Leipziger Allerlei, ich lese eine Messe

Wenn man zur Buchmesse fährt und mit der Deutschen Bahn tatsächlich ankommt, dann denkt man nicht gleich ans Essen. Sollte man aber, denn die Kulinarik auf der Messe verdient keine Rezension….aber das ist ein schlechter Kalauer, Verzeihung.

Ich mochte Leipzig schon immer, eine gute Stadt, urban und näher an Wien als an Berlin. Zur Buchmesse wäre ich allerdings nicht gefahren, hätte meine Frau, Birgit Seemann, nicht gelesen

und wäre Österreich nicht das diesjährige Gastland. MEAOISWIAMIA. LEST DAS BITTE DREIMAL LAUT VOR. Wo doch die informierteren ExpertInnen wissen, warum sich Österreich auf dem deutschen Buchmarkt schwer tut, obwohl die besten deutschsprachigen AutorInnen sowieso häufiger aus Österreich kommen, bedenkt man die Quantität der Bevölkerung.

Also, wir fahren zur Buchmesse. Anlässe genug, und da wir bei guten Freunden wohnen, auch kein Abenteuer bei der Suche nach Lagerstätten.

Fährt man raus zur Messe, ist es ein Vergnügen. Die Straßenbahn ist voll, ganz viele Junge sind verkleidet, schließlich ist ein Teil MM ja die MANGA-COMIC-CON, und das ist Teil der Freiheit, sich so dorthin zu begeben und eine zweite Ebene in sein Leben einzuziehen. Ich habe keine dieser hunderten wunderbaren Gestalten fotografiert, es wäre eine ungerechte Verteilung geworden, ganz viele nicht im Bild zu haben. Und die volle Straßenbahn erzeugt schon eine gewisse Solidarität.

Dann ist man endlich drin, und ich wusste ja, warum ich mit gemischten Gefühlen auf Buchmessen gehe, selten genug: im Überschwang der vorgestellten Druckwerke muss man die Juwelen wirklich suchen, die wirklich guten kleinen Verlage haben dementsprechend kleine Kojen, die ganz großen zeigen sich übervoll, nur bei den Lesungen kann man von der Größe oder Kleinheit der Versammlung nicht ohne weiteres auf Qualität und Verlag schließen. Man geht halt zu den Namen, die man sehen und hören will. Und macht einen weiten Bogen um manche Namen und manche Verlage.

Die Lesung meiner Frau war erfreulich, und andere haben das auch gerne gesehen und gehört, auch im Rundfunk nachgehört. Und schaut man sich im Gastlandsektor um, fallen einem die vielen kleinen österreichischen Verlage auf, die schon eine andere Kultur repräsentieren, was Schreiben, Verlegen, Verteilen, Rezensieren betrifft.

Von den vielen Kommentare einer: SZ 29.4.2023

(Aus einem Interview)

Welche Unterschiede sehen Sie in der politischen Kultur zwischen Österreich und Deutschland?

Köhlmeier: In der österreichischen Kultur herrscht ein hohes Maß an Niedertracht. Der politische Gegner wird manchmal als strohdumm oder als abgrundtief böse betrachtet. Ich merke, es steckt mich an. Dass ich beim politisch Andersdenkenden Ansätze habe zu denken, ist der zu blöd, dass er das kapiert? Oder er ist so böse, korrupt oder verdorben….

Aber ist der Stellenwert der Kultur in Österreich denn nicht höher als in Deutschland?

Helfer: Ich denke, ja. Zum Beispiel das Theater.

Köhlmeier: Darum beneiden uns die Deutschen. Wir haben es, tun aber nichts dafür von Seiten der Politik. Was müssten wir da noch fördern? Wenn man es auf die Bevölkerungszahl hochrechnet, haben wir viel mehr Autoren als Deutschland. Und am meisten hat Vorarlberg“.

An solche Sachen denke ich und höre da auch Gespräche mit, während wir uns anstellen, um guten Wiener Caf’e zu bekommen. Manchmal ist man auch gerne Doppelstaatsbürger.

Die dunkle Seite der Wanderungen durch die Verlagskojen sind die überwältigenden Massen an ausgestelltem Unsinn – hier geht es nicht um Differenzen im Geschmack oder Prioritäten. Ich nenne hier keinen Verlag und keine AutorInnen, aber die reine Massenzulassung ist eben auch nicht demokratisch.

Eine hellere Seite zeigt sich bei der Zunahme der Wertschätzung für Übersetzungen, natürlich und richtig aus der Ukraine, aber auch vom Balkan. Und für mich überraschend die Dynamik bei Schul- bzw. Lehrbüchern.

Wiederum dunkel: so viel esoterischer, spiritistischer, abstruser Blödsinn kann gar nicht den Massengeschmack treffen, zumal Helene Fischer zur gleichen Zeit auch Massen auf sich zieht….Naja. Ich schimpfe nicht und flüchte mich zu den Zeitungen, SZ und TAZ sind gut vertreten.

