Asche

Als Jugendlicher ging ich täglich an einer Marienstatue vorbei, deren Inschrift meine Lateinkenntnisse durchaus bereichert hatte: Signum magnum apparuit in caelo. Mulier amicta sole et luna sub pedibus eius et in capite eius corona duodecim stellarum.  (Apok. 12, 1). Unten ringelte sich eine Schlange, und der Kopf war ja wirklich von einer Corona aus 12 Sternen geschmückt. Wer denkt da nicht an das Virus gleichen Namens, das ja  wirklich herrlich schön eingefärbt aussieht wie die Kirschtorte mit viel Sahne, die betagte RentnerInnen gern des Nachmittags im Caféhaus verzehren. Natur ist halt schön…

Heute früh übten sich viele Rundfunkprediger in Aschermittwoch-Reden und erinnerten uns an unsere Vergänglichkeit. Dazu regnet es und Trump treibt beim Hindunationalisten Modi sein Unwesen (12 Tote) und die CDU zerlegt sich und überhaupt ist alles so traurig…und Bayern hat auch noch gegen Chelsea gewonnen…

Meine Fastenpredigten kommen heute bestimmt nicht, weil alles, die Not der Flüchtlinge, die depperten Null-Haushälter, der kaputte Urwald am Amazonas, vergessen sein wird, wenn in Bayern und anderen fortschrittlichen Elysien die Reden  zum Aschermittwoch zeigen, dass es die Christen noch nicht einmal mit diesem Tag ernst meinen – Recht haben Sie. Der Söder hätte ja auch Aschekreuze befehlen können.

Der Tag des apokalyptischen Kabaretts ist dennoch wichtig. Noch nie war der Fasching, Fastnacht, Karneval so langweilig wie diesmal, dank des Coronavirus. Übrigens haben die Feministen da einen Schlag im Sinn, sie sagen immer DER Virus und nicht DAS, die Vira gibt’s noch nicht. Auch egal, schön ist so ein CoVid19 doch. Nur wer hat schon ein Elektronenmikroskop zur Selbstdiagnose?

Da verblasst selbst Hanau im breiten Mediendiskurs, ja auch Thüringen tritt in den fahlgrauen Hintergrund (Asche!) und der EU-Haushalt und Teslas Bäume und Altmayers Windräder…alles wird gemeldet, aber heimlich messen sich die Leute ihr Fieberlein und basteln sich Mundschutz.

„Der Hypochonder stirbt an der Krankheit, die ihm seine Freunde eben erfolgreich ausgeredet haben“ (Herbert Eisendle, vor langer Zeit). Boshafte sagen: spotten Sie nur, wenn Sie erwischt werden, dann reden wir wieder…Ja, wenn es mich erwischt. O Ausnahme, niemand stirbt, nur ich.

Das ist nicht Hysterie. Das sind Urängste, die die Zivilisation nicht hat beseitigen können: dass Infektionen  halt viel schrecklicher sind als zum Tode führende andere Krankheiten und erst recht solche, die gar nicht zum Tod führen, weil man ja am liebsten, wenn nicht dauernd lebte so doch uralt und des Umstands unbewusst stürbe. Insofern hat a) der Aschermittwoch doch seinen Sinn b) die Rede von CoVid19 ihre Berechtigung und c) die Vorbereitungen auf den Abschied von hier ihre sozioökonomische Berechtigung. 

Aber dann überleben wir die Pest und Cholera, und plötzlich stirbt niemand mehr. Was das lokal ausmacht, hat Saramago beschrieben: Eine Zeit ohne Tod (ISBN 9783498063894), nur dass es dort DIE Tod heißt und ganz lokal in einem Nationalstaat sich abspielt, was global sich noch nicht verbreitet. Da trifft es sich, dass ein Morgenprediger uns auf die Ewigkeit des Jenseits vorbereiten will, was insofern grauslich ist, weil man sich das gar nicht vorstellen mag, wo doch der Regen und der Laschet und der Merz kurzweilig für Unterhaltung hierzulande sorgen, während die im Jenseits nur Händchen haltend Luja singen. Wenigstens das Bundesverfassungs-gericht scheint hier etwas Vernunft reinzubringen…

Nein, lustig ist das Sterben nicht; jedenfalls für die meisten. Für die Amerikaner, die den Assange wegen seiner geleakten Videos von US-Army-Mördern selbst umbringen wollen, vielleicht schon; oder für die Chinesen mit ihrer Ujgurenfolter; oder mit den von Schleppern benutzten Flüchtlingen, die man ja auch ertrinken lassen kann. Aber ein seltsam unscharfes Gerücht aus der Ewigkeit bringt die Menschen schon ganz schön durcheinander. Gut, dass Aschermittwoch ist…

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