Vor dem Brandenburger Tor demonstrieren so genannte „Deutschtürken“ gegen die Armenienresolution des Bundestags. Sogenannt nenne ich sie, weil sie entweder türkische Deutsche sind, also Deutsche, oder Türken aus der Türkei. Darum geht’s mir aber nicht. Sollen sie demonstrieren. Was mich stört sind zwei Slogans „Allahu Akbar“ und „Groß ist die Türkei“. Vor allem in Verbindung mit einander. Gott ist groß, meinetwegen. Ihn für eine politische Einzelaussage oder einen Event groß sein zu lassen, ist entweder komisch oder gefährlich. Ich tendiere zum Zweiten. Gott als Zeugen für eine politische Meinung anzurufen, ist nach religiösen Geboten, die für alle drei monotheistischen Religionen gelten, blasphemisch; und säkular unsinnig, weil die Anrufung der Größe Gottes ja den Argumenten der Protestierer keinen Mehrwert verschafft. Blasphemisch, das kann man etwa am Zweiten Gebot der Gesetze vom Sinai genau studieren, und immerhin hat der Prophet die auch studiert – für irgendeinen weltlichen Zweck darf man Gott nicht in Anspruch nehmen (ich finde selbst das „so wahr mir Gott helfe“ der Eidesformel für völlig unangemessen, schon gar in der Öffentlichkeit).
Viele Politiker haben in den letzten Tagen Drohungen, Schmähungen und andere Angriffe wegen der Resolution auszuhalten gehabt. „Allahu Akbar“ erinnert mich in diesem Zusammenhang mit der christlichen Gewaltgeschichte: „Deus lo vult“, „Gott will es“, damit hat in Kreuzzugszeiten (1095 erstmals) gerechtfertigt, was nicht zu rechtfertigen war. Aber wenn Gott dahinter steckt….Das „Es“ stört mich, weil es alles beinhalten kann, was der Macht gefällt: auch Gewalt, Demütigung und Rechtlosigkeit.
Die Unverschämtheit der besagten (kleinen, unwichtigen) Demonstration liegt nicht in der Sache: sollen die ewig Gestrigen gegen die Geschichte mobil machen, wir werden uns zu wehren wissen (Cem Özdemir hat das übrigens im DLF am 2.6. sehr gut gemacht). Aber mich stört die Anrufung Gottes als Einmischung in die Öffentlichkeit einer Auseinandersetzung, in der kein Gott etwas zu suchen hat. Und wenn dann die große Türkei dadurch noch größer gemacht werden soll, müsste uns das nicht interessieren.
Vor so einem instrumentalisierten Gott muss man alle Menschen schützen, die sich unter den Schutz der Glaubensfreiheit begeben, den unsere Verfassung und unsere öffentliche Moral ihnen verspricht, versprechen muss.