Konservative, billig abzugeben

Japan verkauft saubere Gebirgsluft in Konserven. (https://herisau24.ch/articles/17130-bergluft-in-konservenbuechsen-verpackt). Keine schlechte Idee. Das Schmelzwasser zurückgehender Gletscher könnte man gewinnbringend unter Memento Mori unter klimabewusste Gourmets bringen. Wer partout nicht vegan leben will, kann sich mit Konserven des Eichenprozessionsspinners eindecken. Fetischisten, die früher die Unterwäsche von Prominenten gesammelt haben, können jetzt ungewaschenen Mundschutz ihrer Idole in hübschen Gläsern kaufen, z.B. Söders weißblaue Raute oder Trumps schwarzen Mundslip. Auch gebrauchte Akupunktur-Nadeln mit nachgewiesenem Heileffekt sollten konserviert werden. Auf unappetitliche Varianten dieser Vorschläge verzichte ich, man kann sich statt konservierten Körpersekreten berühmter Spender ja auch Tonnies-Fleisch im Supermarkt einschweißen lassen, Hauptsache Konserve.

Soweit die materielle Kultur. Das Konservieren spiritueller Inhalte und Bedeutungen ist erheblich schwieriger, aber bisweilen lohnend. Man öffnet eine Dose und zieht das Grundgesetz heraus oder eine Anleitung zur Kritik. Diese Papierrollen kann man sammeln, manche versiegeln sie wieder, damit sie nicht herumliegen und verstauben. Das Urmodell sind chinesische Glückskekse. Das Haltbarkeitsdatummuss immer angegeben werden, denn konservierte demokratische Verhaltensregeln oder eine Therapie gegen Kriecherei vor den Potentaten in den USA oder China verfallen schnell und erwecken zu spät bestenfalls nostalgische Gefühle.

Überhaupt kann man Konserven besser hamstern und horten in diesen Zeiten, statt Klopapier und Spiritus. Die oben genannten Anregungen führen unweigerlich zu Konservenheimatmuseen und der vergleichenden Forschung, wer in welcher Gegend was konserviert, einschließlich sich selbst. 

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Die Konserven spiritueller Natur sind gewöhnlich langlebig, aber sensibel. Amerikanische, vor allem republikanische Rechtsextreme, horten seit Jahren Goldwater-Konserven. Sie öffnen sie, um sich ihres halbirren Rassisten Trump zu versichern. Dass das beinahe 60 Jahre her ist, gibt einem das Gefühl von sehr altem, aber leider gekippten Rotwein: A Long View: Goldwater in History, von Richard Hofstadter, NYRB 8.10.1964. Barry Goldwater kommt einem geradezu simpel vor im Vergleich Trump, aber viel Aroma und Nachgeschmack seines Wahlkampfs kann man heute noch nachempfinden. Die Fabrikation von Erinnerungskon-serven ist ein weites Feld, für viele nur ein lukratives Geschäft. Aber für einen selbst eine wichtige Freizeitbeschäftigung.

CoVid schädigt bekanntlich auch das Hirn, und damit das Gedächtnis. In ein paar Jahren, wenn die meisten das Wort Pandemie schon wieder nicht mehr schreiben werden können, werden die Konserven der maskentragenden Zeit geöffnet, und man wird sich der trotzigen unbedeckten Mäuler von Widerständlern und Polizisten erinnern (die Bayern machen wieder Grenzkontrollen mit schwer bewaffneten Dorfsheriffs, man darf erst einsteigen, wenn diese langbeinigen Konserven einer bösen Zeit den Zug durchschritten haben; naja, ich sitze ja schon…). Böse Erinnerungen werden wach, da muss man schnell andere Konserven mit Gegengiften öffnen. Aber CoVid wird es schaffen,  unsere Erinnerung in Museumsstücke zu verwandeln, und am Ende war gar nichts. Gut so, esst lieber ein paar frische Erfahrungen als zu viel Konservierungsstoffe im Dosenfleisch.

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Meine freundlichen Blogleser*innen sind irritiert: will der Daxner, dass wir vergessen? Keine Sorge, es ist nur die wachsende Aggression gegen die politisch und kulturell verabreichten Zusatzstoffe in den Erinnerungskonserven. Aktive Erinnerung gehört doch zu unserer Gegenwart, ich muss nur die Verpackung immer wieder entfernen.

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