Nadia Nashir Karim

Nadia Nashir Karim 1955-2023

Nadia Nashir Karim ist am 20.4.2023 gestorben. Sie war ständig präsent, nicht nur als Gründerin im Afghanischen Frauenverein; nicht nur in produktiver Zusammenarbeit mit Roger Willemsen; nicht nur als Expertin für die GTZ und andere offizielle Stellen; nicht nur als Journalistin und Übersetzerin. Das „Nicht nur“ soll darauf verweisen, dass Nadia die treibende Kraft war, in Afghanistan über Projekte und Beratung das Leben der Menschen, vor allem der Frauen und Mädchen, besser zu gestalten; sie war unermüdlich, und im komplizierten Kosmos der Entwicklungszusammenarbeit gehörte sie zur realistischen Schule derer, die keine Schranken der Kommunikation kannten, um so viel wie möglich zu verwirklichen; ohne dass sie sich jemals an die Gewalt oder den Opportunismus angebiedert hätte.

Osnabrück hatte uns schon früh verbunden, aber meistens haben wir uns in Berlin getroffen. Das Konkrete bei diesen Treffen, Themen, aber auch Veranstaltungen, war deshalb so beeindruckend, weil sie nicht nur ihre Projekte, sondern deren Rahmen im Land wirklich kannte. Ich war besonders von ihren realistischen Schul- und Klinikprojekten beeindruckt, bei deren Verwirklichung sie hier wie im Land große Hürden überwunden hatte. Hürden, die auch von den Taliban aufgebaut wurden, und die unter Vermittlung der Menschen „von unten“ abgetragen hatte. Der Afghanische Frauenverein e.V. hat das Lebenswerk von Nadia sehr anschaulich präsentiert und gewürdigt: Unsere Gründerin Nadia Nashir Karim | Afghanischer Frauenverein e.V. (afghanischer-frauenverein.de) (25.4.2023). Ihr Leben ist bei wikipedia gut zusammengefasst (Nadia Nashir-Karim – Wikipedia) (25.4.2023),

So gedenkt man in den Nachrufen derer, die man für wichtig und würdig hält; meist dauert die Erinnerung nicht lange. Wir können aber auch anders auf Nadia Nashir Karim und ihr Lebenswerk zurückblicken. Nach ihren Studien in Kabul und Osnabrück war sie nicht nur rastlos tätig, sondern hat auch die Anläufe zur Demokratie und zum Gemeinwohl in Afghanistan immer wieder zwischen den beiden Gesellschaften vermittelt. Sie hat die Hilfe des Staates in Anspruch nehmen müssen, aber vorwiegend hat sie von „unten“ agiert, Spenden gesammelt, Informationen getauscht, Projekte konkretisiert – und immer die Frauen im Blick, die Mädchen, alle Kinder. Das liest sich einfacher als es war, nicht erst seit der neuerlichen Herrschaft der Taliban, die waren ja nie ganz weg, und oft haben die Regierung und der lokale Machthaber den Projekten auch eine Menge Steine in den Weg gelegt. Und Nadia hat, mit ihren Kolleginnen und Kollegen, diese Hindernisse abgetragen. Eine Klinik in Afghanistan aufbauen, eine Schule lebenswürdig gestalten, Wohnprojekte befördern, das erfordert nicht nur finanzielle Anstrengungen, hier geht es darum, Menschen zu erreichen, ihnen Selbstbewusstsein zu vermitteln. Und das konnte Nadia.

Wann immer wir uns getroffen haben, gab es ein Problem im Zentrum des Gesprächs und keine komplizierte Auslassung über Stärken und Schwächen der Politik. In ihrer Praxis war Nadia durchaus politisch. Aber mich hat die Nachricht von ihrem Sterben auch betroffen, weil sich unter der Rüstung der tatkräftigen, engagierten Humanistin auch eine sensible, einfühlungsstarke Frau befand, die durchaus in der Lage war, die Probleme der Frauen in Deutschland genauso ernst zu nehmen wie in Afghanistan. Sie konnte den Zusammenhang einer oft zu schwachen Politik für die Menschen dort sehr präzise auf Ausgrenzungen hier zurückführen.

Ihre Geschenkkarten und Briefe sind Erinnerungsstücke in meinem Archiv, die immer mahnen, die Projekte der Nadia Nashir Karim und ihrer Mitarbeiterinnen und Freunde weiter zu unterstützen und sie nicht im Nebel der politischen Gedächtnisverlustes untergehen zu lassen. Sie gekannt zu haben, war ein Teil von produktiver Entwicklungspolitik, das zeichnet sie weiterhin aus.

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Im übrigen bitte: Spende an den Afghanischen Frauenverein mit dem Stichwort „Nadia“, Commerzbank, IBAN: DE28 5708 0070 0680 8505 00.

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