Der große Satiriker ist das geliebte Stiefkind Gottes – sein Stiefkind, da es ihm nicht bestimmt ist,…die göttliche Liebe zu predigen, sondern den göttlichen Hass, und eben um des Opfers willen, immer wieder verkannt zu werden, besonders vom Schöpfer geliebt… „Witz und Glaube wurzeln beide im größten Kontrast. Denn einen größern als den zwischen Gott und Gottes Ebenbild gibt es nicht.“
Heinrich Fischer im Nachwort zu Karl Kraus: die letzten Tage der Menschheit, Fassung 1926, dtv 1964, S. 309)
Nicht jeder Witz ist gut, nicht jeder Witz wird verstanden. Das ist nicht das Gleiche.
Die Covidzahlen von
- Indien, der Tod ist allgegenwärtig -https://www.tagesschau.de/ausland/asien/corona-indien-151.html
- Brasilien, -https://www.dw.com/de/hunger-und-covid-19-pandemie-millionen-in-brasilien-leiden/av-57219356
- auch bei uns, https://www.tagesschau.de/inland/coronavirus-karte-deutschland-101.html
- vor allem die Sterblichkeit durch die Pandemie weltweit laden zur Empathie ein, zu zielgerichteten Spenden, zu politischer Unterstützung – und zu Widerspruch.
Die Toten beim ultraorthodoxen Lag ba Omer Fest in Israel desgleichen. https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-massenpanik-101.html, https://zeitung.sueddeutsche.de/webapp/issue/sz/2021-05-03/page_2.467276/article_1.5281970/article.html
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Daraus sollte man keine Satire machen – richtig, sagt der gute Mensch, es gibt Themen, über die lacht man nicht. Wer aber sagt, dass man bei Satire lacht, so wenig wie bei Ironie oder Pathos, die Geschwister der Satire.
Wenn ein indischer Minister die Hindugläubigen ermuntert, sich zu Millionen (!) massenhaft in Fluten des Ganges zu werfen, dann ist das Realsatire. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/hindu-fest-kumbh-mela-findet-ohne-corona-beschraenkungen-statt,SUYYgVM, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/hindu-fest-und-corona-in-indien-superspreader-ereignis-befuerchtet-17293445.html
Und Israel? „Laut israelischen Medien hatte sich Innenminister Aryeh Deri von der ultra-orthodoxen Schas-Partei dafür eingesetzt, alle Gläubigen auf das Gelände zu lassen. Und Amir Ohana, Minister für öffentliche Sicherheit von der Likud-Partei von Benjamin Netanyahu, erfüllte ihm diesen Wunsch.“ Und weiter: Ohana war Stunden vor der Katastrophe vor Ort. Er sah, wie voll es war. In israelischen Medien ist in diesen Tagen von einer Autonomie der Ultra-Orthodoxen die Rede. Der Staat schaue weg. Und Netanyahu, der wegen Korruption angeklagte Premier, unternehme nichts gegen die rechtsfreien Räume, weil er auf die ultra-orthodoxen Parteien angewiesen sei.
So sieht es auch Gilad Malach vom israelischen Institut für Demokratie: „Die Vorgaben in einem Stadion oder auf einem Rockfestival wären viel strenger gewesen. Dass der Staat mit zweierlei Maß misst, haben wir bereits in Sachen Corona gesehen…“ (Benjamin Hammer, og. Sendung)
Die Haltung der Regierung ist wiederum Realsatire.
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Der Staat, auch der liberale Rechtsstaat, schützt die Religion, die unter dem Deckmantel der Glaubensfreiheit navigiert. Religionsgemeinschaften sind keine Glaubensgemeinschaften, sondern politisch, genauer polit-ökonomische und politisch-kulturelle Interessenvertretung im Machtspiel. Das Ergebnis jeder durch Religionsausübung erfolgten Katastrophe ist für die Überlebenden und Funktionäre die Berufung auf einen Gott oder eine Göttin. Den Gestorbenen und ihren Angehörigen nützt das nichts.
Alle Ultra-Orthodoxen Bekenner sind Blasphemiker. Sie verdienen eigentlich keine Satire. Aber der letzte Satz in Karl Kraus‘ Drama des 1. Weltkriegs ist die Wahrheit:
Die Stimme Gottes: Ich habe es nicht gewollt.