In Staub mit den Feinden Brandenburgs
(Heinrich von Kleist)
Keine Coronageschichte, ich bleibe mir treu. Ein Impftermin war nur der Anlass. Magdeburger Landstraße 228, in der Stadt Brandenburg an der Havel. Ums kurz zu machen. Ich war vergeblich dort, sie hatten nach dem Astrazenecaverbot für vier Tage keinen Impfstoff mehr…so, jetzt kommt die Geschichte.
Noch kam ich pünktlich in Brandenburg an, wollte eigentlich durch den mir bekannten Teil der Altstadt zur Magdeburger Straße wandern, weil ich diesen Ortskern, umhüllt von Bürgerhäusern, DDR Architektur und Nachwende-Postismus interessant finde. Du hast ja Zeit sagte ich mir. Fragte zur Vorsicht eine vermummte Brandenburgerin, wie ich denn am besten zur Landstraße käme … ach, das sei zu weit zu laufen, nehmen Sie die 1 oder die 6, Straßenbahnen gibt’s, ist ja keine Kleinstadt mehr. Durch die mir noch bekannten Stadtviertel, incl. Kirchen und Tramdepots…lohnt hinzuschauen. Es gibt nur eine Station an der Magdeburger, also steige ich aus. Hausnummer 2. Ich frage, wie lange ich denn zu laufen hätte…ja, schon eine halbe Stunde oder mehr. Schöne Umgebung, Gericht, Uni, Klinik und vor mir eine Umleitung, weil die große Brücke gesperrt ist. Ich versuche ein Taxi zu rufen. Wir sind ausgebucht für eine Stunde, nur Dialysepatienten. Ich stelle mich an den Straßenrand, autostoppen, an einer Ampel. Ein Wagen, Mama, Tochter, Enkelin hält. Ich erkläre ihnen mein Problem, und…o wunder, ja, dann steigen Sie ein. Durch die gesperrte Brücke eine Umleitung von ca. 4 km…und irgendwann kamen wir am Impfzentrum im Stahlpalast (!) an, offenbar die größte Halle der Stadt, im Industriegebiet. Neben mir bricht eine alte Frau in Tränen aus, für sie ist auch kein Impfstoff da. Na gut, denke ich, suchst du dir einen Bus zurück zum Bahnhof…den zu finden war nicht schwer, aber die Fahrt der Expresslinie dauerte fast eine Stunde, weil die Umleitungsstrecke ein einziger Stau war und ich die Wohnsiedlungen am Rand genau studieren konnte. Dass ich den Zug von hinten sah, war nicht mehr schlimm. Ich komme wieder.
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Das wäre für mich auch die Einleitung einer Ausflugsempfehlung in die Stadt Brandenburg. Wir waren da mehrmals, die Kirchen und die offen liegenden vielen Schichten einer wechselvollen Geschichte, mit einem deutlichen Abstieg nach der Wende und einer bemerkenswerten Auferstehung in den letzten Jahren. Von den hunderten prominenten Namen der Stadt seit tausend Jahren empfehle ich dem Gedächtnis nur Rudi Schurike und Loriot (man findet überall die von ihm inspirierten Möpse von Clara Walter). Brandenburg war auch eine Stadt furchtbarster Zuchthäuser.
Wer uns in Potsdam besucht, wird gerne mit uns eine wunderbare Radtour entlang der Havel nach Brandenburg machen, ca. 2 Stunden und entlang von großen mehr oder weniger attraktiver Vögel (Canada Geese) und Touristen.