Gerade wollte ich mich nach Köln aufmachen um am 11.11. um 11 Uhr endlich die ernsthafte Einbringung des Humors in die deutsche Leitkultur mit zu erleben, da hörte ich zum tausendsten Male die Verkehrsnachrichten: Stau in der Umgebung von Köln auf allen Verkehrswegen. Wie in Trance, um mich nicht in die täglich Blockierten empathisch zu versetzen, begann ich, der Frage auf den Grund zu gehen, warum im öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Verkehr auf die Beförderung von Menschen in Autos beschränkt wird, wo doch die Circulatio eine viel weitere und freiere Bedeutung aufweist.
Politisch war Herbert Wehners Wutausbruch nicht korrekt: „Sie sind ja so klug, Sie sollten sich auf die Verkehrsdebatte beschränken!“. Aber im Licht des weiteren Nachdenkens kann der Satz ja fast als Adelung der Phantasie des Angebrüllten verstanden werden: Kannst du über dein Verkehrsverhalten auch debattieren?
Wie im Straßenverkehr kann ja auch der Gefühlsstau Einfluss auf den Geschlechtsverkehr haben, wobei der Einfluss wiederum genau und sogar rasiert bildlich bei Wikipedia eingegrenzt wird. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschlechtsverkehr Dass dieser Begriff abtörnt, und manche lieber Sex sagen, schon ganz zu schweigen von den vielen Begriffen für die verschiedenen Verkehrssituationen, liegt auf der Hand. Ob der Kreisverkehr auf den Gruppensex hinweist, oder eher auf den Vollzug der seriellen Monogamie, sei dahingestellt. Sicher ist, dass neben der räumlichen Komponente – irgendwo muss der Verkehr ja stattfinden – die zeitliche eine große Rolle spielt: wann nämlich die Verzögerung, der Stau, ein Ende hat und die Verkehrsteilnehmer ankommen. Jeder kennt den Ruf des Beifahrers „komm schon“, wenn man bei grün nicht sofort losprescht. Der Verkehrsfunk sagt auch, in welcher Situation man mit wieviel Verzögerung zu rechnen hat, und das kann dem beliebten Stellungsspiel der freizeitlichen Sexualdiskurse nur praktisch dienen, oder wie die Wiki sagt: von wenigen Sekunden bis zu mehreren Stunden. Auch wenn man zu spät kommt, kann das verheerende Folgen haben und ruft die Verkehrsminister aller Denominationen auf den Plan.
Ach ja, ich wollte ja zum Karneval. Nun steh ich Stau und lese weiter:
„Im Jahre 1966 sah der Bundesgerichtshof den engagierten ehelichen Beischlaf unter Berücksichtigung des damals für die Scheidung geltenden Schuldprinzips als Ehepflicht an:[1]
„Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen (…) versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet. (…) Deshalb muss der Partner, dem es nicht gelingt, Befriedigung im Verkehr zu finden, aber auch nicht, die Gewährung des Beischlafs als ein Opfer zu bejahen, das er den legitimen Wünschen des anderen um der Erhaltung der seelischen Gemeinschaft willen bringt, jedenfalls darauf verzichten, seine persönlichen Gefühle in verletzender Form auszusprechen.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Ehelicher_Beischlaf)
Wenn ich mir die Flüche und Hupereien bei der Autobahnabfahrt in den Berufsverkehr anhöre, dann wird der verletzenden Form doch Hirn und Ohr geöffnet.
Nein, das ist nicht Karneval. Es gibt bei Verweigerung auch kein Schuldprinzip mehr. Bei der Zerrüttung muss man sich fragen, dass sie durch zu häufige Beiwohnung ebenso wie durch zu großen Gefühlsstau herbeigeführt werden kann. 1966…Leute, damals gabs kaum Staumeldungen außer vor unbeschrankten Bahnübergängen. Aber heute: wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, also war ich nicht auf der Karnevalseröffnungssitzung und habe mich nicht über die unsittlichen oder gar lustigen Zoten zum Thema aufregen können. Staat dessen könnte man auf die sozialen Folgen der Beiwohnungsknappheit verweisen, was im Übrigen gar nicht metaphorisch, sondern real ist.
Glaubt ihr, mir macht das Kreisen um diesen Verkehrsfluss Freude? Gerade unter dem Beischlaf-Hauptparagraphen steht genau ein Absatz, nur einer: Hamid Karsai, Präsident Afghanistans, unterzeichnete ohne parlamentarische Debatte am 2. April 2009 ein Gesetz zur Regelung des Familienlebens unter den Schiiten in Afghanistan, das laut Meldungen in der europäischen Presse in Artikel 132 „Ehefrauen dazu verpflichtet, sich mindestens einmal in vier Tagen den sexuellen Forderungen ihres Mannes zu unterwerfen“.[5] Das Gesetz wird auch in Afghanistan scharf kritisiert.
Sonst ist das alles uninteressant und das Hirn der aufgegeilten Leser bleibt in stabiler Seitenlage (die ist nicht aus dem Kamasutram, sondern aus der Jugendrotkreuzanleitung). Afghanistan…die Ehegesetze der meisten Länder sind entweder menschenfeindlich, meist frauenfeindlich, oder sie sprengen den Rahmen von Charlie Hébdo. Aber Afghanistan, das muss sein…weil wir ja wissen, was Deutschland mit Afghanistan zu tun hat. Preisfrage: warum „einmal in vier Tagen“? (ich weiß es, verrat ich aber nicht). Und warum Afghanistan hier angeführt wird, aber nicht San Marino, Kamerun oder Neu Seeland.
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Spontan beim Abhören der tägliche Verkehrsmeldungen assoziiert und mich hiermit jeder Kritik ausgesetzt. Aber im Stau stehen ist auch Zeitverschwendung, Lebenszeitverschwendung.