur Staaten dort ein Klagerecht haben, und Palästina sei nun mal kein Staat (Israel anerkennt den Gerichtshof nicht, die Palästinenser wollen, aber können nicht). Wenn die Palästinenser jetzt enttäuscht sind, ist das eine Sache – Enttäuschung ist nun einmal keine politische Kategorie, so wenig wie Dankbarkeit. Israel war ja auch enttäuscht, dass und wie VN jahrzehntelang die palästinensische Sache gegen die israelische vertreten hatten, – das gleiche Argument gilt. Wirklich Schuldige, vor langer Zeit die Briten, dann die Amerikaner, die arabischen Staaten, auch der politische Islam und die Weigerung der Palästinenser, ein Staatsvolk zu werden, spielen hier eine Rolle. Dahinter steht eine These, die so groß ist, dass sie für mich, für diesen Blog zu groß ist: solange die Palästinenser sich nicht als ein Volk konstituieren, von dem das Recht ausgeht, sich also aus der Abhängigkeit von beidem – Religion und Aufsichtsmächten – befreien, werden sie nicht verhandeln können mit einem Staat, Israel, der diese Konstitution erfolgreich gemacht hat (und jetzt durch die Partnerschaft eines ganovenhaften Ministerpräsidenten mit dem Verbrecher Trump gefährdet). Dazu kommt, dass die formaljuristische Argumentation das Überleben Israels, seine basale Sicherheit, gern aus den Augen verliert, weil die klügeren Israeli sehr genau wissen, dass sie sich auf ihre so genannten Verbündeten, also die USA vor allem, auch auf Deutschland, nicht verlassen können, wenn es um diese Sicherheit geht.
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Diese Einlassung hat viel mit dem Münchner Spektakel zu tun. Hinter den Masken der Hofnarren schaut die Wahrheit gespenstisch durch. Das Nahost-Beispiel habe ich gewählt um zu zeigen wie prekär es ist, in der globalisierten Welt den wirklich starken, gewaltbereiten Herrschaften freies Feld zu lassen. Trump bricht andauernd das Vertragsrecht unter demokratischen Staaten. Russland und China sind Diktaturen, die dieses Recht nur anerkennen, wenn es ihnen nützt. Die Vasallen orientieren sich jeweils daran. Es gibt ein multipolares Chaos mit wenigen stabilen Achsen tatsächlich haltbarer und ausgeübter Macht, und daneben eben unentscheidbare Knäuel von Beziehungen. Aber die Ordnung ist auch ersichtlich: die Drei glauben, die Situation unter sich ausmachen zu können. Sie glauben das, sie verdrängen die Tatsache, dass auch ihre Herrschaft instabil ist – ein Coronavirus reicht, um die Gewichte zu verschieben.
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Ernsthafte politikwissenschaftliche Analysen und seriöse journalistische Recherchen liegen bei der Beurteilung der geschilderten Situation(en) nicht weit auseinander. Das ist kein Makel. Aus dem Chaos Ordnungen zu filtern oder zu sortieren, braucht seine Zeit, man kann meist nicht zugleich beobachten und schlussfolgern. Ich stelle bei beiden Kommentarfeldern fest, dass sie – anders als bei anderen Konstellationen – vorsichtig sind, während bei Israel/Palästina die festgefügten Meinungen das Denken und die Politik überbauen.
Vorsicht ist da schon angebracht. Die deutsche Außenpolitik gibt es zur Zeit, bis auf einige Zugriffe der Kanzlerin, so gut wie nicht. Aus Angst, Verbündete zu verprellen oder wirtschaftliche Einbußen zu provozieren oder Gesicht zu verlieren oder die GroKo zu gefährden, tun wir lieber nichts. (Alexander Kluge 1974: In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod).
Sie alle in München betonen DEN WESTEN. Es gibt nicht nur einen Westen.
(Und, fragt der Nörgler, was würden Sie tun, Herr Daxner – hieße ich doch „Kluge“….). Ich würde die Gegnerschaft zum unzuverlässigen Präsidenten der USA nicht nur erklären, sondern auf allen Ebenen ausspielen, dann würde seine Kleiderlosigkeit viel schneller auch in Amerika zu einem politischen und nicht nur zu einem moralischen Problem werden; ich würde auf eine Europäische EU-Armee setzen, um Akzente für unsere Sicherheit, und nicht für das amerikanische Budget, zu setzen und eine Friedenspolitik damit wahrscheinlicher zu machen als sie jetzt sich entwickelt. Das wird teuer, aber es kann auch der Abrüstung und der Friedenspolitik nützen, wenn wir Militär nicht so einsetzen wie die USA. Und das würde uns auch gegenüber Russland und China stärken…was dringend notwendig ist. jetzt kommt der Nörgler wieder: aber unsere Bundeswehr kann das alles nicht, noch immer nicht, noch nicht. Recht hat er, da kann man ja einmal Macron die Führung überlassen).