Seehofer schützt die Rchtsradikalen in der Polizei

 Mit diesem Blog habe ich mir ein Paar Tage Zeit gelassen, um die Reaktionen der Politik auf Seehofers erneuten Amstmissbrauch abzuwarten.
Es gibt in der Tat Kritik, aber anscheinend traut sich niemand, diesen Deutschen Rechtenund sein „Ministerium“ aus dem Amt und der Verantwortung zu entfernen.
Wer sich Seehofers Meinung anschließt, verwechselt „Haltung“ mit Realität.

Die Originalnachricht: (Übrigens von Seehofers Pressesprecher 1m 22.9. im ZDF wiederholt):
20200918 tagesspiegel online   Nach rechtsextremen Chats bei der Polizei: Seehofer ist weiterhin gegen Rassismus-Studie: Innenminister Horst Seehofer lehnt eine Studie zum Rassismus in der Polizei weiterhin ab. Er sei davon überzeugt, „dass die überwältigende Mehrheit unserer Polizistinnen und Polizisten solche Machenschaften ablehnen“ und die Mehrheit sich zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ bekennen. Nach dem Bekanntwerden rechtsextremer Chatgruppen in Nordrhein-Westfalen, bei denen 29 Polizisten strafrechtlich relevante Inhalte verschickt oder empfangen haben, wurde die Forderung nach einer neuen Studie laut. Seehofer verweist stattdessen auf einen Lagebericht des Verfassungsschutzes zu Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst. Dieser würde Ende September vorgestellt werden und sei unabhängig der jüngsten Entwicklungen beauftragt worden. Der Koalitionspartner SPD fordert genaueres Hinschauen. Innenpolitiker Lars Castellucci betont zwar auch, dass die Mehrheit der Polizisten verfassungstreu handle, eine intensive Forschung jedoch notwendig wäre.
sueddeutsche.de, n-tv.de

Der deutsche Innenminister Seehofer verweigert erneut eine wissenschaftliche Untersuchung der rechtsradikalen Strukturen bei der Polizei. Dass es mehr als Einzelfälle sind, dass es Cluster und Netzwerke gibt, in denen sich Nazi-, AfD- und identitäre Propaganda ungehindert im Sicherheitsapparat verbreiten, wissen wir. Dass nicht alle Polizeidienststellen gleichermaßen von rechtsradikalen Ideen, Vorstellungen und Praktiken erfasst sind, ist ebenso klar. Wieweit aber das Gesamtsystem, abwärts von Seehofer und den Schreibtischtätern im Innenministerium, im Verbund mit ähnlichen Strukturen bei BND und Verfassungsschutz und Justiz, rechtsradikal anfällig bzw. bereits bestimmt ist, wissen wir nicht. Wenn der Verfassungsschutz einen Lagebericht zum Rechtsextremismus vorbereitet, dann können wir nur weitere Rückendeckung für die Rechten erwarten.

Warum lassen Merkel und Söder das zu? (abgesehen von den meist dazu sprechunfähigen Abgeordneten der Großen Koalition gibt es erstaunlich wenig Aufhebens auch bei denen, die immer und erfolgreich gegen die wieder erstarkenden rechtsradikale Politikstruktur in Deutschland aufbegehren. Merkel kann zusehen, wie Seehofer nicht nur sich, sondern die ganze alte CSU dauerhaft in Misskredit beringt. Abgesehen davon, dass der fremde Blindgänger Seehofer ohnedies erkennbar in eine Demenz ein- und absteigt. Söder kann durch Kontrast zeigen, dass er in der Tat „ganz anders“ ist.

Wenn es nur um den Geisteszustand der CSU-Politiker in Berlin ginge, also Seehofer, Scheuer, Dobrindt, Schuster – Müller nehme ich ausdrücklich aus -, dann wäre die Sache schnell abgetan: wenig intelligent, ziemlich korrupt und von einem rückständigen Demokratieverständnis. Aber die Bleiche Mutter ist aufgewacht, nicht erst bei der NRW-Polizei, auch schon in Hessen und anderswo, auch schon bei Maassen, Wendt und vielen anderen…

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Ich bringe Seehofer und die politischen Abteilungen des BMI mit den Rechtsextremen und den Nazis in Kontext. Der Kontext weist unterschiedliche Nähe zum Gedankengut und bestimmte Analogien aus der deutschen Geschichte der Jahre VOR 1933 auf. Er sagt nicht, ich sage nicht, Seehofer sei ein Nazi. Oder alle Polizisten, die sich rechtsradikal, identitär oder bei der AfD tummeln, ebenso wenig wie das die Richter und Staatsanwälte im Schatten dieser Partei sind.

