Profisportler hassen nichts so sehr wie den 4. Platz in einer Wertung. Keine Medaille…wenn jemand 35. Wird, naja, das war eben ein schlechter Tag. Aber 4….
Wer von uns möchte sein Geld bei der 5. Sparkasse von Wardenburg einlegen? Oder gibt sich zu erkennen als Fan des 2. FC Köln? Oder besucht Sonntags die Messe in der fünften Kirche unserer ziemlich lieben Frau vom Deich?
Schon klar: alles eine Frage der Erziehung und damit der Umgebungskultur.
Fünfter sein tür auf einer raus einer rein vierter sein tür auf einer raus einer rein dritter sein tür auf einer raus einer rein zweiter sein tür auf einer raus einer rein nächster sein tür auf einer raus selber rein tagherrdoktor
Ernst Jandl
Trumps America first! ist eine durchaus konventionelle Erweckungsformel, wo bei niemand so schnell fragt, worin, in und mit welcher Disziplin die USA die Ersten sein sollten, wieder die Ersten. National-identitär heißt das: über all die Ersten.
Made in Germany hat einmal ähnlich gewirkt: was auch immer aus Deutschland kam, war das Beste. Auch hier wurde von der Produktqualität auf alle geschlossen, das aus diesem Land kam. Der Begriff ist eine „Metonymie“, das Produkt meint uns, und wir sind die Deutschen. Und wenn es Bereiche gibt, wo die Produktqualität schlecht ist, dann hilft solch eine Formel, die Wahrheit der verallgemeinerten Formel über den Einzelfall zu stellen.
Rassismus und Armut in den USA? Geh nach Silicon Valley. Nicht der Schwarze ist Amerika, sondern united we stand. Überall die Ersten sein erzeugt eine Normalität, der sich andere nachzuordnen haben.
Bei uns war es die Qualität, was hier gemacht wurde, ja, was hier gemacht wird, ist gut. Wenn nicht – BER, schwamm drüber. Wichtig bei diesen Normalisierungsbegriffen, dass sie nie, nur unter Strafe und Ächtung, auseinandergenommen und kritisiert werden dürfen.
Wir sind kein Pandemieweltmeister, kein Impfweltmeister, nicht mal mehr Fußballweltmeister. Immerhin: Die Zwergkaninchen-Weltmeisterschaft ist fest in deutscher Hand. Eine Erfolgsgeschichte. (SZ 24.4.2021)
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Das deutsche Schulwesen ist ganz gut, eher mittelmäßig und – es diskriminiert die Mehrheit der aus der Mittel- und Unterschicht kommenden Schülerinnen und Schüler. Gemessen am Reichtum Deutschlands ist das Schulwesen nicht ganz gut, sondern schlecht. Schlechtere Bildungssysteme in ärmeren Ländern sind, im Vergleich dazu, ganz gut.
Das Gleiche gilt für die Universitäten, für den sozialen Wohnungsbau, für die Digitalisierung, für alle möglichen Bereiche, in denen die Allgemeinheit das Lob des Made in Germany singen soll, es zwar nicht kann, aber mitmacht.
Heute wird noch ein weiterer Aufschrei hörbar, wir sind nur mehr auf Platz 13 der Pressefreiheit, u.a. weil nicht nur die Nazis und Querdenker die Journaille behindern, sondern auch Polizisten. Die bekämpfen eher die freie Berichterstattung, anstatt sie zu schützen, und sind auch sonst nicht gerade ein Qualitätsmerkmal unserer Gesellschaft, so wenig wie die anderen Sicherheitsbehörden, viele Gerichte, viele Ämter, … generell gilt, dass die viertreichste Nation der Erde in fast allen öffentlichen Bereichen schlechter ist als sie sein könnte. Was nicht heißt, dass nicht andere noch schlechter sind, aber welche Krankheiten vergleichen wir denn miteinander?
Gegeneinwand: man muss ja nicht immer um Medaillen und Anerkennung kämpfen. Stimmt und stimmt nicht. Kommt darauf an, ob ein paar dumme Richter[1] den Kindern die Masken verbieten, ob der Herr Lindner (noch FDP) und die Nazis von der AfD unisono die Grundrechte für sich entdeckt haben, um ihre Freiheit gegen ein paar Covidtote mehr einzutauschen, und ihre Interpretation auch noch durch die Meinungsfreiheit schützen lassen.
Das mächtige Land ist ein Refugium krimineller Clans (nicht nur Mafia), schlampiger Wegschaustaatlichkeit (Wirecard), peinlicher Unterwürfigkeit gegenüber autoritären Regimen im Umfeld unserer Wirtschaftsbeziehungen (Daimler in China, Nordstream mit Russland) und heuchlerischer Gefolgschaft einer Flüchtlingspolitik der EU, die unschwer anders, menschlicher gestaltet werden könnte (aber natürlich nicht gegenüber den Flüchtlingsverweigerern ganz und gar friedlich)…etc., etc. Bevor jetzt gemurrt wird, ob ich mit dieser Suada völlig die Balance verloren hätte, bevor das viele Gute, das unser Land bewirkt, gegengerechnet wird – weiß ich doch, und ich weiß auch, was viele andere Länder für grauenvolle Dinge machen. Aber mir geht’s doch darum zu fragen: ob man die Macht, die man als sehr großer Player tatsächlich hat, nicht anders, besser, weniger populistisch (Flüchtlinge) oder dilettantisch (Covid) ausüben könnte, wenn man nur…
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Zu Recht fragen jetzt die Leserinnen, was daraus folgt. Nicht mehr Erste zu sein, bzw. sein zu wollen…das ist so banal, wie die Zahl unserer Nobelpreisträgerinnen gegen die Zahl der Dropouts aus dem Bildungssystem aufzurechnen.
Wahrscheinlich, sicherlich, liegt Annalena Baerbock damit richtig, dass nicht die Regierungserfahrung für eine schlechte Politik, sondern die richtigen Maßnahmen für eine gute Politik der Maßstab sind – die „Erfahrenen“ füttern ja die Populisten wie die Goldfische. Und natürlich setzt sich die AfD auf beinahe alle regierungs- und politikkritischen Bewegungen, beruft sich auf Freiheiten, die den Nazis so wenig zustehen wie anderen Menschenfeinden. Ich weiß, dass dieser Satz bestreitbar ist, wenn die Freiheiten als eine positivistische oder gerichtssprüchliche Faktizität reduziert werden. Aber für mich gilt, dass Freiheiten auch – auch – das sind, was wir mit ihnen machen. Handeln statt nur ableiten, das hätten wir kritisch mehr aus der 68er Zeit mitnehmen sollen.
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Einer raus, einer rein, Nächster sein.
Das war schon einmal so, und nichts schließt aus, dass es nicht wieder so werden könnte. Aber es soll nicht.
[1] U.a. https://www.news4teachers.de/2021/04/familiengerichte-urteilen-gegen-die-maskenpflicht-im-unterricht-und-stuetzen-sich-dabei-auf-argumente-aus-der-querdenker-szene/ oder https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/weimar/weimar-urteil-masken-schule-justiz-corona-100.html…natürlich gibt es jetzt Anzeigen gegen die Richter wegen Rechtsbeugung, aber es geht nicht nur um den Einzelfall, sondern um „die Justiz“, so wie es um Made in Germany geht.