Einer der blöden Witze, Österreich ist auch regen- und Ärzte-REICH, und tatsächlich wirtschaftlich teilweise REICHER als sein deutscher Nachbar, das Land ist korrupter im Vergleich, künstlerisch und intellektuell profilierter, im Krieg der Russen gegen die Ukraine vorsichtiger gegenüber Moskau, verbal bösartiger gegen Geflüchtete, oft in der Praxis humaner, und, das merke ich auf Schritt und Tritt, wenigstens in Wien so multiethnisch wie wenige andere Städte in Europa.
Jetzt gab es Wahlen, die drei großen Parteien ÖVP, FPÖ und SPÖ liefern sich einen absurden Schattenkampf, die kleinen Grünen und NEOs im großen Bundesland Niederösterreich sind noch keine Zünglein an der vagen Waage. Es wird schwarz-rot, was den Blauen auftrieb geben wird. Dass die Braunen blau sich färben ist so absurd wie die Landesfarben von NÖ blau-gelb sind. Dass die Braunen so stark geworden sind – 25% – liegt an der Asylfrage – Unmenschlichkeit hat eine Tradition, solange man nicht betroffen ist, und ander durch die FPÖ vereinnahmten Covidpolitik, sie haben zu wenig Opfert der Seuche in ihren Reihen zu beklagen…vielleicht. Aber der Grund für die Schwiemligkeit und Korruptionsanfälligkeit der drei Großen geht weiter zurück. Viel weiter. Bis zum Ende des II. Weltkriegs. Trotz vieler und herausragender intellektueller und künstlerischer Vergangenheitsbewältigung wachsen der Köpfe der faschistoiden Hydra immer wieder nach, austro- und NS, oft vermischt, oft gegeneinander, und die Selbstabschaffung der Sozialdemokratie nach der Ära Kreisky ist noch einmal komplizierter, aber evident. Das alles wird in vielen Medien rauf und runter dekliniert. Aber es ist ein Kennzeichen dieser öffentlichen Politik, dass das SAGEN schon ausreicht, um nicht HANDELN zu müssen.
Der Bundespräsident AvB (van der Bellen für Unkundige) ist die rühmliche Ausnahme, Fels in der Brandung, demokratischer Fels in einer populistischen Brandung.
UND unterhalb dieser unguten rechts-schwappenden Realität gibt es eine Menge weltoffener, kritischer, produktiver Metastasen, die sozusagen das bessere Abbild einer möglichen Politik abgeben, einer möglichen Kultur, einer möglichen Sozialreform etc., die halt eben nur noch nicht wirklich ist. In diesem Möglichkeitsareal fühlt man, fühle ich mich wohl; aber auch wenn wohler als anderswo, jederzeit kann es wieder zu einem Einbruch der Wirklichkeit, faschistoider innenpolitischer Praktiken usw. geben – das kann man an realen Fällen belegen, immer wieder.
Nach einer Woche harter Arbeit, Freundschaftsbesuchen, Diskussion, Projektentwicklung, Burgtheater („Zauberberg“, super), und endlich gutem Essen, nach dieser Woche schaue ich wie auf einen kleinen Planeten, den ich regelmäßig verlassen muss, um meiner Wien- und Alpensehnsucht nachgeben zu dürfen.
Keine Heimattümlei, Heymaththümeley, sondern Ausleben der Differenz. Schaut euch die Armut auch an, z.B. in ländlichen Regionen, wo kleinste Orte weder Lebensmittel, noch Ärzte, noch Gasthäuser, noch ÖPNV-Anschlüsse haben, schaut euch den Wohlstand an, der in viele Poren nicht eindringt und andere aufbläst, und – darum geht es mir – vergleicht. Sozialstatus, Rentenpolitik, Wohnbaupolitik, Tourismus, und vor allem Klimapolitik. Die Skala besser-schlechter ist unsinnig, Differenz bedeutet auch, dass ich immer wieder nach Wien kommen muss.
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Ich finde es lustig, dass vieles von dieser Zusammenfassung auch in kritischen Fremdenführern, Projekten, Diskussionen aufscheint. Man muss nur Musils „Möglichkeitssinn“ studieren, um die Menschen ohne Eigenschaften zu verstehen.