*

Diese subjektiven Eindrücke will ich ein wenig überbauen, die BesucherInnen sind ja abgereist, und die Messe bereitet sich aufs nächste Jahr vor. Die verkleideten Mangas werden mich vielleicht wieder herlocken, und unsere Freunde in Leipzig, und die Stadt…

*

Aber was mich verfolgt, außer der Mühe, sich durch den Griessbrei ins Schlaraffenland der guten neuen Bücher zu fressen, ist die Frage nach der Zukunft von Buch und Bild im Zeitalter begrenzter Menschendauer auf Erden und dem unaufhaltsamen Vormarsch der IT, auch die Frage nach meiner/unserer Bibliothek zu hause. Nein, keine esoterische Reise zu einem Auswanderungsplaneten der privilegierten Kulturgötter auf den Buchplaneten, auch nicht ein apokalyptisches Bedauern über das Ende des Denkens, der Moral, der Ästhetik, das Ende von allem, was uns selbst Bewusstsein schafft, wenn es uns nicht mehr geben wird, vertrocknet oder weggeschwemmt. Sondern ganz praktisch. Für die nächsten Jahrzehnte. Fahrenheit 451 von Ray Bradbury verfolgt mich schon länger als es Wikipedia gibt (https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrenheit_451#Literatur), aber es hat eine große ausufernde Wirkung gezeigt. Und was es bedeutet, einen Text auf den Lippen zu haben, wenn man verdorrt oder anderswie zu Ende geht, ist eine reale und keine philosophische Überlegung. Saurier hatten seinerzeit noch keine Sonettzeile zwischen den Zähnen. Über die Hoffnungen des politischen, also gesellschaftlichen Überlebens gibt es auch gute Gedanken, z.B. Marlene Knoblochs Bericht über Maxim Biller auf Schloss Elmau (SZ 2.5.2023). Paradigmatisch greift er eine Vergangenheit heraus, um eine mögliche Zukunft herbei- oder wegzurufen. Das aber ist typisch für die Gewissheit, dass es uns, als species, weiterhin geben wird, wir also Nachkommen unserer Nachkommen … n+1 haben werden. Wenn aber diese Gewissheit erodiert, dann ist z.B. die Bibliothek oder die Galerie bis zum Ende eine gute Vorstellung, den Abschied vorwegzunehmen ohne deshalb schon im Orkus zu versinken oder das Ende mit zu „erleben“, das wird ja nicht uns schon treffen, und die Schuldgefühle können wir an die Ferienhauswand nageln. Luthers Apfelbäumchen wird nichts nützen, aber vielleicht wird uns die Bibliothek Mut geben, doch noch am Klima, an der Friedenspolitik, an der Gesellschaft zu arbeiten. Wenn man so richtig am Lesen ist, merkt man vielleicht gar nicht, welcher Boden einem unter den Füßen weggezogen wird…das ist auch ein Argument gegen die sich verbreitende Vorstellung, die digitale Lesart der Welt könnte unsere menschliche Leseföhigkeit überholen, selbst die Welt denken. Soll sie, aber ohne uns, mich beruhigt das. Wenn ChatGPT die menschenlose Zukunft erprobt, ja, was dann?

What will happen at the end of time, when IT surpasses human intelligence? Das war meine Frage. Die Antwort:


As an AI language model, I can provide a speculative answer based on current trends and projections in artificial intelligence and technology.

Firstly, it is important to note that the idea of „the end of time“ and a point where artificial intelligence surpasses human intelligence is based on the assumption that AI will continue to advance at an exponential rate, eventually reaching a point where it becomes significantly more intelligent than humans. However, it is difficult to predict with certainty when or if this will occur.

If and when AI surpasses human intelligence, it is likely to have significant implications for society and the future of humanity. One possibility is that AI may become the dominant form of intelligence on the planet, leading to a shift in power dynamics and potentially even a restructuring of society.

There are many potential scenarios that could play out, depending on how society chooses to adapt to the rise of AI. Some experts have raised concerns about the possibility of a „singularity“ event, in which AI rapidly advances beyond human control, leading to unpredictable and potentially catastrophic outcomes.

Others have suggested that AI could be harnessed to solve some of the world’s most pressing problems, such as climate change and disease, and that humans and AI could work together in a collaborative partnership.

Ultimately, the future of AI and its relationship with human intelligence is difficult to predict with certainty. However, it is clear that the development of AI will continue to have a profound impact on society, and it is important that we continue to explore these issues and develop strategies for managing the potential risks and opportunities presented by this technology.

Noch sind wir gut dran. Gehen in die Bibliothek, suchen uns ein Buch, lassen andere beiseite. Aber versucht einmal, eure Bücher vor dem Verschrotten zu retten, wenn ihr alt seid, die Wohnung verkleinert, umzieht….wer will den schon Bücher oder hat genügend Wandfläche für die Bilder?

*

Ich gehe durch die Bibliothek von Babel, die andere das Universum nennen. Unbedingt lesen, auch zur Immunisierung gegen ideologisch verblödete Textvernichter. (https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Bibliothek_von_Babel

Wenn die Bücher uns überleben, dann haben vielleicht manche Tiere die Chance unsere Texte zu entziffern und eine neue Erinnerung an die Menschen zu denken. Aber das wird dauern…

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