Habeck hat Recht. Was tun?

Habeck hat Recht, aber was folgt?

So einfach ist es nicht, Recht zu haben und Politik zu machen und die Menschen dabei mitzunehmen.

Robert Habeck hat das in Davos deutlich gemacht: Man kann Globalisierung nicht einfach rückgängig machen – man kann das nicht, ob es manche wollen oder nicht – und man kann Nationalismen nicht als  Gegenmittel zu ökonomischen Abhängigkeiten und Erpressungen benutzen. Das Gegenteil von Global ist ohnedies nicht national, sondern lokal, und die Dialektik der Glokalisierung ist schon ganz gut aufgearbeitet (In einer ganz guten Zusammenfassung Glokalisierung – Wikipedia wird auch Zygmunt Bauman erwähnt, der mich schon vor Jahren auf das Problem und den Begriff gebracht hatte).

Rein ökonomisch scheint es, als gäbe es algorithmische Möglichkeiten, mit hoher Effizienz die globalen Anstrengungen, um profitable Vernetzungen und Lieferketten zu reduzieren – ob nun Klima, Hunger, Bevölkerung oder Artenvielfalt im Fokus stehen. Es scheint so. Weil sinnvollerweise Wirtschaft allein nicht die Strukturen hergibt, und eine politische Ökonomie gefordert wird.

Die muss sich aber damit auseinandersetzen, dass sie allerorten und weltweit auf große und weniger große Diktaturen stößt, auch immer im eigenen Einflussbereich: wir in der EU haben Ungarn und andre an der Backe, Europa die Atomdiktatur Russland, in der so genannten „Westlichen“ Hemisphäre haben wir nicht nur die waidwunde USamerikanische Demokratie im eigenen Lager, den „Osten“ gibt es gar nicht, aber er wird gleich von zwei Tyranneien unterschiedlicher Machart und vielen kleineren bestückt. Und etlichen auch waidwunden Nationalismen.

Unsere Insel ist kein Staat mehr, was sich national profiliert, wird am Versagen eher als an einem Erfolg gemessen, das gilt für Größere wie Deutschland noch mehr als für die Kleineren. Unsere Insel, deren Ufer die Demokratie verteidigen wollen und sollen, ist natürlich bedroht, und was Russland betrifft, so sind wir im Krieg, der hat nur unseren nationalen Boden noch nicht mit Kampf betreten.

*

Die allgemeine Glokalisierungstheorie lässt uns an die Gesellschaft denken, die spezielle an unsere Kinder und Enkel. Den Kapitalismus wird man weder durch beten noch durch elitäre Lokalökologie los, wir können Zusammenhänge nicht durch gut gemeinte Analyse zum Einsturz bringen. Aber der globale Kapitalismus ist eher ein Imperium als eine Nation; Imperien haben die Eigenschaft, mehr oder weniger dichte Machtstrukturen aufzuweisen, und jedenfalls sind demokratische Bewegungen eher geeignet, lebbare Alternativen zu schaffen, auch wenn es dabei um einen Abbau von Wohlstand, Mobilität, Lebenskunst geht.

Unabhängig von der Globalisierung dürfte weiter gelten, dass die „Sieger“ aus bewaffneten Konflikten meist eine Periode größerer Armut durchmachen, wenn sie die nicht mit Beutegut kompensieren. Die „Verlierer“ werden deshalb nicht reicher. Das ist kein Hoffnungsschimmer für Russland, aber WIR werden die Ukraine wieder aufbauen (müssen, dürfen, können), und das wird im globalen Kontext vielleicht nicht so wichtig wie unsere materielle Verarmung durch Klima, Flüchtlingsströme und nationale Alleingänge. Auch sollten wir nicht vergessen, dass der Pöbel sich gegen jeden Klassenausgleich stets durch Brot und Spiele hat gängeln lassen, trotz Marx und seiner Klassenanalyse.

Und wenn die ernsthaften Klimaprognosen stimmen, wird die globale Armut zunehmen und auch unsere demokratischen Inseln nicht verschonen, das wird nach der Habeck-Voraussicht auch die dringend benötigten weltweiten politischen Regeln beeinflussen müssen. Und wer von uns wird sich retten können und so oben bleiben, wie wir sind? Die Neoliberalen hoffen, dass sie es sind. Unsinn. Der gerechte Ausgleich wird auch innere Gewalt und eine Einigung erfolgen, die die Demokratie erst einmal weiter entwickeln muss, um die Gewalt einzudämmen.

Wenn Globalisierung bleibt und sich in Glokalisierung ausdrückt, dann ist es umso wichtiger, mit Stärke gegen die Nationalen vorzugehen (incl. NATO „Partner“ Erdögan, Orban & Consorten) und uns Europäer nicht in einem Bündnis sehen. Nur ein sehr viel stärkeres Europa wird als Verhandlungspartner wirklich ernst genommen werden, und ist doch lokal angesichts des Globalen.

NACHSATZ:

Das ist kein Feiertagsausflug eines Lokalredners in die große Politik. Es ist das Inhaltsverzeichnis einer Regierungserklärung, wie sie Habeck und Baerbock & schreiben könnten. Vielleicht hätte ich, wäre ich damals schon am Leben gewesen, 1914 oder 1933 oder 1939 oder …mich so gefühlt wie jetzt: das zu beobachten, was einem selbst (noch) keine Schmerzen macht, aber schmerzt. Aus diesen Gefühlen kann und soll man nie Politik machen, sie sind eher ein Weckruf.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s