Komplizierter als diese Klarstellung ist etwas anders: wer kann, darf, soll, muss jemanden oder etwas als Nationalsozialistisch bezeichnen? Das geht nicht ohne die historische Analogie, abermals: den Kontext, und es geht die gesellschaftliche Macht und Funktion des Begriffs[1]. Aber wenn Seehofer ausdrücklich die wissenschaftliche Untersuchung ablehnt, weil die Polizei dem Generalverdacht aussetze, verdächtigt er selbst alle Polizisten und alle anderen Subjekte solcher Untersuchungen, weil kein Angehöriger der Sicherheitsdienste von den Möglichkeit rechtsradikaler Mittäterschaft entlastet werden kann. Mit Seehofers Logik schafft die unterbliebene Untersuchung staatlich dokumentierte Unschuld.

Leichtfertig jemanden einen Nazi zu heißen, ist Unfug,  weil es den Begriff und seine Bedeutungen abschleift und glättet. Bewusst jemanden in den Kontext mit den Nazis zu bringen ist eine politische Herausforderung, Personen und Personengruppen aus dem Ätherbausch staatlich verordneten Beschweigens herauszubrechen, den Kaiser ohne Kleider zu entblößen, sie vielleicht zu beleidigen, aber sie sicher zu einer Selbstgestaltung zu drängen. (Sieh da, sieh da, Timotheus /die Kranische des Ibykus). Nur in einer solchen Konfrontation kann „man“,  d.h. die Wissenschaft, die Stimmigkeit oder Vagheit des Kontexts beweisen. Um diesen Beweis geht es, und ob und wie man historische Analogien zur Überhöhung oder Verkleinerung des Vergleichsmaßstabs benutzt, hängt mehr vom Wissen, von den Tatsachen und dem Kontext als von der Intention ab. (Glaubt ihr, mir macht es Spaß, dauernd auf Seehofer herumzuhacken? Aber er provoziert das, nicht ich).

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Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch Einzelfälle, die kein erkennbares Netzwerk bilden, ein solches möglich, denkbar erscheinen lassen (NRW Minister Reul). Die Forderung nach der Untersuchung bleibt auf dem Tisch, und solange sie vom BMI verweigert wird, auch der Generalverdacht. Seehofer  mag vermindert schuldfähig zu sein, seine Heerscharen von Staatssekretären und politischen Beamten im Sicherheitsbereich sind es nicht.

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Es gibt kein politisches System auf der Welt, in dem Generalverdachte nicht gedeihen. Manche sind verschwörungsideologisch unterfüttert, manche gehören zur Satire, die der Zensor versteht (und gehören deshalb, nach Karl Kraus, zu Recht verboten), manche sind berechtigt. Um die drei Gruppen auseinanderzuhalten, bedarf es nicht nur des gesunden Menschenverstandes, sondern der Wissenschaft (NICHT DER POLITISCHEN MEINUNG vorrangig). Hier haben Ehre, Kameradschaft, und die kontextfreie Annahme, Menschen könnten sich Unrecht beleidigt fühlen, ihre Legitimität verloren.


[1] Ich hatte schon mehrfach auf Adornos Bestimmung von Begriffen hingewiesen, die nicht einfach neutrale Bezeichnungen von etwas sind, das alle in etwa gleich kennen und verstehen. Das ist ein weites Feld, man findet sich am besten in der „Negativen Dialektik“ (1966) oder in der „Einleitung zur Soziologie“ (1968) zurecht. Man muss sich daran nicht abarbeiten, aber in unserem Zusammenhang ist klar: Nazi oder Faschismus sind nicht einfach Beschiumpfungen aus einer bestimmten Ecke „gegen Rechts“, sondern sie attackieren die geglättete Oberfläche, in der es zur politischen Korrektheit gehört, alle faktischen und konstruierten Analogien zum Nationalsozialismus als dessen „Verkleinerung“ abzulehnen. Es geht um mehr als um eine „Bezeichnung“, aber es geht nicht gleich um ein so überhöhtes Absolutes, dass damit niemand mehr etwas anfangen kann.

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