Es gibt viele Gründe, Israel zu mögen, manche meinen, man dürfe ein Land sogar lieben. Es lässt sich säkular begründen, ethnisch, religiös, solange die entsprechenden Narrative präsent sind, verankert in der eigenen subjektiven Kultur und in der gesellschaftlichen Umgebung. Die Zuneigung zum Heiligen Land hat lange Traditionen – und die Abneigung gegen alles Jüdische ebenso. Das geht weit über den religiösen Antijudaismus hinaus, auch über den unsterblichen Antisemitismus. Die dazu angelegten Bibliotheken und Veranstaltungen sind endlos gefüllt, das Thema füllt alle Bildungsebenen und politische Schnittstellen. Interessant ist auch, welche Tabuthemen jeden Diskurs zur jüdischen Identität von Israel begleiten und beschränken, oft deformieren.
- Israel, identisch mit dem STAAT ISRAEL, ausgerufen am 14. Mai 1948? Im Alltagsdiskurs, in der religiösen wie kulturellen Auseinandersetzung, ist die Antwort nicht so eindeutig, wie die Frage vorgibt.
- Ich denke gar nicht daran, mich hier auf eine n+1 Version der Sicht auf Israel, und seine Umgebung, und den Nahostkonflikt, und alle politischen Interjektionen zur derzeitigen Situation einzulassen. Dazu weiß ich zu viel, dazu liegt zu viel Information und Wahrheit auf dem Tisch. Ich leide darunter, dass die rechtsradikale, in Teilen faschistische Regierung Netanjahu den demokratischen Staat Israel deformiert und demontiert und den undemokratischen Kräften der näheren und weiteren Umgebung des Landes die scheinbare Legitimation gibt, Israel endlich als seinesgleichen (undemokratisch und feindlich) oder als legitimes Angriffsziel auszurufen. Um das zu sagen, muss man und kann man einiges wissen, nicht nur politisch, auch kulturell, religiös und sozial. Ich nehme das in Anspruch.
Das demokratische, plurale Israel, das bis vor kurzem Wirklichkeit war, nicht fehlerfrei, nicht vollkommen – es ist ja eine menschliche Gesellschaft und ein Staat – hat nicht nur zusammengefasst, was schon an ein Wunder der jüdischen Emanzipation nach Jahrhunderten der Judenverfolgung grenzt, an die Möglichkeit, nach der Shoah einen eigenen Staat zu gründen und nicht nur auf Emanzipation in einem anderen Staat zu setzen, und – was mich an Israel besonders gefreut hat, aber auch an anderen Gesellschaften, – sich vom ethnischen, religiösen Exzeptionalismus wenigstens ein Stück weit fern zu entwickeln. Der Quatsch vom auserwählten Volk ist endgültig beim Übergang vom Judenstaat zum jüdischen Staat zerronnen. Das hat lange vor der Shoah begonnen und wurde im Staat Israel, wie alles andere unvollkommen, realisiert, und scheinbar befestigt. Scheinbar. Leider. Aber natürlich gibt es auch keinen jüdischen Staat, weil gerade der Staat ja es nicht zulässt, ethnisch determiniert zu sein. Der Jüdische Staat meint, geschichtsfortschrittlich, dass jüdische Menschen dort ohne Antisemitismus und Verfolgung als normale Menschen leben sollen und können, leben lernen nach all dem Schrecken. Sie müssen nicht herkommen, sie können. Sie müssen nicht bleiben. Sie müssen sich nicht Jüdisch definieren, um sich israelisch zu verstehen.Wenn man hier angekommen ist, dann stehen zwei Antworten außer Frage: zum einen die Beurteilung von Netanjahu und seiner Bande als religiös-nationalistischen Schurken, faschistoid und en Frieden und die Sicherheit von mehr Menschen gefährdend als gerade in Israel leben; zum andern die Gedankengänge derer, die die rechtsradikale Politik Netanjahus als Replik auf die kriminellen, oft religiös, immer nationalistisch verbrämten Handlungen der Israelfeinde in der Region und weiter her verteidigen. Nicht mein gegenwärtiges Problem.Was mich interessiert, ist wie es dazu kommen konnte. Seit wann der undemokratische Idiotismus sich ausbreiten konnte, und warum. Viele Hinweise gab und gibt es dazu seit langem, aber eben nicht seit je her.Im Lesestoff zur Situation gibt es schon Andeutungen, aber zu wenige, zu schmerzlich ist die akute Zerstörung des geliebten Landes. Auch Forschung und Nachdenken kann zu Widerstand führen und der ist nicht auf das fiktive Land beschränkt.Nur eines ist jetzt schon klar: Judentum ist in seiner Wurzel intentional und nicht in seiner Form verordnet. Deshalb gehören Bibi und seine Halunken nun wirklich nicht zu uns. Das soll uns nicht abhalten, ihn nicht anzuerkennen.(Zweiter Teil folgt)